Mittwoch, 22.6.2016. Eifel. Ja, wir haben merkwürdige Phänomene in unserer Zeit zu beobachten. Jedenfalls – sagen das die Medien. Oder – sagen wir mal so: sie tasten sich vorsichtig heran wie Margarete Stokowski (siehe Spiegel): sie hat eine ganze Reihe von Fragen, die sie wohl nicht wirklich beantwortet haben möchte. Nun – es gibt trotzdem Menschen, die das tun – in den Leserkommentaren. Es geht bei Frau Stokowski um Kritik, Hetze und Hass – und sie möchte die Leser mit ihren Fragen wohl irgendwo hinführen, wie ich den Kommentaren entnehme, gab es auch welche, die standen nach der Fragendusche völlig verwirrt im Wörterwald herum, hilflos und verlassen.
Es ist nur eine kleine Anekdote über einen kleinen Artikel, und doch stört daran etwas – eine unterschwellige Botschaft, die im Titel steckt: „Kritik“ wird automatisch gleich gesetzt mit Hetze und Hass. Ja – da sind wir im Jahre 2016 angekommen: wer die rechte Bundeskanzlerin aus der rechten CDU kritisiert, ist ein hetzender, hassender rechter Nazi. „Links“ gibt es in dieser Republik nicht mehr, für „Links“ schämt man sich im Lande des perfektionierten Turbokapitalismus – und was an offiziell „linker“ Kultur geduldet wird, sind Frauen wie Jutta Ditfurth, die mit ihrer hasserfüllten Rhetorik an die schlimmsten Eiferer des Dritten Reiches erinnern, Hand in Hand mit der Amadeu-Antonio-Stiftung, die ebenso kräftig an der „Nazifizierung“ elementarer kapitalismuskritischer Themen arbeitet oder eine (angebliche) „Antifa“, die mit Methoden aus dem Baukasten der SA und SS weit jenseits des jahrhundertealten linken, pazifistischen und dialogorientierten Selbstverständnisses für eine Kultur der Angst und des Schreckens im Land sorgen (und so nebenbei für den Ruf nach noch mehr „Sicherheit“ verantwortlich sind).
Es ist eine interessante kleine Welt, in der diese „Restlinken“ leben: sie besteht nur noch aus dem, was früher mal das „Establishment“ genannt wurde und Nazis in allen Farbschattierungen, vor denen sie das Establishment mit aller zur Verfügung stehenden Kraft schützen wollen, um dem Jobcenter zu entkommen – oder noch mehr Bücher verkaufen zu können. Aber – huch: ich äußere ja gerade Kritik – am herrschenden System. Das wird mir wieder den Titel „Nazi“ einbringen.
Dieses System hat natürlich mehr Angst vor „Rechten“ als vor „Linken“. Linke sind von Natur aus sehr friedliche, soziale, humanistisch gesinnte Gesellen, die nichts am Hut haben mit planmäßigen, militärisch geführten Feldzügen gegen staatliche oder gesellschaftliche Institutionen, Linke diskutieren gerne, bilden Konsens, suchen nach friedlichen Alternativen – Rechte schlagen gerne zu … gehen deshalb mit großer Begeisterung zur Bundeswehr. Oft: weil sie gar nichts anderes können, nie weitere Formen der Kommunikation gelernt haben noch zur Einsicht fähig sind, warum diese für alle einen Gewinn bilden. Was Rechte damit auch tun: sie greifen die Säule des Staatswesens an: das staatliche Gewaltmonopol – was letztlich dazu führen kann, dass das Personal der Plutonomie (der internationalen Wirtschaftsform der Superreichen, wir berichteten) nicht pünklich zur Arbeit kommt. Rechte meinen es Ernst mit ihrem Hass, ja: mir dünkt sogar, dass Hass ihre elementare Triebkraft ist, die – so mein Eindruck – oft aus mangelnder oder übertriebener Selbstliebe kommt. Es ist gerade ihr Hass, der Angst macht: Hass will schaden – schnell ist das geliebte Eigenheim des Herrn Direktors angezündet, der hoch geschätzte SUV zu Sondermüll gemacht, der Weg zum Arbeitsplatz mit Bomben gesäumt, die Ehefrau oder die Kinder entführt: Rechte kennen da keine Hemmungen. Ich meine: deshalb sind Nazis ja böse, oder? Weil sie ihre politischen Ziele hemmungslos mit Gewalt durchsetzen – aber noch nicht mal damit aufhören, wenn sie gewonnen haben, ihr Hass trachtet nach der völligen Vernichtung des „Feindes“.
Ja – der Hass. Verantwortlich für so viel Leid und Elend – und doch kaum erforscht. Woher stammt eigentlich dieses Gefühl? Woher stammt eigentlich diese neumodische Kultur, die von uns verlangt, jedes Gefühl sofort ausleben zu müssen? Wo ist eigentlich die Kultur geblieben, die uns zeigte, wie wir uns vom Tier unterscheiden – jene Kultur, die uns lehrte, Herrscher unserer Gefühle zu werden – und nicht ihr Opfer zu bleiben? Nun – im Rahmen der gezielten Züchtung des Konsummenschen brauchten wir ein Klima das „alles jetzt sofort – und zwar schleunigst“, und zur Produktion dieses Klimas brauchten wir einen Menschentypus, der von oberflächlichen Gefühlen durchs Leben getrieben wird, ohne selbst jemals ein eigenes Leben zu entwickeln … und der lebt seine Lust auf Kaffee, Sportwagen, Sex und Menschenhass gleichermaßen offen und sofort aus, so wie der es gelernt hat.
Hass – war meine erste philosophische Arbeit mit 17 Jahren im Rahmen einer privaten Philosophie AG, die ein junger Referendar für Recklinghäuser Schüler eingerichtet hatte, weil seine Erfahrungen zeigten, dass man Philosophie nicht in staatlichen Schulen lehren kann – sehr bezeichnend für des Land der Dichter und Denker (viel später merkte ich, wie sehr er recht hatte – doch das ist eine andere Geschichte). Ich horchte zu dem Thema in mich hinein – und erkannte, dass Hass etwas Reaktives ist, immer und überall (und lernte gleichzeitig, dass alle „All-Quanten“ unsinnig sind – doch das ist auch ein anderes Thema). Mir stand klar vor Augen: Hass entsteht dann, wenn etwas, dass man liebt, verletzt wird – und zwar dauernd. Lese ich heute philosophische Texte zum Thema Hass, so merke ich: die Wissenschaft ist immer noch nicht weiter (außer in Sonderfällen, wo Krankheiten definiert wurden, Psychopathen und Soziopathen, deren Hass gegen alles und jeden direkt aus ihrem Charakter entspringt).
Testen wir doch mal diese These. Warum wurden Juden gehasst? Weil sie für Reichtum standen (zudem für den Reichtum einer äußerlich solidarisch erscheinenden Elite), während das Volk sein geliebtes Leben in krasser Armut und erdrückender Verachtung ertragen musste (dafür waren Juden zwar nicht selbst verantwortlich, aber es gab genug interessierte Kreise, die von sich selbst ablenken wollten – und das bis heute erfolgreich tun). Warum werden Kinderschänder gehasst? Weil sie das verletzen, was Menschen am meisten lieben: ihre Kinder. Warum werden Arbeitslose gehasst? Weil sie die auf zwei Beinen daherkommende Anklage sind, dass in Deutschland wirklich nicht alles „gut“ ist, so, wie es die übersatten Schlipsträger gerne hätten – oder weil sie die Realität von schmerzvollen Zuständen zeigen, die einem selbst drohen könnten.
Auch heute noch würde ich die gerade aktuelle öffentliche Definition von Hass (siehe z.B. Zeno.org) auf dieses Problem des Liebesmangel zurückführen – man muss nur berücksichtigen, dass Eifersucht, gekränkte Ehre, Neid, Eigensucht Reaktionen eines narzisstischen Charakters sind – der ebenfalls von der allmächtigen Werbeindustrie mit großer Gewalt gefördert wird und sich großer Zuwachsraten erfreut.
Doch „Liebe“ – kann in unserer Zeit gar nicht mehr diskutiert werden. Das ist vielen bewusst – doch wird nicht mehr darüber gesprochen. Wer über Liebe reden will, dem wird ein Pornofilm gereicht, was als erschöpfende Beschreibung von „Liebe“ gilt … Liebe zur Landschaft, zu Kindern, zu Eltern, zur Musik, zur Malerei, zu Wolken, Bäumen, Blumen und Tieren, zu Idealen oder zur Arbeit – nicht mehr vorhanden, außer bei „sozialromantischen“ Spinnern. Reste davon finden sich noch im Fußball, wenn man sein Nationalfähnchen schwenkt – doch „Nation“ ist ein zufälliges, inhaltsleeres Liebesobjekt, nur wichtig für jene, die sich ihrer Selbst nicht hinreichend bewusst sind und deshalb „Deutscher“ sein müssen, weil es zum Menschsein nicht reicht und man sich ungern allein fühlen möchte.
Reden wir also nicht über die Liebe, reden wir über den Hass. Reden wir – über die Quelle des Hasses: die lieblose, willkürliche, systematische Ungerechtigkeit. Hierin ist Deutschland gerade wieder Weltmeister (siehe Huffington-Post):
„Denn obwohl es dem Land so gut wie lange nicht geht, wird die Ungerechtigkeit immer größer. In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Geld immer ungleicher verteilt. Sehr, sehr wenige Deutsche haben mehr als die Hälfte davon. Und ALLE anderen müssen mit dem Rest auskommen.
Diese Entwicklung ist laut einer internationalen Studie von 2011 sogar so stark wie in keinem anderen der 34 untersuchten Länder. Das muss man sich einmal vorstellen! Diese Ergebnisse sind seit Jahren bekannt und trotzdem spricht kaum jemand davon. Und eine aktuelle Untersuchung von 2015 zeigt, dass es noch schlimmer geworden ist.
Die Experten haben anhand ihrer Studien eine ganze Reihe an Katastrophen in Deutschland entdeckt, die ignoriert werden. Politiker und Wirtschaftsbosse sprechen nur davon, wie fortschrittlich und stark Deutschland ist. Natürlich tun sie das, denn sie werden immer reicher und mächtiger.
Doch wie kann es einem Land gut gehen, in dem jedes fünfte Kind unter der Armutsgrenze lebt? Das sind 2,1 Millionen (!) Mädchen und Jungen. Damit ist die Kinderarmut laut den Experten größer als in Ungarn und Tschechien.“
Wissen Sie, was sie da gerade lesen? Das ist „Hetze“. Versteht man aber nur, wenn man zu jenen gehört, die an den deutschen Zuständen gut verdienen – was die gesamte, angestellte Medienwelt betrifft. Hetze ist geeignet, „Hass“ zu produzieren – zum Beispiel bei jenen, die Kinder haben und wissen, was die Kinderarmut kostet: letztlich unser ganze Zukunft. Verinnerlichen Sie dann, dass man gerade eine Million junger Menschen aus dem Ausland importieren möchte, damit sie die Lücken füllen, die durch die Kinderarmut entsteht, dann können Sie auch verstehen, warum Heime für Asylbewerber brennen. Die Rechten reagieren so – während die Linken noch debatieren. Aber – die tun was. „Mach´, was zählt“ – so wirbt die Bundeswehr um Nachwuchs und erklärt nebenbei, dass Stalin und Mao recht hatten: es zählen nur Gewehre, nicht Worte. Gewinner ist, wer die Gewehre am besten einsetzt.
Hoffentlich noch nicht zu kompliziert? Erklärt und nämlich ein Phänomen, dass seit den letzten Wahlen die Republik umtreibt: Arbeitslose – selbst Ziel von Hass, Verachtung und Ausgrenzung durch sogenannte „gutbürgerlicher“ Schichten – laufen in Scharen zur AfD über (siehe Zeit), obwohl deren Politik nicht gerade ihren Interesssen dient. Früher wurden in der AfD sogar Professoren toleriert, die Arbeitslosen empfahlen, ihre Organe zu verkaufen, um Überleben zu können – so weit sind wir schon wieder, soviel Verachtung herrscht in den Köpfen der vom Steuerzahler fürstlich honorierten „Elite“.
Nun – früher (vor zehn Jahren) wurde ich dafür angegriffen, als ich sagte: Hartz IV wird den Rechtsradikalismus stärken. „Du kannst doch nicht allen Arbeitslosen unterstellen, dass sie rechtsradikal sind“ – hies es, und der Vorwurf war berechtigt. Ich kann aber vielen Arbeitslosen unterstellen, dass sie die Zustände und Verantwortlichen hassen werden, die sie in diese lieblosen Realitäten versetzt haben, schließe ich dann, dass „Rechte“ schnell „machen, was zählt“, so weiß ich, wem sie für eine Weile folgen werden – weil erstmal alles zerschlagen werden muss, was schmerzt, damit es besser werden kann.
Der Hass wird sich auch noch mehr ausbreiten. Moderne, junge, smarte, erfolgreiche Unternehmer arbeiten mit Hochdruck daran – wie Jeff Bezos von Amazon. Bei ihm klingen Kündigungen jetzt ganz frisch und „positiv“ (siehe Watson.ch):
„Wird jemand gefeuert, dann verschickt der Gruppenchef ein Mail mit folgendem Inhalt: «Team, wir wollen euch bloss mitteilen, dass Person X soeben erfolgreich abgeschlossen hat und wir sehr erfreut sind, dass sie nun ihre Superpower beim nächsten grossen Abenteuer anwenden wird.» “
Trifft dies einen 22-jährigen, mag man das noch gelassen hinnehmen – für Ältere hingegen ist es das soziale Todesurteil. Hören wir noch ein wenig hinein in die Sprache der Menschenfeinde, die sich immer offener ans Tageslicht trauen:
„Wie widerlich dieses Vorgehen sein kann, zeigt Lyons am Beispiel einer 35-jährigen Kollegin auf. Sie war vier Jahre lang für das Unternehmen tätig. Eines Tages erklärte ihr 28-jähriger Vorgesetzter, sie hätte zwei Wochen, um zu verschwinden. Am letzten Tag organisierte er eine Abschiedsparty für sie und verabschiedete sie mit Worten wie «Wir sind alle Rockstars» und «Wir werden die Welt verändern». “
Wenn jetzt Hass bei Ihnen hochkommt: nur zu, das ist eine natürliche Reaktion: hier wird die Wahrheit brutal vergewaltigt. Und „Liebe zur Wahrheit“ ist ein sehr edler Charakterzug, bringt Sie in die Nähe großer Philosophen. Wir merken schnell: nicht der Hass an sich scheint schlimm, sondern die Ursache, die ihn in die Welt setzt. Wer nur den Hass bekämpft, die Ursachen aber missachtet, der ist schnell in einer Situation, wo er Schmerzmittel bringt anstatt die Krankheit zu heilen.
Hass – kann man gezielt züchten. Man muss nur schauen, was die Menschen lieben (viele lieben „ihr Land“, was wir ja durch den Kult um unsere Nationalmannschaft gezielt fördern), und dies dann gezielt verletzen: schon bekommt man seinen Hass. Die Förderung dieses Hasses geschieht aber schon längst auf hochindustrielle Art und Weise, das haben – wie vieles andere auch – schon längst Roboter übernommen (siehe Zeit):
„Immer mehr Roboter wie Tay, sogenannte Social Bots, greifen mit Hetzkommentaren in die Leserdebatten der sozialen Netzwerke ein und lenken die Diskussionen im Auftrag obskurer Auftraggeber in eine bestimmte Richtung. Ganze Nutzerprofile werden von Computerprogrammen angelegt und mit Menschlichkeit und damit zugleich mit Glaubwürdigkeit erfüllt: Die Roboter-User posten erst von einem erfundenen Frühstück, dann etwas Belangloses über ihre „Freunde“ und schließlich Hetzkommentare etwa zur Flüchtlingskrise.“
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch ein wenig auf diese Problematik lenken – damit Sie sehen, welche Dimensionen der künstlich gesteuerte Hass annimmt:
„Wie viele Bots genau in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, weiß niemand, ihre Zahl dürfte aber gigantisch sein. Bis zu 20 Prozent aller Twitter-Nutzer, schätzt Hegelich, könnten Social Bots sein – mit stark wachsender Tendenz. Facebook schätzt die Zahl der Bot-Accounts weltweit auf rund 15 Millionen – eine enorme Zahl, die die sozialen Netzwerke zum fruchtbaren Nährboden für staatliche und terroristische Propaganda macht. Hegelich fand bei einer Auswertung von Twitter-Daten „gesicherte Erkenntnisse“ für 15.000 ukrainische Twitter-Bots.“
Ein spannender Artikel. Man würde sich wünschen, dass man mehr über die Konstrukteure und Auftraggeber erfährt, denn … es verunsichert etwas, in diesem Zusammenhang über „staatliche Propaganda“ zu hören.
Soll ich etwa den Verdacht bekommen, dass „Hass“gezielt gesät wird? Dass der Hass der „Arbeitslosen“, der sie zur AfD treibt, gezielt gesät wird (das der Hass auf Arbeitslose gezielt entfacht wurde, hatte andere Studien schon hinreichend bewiesen)?
Warum nicht: nach Noam Chomsky habe wir hier nur die Erscheinungsformen von Strategie Nr. 5 und 8 im Blitzkrieg der Lumpenelite gegen die Demokratie (siehe Nachrichtenspiegel) … und somit einen hinreichenden Anfangsverdacht, wer denn die ominösen Bots mit ihren präzise berechneten Hassbotschaften in die Welt sendet.
Und wir sehen, dass wir gar nicht beim endlosen Fragen stellen bleiben müssen – wir finden ganz leicht auch unangenehme Antworten.