Montag, 20.6.2016. Eifel. Sie merken doch auch, dass etwas schief läuft, oder? Auf der Straße zum Beispiel: die Leute werden immer gewalttätiger. Oder am Arbeitsplatz, wo sie von Jahr zu Jahr devoter werden müssen, um das Wohlwollen der Hierarchie zu erhalten. Oder daheim, wo man ständig mehr Mühe hat, dass die Gleichung Einnahmen – Ausgaben kein Minus am Monatsende aufweist. Oder in der Schule, wo die alten demokratischen Urwerte „Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung“ langsam der „hemmungslosen Selbstvermarktung ohne jede Verantwortung“ weichen. Oder im Fernsehen, dass von heute auf morgen neue „Feinde“ aus dem Hut zaubert. Ach ja – Fernsehen. Wissen Sie, was Mitarbeiter des Fernsehens selbst über die Qualiltät des Programms äußern? Sie werden es kaum glauben (siehe heise.de):
„Regierungsfromm, tendenziös, defizitär, agitatorisch, propagandistisch und desinformativ: Die ehemaligen NDR-Mitarbeiter Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam kommen im Telepolis-Interview zu einem vernichtenden Urteil, was die Fernsehberichterstattung angeht.“
Na – erkennen Sie Ihre Abendinformation wieder?
Oder die Politik. Linke Politiker machen eine 180-Grad-Wendung und bauen im Namen von „Reformen“ den Sozialstaat ab, eine aus der Friedens- und Umweltbewegung stammende Partei schickt das erste mal seit Hitler wieder Bomber ins neutrale Ausland, ihr „Superstar“ Fischer berät im Anschluss Automobilkonzerne, obwohl Autos nur Sondermüll auf vier Rädern sind, eine ebensolche Wendung erfährt die CDU, die von heute auf morgen zur großen „Pro-Asyl“-Partei wird – nach jahrzehntelanger Ausländerfeindlichkeit (bis hin zu den Plänen Helmut Kohls, die ansässigen Türken wieder aus dem Land zu entfernen). Völlig wirr das Ganze, oder? Währenddessen verfällt die Bevölkerung in eine Art Apathie – was nicht verwundert: Rechte machen linke Politik, Linke machen rechte Politik (auch die Linkspartei bewegt sich zögerlich in diese Richtung, wenn sie „Regierungsverantwortung“ hat): da soll noch einer mitkommen.
Das war mal anders – und zwar weltweit. Angefangen hatte es in den dreißiger Jahren in der führenden Supermacht der westlichen Welt, den USA. Dort hatte sich ein Präsident mit aller Macht gegen die Macht der Wirtschaft gestemmt, einen „New Deal“ entworfen und durchgesetzt (mit tatkräftiger Hilfe der Gewerkschaften und sympathisierender Bürger, die auf den Straßen standen, um Solidarität und Kampfbereitschaft zu demonstrieren) und der Oligarchie einen empfindsamen Stoß versetzt, nicht so hart aber ähnlich wirksam wie die Revolution von 1789. Darüber wurde viel geschrieben – weniger allerdings über die Operation Backlash – den Gegenschlag der Menschenhalter. Nun – ich nenne sie nur Operation Gegenschlag, wie sie intern bei „denen“ heißt, kann ich nicht sagen. Auch der König verriet den Rebellen nicht, wie er seine Gegenaktionen nannte – noch nicht mal, als man ihm den Kopf abschlug.
Sie könnten davon erfahren – nur: der Film, in dem die Geschichte erzählt wird, ist kaum bekannt – und natürlich gibt es keine deutsche Übersetzung dafür. Erst Recht keine große Werbung: jede Art von Aufklärung über die realen Machtverhältnisse dieser Welt wird von der „Elite“ (so wollen wir diese Gestalten mal eine Weile lang nennen, weil sie sich selbst als solche empfinden) als „Verschwörungstheorie“ diffamiert – womit sie jede Bestrebung schlecht reden, ihre Pläne und Schachzüge der Öffentlichkeit zu unterbreiten und damit gleichzeitig verbreiten, dass alle historische Entwicklung, jedes verabschiedete Gesetz, jede Strategie der Unternehmerverbände nur auf bloßen Zufall beruht und niemals irgendwelche Absichten hat, noch stecken konkrete Pläne dahinter: im Gegenteil – die hochbezahlten Fachkräfte, die die intelligentesten Menschen der Gesellschaft für viel Geld anwerben, Würfeln oder befragen Orakel, wenn sie Entscheidungen treffen … jedenfalls soll uns dieses Gefühl vermittelt werden. Verantwortung für alles Unheil hat nur – das hören wir oft genug – der Verbraucher. Er hat beschlossen, dass die landwirtschaftliche Selbstversorgung abgeschafft wird, er hat beschlossen, sein Leben in Fabriken und Großraumbüros fernab der Familie zu verbringen, ihm ist es zu verdanken, dass die Umweltschäden der kurzsichtigen Produktionsweise die gesamte Ökosphere vernichten, er will ein künstliches Leben, in dem er 14 Stunden täglich mit den Herausforderungen des Alltags beschäftigt ist – anstatt nur drei Stunden wie seine Brüder im Dschungel, er will ein von Autobahnen und Eisenbahnnetzen durchzogenes Land, überteuerte Großstädte mit schlechter Luft und chronischem Lärmterror, er will Fleisch aus erbärmlicher Massentierhaltung, pestizidversuchtes Obst und Gemüse oder mit Quecksilber verseuchtes Grundwasser – die „Elite“ fällt zwar die Entscheidungen (und zwar ALLE, seit dem 18. Jahrhundert), aber die Verantwortung dafür tragen nur SIE, der Feind der Schöpfung.
Der Film heißt „Requiem for the american dream“ und äußert Gedanken, die hierzulande schlicht verboten sind: er beschreibt den „Backlash“, den Gegenschlag der Geldmächtigen aus der Sicht von Noam Chomsky, der als einer der führenden Intellektuellen der US-Gesellschaft gilt und schon während der Studentenproteste der sechziger Jahre verhaftet wurden (siehe Filmstarts.de):
„In über einen Zeitraum von vier Jahren geführten Interviews verdeutlicht der Linguist und Philosoph Noam Chomsky wie wir zu einer nie zuvor dagewesenen Ungleichheit gekommen sind, indem er ein halbes Jahrhundert Politik nachzeichnet, die die Reichen zuungunsten der Mehrheit bevorteilt hat. Er warnt dabei vor einer Entsolidarisierung der Gemeinschaft und rüttelt den Zuschauer auf, für eine gerechte Zukunft einzustehen, die im letzten halben Jahrhundert aus den Augen verloren gegangen ist…“
Chomsky beschreibt die 10 strategischen Zielrichtungen der Geldelite zur Machterhaltung und Machtgestaltung, mit denen sie ihren Blitzkrieg gegen die Demokratie (meine Formulierung) führen, Ziele, die ich hier kurz erläutern möchte. Grundlage für die Operation Gegenschlag waren die viel gescholtenen Proteste in den USA der sechziger Jahre, wo eine ganze Gesellschaft auf die Straße ging und mehr Demokratie einforderte – mehr Rechte für Frauen, mehr Rechte für Menschen anderer Hautfarbe, mehr Rechte für Kinder, Schüler und Studenten … und gegen die renditeträchtigen Kriege der Regierung (allein der Vietnamkrieg hatte der Industrie Aufträge für 10000 Hubschrauber eingebracht: da war viel in die Taschen der „Elite“ zu verteilen). Ich möchte diese zehn Strategien für Deutschland und Europa mit eigenen Worten füllen, dies stellt also keine Inhaltsangabe des Films da, der sich speziell mit der Situation in den USA befasst (von der wir allerdings direkt und indirekt selbst betroffen sind).
Strategie 1: Reduziere Demokratie
Von „exzessiver Demokratie“ war damals in den Gutachten – auch der „liberalen“ Partei – zu lesen, und sie wurde als Gefahr empfunden. Wo käme man denn auch hin, wenn das Volk selbst entscheiden würde? Das weiß man seit dem alten Griechenland: das arme Volk würde entscheiden, dass die Superreichen was abgeben müssten. Es wäre vernünftig und sinnvoll – und würde der Wirtschaft einen gigantischen Schwung verpassen. Unmöglich? Das Geldvermögen der Deutschen liegt bei 5 Billionen Euro. Nehme ich davon 3 Billionen Euro für eine „Sonderabgabe Aufschwung“, kann ich jedem Deutschen 37500 Euro schenken. Das würde in dem Jahr eine Steigerung der Binnenwirtschaft um über 100 Prozent bedeuten – es gäbe mehr Steuereinahmen, mehr Arbeitsplätze, keine Armut mehr. Die Reichen verdienen auch sofort mit: die Verdienststrukturen sind ja weiterhin da. Doch das möchte man nicht – weshalb man die Demokratie „repräsentativ“ hält … und die Repräsententen durch Diäten reich macht, damit sie wissen, auf welcher Seite sie zu stehen haben. Darum ist dies Ziel Nr. 1: die Demokratie muss abgebaut werden, was dazu führt, dass 70 Prozent der US-Bevölkerung aktuell überhaupt keinen Einfluss mehr auf die Politik haben – in Deutschland und Europa dürften die Zahlen ähnlich sein: wir wählen nur noch die Kellner, aber nicht mehr das Gericht – die eigentliche Grundlage für unsere angebliche „Wahlmüdigkeit“.
Strategie 2: Ideologie formen
Dies geschah schon ab den fünfziger Jahren, für Deutschland hat dies Frank Schirrmacher in seinem Buch „Ego“ hinreichend beschrieben: was, wie und wo gedacht werden sollte, wird vorgeschrieben, die Diskurse in den Talkshows sind heftig – aber nur innerhalb eng gesteckter Grenzen. Es musste eine „Anti-Ideologie“ zur Hippie-Kultur gefunden werden – man schuf sie, in dem man den „Yuppie“ entwarf (samt einer industriell erzeugten und gesteuerten Musikkultur): junge Menschen, die mit drei Knopfdrücken zu Multimillionären wurden. Dies war zwar verbunden mit einigen Verlusten, weil die Deppen manchmal zur falschen Zeit den falschen Knopf drückten, doch diese Folgen waren angesichts des Nutzens egal: der Jüngling mit dem Maserati demonstrierte allen politisch Engagierten, was wirkliche, sichtbare Macht bedeutet und zerrüttete so die ganze ehedem rebellische Jugend: für einen Maserati bekam man 10000 treue, gehorsame Gefolgsleute, die auch „Yuppie“ werden wollten anstatt die Welt zu retten – das war ein preiswertes Geschäft, auch wenn es für die eine oder andere Bank den Untergang bedeutete. Nebenher fuhr man eine besondere Philosophie, die man in den Schränken degenerierter Zweige des amerikanischen Protestantismus fand: das „positiv Denken“ als Erfolgsrezept für alle Lebenslagen, welches kurz gefasst besagt: jeder bekommt das, was er verdient. Hat jemand Milliarden, ist er wohl so „gut“, dass er es verdient. Kriegt jemand Hartz IV, ist er so schlecht, dass er es eben verdient (von Auschwitz wollen wir hier gar nicht erst reden, eben so wenig vom Tod im Schützengraben, unter Bombenteppichen, dem Unfalltod oder durch Krebs – auch da gilt das Gesetz, das jeder bekommt, was er verdient). Diese Ideologie wird – beachtenswerter weise – gerade von der „Gegenkultur“ der Esoteriker verbreitet, findet aber auch weiten Anklang bei allen bedeutenden Unternehmensberatern (ohne dass sich da jemand über diese seltsame Allianz groß wundert). Nebenbei rückt er die Reichen an die Seite Gottes – je reicher, umso näher dran. Arme, Alte, Kranke, Ausgebeutete, Vergewaltigte, Ermordete hingegen … sind auf der Gegenseite zu finden. Und natürlich: selbst Schuld.
Strategie 3: Neuordnung der Wirtschaft
Geld braucht zu seiner Vermehrung gar keine Warenproduktion – warum als die Wirtschaft nicht so umbauen, dass die Finanzwirtschaft ein unheimliches Eigenleben führt – dazu müssen nur die staatlichen Regularien abgeschafft werden (was bei uns rot-grün erledigte – und dafür für Riesenverluste auf Seiten der Kleinanleger sorgte). In der Tat machten Großkonzerne wie „General Electric“ in Folge mehr Gewinn mit Finanzspekulationen als mit der Produktion von Strom – so irre das auch für die Volkswirtschaft war, die konkrete Werte anstatt virtueller Werte braucht. Das große Geld aber, die „Plutonomie“, wie laut Chomsky die Banken selbst das System nennen, braucht dies nicht. Das System „kapitalistisch“ zu nennen ist völlig falsch (obwohl alle gerne darüber reden): gehen Banken mangels erfolgreicher Geschäftstätigkeit (oder den Folgen extrem kriminellen Handelns) zwecks Rettung zum Sozialstaat, hat die mit „Markt“ und „Kapitalismus“ nichts zu tun: es ist der tyrannische Luxussozialstaat der Reichen … für Arme jedoch gelten andere Gesetze, lebensbedrohende Sanktionen bei mangelnder Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Mitarbeit bei der Bankenrettung.
Strategie 4: Umverteilung der Lasten
Wir kennen das sehr gut: der kleine Mann bezahlt über 50 Prozent seines „Gewinnes“ (das heißt: der sowieso schon mageren Erträge seiner Erwerbsarbeit) an den Staat – mit steigender Tendenz. Die Großkonzerne – wie Götter als juristische Personen unsterblich, ewig und mächtiger als Staaten – zahlen so gut wie nichts … oder bekommen noch etwas heraus. Dafür finanzieren sie die Wahlkämpfe der Parteien (wie unlängst bekannt wurde, mischen da auch deutsche Konzerne in den USA mit – siehe Managermagazin), liefern Pöstchen bei genehmer Politik (was sogar so weit geht, dass Ex-Bundeskanzler Beraterposten bei Rockefeller/Rothschild-Allianz erhalten – zu dieser Allianz, deren Erwähung schon dazu führen kann, dass man von elitären Kreisen als bekennender Nationalsozialist diffamiert wird, zu der Allianz siehe Spiegel). Noch praktischer sieht man das an den deutschen Autobahnen: während aktuell eine wahnwitzige Neuinvestition von 260 Milliarden Euro für den Ausbau der extrem umweltschädlichen Autobahnen geplant ist (siehe Spiegel) denkt man gleichzeitig an die Privatisierung der Autobahnen (siehe Spiegel), die komplett vom deutschen Steuerzahler bezahlt wurden und ihm voll und ganz gehören: ein Supergeschenk für jene, die sich Autobahnen leisten können von jenen, die gerne Beraterpositionen hätten, um auch endlich dazu zu gehören. Während die Gewinne krimineller Bankgeschäfte den „Bandenchefs“ und ihren Finanziers zufließen, zahlt die Verluste der Steuerzahler – sogar der Hartz-IV-Empfänger mit 19 Prozent Mehrwertsteuer.
Strategie 5: Zerstörung der Solidarität
Diese Strategie greift die Wurzel des Menschseins an sich an – und die Wurzel der Macht einer jeden Bevölkerung. „Einigkeit macht stark“ – wussten die Menschen seit Anbeginn der Zeiten, dem entgegen wurde die Philosophie des „alles für mich, nichts für die anderen“ gesetzt, der egomane, selbstverliebte, künstlich gezüchtet Konsummensch, der eine unheilige Lebenspartnerschaft mit seinem Fernseher einging, jenem „Herren“, der beschreibt, wie er zu denken, zu fühlen, zu handeln und zu entscheiden hat, wenn er weiter von den Herren der Welt als „Sieger“ betrachtet werden möchte. Gleichzeitig wird aber jener Verbraucher zum „Feind der Menschheit“ erklärt, denn nur er ist voll verantwortlich für alles Ungemach dieser Welt: Wirtschaftskrisen, Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Lebensmittelverseuchung und Weltkriegen. Mitleid – der klassische Urwert der westlichen Welt (und des Menschen an sich) wird als „Sozialromantik“ verächtlich gemacht, asoziales Verhalten zum Heldentum hochstilisiert: die Armen, Alten und Kranken rutschen in eine Kultur der Verachtung hinein, währen die Soziopathen und Psychopathen sich als Helden feiern dürfen. „Wettbewerbsfähigkeit“ ist das Zauberwort, mit dem man die Gewerkschaften im Zaum hält, „Hartz IV“ die Knute, die die arbeitende Bevölkerung zum still halten zwingt: jeder ist im Wettbewerb der Feind des anderen – wer altert, wird Feind aller.
Strategie 6: Kontrolle über Regularien
Wir hören das täglich, kennen das zur Genüge: es regiert nicht das Volk, sondern der Lobbyist – so erfolgreich, so offen, dass schon 60 Prozent der Deutschen die Mechanismen durchschaut haben und der Demokratie misstrauen – aber auch zu jenen gehören, die keinerlei Einfluss mehr auf die Politik haben. Wir haben Berichte genug darüber, wie Mitarbeiter der unsterblichen gottgleichen Großkonzerne in den Abteilungen der Ministerien sitzen, um jene Gesetze zu schreiben, die ihren Herren nützen – doch keinerlei Macht mehr, dagegen vor zu gehen.
Strategie 7: Wahlen dirigieren
Wahlen – machen nur Sinn, wenn es erkennbare Alternativen gibt. Heute jedoch begegnen wir in Wahlen gar keinen echten Politikern mehr, sondern nur noch Kunstprodukten der Werbewirtschaft, die zwischen den Wahlen Zahnpasta, Autos, Urlaubsziele und Schlafzimmer verkaufen. Der Politiker ist Ware, künstlich mit viel Aufwand gestaltetes Produkt, fernab jeglicher ideellen Motivation, die für Politik wesentlich sein sollte. Darum … haben wir die oben geschilderten Verhältnisse, in denen gar nicht mehr zu erkennen ist, welche Parteien welche Positionen durchsetzen wollen.
Strategie 8: Den Mob unter Kontrolle halten
1789 will man nicht noch mal erleben. 1918 auch nicht. Streiks, Protestmärsche, Sitzblockaden eben so wenig. Zur Ausübung von Geldmacht brauchen die Diener der Herren der Wirtschaft noch ein hohes Maß an Beweglichkeit im öffentlichen Raum: es wäre unschön, wenn „der Pöbel“, „das Prekariat“, „das Pack“ sich auf den Straßen versammelt um Stärke zu demonstrieren und den Verkehr aufzuhalten, hierzu gilt es vor allem, die Selbstorganisation der Bürger zu verhindern – also Gewerkschaften zu entmachten. Der Weg dazu ist einfach: man gibt ihrer eigenen „Elite“ Pöstchen im Aufsichtsrat, macht sie zu kleinen Reichen, die mit den großen Reichen mehr gemeinsam haben als mit ihresgleichen – so kriegt man sie „mit ins Boot“, um „alternativlose“ Reformen durchzusetzen, die in einer Demokratie nie Aussicht auf Erfolg hätten.
Strategie 9: Für Zustimmung sorgen
Genialerweise zerschägt man nicht nur die Gewerkschaftsmacht (die sowieso in Deutschland dank dem Vernichtungsfeldzug gegen Systemalternativen wie dem demokratischen Sozialismus oder der sozialen Marktwirtschaft enorm schwach und kaum überzeugend ist, weil sie vor Hartz IV nicht schützen kann), sondern entzieht jeglichem Widerstand auch das Personal, in dem man es in einer künstlich geschaffenen Welt gefangen hält, in der nur noch eins wichtig ist: sich selbst darüber zu definieren, was man kaufen kann. Aus dem Leitsatz „ich denke, also bin ich“ – woraus letztlich die Aufklärung, die undogmatische Naturwissenschaft und die demokratischen Revolutionen entsprangen, wurde „ich konsumiere, also bin ich“ – der Erwerb von zunehmend mehr und teureren Statussymbolen (in meiner Schulzeit noch von Lehrern als äußerst sinnloser, umweltschädlicher und persönlichkeitsverzerrender Akt schwacher Charaktere beschrieben – in einem Kolleg mit Schwerpunkt Wirtschaft) wird zum einzigen Lebenszweck der Menschen – was nebenbei dazu führt, dass Umwelt, Gemeinwesen, Familie und Kinder völlig aus dem Blick geraten. Paralell dazu … strebt man die Kontrolle über alle und jeden an, wer keinen Chef aus der Wirtschaft hat, bekommt eine Jobcoach der Arbeitsagentur, der ihn zurück zu der Aufsicht der Wirtschaft führt und sie übergangsweise so lange selbst ausführt, bis ein Chef gefunden wurde. „Bedürfnisse“ werden mit großer Geldmacht künstlich erzeugt, „Bedürfnisbefriedigung“ zum allein gültigen Fetisch erklärt, die jahrtausende alte Erkenntis diverser menschlicher Kulturen, dass die souveräne Herrschaft über die eigenen Bedürfnisse den Menschen ureigentlich vom Tier unterscheidet und eine wichtige Voraussetzung für Lebensglück überhaupt ist, wird völlig ausgeblendet.
Strategie 10 Bevölkerung an die Wand drängen
Eine Erkenntnis, die man seit dem Mittelalter hat (und die in den Blitzkriegen der Wehrmacht oder in Stalingrad bestätigt wurde): jede Armee, jede Macht kann leicht vernichtet werden, wenn man ihr die Lebensbasis Nahrung und Wasser entzieht. Selbst stärkste, bestens ausgerüstete, optimal geführte Kampfverbände werden hilflos, wenn ihre Versorgung nicht klappt: das Gleiche gilt für friedliche, revolutionär gesinnte (also: für Reformen eintretende) Massen. Darum muss der Sozialstaat sterben – und die Menschen gegeneinander geführt werden. Der Arbeiter soll den Leiharbeiter verachten, der Leiharbeiter den Ein-Euro-Jobber, der Ein-Euro-Jobber den Arbeitslosen, der Arbeitslose den Ausländer, der Ausländer den Asylbewerber, Eigenheimbesitzer sollen Mieter verachten, Mieter Obdachlose gering schätzen. Veganer sollen Normalköstler verachten, Atheisten die Anhänger von Religionen, Fußgänger Fahrradfahrer, Fahrradfahrer Autofahrer, Autofahrer den Fernkraftverkehr – so sind alle damit beschäftigt, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen, Lebensmittel, die in irrsinnigen Mengen fortgeworfen werden, werden für Arme knapp gehalten, um eine künstliche Not zu erzeugen, die das ganze System des gegenseitigen Hasses am Leben erhält … und beständig demonstriert, wie leicht und schnell man jeder revolutionären Bewegung die Versorgung kappen kann.
Erkennen Sie die historische Entwicklung der letzten Jahre wieder? Das Jahr 1976 als Startjahr habe ich willkürlich gewählt, es soll nur symbolisch für die „Operation Gegenschlag“ stehen, die in den siebziger Jahren von „der Wirtschaft“ in den USA gestartet wurde, weil – so offizielle Dokumente – „die Wirtschaft die Kontrolle über die Gesellschaft zu verlieren drohte“. Exzessiv wird dieser Gegenschlag seit dem 11.9.2001, seitdem ausgestattet mit großem Rückenwind durch den „Kampf gegen den Terrorismus“, der in schöner Regelmäßigkeit in Europa zuschlägt um Stimmung zu machen gegen die „schwache“ Demokratie, die durch etwas anderes ersetzt wird: der Herrschaft der Plutonomie, die an sich … gar nichts gegen Terrorismus unternimmt.
Dabei wäre es so einfach – weshalb ich diesen kurzen Ausblick auf den Blitzkrieg gegen die Demokratie (der in Deutschland seit 2005 läuft – aber lange vorher vorbereitet wurde) mit einer Alternative schließen möchte (siehe hafawo):
„Weltweit starren Manager fassungslos auf die Firma Semco: Was dort passiert, widerspricht allem, an was sie glauben. Die 3000 Mitarbeiter wählen ihre Vorgesetzten, bestimmen ihre eigenen Arbeitszeiten und Gehälter. Es gibt keine Geschäftspläne, keine Personalabteilung, fast keine Hierarchie. Alle Gewinne werden per Abstimmung aufgeteilt, die Gehälter und sämtliche Geschäftsbücher sind für alle einsehbar, die Emails dafür strikt privat und wie viel Geld die Mitarbeiter für Geschäftsreisen oder ihre Computer ausgeben, ist ihnen selbst überlassen.“
Wirtschaft so geführt, ließe keinen Platz für die Zunahme einer rechtsextremistischen Kultur des Hasses (was meiner Ansicht nach die eigentliche emotionale Wurzel für alle „rechten“ Kulturen ist) wie sie aktuell der geschildert wird (siehe Spiegel).
PS. das Foto zeigt eine explodierte Bombe aus dem Hürtgenwaldmuseum, Quelle: Autor.