Politik

Pegida, die Lügenpresse und der molekulare Bürgerkrieg

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Freitag, 23.10.2015. Eifel. Ich gebe zu: ich habe mich sehr geärgert. Auch über mich. Zum ersten Mal in meinem Leben kam mir „Ausländer ´raus“ (allerdings nur der eine) in den Sinn. Als mir die Medien berichteten, dass ein Herr Akif P. die Wiederinbetriebnahme der KZ´s im Zusammenhang  mit der aktuellen Flüchtlingskatastrophe forderte, ist mir kurzzeitig der Kragen geplatzt. Ich mag keine Katzenromane und bin mir bewusst, dass ich in einer offenen, demokratischen Gesellschaft leben, die sich ständig verändert, weshalb ich mit dem Macho-Gehabe des Katzenautors nichts anfangen konnte, doch mit diesem Satz hatte er eine Grenze überschritten – und zwar ganz weit – der man sich vor allem in Deutschland nicht mal ansatzweise nähern sollte: gerade hier wurde faschistisches Denken mal Staatsmacht, und alle machten mit. Wir sind definitiv ein gefährliches Pflaster für solche „Tabula-Rasa“-Philosophien und wir tun gut daran, sehr wachsam zu sein, damit sich der Holocaust nicht wiederholt.

Es dauerte jedoch nicht lange – die Empörungswelle in Deutschland wuchs gerade zu einem Tsunami der Selbstgerechten an – da erhielt ich Post von Freunden. Die Geschichte um den Herrn Akif P. war eine Lüge … bzw. eine bewusste Falschdarstellung. Das kann mal einem Medium passieren – doch hier betraf es die ganze deutsche Presselandschaft samt der kompletten deutschen Politik. Selbst Gregor Gysi schlug in die Kerbe und setzte sich dafür ein, dass solch ein Satz niemals irgendwo gesprochen werden dürfe.

Darf ich Ihnen den Satz mal zitieren … diesmal im Zusammenhang? Schauen Sie bitte in den Stern (siehe Stern):

„Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert“, mutmaßte Pirinçci. Die Zuschauer antworteten mit dem Ruf „Widerstand, Widerstand“. Nach einer kurzen Pause legte der Autor nach: „Es gäbe natürlich auch andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

Worum geht es? Der Redner unterstellt den Gegnern der Kundgebung, dass ihnen die KZ´s als Mittel gegen die eigenen Bürger fehlen, aus der Empörung über die Tatsache, dass ein Regierungspräsident in Kassel den Kritikern der aktuellen Politik die Ausreise empfohlen hat, somit den Eindruck hinterließ, dass die Politik in der Tat bereit und bestrebt ist, sich ein neues Volk zu besorgen. Er fordert definitiv nicht die Massenvernichtung von Flüchtlingen, Arbeitslosen, Moslems, Juden, Linken, Kommunisten oder sonstigen Mitbürgern, sondern drückt seine Besorgnis über die Mentalität der Staatsgewalt aus – so jedenfalls könnte man es formulieren, wenn man nicht diffamierende, manipulierende Meinungsmache betreiben möchte, die man Pegida tagtäglich unterstellt.

Wissen Sie, dass es wissenschaftliche Arbeiten über Pegida gibt? Ich war selbst überrascht (siehe Wikipedia):

Am 25. Januar 2015 befragten 15 Mitglieder der TU Dresden unter Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt 242 von 492 angesprochenen Pegidademonstranten, darunter nach festgelegten Quoten 30 % Frauen und 70 % Männer. Laut Patzelt war diese Umfrage zwar repräsentativer als andere, erreichte aber ebenfalls überdurchschnittlich viele ältere und eher mittig als rechts eingestellte Teilnehmer, da sich jüngere, als Neonazis oder Hooligans erkennbare Teilnehmer selten befragen ließen. Im Ergebnis stufte Patzelt rund ein Drittel der Pegida-Anhänger als „rechtsnationale Xenophobe“, etwas weniger als zwei Drittel als „besorgte Gutwillige“ und knapp ein Zehntel als „empörte Gutwillige“ ein.

Die absolute Mehrheit der Pediga-Demonstranten ist nicht rechtsextrem – allerdings gibt es bundesweit eine enorme Menge an rechtsradikalen Trittbrettfahrern. Wie in Deutschland üblich, genießen diese echten Rechtsradikalen einen besonderen Schonraum: niemand fragt nach den Organisatoren dieser Welle rechtsextremer Aktionen. Ich möchte auch noch eine andere Studie zitieren, die im Schluss den eindeutig rechtsradikalen Charakter von Pegida aufgrund persönlicher Beobachtungen (also: subjektiver Vorurteile) feststellt, dabei aber einige Fakten schlicht außer Acht läßt (siehe WZB.eu):

9,7 Prozent der Pegidateilnehmer sind der Meinung, dass man Moslems den Zuzug nach Deutschland verweigern sollte, im Vergleich zu 36,6 Prozent der Gesamtbevölkerung, die diese Meinung vertritt.

4,3 Prozent der Pegidateilnehmer befürworten einen Führer, der Deutschland mit starker Hand regiert – anstelle von 9,2 Prozent der Gesamtbevölkerung

5,2 Prozent sind der Meinung, dass der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten hatte – im Vergleich zu 9,3 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Merken Sie langsam, wie schräg das Bild wird? Gut – ich habe das gemacht, was die „Lügenpresse“ mit Akif P. tat: ich habe Dinge aus dem Zusammenhang gerissen. Es wäre aufgrund der Datenlage ein Leichtes,  Pegida als eine urdemokratische, weltoffene Bewegung zu deuten, die im Kern antifaschistischer ist als der Rest der Republik. Natürlich kann man aus den Fakten auch das Gegenteil machen – wenn es eine gewisse Absicht gibt. Seriös ist beides nicht.

Natürlich trifft man hier einen zentralen Kern der deutschen Kultur: den Holocaust – und die bis heute vieldiskutierte aber nie erschöpfend beantwortete Frage, wie so etwas in einem aufgeklärten Staat möglich gewesen ist. Hören wir dazu einen integrierten Immigranten, den Berliner Fraktionschef der SPD, Raed Saleh (siehe Tagesspiegel):

„Prägend für uns Deutsche ist der – hart erkämpfte – selbstkritische Umgang mit unserer Geschichte. Und dieser Aspekt unserer Leitkultur ist nicht verhandelbar: Wer den Holocaust und die deutsche Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder passiert, nicht versteht, kann nur schwerlich Deutscher sein.“

Was jedoch ist der Holocaust? Jeder hat sofort eine Erklärung parat: der Holocaust ist der Mord der Deutschen an den Juden … doch das ist viel zu kurz und in dieser Form eine erstklassige Ausgangslage für eine Wiederholung der Gräuel. Mir käme da eine andere Erklärung in den Sinn, die sich mehr auf „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ ausrichtet – und auf die Rolle des Staates. In erster Linie demonstriert der Holocaust, wie leicht ein Staatsapparat in eine Vernichtungsmaschine gegen die eigenen Bürger verwandelt werden kann, wenn sie – zufällig – ein Merkmal aufweisen, dass gerade nicht erwünscht ist.

Es war der gesamte Staatsapparat, der sich in die Dienste der Vernichtungsmaschinerie stellen ließ, weite Teile der Ärzteschaft begrüßten die eugenischen Maßnahmen (also den Massenmord an Geisteskranken), weite Teile der Bevölkerung sahnten bei der Enteignung der eigenen Mitbürger mit unerwünschter Religionszugehörigkeit gut ab, weite Teile der Presse übten sich in vorauseilendem Gehorsam und ließen sich widerstandslos gleich schalten. Man merkt: ich meide den Begriff „Juden“, weil ich dies schon für eine Verharmlosung dessen halte, was dort vorgefallen war. Als der Staat in seiner Macht sich gegen die eigenen Bürger wandte (ich möchte hier jüdische Mitbürger in erster Linie als Menschen begreifen, in zweiter Linie als Deutsche und erst in dritter Linie als Juden), begann er einen kannibalistischen Akt, der sich jederzeit wiederholen kann.

Es war der Staat, der Konzentrationslager errichtete, es war der Staat, der all seine Macht zur Vernichtung der jüdischen Mitbürger einsetzte. Die NS-Zeit hat uns gezeigt, wie leicht und unproblematisch sich der Staatsapparat in eine Vernichtungsmaschine verwandeln läßt – und es macht viel Sinn, dass wir uns an dieses Erbe erinnern, anstatt uns auf Oberflächlickeiten wie rechtsradikale Symbole oder ausufernde Nationalität zu konzentrieren, die wir bei Briten, Franzosen und US-Amerikanern ganz in Ordnung finden, ohne diese Länder gleich als Nazihorte zu definieren.

Zur NS-Zeit gehört auch ein Phänomen, dass uns heute wiederbegegnet: gerade im Falle des Akif P. Gemeint ist: die Gleichschaltung der Presse, die tendenziöse Berichterstattung, die mit Unterstellungen, Halbwahrheiten und krassen Lügen arbeitet und eine wichtige Begleitmusik zur Massenvernichtung lieferte. Stern, Focus, Spiegel, Tagesschau, Zeit, FAZ, Welt, CDU, CSU, SPD, die Grünen, die Linken – alle zogen an einem Strang, schlugen auf der Basis von Vorurteilen auf einen einzigen Bürger ein, der es gewagt hat, seine Meinung zu sagen, ein Deutschtürke, der darauf hinwies, dass dereinst der Deutsche Staat sich soweit von seinem Sinn entfremdet hatte, dass er sich selbstverletzend gegen die eigenen Bürger wandte.

Bevor nun alle Pegida-Anhänger jubeln: ich habe mir die Rede von Akif P. angehört, so gut es ging. Es war sehr anstrengend, da seine Redequalitäten für mich sehr anstrengend waren, und der Inhalt war derart abscheulich, widerlich und erbärmlich, dass auch ich es nicht zu Ende gehört hatte. Meine Absicht war ja auch nur, den Applaus wahrzunehmen, den es für seinen KZ-Vergleich gegeben haben soll – wie ich aus diversen Nachrichtensendungen entnahm. Der Eindruck der vermittelt wurde, war: tosender Applaus von 20000 Menschen. Die Realität: zögerndes Klatschen von ein paar Dutzend. Völlig vergessen wurde zu erwähnen, dass Pegida-Organisatoren die Rede selbst abbrachen.

Wir müssen uns hier auch einmal an anderen Fakten orientieren – falls Pegida-Anhänger wirklich in dem Maße ausländerfeindlich deutschnational sind, wie man ihnen vorwirft.

Wir leben in einer globalen Welt. Jährlich wandern 600000 – 800000 Deutsche ins Ausland (siehe Statista): eine Millionenflut von Deutschen stürzt sich in fremde Länder (von den Tourismusmassen mal ganz abgesehen), nimmt selbstverständlich das Recht in Anspruch, immer und überall freundlich aufgenommen zu werden, knapp 1,5 Millionen Deutsche leben derzeit beständig woanders (siehe Spiegel). Für den Tourismus mal Zahlen aus Mallorca, einer Insel mit 880000 Einwohnern, die allen 2008 von 4 Millionen Deutschen besucht wurde (siehe Mallorca.de), ohne dass ein Deutscher sich Gedanken über „Überfremdung“ machte – noch darüber, ob sein Bierbauch das ästhetische Empfinden von Einheimischen so sehr verletzt wie sich manche unserer Mitbürger durch traditionelle Kleidung aus anderen Kulturen verletzt fühlen … wie z.B. das Tragen eines Kopftuches.

Manche werden sagen, dass man Flüchtlinge nicht mit Touristen vergleichen darf, doch hier erwiedere ich: es geht um das Prinzip der Reisefreiheit, nicht um Geldflüsse, einer Freiheit, die wir gern und selbstverständlich in Anspruch nehmen und deshalb auch gewähren müssen – es sei denn, wir wollen die Mauern auch gegen Ausreise errichten: das wäre es dann aber auch mit unserem Wohlfühlfaktor „Export“.

Hier gäbe es auch eine gute Gesprächsgrundlage mit „rechten“ Mitbürgern … wenn man denn mit ihnen reden wollte, wie es in einer Demokratie üblich ist. Stattdessen … machen wir andere Beobachtungen (siehe Cicero):

„Genau deshalb aber ist die penetrante Empörung, die wir seit Wochen verfolgen können, infam. Vor allem aber ist sie brandgefährlich. Denn nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik wurde der Souverän (das Volk) in einer solchen Weise von den Etablierten in Parteien, Medien und Verbänden beschimpft.“

Beschimpft, diffamiert, diskriminiert, pathologisiert. Wir hatten diese Methoden schon mal. Es gibt sogar selbstdefinierte „Linke“, die gerne zu diesen Methoden greifen und auch an „Mahnwachen“ nichts bedenkliches finden und gern in undifferenzierter Pauschalpropaganda baden: „Wir gut, ihr schlecht“: die Grundlage jeder gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit.

Es gibt noch Menschen, die sich erinnern, wie die demokratischen Methoden waren – jene Methoden, die alle Menschen eines Landes in den Meinungsbildungsprozess einschließt und nicht – wie die NS-Diktatur – einen ganz besonderen Menschen nach Maßgabe des Kanzleramtes mit Staatsgewalt produzieren möchte (was die NS-Diktatur neben der Massenvernichtung der „anderen“ ebenfalls tat und heute gern vergessen wird, weil es genug Menschen gibt, die gerne ihre eigenen Menschen bilden wollen – z.B. als Dauerkonsumenten). Hören wir einem mal zu, einem Psychiater (siehe Deutschlandfunk):

„Die Beweggründe der Pegida-Demonstranten in Ostdeutschland müssten verstanden und analysiert werden, sagte Hans-Joachim Maaz, Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Beziehungskultur in Halle, im DLF. Eine Protestbewegung gegen Pegida, die lediglich „Wir gut, ihr schlecht“ transportieren würde, sei kein gutes Zeichen und führe zur weiteren Spaltung der Menschen in Deutschland.“

„Wir gut, ihr schlecht“: das Kerndogma jeglichen faschistoiden Denkens, die völlige Entwertung, Dämonisierung des Anderen, in der kein Gespräch mehr Sinn macht noch möglich ist. Doch wenn dies so ist: was macht man dann mit den anderen, mit denen man – wie sogar ein Rudolf Augstein meint – gar nicht reden sollte? „Die“ – verschwinden nicht einfach so, und wenn die von Grund auf Böse sind … ja, was kann man denn dann mit ihnen machen? Vielleicht Lager, in denen sie sich auf die richtigen Werte konzentrieren können? Und wenn die beratungsresisitent auf ihrer Meinung beharren? Und jeden Monat Kosten im Lager verursachen? Kosten, die „wir“ nicht mehr tragen wollen, was dann?

Die Antwort kennen wir. Wir Deutschen haben sie durchgezogen.

Laut einer Afp-Meldung haben 54 Prozent der Deutschen „große Sorgen“ wegen der Flüchtlingskatastrophe (siehe Yahoo): alles Nazis, die ins Lager müssen, weil man mit ihnen nicht reden darf? Oder Menschen, die weiter denken? Gemäß dem österreichischen Altkanzler Vranitzky (siehe Die Presse) wird die Freundlichkeit gegenüber den Flüchtlingen abnehmen, wenn sie zunehmend als „arbeitslos“ wahrgenommen werden, also zu einer Gruppe, die seit der Agenda 2010 „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ in Deutschland erleben musste (ebenfalls mit vereinzelten Forderungen durchsetzt, man solle sie in Lager sperren, wie es Hitler schon mit seinen Arbeitslosen getan hatte, oder öffentlich markieren, wie es den jüdischen Mitbürgern wiederfuhr). Arbeit ist unsere Religion (siehe FR):

„Praktisch jeder Mensch ist also gezwungen, einer Tätigkeit nachzugehen, die sich allein an ihrer Verkäuflichkeit misst. Dieser Zwang ist im Grunde nur zu ertragen, wenn man sich irgendwie mit ihm identifiziert und ihn quasi-religiös überhöht.“

Flüchtlinge sind in hohem Maße gefährdet, mit dieser Religion in Konflikt zu geraten, wenn sie nicht schnell genug spuren. Viele  haben – wie es das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen betonte – gar keine klar Vorstellung von dem, was sie hier erwartet (siehe NZZ). Millionen machen sich auf den Weg – in den Kältetod. Es ist eine einfache Rechnung: werden die Ursachen der Völkerwanderung nicht erkannt und folgerichtig angegangen, werden wir Unmengen an Toten zu beklagen haben. Eine Stern-Autorin, die die Flüchtlingstrecks begleitet, weist darauf hin (siehe Stern):

„Wir diskutieren unterdessen im Warmen über die Misere. Meine Freunde erzählen, dass sie erschrocken sind, weil selbst in ihrem Freundeskreis, die Stimmungsmache gegen Flüchtlinge Einzug hält. Mich macht das unruhig. Denn es ist kein großes Geheimnis, dass es Tote geben wird, wenn sich die Lage nicht bald entspannt. Sitzen die Menschen auf dem Balkan fest und schaffen es die Länder nicht, Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das erste Kind erfriert.“

Sie benennt auch die Ursachen:

„Als weltweit drittgrößter Waffenlieferant trägt Deutschland zur Verlängerung der Krise im Nahen und Mittleren Osten bei. Auch in Punkto Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern haben wir nicht nachhaltig und entschlossen agiert. Die Wahrheit ist: Wir haben nicht einmal den zugesagten Teil der Gelder bereitgestellt. Gleiche Zögerlichkeit gilt für die Bekämpfung des Klimawandels.“

Kein Wunder, dass da ein Sündenbock her muss – mit aller Gewalt. Früher waren die Juden der Sündenbock, später der faule schmarotzende Arbeitslose, jetzt Pegida – oder der Ausländer, es stehen mehrere Böcke zur Auswahl bereit.

Wissen Sie, woran mich das erinnert? An Hans-Magnus Enzensberger und seine Aussagen über den „molekularen Bürgerkrieg“, hier zitiert aus einem Artikel des Jahres 1993 (siehe Spiegel):

„Auf diese Weise kann jeder U-Bahn-Wagen zu einem Bosnien en miniature werden. Für das Pogrom sind keine Juden, für die Säuberung keine Konterrevolutionäre mehr nötig. Es genügt, daß einer einen anderen Fußballklub bevorzugt, daß sein Gemüseladen besser geht als der nebenan, daß er anders angezogen ist, daß er eine andere Sprache spricht, daß er ein Kopftuch trägt oder einen Rollstuhl braucht. Jeder Unterschied wird zum lebensgefährlichen Risiko.“

Dieser molekulare Bürgerkrieg – im Prinzip ein ebenso kannibalistischer Akt der Bürger an sich selbst, wie der Kannibalismus des NS-Staates – wird aktuell von einer breiten Front aus Wirtschaft, Medien und Politik gefördert – was leicht fällt in einer Gesellschaft, in der hauptsächlich private Journalistenschulen den Großteil der meinungsbildenden Journalisten erziehen … und gleichschalten.

Nun Akif P. wird nach einer gezielten, absichtlichen, gewollten Diffamierungskampagne das Land verlassen, in Folge der Kampagne wurde ihm auch seine Lebensgrundlage entzogen. Er hat dem Kartell der Besserverdienenden vorgeworfen, sie hätten gerne Konzentrationslager, um im Lande besser durchregieren zu können, das Kartell hat reagiert – und fördert weiter mit allen Kräften den molekularen Bürgerkrieg anstelle des demokratischen Dialogs.

Und das macht mir mehr Sorgen als ein Satz, der fürchterlich klingt, uns in seinem eigentlichen Zusammenhang aber daran hätte gemahnen können, dass wir Deutsche eine besondere Verantwortung haben, dass sich die NS-Zeit nicht wiederholt.

Stattdessen machen wir uns ihr durch die eingesetzen Methoden im Umgang mit politisch Andersdenkenden immer ähnlicher, denken uns immer weniger dabei … und jeder Unterschied zur Meinung des Kanzleramtes wird täglich mehr zum lebensgefährlichen (aber noch nicht tödlichem) Risiko.

Und die deutschen Medien? Brauchen sich wohl nach dieser Affäre nicht weiter darüber zu wundern, mit der Bezeichnung „Lügenpresse“ bedacht zu werden: ausgewogene, seriöse Berichterstattung sieht anders aus.

PS: für die Lügenpresse ein Wort zum Autor – bevor die sich wieder selbst was ausdenken. Ich habe keine Sympathien für Pegida, Patrioten sind für mich eine Sonderform von Idioten – schon immer gewesen. Ich fürchte keine Islamisierung des Abendlandes – allein, weil unsere Gesetzgebung dies nie gestatten würde. Wir hacken Dieben keine Hände ab, noch köpfen wir Straftäter … wir verkaufen den Henkern aber gerne Waffen. Ich habe islamische Feste besucht und fand die gelebte Spiritualität dort sehr beeindruckend: christliche Gottesdienste wirkten dagegen ziemlich tot und leer. Mag sein, dass wir dort ein Angebot bekommen, dass für viele sinnentleerte Bürger interessant sein kann. Und außerdem … fürchte ich mich – streng nach Adorno – mehr vor den Faschisten, die in der Maske der Demokraten umhergehen, als vor einer Hand voll nationalsentimentaler Parolenbrüller.

 

 

 

 



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