Montag, 11.1.2016. Eifel. Lang ist´s her, dass ein junger Eifelphilosoph ins Kino ging – nur um Zeit zu überbrücken – und sich einem seltsamen Machwerk gegenüber sah: „Star Wars“ hies der Film. Um Gottes Willen, dachte ich – damals noch strenger Atheist – was ist das für ein Schund. Dabei war ich doch gerade so begeistert von der Entfaltung der demokratischen Zivilgesellschaft, die ich erleben durfte: wohin man schaute bildeten sich Bürgerinitiativen zu allen erdenkbaren Zwecken: die Republik hatte endlich das dunkle Imperium und seine Diener hinter sich gelassen, erprobte neue Arten des Zusammenlebens, neue Arten der Gestaltung der politischen Mitwirkung und neue Perpektiven der Lebensqualität … und dann das. Ein Märchen. Dann auch noch eins mit sehr bekannten, altehrwürdigen Schauspielern – aber sonst? Was hatte das mit Science Fiction zu tun? Sicher – positiv zu bemerken war: endlich sah auch in der Zukunft alles gebraucht aus – in der Zukunft, oder in einer längst vergangenen Zeit weit weit weg, was im Prinzip noch phantastischer war. Aber sonst? Die Raumschiffe machten lauten Krach im luftleeren Universum – man war erinnert an Filme aus den dreißiger Jahren, wo Realitäten noch jenseits der Physik spielten. Und dann die faschistische Symbolik: manche „Sturmtruppen“ trugen schlechte Kopien des Nazi-deutschen Mg 34, Darth Vader trug einen modifizierten deutschen Stahlhelm, seine Offiziere Uniformen, für die die Uniformen der Wehrmacht Pate gestanden hatten – oder die von Hugo Boss entworfenen SS-Trachten. Ansonsten: eine Prinzessin, ein alter Zauberer, ein Strahlemannheld, als böser Drache ein fieser Kunstmond – nach Jahrzehnten der Aufklärung waren Grimms Märchen wiedererstanden.
Ein Film, den man schnell vergessen sollte. War peinlich, in ihm gesehen zu werden.
Nur … er berührte die Herzen der Menschen. Ich verstand nicht, warum. Was ist eigentlich an einem blöden Märchen dran, dass die Menschen so faszinierte, dass man sogar Fortsetzungen drehte? Drehten alle wieder durch?
Nun – ich wurde älter, lernte dazu: vor allem jene Erkenntnis, dass Atheismus Urteile fällt, zu denen der Mensch gar nicht in der Lage ist – was prinzipiell auf ein Dogma hinweist … welches sich mit der Liebe zur Weisheit, der Philosophie, nicht vereinbaren läßt. Ich fing an, das Phänomen „Religion“ zu studieren, weil ich es nicht verstand … und näherte mich ihm von einer Seite mit großer Bodenhaftung: durch Märchen. Jung und Naiv wie ich war, dachte ich: ich fange mit den kleinen Göttern an, mit Elfen, Gnomen und Zwergen – und geriet prompt in eine wissenschaftlich abgesicherte Welt, in der diese Gestalten erlebbare Realität waren …. jedenfalls für ethnologische Feldforscher in Afrika. Es war die Zeit, als sich die Philosophie mit dem „Irrationalen“ auseinandersetzte – etwas, dass vom Imperium heute verboten wird, obwohl seine Führer und Trainer gerne darauf zurückgreifen.
Es war ein Hinweis darauf, dass sich unsere Gesellschaft ebenfalls ihre Mythen und Märchen schafft (bezog sich speziell auf die Beatles), der mich zurück zu George Lukas und seinen Märchen brachte … und zu der Erkenntnis, dass dieses Märchen aus einer gewissen Perspektive brandaktuell war. Während der Beschäftigung mit den „kleinen Geistern“ – auf dem Weg zum „Großen Geist“ – hatte ich mich in die „kleinen Religionen“ verliebt: die Religionen der einfachen Menschen, der Indianer, Schamanen und alten Tibetaner, der Griechen und Germanen, der Ägypter und Sumerer – kurzum in die Welt der Mythologie, jenen Geschichten, die so viel älter waren als die modernen Weltreligionen, die sich hemmungslos ihrer Erfahrungen und Weisheit bedienten. Ich merkte, dass unsere Art die Welt zu sehen – die moderne, angeblich aufgeklärte – eine sehr isolierte und in der Menschheitsgeschichte erstmalig vorgekommene Theorie war, eine, die aus der Sicht des Mythenforschers finsterste Mythen wahr werden ließ – als ob alle die Werke des Horrorautors Howard Phillip Lovecraft gelesen hätten und aus seinen finstersten Gottheiten den großen Urschlamm samt dem wahnsinnigen Zufall schufen, Begriffe, die im System des Atheismus die Position und Wirkung von Göttern eingenommen hatten. Es waren aber häßliche Götter – so häßlich und vernichtend wie das, was sie in der Welt anrichteten.
Auf einmal war ich wieder mitten drin in Star Wars, denn die Welt des Imperiums war unsere Welt, die Welt der Hierarchien und angeordenten Wahrheiten, der Einförmigkeit und Uniformität, die alle Herrschenden anstrebten, um den Überblick bewahren zu können. Es war das Geheimnis hinter allen Mythen und Märchen, dass sie große Geschichten durch die Zeiten transportierten – manchmal auch große Geschichten aus der Politik, die man aus Angst vor Verfolgung anders nicht erzählen konnte. Als Umweltaktivist nahm ich auch schon wahr, dass das Imperium (wir würden heute – im Sinne von Podemos – „die Kaste“ sagen) seine Versprechungen nicht wahr machte – im Gegenteil: die Umwelt wurde großflächig im Dienste der Technik vernichtet, wir sägten massiv an dem Baum, auf dem wir saßen.
Ich nahm wahr, dass die „Jedi-Ritter“ Vorfahren in der Welt der Sagen und Legenden hatten – und in der realen Welt des Schamanismus. Sie – diese keuschen Kriegermönche – erinnerten an die Dorfschamanen, die es weltweit gab – in verschiedenster Ausprägung. Ich denke: die Menschen … besser gesagt: ihr Instinkt … wurde von diesen Bildern angesprochen und man erinnerte sich an Zeiten, in denen die Welt für das Gemüt noch Heil war, in der „böse Geister“ für alles Unheil verantwortlich war …. und nicht der schlechte Mensch oder die böse Welt. Und gegen die bösen Geister, die Krankheit, Streitsucht, Krieg, Drogenmissbrauch und Lügen in die Welt brachten, gab es von der Natur selbst auserwählte Menschen, die als Heiler, Seher, Lehrer oder Geistkrieger mit den bösen Geistern rangen, sie vertrieben und so Heilung brachten – Jesus Christus war auch so einer. Star Wars – die Erinnerung an eine heile Welt, an eine Welt, die noch nicht aus den Fugen geraten war.
Warum heil? Nun – das Böse lag damals außerhalb des Menschen. War der böse Geist fort, der zu Missetaten anstiftete, konnte der Mensch wieder in der Gemeinschaft leben – man führte Krieg gegen böse Geister, nicht gegen böse Menschen. Heute ist das anders – und wir sehen an unseren Kriegen, welchen Preis wir dafür zahlen müssen. Und noch ein alter Traum steckte dahinter: der Traum vom guten König, der Traum von König Artus, der Traum der alten griechischen Philosophie, dass weltliche Macht mit Weisheit ausgeführt werden sollte – und nicht nur mit Effizienz und Gewalt.
Die Star Wars Saga wurde weiter erzählt, der böse Lord überwand die bösen Geister in sich selbst, rettete seinen Sohn und vernichtete den Imperator, die Republik konnte wieder erstarken, alles war gut.
Und dann änderte sich die Geschichte, ging weit in die Vergangenheit … und politisch präziser an die Gegenwart. Drei Spielfilme und gut hundert Zeichentrickfolgen lang wurde die Geschichte erzählt, wie die alte Republik durch böse Kräfte verändert wurde, wie aus einem kleinen, lieben Jungen ein böser, finsterer Lord wurde – durch Leid, Schmerz und Demütigungen. Ein kleines, menschliches Lehrstück, wie Menschen böse werden können – ohne ursächlich böse zu sein. Doch die Hintergrundgeschichte … entsprach der Zeit.
Die Republik – ein Bild der Gesellschaft des ewigen Friedens, der planetaren Zivilgesellschaft, die keine stehenden Heere kennt – wird von Konzernen zerstört. Bankenclan, Technologieunion, Handelsgilde haben sich verschworen, den demokratischen Zirkus zu beenden, der Kunden einfach zu viel Macht gab: große Geschäfte wurden versprochen … von dem, der später Imperator werden sollte. „Machtergreifung“ ist das Thema, ohne große Zaubertricks – aber durch viele Intrigen, Hinterhältigkeiten und ausgeklügelten Winkelzüge erobert sich eine einzelne Gestalt – unbemerkt von allen – die absolute Macht im Staate und rottet durch eine finstere Verschwörung mit einem Schlag alle Jedi-Schamanen aus, die so lange über den Frieden wachten. Doch nicht nur das: das Wissen um „die Macht“ (wir würden modern sagen: die Transzendenz … oder die Heiligkeit der Welt) wird ebenfalls ausgerottet. Die Welt … wird Maschine.
Wir kennen das – es ist unser Alltag. Auch unsere Schamanen wurden ausgerottet – bzw. ihre Kultur, weltweit. Wer von ihnen spricht – wie ich derzeit von den aktiven „Gesundbetern“ in der Eifel – wird massiv angegangen, weil er gegen die Ordnung verstößt. Anstelle einer kunterbunten, lebendigen Tradition des ewigen Lebens ist eine einförmige Kultur des ewigen Todes getreten, ein dunkler Kult. „Ewiger Tod“? Ja: das ist die Quintessenz des modernen Materialismus: auf ein kurzes Leben folgt ein ewiger Tod – die düsterste Vorstellung der Menschheitsgeschichte, durchgeboxt mit großer verbaler Gewalt … unter Ignoranz so mancher Fakten aus dem medizinischen Bereich.
Das war nun eine lange Vorrede, eine (viel zu kurze) Einführung in die mythischen Dimensionen eines modernen Märchens, das gar nicht so künstlich war, wie es erst erschien (siehe Star Wars):
„Genauso wie sich George Lucas bei der Entwicklung seines modernen Märchens bei einer Vielzahl antiker Quellen bedient hat, weist sein Einsatz gleich mehrerer Arten von Parallelismus darauf hin, dass er sich auch für die Struktur (oder Form) seiner Saga bei den Urahnen umgesehen hat.“
Doch jener George Lukas, der uns ein modernes Märchen erzählt hat, das uns half, uns als lebendige Wesen in einer modernen aber recht toten Welt zurecht zu finden, einem Märchen, das unserem Gemüt eine neue Hoffnung geben sollte, hat sein eigenes Imperium verkauft …. und es Disney gegeben, einem jener Konzerne, die … sagen wir mal: in Verdacht stehen, der Republik nicht wohlgesonnen zu sein – wie alle Konzerne. Was macht also der Konzern mit jenem Mythos, der über vier Jahrzehnte viele Menschen auf einen Pfad führte, der sie träumen ließ, dass es in der Wirklichkeit mehr Realitäten gibt als die Schulweisheit sich träumen läßt?
Als Teil des Imperiums verhält er sich auftragsgemäß und zerstört den Mythos.
Es hätte viele Möglichkeiten gegeben – und diese wurden von vielen freien Autoren auch genutzt – die Geschichte weiter zu erzählen: spannend, abenteuerlich, motivierend. Doch Disney wählte einen anderen Weg, der sich eher im Hintergrund abspielt … und jede Hoffnung vernichtet.
Der Film heißt „Das Erwachen der Macht“ – doch erzählt er eher das Ende der Macht. Nachdem man sechs Spielfilme lang mit dem Bösen gerungen und es niedergeworfen hat, ist es auf einmal wieder da: als unmenschliche Horrorgestalt auf einem riesigen Thron. „Widerstand ist zwecklos“ – so die Botschaft. Das Böse kommt immer wieder, es ist sinnlos, es zu bekämpfen – besser man arrangiert sich. Das erfährt auch der alte Held „Han Solo“, dessen Sohn ein Bösewicht geworden ist, der seinen rebellischen Vater ermordet. Das hat er nun davon, der alte Rebell. Es fehlt jede innere Logik – die zuvor so fein bedacht worden war – wo denn das Böse jetzt wieder herkommt. Musste es sich zuvor mühsam entwickeln, ist es jetzt einfach wieder da – ausgestattet mit einem ganzen Todesplaneten (wo vorher ein kleiner Mond reichte), der zwar auch zerstört wird, aber zuvor mit einem einzigen Schuss die ganze lästige Idee von einer Republik des ewigen Friedens zerstört. Ebenso schleichend die Botschaft, dass es gerade die mythischen Spinner sind, die das Böse lebendig halten: der neue böse Schüler der dunklen Seite wurde vom Helden der ersten Filme ausgebildet – einem Helden, der sich enttäuscht von der Welt und sich selbst zurückgezogen hat. Das hat er nun davon, der alte Rebell, dessen Schwester (bzw. „magischer“ Zwilling) immer noch in leitender Position für den Widerstand arbeitet (so, als wäre nichts geschehen) aber Mutter des neuen bösen Stahlhelmträgers, der „Exekutive“ der unbekannten Horrorgestalt ist.
Politische Paralellen zu unsere Welt? Gar keine mehr. Der erfolgreichste Film aller Zeiten vernichtet den Zauber der alten Filme, wird von einem sinngebenden Mythos zu albernem Klamauk und kunterbuntem Spektakel, das … „die Marke pflegt“. Das ist ganz im Sinne der „allgemeinen Kritik“, die beschlossen hatte, dass „Star-Wars-Fans“ geistig krank seien (bzw. einer Gehirnwäsche unterzogen wurden … siehe „Welt“): „gut aussehen und coole Dinge tun“ (so eine US-Moderatorin im zitierten Welt-Artikel) ist angesagt anstatt sich über die Machtergreifung der Konzerne, die Transzendenz der menschlichen Existenz oder „das Gute“, den Frieden und politische Intrigen Gedanken zu machen (dass dieses Subjekt der „Generation Doof“ Morddrohungen für ihre Aussagen bekam, kann ich nicht gut heißen – aber nachvollziehen: da sind Menschen sehr verletzt worden, die nach dem Guten streben – und einer besseren Welt; sowas ist aber nicht gern gesehen heutzutage).
Nun – George Lukas gefiel es auch nicht … war es doch auch einfach ein billiger Abklatsch einer zuvor schon billigen Geschichte (siehe Spiegel), doch nur einen Tag später entschuldigte er sich beim Imperium (siehe Spiegel): vielleicht war ihm klar geworden, mit wem er sich da gerade anlegte.
Auch wenn man die alten Geschichten nochmal erzählt, hat man viel Energie darauf verwendet, „die Macht“ zu Grabe zu tragen – und alle Hoffnung im Keim zu ersticken. Das passt zur Zeit … die ebenfalls alle Hoffnung auf Demokratie und einer Gesellschaft des ewigen Friedens aufgegeben hat, stattdessen „coole Dinge tut“ (was immer das sein mag – riecht nach Leibesübungen) oder „gut aussieht“.
Und währenddessen … wird die reale Welt immer dunkler, verläßt den Pfad der historischen Entwicklung, die die reine und praktische Vernunft vorgab, entfernt sich immer weiter von einer Gesellschaft des ewigen Friedens, die sie schon längst hätte sein sollen – immerhin hatten wir dafür vor 70 Jahren die Vereinten Nationen gegründet, unsere Form der „galaktischen Republik“. Es scheint, als ob eine böse Macht hinter den Kulissen wirkt, die den natürlichen Verlauf der Geschichte manipuliert, sie zurückdreht zu finsteren feudalen Zeiten, wo der Gutsherr noch allmächtig war … doch wir wollen mal nicht zu weit gehen mit unseren Gedanken, das gäbe Ärger mit dem Imperium und brächte uns auch den Verdacht ein, dass man uns einer Gehirnwäsche unterzogen hat.
Es reicht schon der rebellische Akt, diese Streitschrift unter die Rubrik „Politik“ zu stellen … das sei erstmal Widerstand genug.