Dienstag, 7.7.2015. Eifel. Schon seit einiger Zeit denke ich darüber nach, etwas über Griechenland zu schreiben – doch schrecke ich immer wieder davor zurück: das müßte ein ganzes Buch werden, das schon veraltet ist, bevor es auf den Markt kommt. Kleiner kann man die Geschichte nicht schreiben, denn der Rahmen, in dem sich die Griechenlandkrise ereignet, ist sehr groß. Da müßte man zuerst die Rolle der US-Bank Goldman-Sachs näher beleuchten: ohne ihre raffinierten Tricks und ein paar Dollar nebenbei wäre Griechenland nie in der Eurozone gelandet (siehe Stern) – jener Eurozone, in der die raffinierten Banker von Goldman-Sachs schon längst eine enorme Macht ausüben (siehe Süddeutsche) … einer von ihnen kauft gerade Schrottpapiere in Billionenhöhe, ohne dass auch nur ein Politiker auf die Idee käme, ihn wegen Veruntreuung des Vermögens der Steuerzahler zu verhaften. Wirtschaftsmagazine wie „Wiwo“ sprechen deshalb schon jetzt von der Draghi-Blase und empfehlen die Flucht ins Gold (siehe Wiwo).
Es wäre die Rolle des IWF zu benennen, dessen Hauptaufgabe die weltweite Zerstörung der sozialen Infrastruktur ist, damit die fürs Niedriglohndasein auserwählten Individuen keine Rückzugsmöglichkeiten mehr vor dem kannibalisierenden Kapitalismus haben – mit dieser Strategie hat der IWF schon Jugoslawien und die Sowjetunion zerschlagen (siehe WSWS), ohne das man in den Medien der freiheitlichen-demokratischen Länder davon groß Notiz genommen hätte. Natürlich formuliert der IWF seine Aufgaben anders, öffentlich geht es um den „Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit“ – aber schon ein Grundschüler könnte verstehen, das hier der Tageslohn in den Textilfabriken von Bangladesh zum Maßstab für die weltweite Bewertung von Arbeitskraft wird: ein super Weihnachtsgeschenk für alle Superreichen und ihre Funktionseliten in Wissenschaft, Sport, Politik und anderen „Unterhaltungsformen“, die Arbeit immer billiger bekommen und deshalb immer superreicher werden – was wiederum zu großzügiggen Parteispenden, angenehmen Jobs und lukrativen Vortragshonoraren führt.
Ebenso gehört der Rückfall der Menschheit in den Naturzustand erwähnt – etwas, das in erster Linie nur Hobbes-Fans interessiert. Kurz gesagt – im Naturzustand sind wir alle frei und können tun und lassen, was wir wollen – zum Beispiel Griechenland vernichten. Der Gesellschaftsvertrag führt uns dazu, unsere persönliche Freiheit einzuschränken zwecks Bildung eines Gemeinwesens, dass uns mehr Sicherheit und praktische Freiheit gibt als der Naturzustand – so werden in der Theorie Staaten legitimiert. Seit dem die USA ihren Willen gegen alle Vernunft weltweit mit Waffengewalt durchsetzen, ist der Weltgesellschaftsvertrag (ehedem ehedem in Form der UNO angedacht) nicht mehr vorhanden, ebenso arbeiten Terroristen und Agenten großer Konzerne wie Goldman-Sachs an der Vernichtung sämtlicher Strukturen, deren Vernichtung für sie Gewinn abwerfen könnten.
Die Schwäche der Regierungen weltweit gegen die globalisierten Anarchisten ist den meisten Deutschen ein Ärgernis im Auge, weshalb sie die Existenz von Demokratie in ihrem Land nicht mehr erkennen, die Wirksamkeit dieser Räuberbanden zeigt sich an den PPP-Desastern (siehe die Dokumentation Der geplünderte Staat) … oder – wenn der Staat schon sehr durch Bomben und Terror geschwächt wurde – an Räuberarmeen wie der Organisation IS.
Ach ja – Anarchie. Heißt erstmal: Herrschaftsfreiheit. Ich gebrauche den Begriff hier nicht im Sinne der politischen Anarchie, sondern nur im Rahmen der politischen Theorie von Hobbes, der die Herrschaft von Räuberbanden noch live erleben konnte: hier ist der Anarchist also nicht der ethisch hochstehende Prediger der Freiheit des Menschen von Sklaverei jeder Art sondern der Verbrecher, der seinen Mitmenschen das Leben nimmt, um seins zu verbessern. Früher hießen die Straßenräuber oder plündernde Soldateska, heute – in starken Staaten – treten sie erstmal als Lobbyisten, Abmahnanwälte, Unternehmensberater und Anlageberater auf, erst wenn sie den Staat geschwächt haben, erlauben sie sich, plündernd, raubend und mordend mit ihren SUV durch die Städte zu ziehen. Doch doch – genau das ist ihr Ziel: sich selbst unter Ausnutzung der Schwächen der Mitmenschen zu bereichern.
Es gilt natürlich auch, eine Blick auf „die Märkte“ zu werfen, jenes Synonym für die unsichtbare Kraft, die uns alle bis ins Detail beherrschen. Sie bewerten die Griechenlandkrise sehr interessant (siehe Handelsblatt):
„Der Rat der Devisenexperten von Barclays, über Pimco bis hin zur Bank of Tokyo ist eindeutig. Sollte Griechenland in den Staatsbankrott gezwungen werden: Euro verkaufen. Kommt die Einigung mit den Gläubigern doch noch: Euro ebenfalls verkaufen. Denn was für den Kurs der Gemeinschaftswährung wirklich zählt, ist nicht etwa das finanzielle Schicksal des kleinen Mittelmeerlandes, sondern das Anleihekaufprogramm der EZB.“
Es wird soviel geschrieben über die Griechenlandkrise – dabei gehörte dieses Zitat täglich in die Tagesschau. Ob und wie Griechenland abstimmt, interessiert auf deutsch gesagt keine Sau. Das Schicksal Europas ist schon längst besiegelt, ob da eine linke Partei erfolgreich den Aufstand in einem kleinen Pleiteland tobt oder nicht, spielt keine Rolle. Immerhin hat man im Repertoire der Maßnahmen – demonstriert in Jugoslawien, im Irak, in Libyen, in derSowjetunion und jetzt in der Ukraine – die jederzeit jeden Staat der Welt destabilisieren können … auch Deutschland, wenn die Zeit reif ist.
Hier ist es eine eher kleine Meldung, die aufhorchen läßt (siehe Krone.at):
„Das „Nein“ der griechischen Bevölkerung zu weiteren Sparmaßnahmen hat bereits Folgen für griechische Internetnutzer. Sie können ab sofort den Bezahldienst PayPal nicht mehr nutzen und auch im iTunes App Store und Google Play Store keine Apps mehr kaufen. Amazon sperrt griechische Nutzer wegen der neuen Kapitalverkehrskontrollen in Hellas ebenfalls aus.“
So reagieren die echten, wahren Herren der Welt: sie sperren die Minderleister einfach aus. Denken Sie an das Zitat der Devisenexperten: das Schicksal jenes bekannt gewordenen Rentners aus Griechenland droht uns allen (siehe Handelsblatt), nein, es droht uns nicht: es ist uns sicher. Absolut sicher. Eventuell hat schon bald – ab Morgen – jeder Grieche Probleme an Bargeld zu kommen. Dann kommt der Hunger, die Kälte, die Krankheit, der Tod mitten im Leben. Eine Massenvernichtung aus Gründen des Renditegeizes, hauptsächlich getragen von der deutschen Nation, die noch NIE ihre Schulden bezahlt hat (siehe Zeit).
Natürlich gebe es Alternativen, Griechenland vor der Vernichtung zu bewahren – aber nur in den Augen jener, die nicht erkennen, dass die Vernichtung Griechenlands gewollt ist – so gewollt wie das Schicksal deutscher Hartz-IV-Abhängigen, die ihre Verarmung der ständigen Nörgelei des IWF über den deutschen Sozialstaat zu verdanken haben.
Fällt der Wert des Euro, werden wir zwar viel Sondermüll in die Welt exportieren können – doch können wir keine Rohstoffe mehr kaufen. Benzin zum Beispiel. Oder Bananen. Oder US-Serien für den Heimgebrauch – alles wird mit schwachem Euro unbezahlbar. Um die Gewinne der Anleger zu garantieren, werden dann auch die Löhne sinken müssen – wie sie es seit Jahrzehnten praktisch tun. Ja – da werden wieder einer „Reformen“ auf uns zukommen.
Es gibt kritische Stimmen, die sich zum Falle Griechenlands äußern und einen Sieg der Griechen über die Brüsseler Invasion sehen (siehe Zeit)
Die Troika, so der ehemalige Vizepräsident der EU-Kommission Günter Verheugen, „hat Athen wie eine Außenstelle Brüssels“ behandelt. „Cash gegen Reformen“ – dieses erpresserische Programm sei „gescheitert“.
Dabei ist „Cash gegen Reformen“ DAS Programm des IWF, dass weltweit den Räuberbaronen freie Bahn verschafft.
Der Sieg Griechenlands gilt noch bis morgen: bis das Bargeld alle ist. Dann beginnt das große Sterben. Wie die Devisenhändler schon sagen: es ist egal, wie die abstimmen. Also ob wir das nicht schon lange wüßten: wir stimmen je ebenfalls schon seit Jahrzehnten ab, ohne das sich unsere Lebensqualität verbessert.
Ach – man sieht: es ist müßig, über Griechenland zu schreiben. Es ist eine absolut unwichtige Krise, eine bedeutungslose Krise. Und für jene Mächte und Gewalten, die das griechische Drama inszeniert haben, interessiert sich keiner. Doch – einer. Die Zeit zitiert ihn (siehe Zeit):
Wie geht es weiter? Der Soziologe Wolfgang Streeck ist nicht der Einzige, der befürchtet, Europa werde unter Beteiligung von „autoritären neoliberalen Strategen wie Wolfgang Schäuble“ so umgebaut, dass die Brüsseler „Zentrale“ ungestört von oben durchregieren könne. Schrittweise würden die Wahlvölker in Marktvölker verwandelt und die Nationalstaaten in „Inkassoagenturen im Auftrag einer globalen Oligarchie von Investoren“. Die einzigen Kosten, die dabei entstünden, seien die „Kosten für Polizeieinsätze“
Wichtige Sätze, die die Triebkräfte der globalen Anarchie beschreiben: die Oligarchie der Investoren, die Regierungen ein -und absetzen wie sie wollen (siehe Spiegel):
„Der IWF tut in Griechenland jetzt das, was er in Afrika seit den Achtzigerjahren tut“, kritisierte der Analyst Robert Naiman vom progressiven Thinktank Just Foreign Policy. Hinter der Kreditpolitik des Fonds stecke auch diesmal der Versuch, eine Regierung zu stürzen.
Griechenland hat sich geweigert, Inkassoagentur zu werden. Eine gute Nachricht. Das alle anderen Staaten der EU weiterhin als Inkassoagenturen arbeiten – trotz „schwarzer Null“ über Autobahnmaut und Negativzins nach der Bargeldabschaffung rufen – bleibt unbemerkt.
Es ist wahrscheinlich nur Zufall, dass führende deutsche Nachrichtenmagazine nach der Abstimmung in Griechenland an die Zeiten der griechischen Militärdiktatur erinnerten. Auch eine Form von Polizeieinsatz. Die Welt hatte ja schon vor zwei Jahren erwähnt, dass sich viele Griechen die Militärdiktatur zurück wünschen. Ich denke … ihnen wird geholfen werden. Die gleiche Zeitung hatte sich ja auch schon fürchterlich darüber aufgeregt, dass dieser Grieche sein Volk befragen läßt – eine Aktion, die schon einem seiner Vorgänger sein Amt gekostet hat.
Das macht man nicht mehr: Politik gehört in die Hände der Politiker wie das Auto in die Hände des Automechanikers.
Und Geld?
Gehört in die Hände der Banken.
Machen Sie sich mal Gedanken darüber, wo IHR Platz in dieser Welt ist.
Im Übrigen wäre Griechenland leicht zu retten – wenn ein Wille dazu da wäre. Treeec wäre ein Möglichkeit dazu (siehe blog.treeec) – oder jener Weg, den man dem hoch verschuldeten Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglicht hatte.
Aber dazu braucht es einen festen Willen – und nicht die ständige Formulierung von Wünschen. Der Wille, der das Schicksal Griechenlands zu bestimmen trachtet, scheint mir da ein … sehr düsterer zu sein.