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Rat Race & Rape Culture Club Köln – warum Frauen künftig eine Armlänge Abstand halten und einen Pfefferspray dabei haben sollten

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Fotoquelle: s.u.

Der Gewaltexzess am Kölner Hauptbahnhof sitzt uns noch in den Knochen. In einem WDR-Interview spricht der Konfliktforscher Andreas Zick von einer Stimmung der „pluralistischen Ignoranz“: In der Menschenmenge erschien plötzlich „vieles legitim, weil alle es tun“ – je mehr Männer mitmachten, desto normaler und richtiger erschien ihnen ihr Verhalten zu sein (Quelle: Redezeit WDR 5).

„Pluralistische Ignoranz“, ein seltsam anmutender Begriff für ein Phänomen, mit dem wir es vermutlich demnächst noch öfter zu tun haben werden – wir sollten ihn uns merken.

Wie kommt es aber in unserem Land der Dichter und Denker zu pluralistischer Ignoranz? Vorneweg, wer nicht will, dass sein aufgeklärtes Weltbild, das ihm von Kindesbeinen an durch Schule, Uni und Medien mit dem Löffel beigebracht wurde, ins Schwanken kommt, der lese hier bitte nicht mehr weiter. Denn ich möchte heute mal kurz mit dem Bohrer unserem faulen Zahn an die Wurzel gehen. Dass man sich mit Wurzelbehandlungen nicht beliebt macht, weiß ich. Leider läuft uns das, was man zum Beliebtmachen braucht – die Zeit, gerade davon. Sodass ich das Beliebtmachen also lieber altgedienten Profis dieser Disziplin überlasse wie Markus Lanz & Co.

Statt synthetischen Honig gibt’s hier aber ehrlichen, reinen Wein, versprochen – eingeschenkt von jemandem, der selbst eine streng-wissenschaftlich akkreditierte MINT-Ausbildung absolviert hat und in einem MINT-Beruf arbeitet, der also Mitglied im Club der toten Dichter ist und weiß wovon er redet, wenn er der MINT-Gesellschaft frecherweise etwas auf den Zahn fühlt.

Aber halt, festina lente, damit habe ich schon wieder zwei Stufen überhastet übersprungen und bin fast schon im Epizentrum des schwelenden Übels angekommen. Beginnen wir zuvor mit einer symptomatischen Episode aus dem Alltag:

Wer heute auf Kur fährt, setzt sich einem nicht unbeträchtlichen Risiko aus. Es könnte sein, dass während des Kuraufenthalts zwar seine Arthritis gelindert wird, er sich dafür jedoch mit geistiger Beulenpest infiziert hat. Als meine Lebensgefährtin diesen Sommer auf Kur war, gab es dort nicht nur Moorumschläge, sondern die Kurgäste wurden auch mit einigen psychischen Schlammpackungen eingewickelt. Für die erwachsenen Menschen gab es nämlich auch weltanschaulichen Unterricht: Ein DIN-ISO-zertifizierter akademischer Psychologe dozierte in einem – für alle Kurgäste verpflichtenden – Vortrag darüber, was nach derzeit herrschender wissenschaftlicher Meinung der Mensch sei. Wer meint, dass diese Frage heute ein jeder selbst beantworten könne, da uns ja schon im Kindergarten beigebracht wurde, dass der Mensch vom Affen abstamme, der irrt.

Laut neuester wissenschaftlicher Erkenntnis sind die Gene des Körpers, in dem wir uns bewegen, weniger dem Affen ähnlich, dafür aber umso mehr dem Nagetier bzw. seinem Prototyp – der Ratte.

Die meisten Zuhörer waren zwar etwas verdutzt, aber sie haben die neue wissenschaftliche Erkenntnis widerspruchslos internalisiert – so wie es heute eben Bürgerpflicht ist, alles was aus „streng wissenschaftlicher“ Quelle verlautbart wird, widerspruchslos zu akzeptieren.

Nach Ende des Kuraufenthalts, wenn die Kurgäste nach dieser Art von Fortbildung wieder zu ihren Rattenkindern, Rattenmännern und Rattenfrauen zurückkehren, wissen sie also endlich, wie sie mit diesen Artgenossen in adäquater Weise umspringen sollen. Auch warum die Rattenkollegen in der Arbeit und der Rattennachbar hinter der Thujenhecke sich manchmal so rattig benehmen, wird einem dank des zeitgemäßen, wissenschaftlichen Weltbildes nun erklärlich. Und irgendwann beim morgendlichen Rasieren vorm Spiegel dämmert dann vielleicht auch einmal die quintessentielle Kardinalerkenntnis: Warum sich denn eigentlich an irgendwelche Ethik und Gewissen halten, wenn der Mensch ohnehin nur eine glattrasierte Ratte ist und man voll Sch(p)aß dabei haben kann, wenn man seinen Ratteninstinkten folgt?

Jeder Mensch mit nur etwas Bildung wird jetzt über diese Gedanken schmunzeln. Aber er verkennt, dass er als Bildungsbürger inzwischen zu einer schrumpfenden Minderheit gehört, denn Bildung – das bekam man gestern. Heute gibt’s in Schule und Uni nur noch Aus-Bildung. Reine Nützlichkeit und raffinierte Intelligenz ohne Zeitverlust mit schöngeistigen Orchideenfächern wie anno dazumal. MINT eben – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik.

Goethe? – Ist laut Bericht im Focus heute eines der übelsten Schimpfwörter auf Schulhöfen und spätestens seit „Fack ju Göhte“ eine Lachnummer (mit über 7 Milllionen Besuchern einer der in Deutschland erfolgreichsten Filme des Kulturdynamos „Rat Pack Filmproduktion“). Wer seinen Schülern ein Goethe-Gedicht auswendig lernen lassen will, der handelt sich als Lehrer vermutlich eine Klage der wissenschaftlich-aufgeklärten Eltern wegen versuchter Nötigung und Beleidigung des herrschenden Zeitgeists ein. Auswendig aufsagen können die Youngsters hingegen die Texte von Bushido und den Gangsta-Rappern.

Shindy, ein Kompagnon Bushidos und inzwischen selbst eine Rat Pack Rap-Ikone, gibt sich in einem Interview sichtlich verblüfft über die Millionen an verkauften Tonträgern. Zuerst habe er nach der Produktion seines Albums gedacht, die Leute werden ihn womöglich für die Kacke, die er in die Öffentlichkeit abgeliefert hat, hassen. Aber schnell habe er gemerkt, dass sie ihn stattdessen dafür lieben und ihn auf Platz 1 der bundesweiten Charts hieven. „Voll krass, Mann. Da gehste abends aus deiner Bude und dann kommen dir Kids entgegen, die alle aussehen wie ich, Haare tragen wie ich, rasiert sind wie ich. Und das Telefon klingelt ständig, weil alle anrufen und dir sagen: Ey, Shindy, du bist der King.“ Shindy bleibt seinen Fans treu, in seinem neuesten Album „FuckBitchesGetMoney“ legt er nach und liefert die lyrische Lanzenspitze zum Todesstoß gegen die Reste an Goethe, die im deutschen Volke möglicherweise noch existieren. Von einem Pädagogen habe ich gehört, dass er einen (inländischen) Schüler in seine Klasse bekam, einen Shindy-Fan, der ihm zwar umstandslos erklären konnte, was „gangbang“ ist, der aber allen Ernstes keine Ahnung hatte, wer der Mann ist, der da an der Wand am Kreuz hängt.

Während wir älteren Semester also noch darüber lächeln können, dass der Mensch vom Wesen her ein Affe oder eine Ratte ist, da wir eben noch in klassisch-griechischer Weise zwischen Körper (Genetik), Psyche (Persönlichem) und Geist (Überpersönlichem) unterscheiden können – so hat nun eine unerwartet große Masse an jungen Menschen damit begonnen, mit vorgenannter (auf die bloße Physis reduzierter) Weltanschauung Ernst zu machen und ihr gemäß zu leben. Es wird nicht nur jeder Vernunft spottend gefrackt, vergiftet und kahlgefressen, die Ratte will auch tierischen Spaß haben. Im Leben nicht auch Spaß haben, sondern einfach nur Spaß haben.

Immer wieder begegne ich – teils extrem jungen – Menschen, die erzählen, dass sie sich nun mit irgendeiner Startup-Idee selbständig machen und damit ein paar Jahre lang richtig viel Kohle scheffeln wollen, um danach nichts mehr tun zu müssen sondern „einfach nur Spaß haben“ und Party machen zu können.

Der Essayist Götz Eisenberg meint daher, dass in einer Zeit, in der in den Straßen und Lokalen unserer Großstädte praktisch Dauerparty herrsche und es fast keinen Flecken mehr gebe, der nicht dauerbepoppt und -gerockt wird, es eigentlich grotesk sei, noch extra ein Karnevalsfest zu veranstalten. Wenn man schon Abwechslung zu dem öde gewordenen Alltagsexzess suche, dann müsse man eigentlich zu Karneval ein paar Tage der Askese veranstalten, in denen man Stille, Einkehr und Mäßigung praktiziert.

Jedenfalls braucht es uns nicht zu wundern, wenn die inmitten unseres Rattenrennens angekommenen nordafrikanischen und arabischen Migranten nun ebenfalls auf den Geschmack kommen, und ein paar Tassen grüne Schleimgrütze aus dem brodelnden Hexenkessel unserer UNTERhaltungsmaschinerie abschöpfen wollen. Erwarten wir uns allen Ernstes, dass die Migranten sich inmitten unseres Kesseltreibens einfach ruhig verhalten und sich den Tag mit Smartphonewischen vertreiben? Menschen, die den ganzen Tag über durch Flachbildschirme und Werbung mit dem brachialen Imperativ des Konsums, des Exzesses und unserer westlichen Werte abgefüllt werden, sollen sich dann draußen auf der Straße ruhig, gesittet und respektvoll verhalten? Nachdem sie en masse „lustige Gratisvideos“ in HD aus westlicher Werkstatt konsumiert haben, in denen Männlein mit Weiblein – und zur Abwechslung auch mit Hunden, Pferden und Schweinen (siehe Welt ) richtig tierischen Spaß haben können?

Nun, die griechischen Helden in Ehren, aber ich fürchte, das hätte nicht einmal Herkules durchgehalten, wenn er täglich einer solchen Gehirnwäsche unterzogen worden wäre.

Wobei diese Medieninhalte ja eigentlich bloß das Pulverfass sind. Ohne Zünder wäre ein solches Pulverfass relativ ungefährlich und man könnte darüber achselzuckend witzeln und an ihm vorbeigehen. Dem Pulverfass wird jedoch der Zünder eingebaut, indem den Menschen ein szientistisch-darwinistisches MINT-Weltbild beigebracht wird. – Was, MINT? Die MINT Wissenschaften sind doch reiner Ausdruck von Aufklärung und Effizienz und unser ganzer Stolz!

Ja, ich weiß. Aber so paradox es aus heutiger Sicht noch klingen mag: Wenn man später einmal rückblickend fragen wird, welcher Faktor denn ursächlich war, dass im 21. Jhdt. ein beträchtlicher Teil der Menschheit in Barbarei und Dekadenz gestürzt ist, dann wird man erstaunt feststellen: Es war die scheinbar „wissenschaftlich“-szientistische Aufklärung und Erziehung, mit der der Mensch ethisch-moralisch kahlrasiert und geistig kastriert wurde.

Das Credo dieser Aufklärung, ohne welche der Neoliberalismus niemals seine verheerende Kraft hätte entfalten können und ohne welche der neue Führer, den der Eifelphilosoph in seinem jüngsten Artikel bereits heranrücken sieht, niemals hätte inthronisiert werden können, lautete:

„Mensch und Welt sind nur geistlose Kohlenstoffzusammenballungen, ergo ist alles Wurst, ergo können Mensch und Umwelt nach reinen Effizienzkriterien ausgeschlachtet werden.“

Durch Verinnerlichung dieses uns von Kindheit an eingeimpften szientistischen Credos wurde das Kunststück zustande gebracht, dem Menschen den Faden zu sämtlichen kulturellen Errungenschaften und seiner geistigen Entwicklung durchzuschneiden. Das, womit unsere Literaten, Philosophen und Weisen in vormals so überzeugender Weise ganze Bibliotheken gefüllt haben, wurde damit kurzerhand kompostiert.

Was als inevitable Konsequenz folgte, war das, was man als Vorläufer der Zukunft schon in der Silvesternacht in Köln & Co. 2016 in konzertierter Form beobachten konnte: Ein Aussetzen des Gewissens und eine Vermassung des Individuums. Die in unseren Zehennägeln schlummernden animalischen Impulse übernehmen die Regie und veranlassen den dauerUNTERhaltenen MINT-Bürger loszuziehen und sich zu holen, was er haben will. Der Mensch animalisiert – was die streng-wissenschaftlichen Szientisten aber zunächst nicht erschrecken wird, sondern wodurch sie sich in ihrem vorgenannten Weltbild nur bestätigt fühlen werden.

Dem aufgeklärten MINT-Bürger zu verwehren, was er haben will, wird als Frevel angesehen werden. Das hemmungslose Ausleben des dunklen Impetus unserer Zehennägel wird ja bereits jetzt als Ideal angepriesen.

Wo sind wir denn? Triebverzicht und Mäßigung, das war im Mittelalter. Wer heute was auf sich hält, der lässt die Sau raus. Sogar aus der Sicht von Kirchenvertretern, die sich mit dem Problem des hochkochenden Triebes gewaltbereiter männlicher Migranten befassen, scheidet Triebverzicht jedenfalls von vornherein aus. Stattdessen wird von einem evangelischen Pfarrer in progressiver Weise eine zeitgemäße Lösung vorgeschlagen: Die sexuellen Bedürfnisse der Migranten könnten doch durch deutsche Gratis-Prostituierte befriedigt werden (siehe Bericht im Focus). Derzeit arbeitet der Pfarrer an der Finanzierung dieser Serviceleistung durch Crowdfunding aus den Geldbörsen mitfühlender Bürger und durch einen Appell an die Hilfsbereitschaft deutscher Bordellbesitzer: Auch die Bordelle könnten so ein „gutes Werk“ verrichten, „am Vormittag ist da eh nicht viel los“.

Frauen sei jedenfalls in einer Atmosphäre, die von Shindys Hits aus „FuckBitchesGetMoney“ aufgeladen ist, die bereits vom Bundesministerium gegebene Empfehlung nahegelegt, zu Fremden am Gehsteig eine Armlänge Abstand zu halten und eventuell einen Pfefferspray in der Tasche mitzuhaben. Denn es könnte sein, dass sich der obige Focus-Bericht bereits auf den Smartphones in den nordafrikanischen Ländern verbreitet hat (genauso wie sich der 2014 in allen Sprachen potentiell Interessierter, darunter Albanisch, Arabisch, Russisch, Dari, Farsi, Patschu und Serbisch gedrehte Asyl-/Immigrations-Werbespot des Bundesamtes für Migration in Windeseile im Netz verbeitet hat ) und viele Glücksritter nun auch gerne das „gute Werk“ neoliberaler Kirchenvertreter und Bordellbesitzer in Empfang nehmen würden. Wenn das Crowdfunding zur Finanzierung der weiblichen Servicefacharbeiterinnen aber doch nicht funktioniert, wo sollen die Glücksritter dann hin mit den bei ihnen geschürten Erwartungen?

„Pluralistische Ignoranz“ – wie schon eingangs erwähnt: dieses Wort sollten wir uns merken. Und zwar in Verbindung mit seinem scheinbaren semantischen Gegensatz, der aber in Wirklichkeit das perfekte Komplementärbild zu besagter Ignoranz ist: dem MINT Credo.

 

(Um Missverständnissen vorzubeugen: es geht mir überhaupt nicht um Aus- oder Inländer. Ich kenne viele Migranten, die sich für die Übergriffe ihrer Kollegen in Köln abgrundtief schämen und die mehr moralisches Ehrgefühl haben als so mancher Inländer. Wenn wir das MINT Credo beibehalten und einen auf „Fack ju Göhte“ machen, dann werden wir landesweit Szenen wie in Köln auch ganz ohne Ausländer erleben, sobald einmal kurz der Strom ausfällt.)

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Fotocredits: unten: “Another rat” by Hammertechnologies www.hammertechltd.com CC BY 4.0 Filelink

oben/intro: “Dumbo rat” by Oskila CC BY-SA 3.0 Filelink



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