Montag, 8.6.2015. Eifel. Wenn Sie nur soviel Zeit zum Lesen hätten wie ich, dann wäre Ihnen dieser Satz sicher aufgefallen (siehe Spiegel):
„Es ist also ein Merkel-Monument, dieser Bau, dessen Verlauf man als eine Art Real-Zeit-Performance der Postdemokratie bei der Arbeit sehen kann: steigende Millionenkosten von 590 plus plus, ungewisser Ausgang, ein Prestigemann aus London, die Vermischung von Privatem und Öffentlichem, die letztlich nur zu einem Verlust an Öffentlichkeit führt, weil dort, wo einmal Platz war, jetzt ein Gebäude steht, das der Demokratie, die keine Paläste braucht, ein Palast ist.“
Es geht um eines der vielen öffentlichen Projekte, an denen sich viele schier endlos bereichern (die andere Formulierung für: „die Unsummen verschlingen“): das Berliner Stadtschloß. Ganz nebenbei fällt das Wort „Postdemokratie“ mit einer Selbstverständlichkeit, die verwundert – aber schon längst in aller Munde ist. Wir wissen, dass die Demokratie de facto vorbei ist, auch wenn sie de jure noch lebt – wenn auch in den letzten Zügen.
Wie kann das sein, dass wir das verpasst haben – dieses Ende der Demokratie? Wir sind doch so gut informiert – über Boris Beckers Ehe, über Veronika Feldbuschs Haare, über den Tod von Pierre Brice und aktuell über die personellen Turbulenzen in der Deutschen Bank, die uns Normalbürger im Prinzip überhaupt nicht interessieren, aber aktuell sehr breit getreten werden, weil sie von dem Gipfel der Unverschämtheiten ablenken: dem G 7 Gipfel im Schloss Elmau, einem Luxusanwesen der absoluten Oberklasse, wo ein Wochenende locker mal 1500 Euro für 2 Personen kostet.
Sie werden sich nun fragen, warum ich schon vor dem Ende des G-7-Gipfels etwas über den Gipfel schreibe. Ich kann Ihnen sagen, dass ich schon jetzt genug weiß, um deutlich sagen zu können: das offizielle
Endergebnis interessiert mich gar nicht mehr, für den heutigen Tag ist gar eine Idiotie der besonderen Art angedacht (siehe Spiegel):
„Erst das Vergnügen, dann die Arbeit: Nach lockerem Aufgalopp bestimmen das griechische Schuldendrama und der Konflikt mit Russland den ersten Tag des G7-Gipfels. Vor allem eine Frage macht die Runde ratlos: Was will Wladimir Putin?“
Hätte man ihn nicht ausgeladen: man hätte ihn einfach mal selber fragen können, anstatt nun die Kristallkugeln und Tarotkarten herauszuholen oder den Vogelflug nach Druidenart zu erkunden: was soll also diese künstliche Dramatik?
Überhaupt möchte ich die Fragerei viel früher ansetzen: was soll überhaupt dieses Treffen von sieben Staatsoberhäuptern? Welchem Zweck sollte dies dienen? Für Kontakte zwischen den Ländern bezahlen wir Außenminister und diplomatisches Korps – wozu also Geheimkontakte zwischen den Spitzenfunktionären der Länder? Angefangen hatte das 1973, als informelle Gruppe in der Bibliothek des Weißen Hauses in Washington, Hintergrund war die Aufkündigung des Goldstandards durch die USA … bzw. der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems, weil die USA gar nicht soviel Gold kaufen konnten, um die steigende Nachfrage nach Dollar befriedigen zu können, die sie benötigt hätten, um Sicherheiten für das Papiergeld zu schaffen.
Erfahren wir überhaupt, was dort besprochen wird? Hören wir mal genau hin (siehe Spiegel):
„Dann umschmeichelt der US-Präsident die Kanzlerin. Er würdigt ihre Führungsstärke und Freundschaft und preist die transatlantischen Beziehungen als „unverbrüchlich“. Deutschland und die USA hätten eine der stärksten Allianzen, die die Welt je gesehen habe. Sogar eine politische Botschaft für den Gipfel hat er noch parat: Man müsse sich gemeinsam der „russischen Aggression in der Ukraine entgegenstellen“.
Nach einer guten Stunde ist die Show vorbei. Merkel und Obama ziehen sich nach Schloss Elmau zurück zum Vier-Augen-Gespräch. Auch dort, so zumindest wird es anschließend offiziell verkündet, wird der Spionage-Ärger ausgeklammert. Themen seien der Ukraine-Konflikt und die Beziehungen zu Russland, die Nato und das Freihandelsabkommen TTIP gewesen, teilt ein Regierungssprecher mit.“
Eine der stärksten Allianzen, die die Welt je gesehen hat … aber wozu muss sich MEINE Bundeskanzlerin zu einem GEHEIMEN „Vier-Augen-Gespräch“ mit dem US-Präsidenten ins Zimmerchen zurückziehen – mit dem Versprechen, keine für die USA unangenehmen Themen zu besprechen … oder Themen, die zeigen, dass die „unzerbrüchliche“ Allianz ein klassisches autoritäres Dientsverhältnis ist: die USA rüpeln herum und wir gehorchen. Das allein schon ist ein Gipfel der Unverschämtheit – und keiner fragt sich, warum die beiden sich eigentlich nicht vor laufender Kamera unterhalten wollen. Was haben die zu verbergen? Gerade in solchen Mauscheleien liegt der Urgrund jeglicher Verschwörungstheorie, der allerdings schon generell darin gut begründet ist, dass sich hier Leute treffen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben – es sei denn, man will die Funktionäre mit Richtlinienkompetenz dazu missbrauchen, in den jeweiligen Ländern als Agenten einer fremden Macht zu fungieren.
Würde man solche Gespräche brauchen, wenn man bereit wäre, uns über die Inhalte in Kenntnis zu setzen? Nein, natürlich nicht. Gäbe es nichts zu verbergen – man könnte die Gespräche live übertragen. In einer Postdemokratie jedoch – braucht der Pöbel gar nicht zu wissen, was die Funktionselite im Nobelhotel bespricht.
Auch die wenigen Informationsbröckchen, die an die Öffentlichkeit gelangen, lassen tief blicken (siehe Spiegel):
„EU-Ratspräsident Donald Tusk hat in der Ukraine-Krise eine Aufweichung der Sanktionen gegen Russland ausgeschlossen. „Wenn jemand eine Diskussion über Änderungen am Sanktionsregime beginnen will, dann wäre das eine Diskussion über eine Verschärfung“, sagte Tusk kurz vor Beginn des G7-Gipfels auf Schloss Elmau in Oberbayern.“
Wer ist eigentlich dieser Mensch, dass er sich anmaßt, den führenden Politikern des „Westens“ ( zu denen wir jetzt Japan einfach mal mitzählen) vorzuschreiben, was maximal besprochen werden darf?
Hört man noch genauer hin, wird es noch gruseliger – aber man erahnt, warum man das Kanonenfutter (uns und unsere Kinder und Enkel) nicht an den Gesprächen teilhaben lassen will (siehe FAZ):
Barack Obama verfolgt eine Außenpolitik der Zurückhaltung, will amerikanisches Engagement in der Welt verringern. Europa steht für ihn nicht mehr an erster Stelle. Hätte man es sich früher vorstellen können, dass in einer schweren Krise mit dem Atomwaffenstaat Russland der amerikanische Präsident das Heft des Handelns in die Hände des deutschen Regierungschefs legt?
„Deutschland muss allein führen“ – so die Überschrift des FAZ-Artikels … und was sie führen sollen, wir auch schnell klar – jedenfalls, wenn es nach den Wünschen der ukrainischen Oligarchen geht: Krieg gegen Russland (siehe ntv):
„Kurz vor dem G7-Gipfel hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erneut vor einer „beispiellos großen Gefahr eines russischen Einmarsches“ in der Ukraine gewarnt. Deshalb seien im Kriegsgebiet mehr als 50.000 ukrainische Soldaten stationiert, deshalb würden die Rüstungsbetriebe der Ukraine im Dreischichtsystem arbeiten, sagte Poroschenko bei einer großen Pressekonferenz.“
Gut, dass ein Herr Tusk schon die Richtung vorgegeben hat: Verschärfung der Sanktionen gegen Russland, kurz auch: Krieg genannt. Gut, dass wir nun wissen, dass die USA sich zurückhalten wollen und die Führung des Krieges Deutschland überlassen – dazu braucht man noch nicht mal groß zwischen den Zeilen zu lesen.
Dieser Krieg ist auch ein Krieg der Postdemokratie gegen ihre Bürger – ein erfolgreicher Krieg, wie die Medien stolz berichten. Bayern sieht den größten Polizeieinsatz den das Land je erlebt hat (siehe BR), erst war von 17000, dann von 19000, jetzt von über 20000 Polizisten die Rede (siehe yahoo). Wozu? Nicht im Einsatz gegen Korruption und Steuerhinterziehung, gegen Drogen- Waffen- oder Menschenhandel, nicht zum Kampf gegen das ständig wachsende organisierte Verbrechen … sondern um dafür Sorge zu tragen, das Angela Merkel sich zu einem Preis von 360 Millionen Euro (siehe Handelsblatt) ganz luxuriös im Geheimen mit dem US-Präsidenten unterhalten kann – 260 Millionen teurer als das letzte Mal. Unverschämter geht es kaum noch – aber wir verstehen langsam, warum Georg Diez vom Spiegel so offen und ohne Widerspruch seines Chefredakteurs von Postdemokratie reden kann – einem Zustand, der der schreibenden Zunft klar vor Augen steht und dem sie ihre „Schere im Kopf“ zu verdanken hat.
Der „Zeit“ verdanken wir einen Ausblick auf weitere Ergebnisse – neben der Kriegsführung gegen Russland mit deutscher Führung (siehe Zeit):
„Auch das umstrittene transatlantische Handelsabkommen TTIP ist in Elmau zur Sprache gekommen. Laut EU-Diplomaten sollen nach dem Willen der G 7 bis Jahresende „ernsthafte Fortschritte“ bei den Verhandlungen zu TTIP erreicht werden.“
Der „Wille der G 7“ ist der Wille einer kleinen Gruppe von Verschwörern – ja, so nennt man nun mal Menschen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit Pläne für und mit anderen machen. Das ist regieren wie im Führerkult – von Oben nach Unten. Demokratie geht genau anders herum und bedarf auch nicht zweier kompletter Infanteriedivisionen, um die Heimlichkeit der Gespräche zu bewahren.
Sicher – man darf auch mal fromme Wünsche äußern. Es gäbe Themen, derer sich die Führer des Westens annehmen könnten – sehr ernster Themen (siehe Spiegel):
„Der globale Kapitalismus ist auf die schiefe Bahn geraten. Die Weltwirtschaft findet keinen Ausstieg aus der Schuldenmanie, befeuert von Ultrabilliggeld. Blase reiht sich an Blase, Crash an Crash, während Investitionen in Knowhow und Maschinen ausbleiben. Das Paradigma der vergangenen Jahrzehnte zu überdenken und dem System neue Leitplanken und Institutionen zu verpassen, sollte die ureigene Aufgabe der G7 sein.“
Aber die G7 haben ganz andere Ziele als den Kapitalismus wieder auf die gerade Bahn zu schicken – solche Aktionen sind nur einem Wladimir Putin zuzutrauen, der schon mal Konzerne enteignet, wenn sie auf die schiefe Bahn geraten.
Es ist auch kein Geheimnis, welche großen Veränderungen für die Bürger des Westens vorgesehen worden sind: das ganz große Abkassieren wird vorbereitet (siehe Handelsblatt):
„Dem Bargeld soll es an den Kragen gehen. In Dänemark will die Regierung den Zwang, Bargeld zu akzeptieren, teilweise abschaffen. In Frankreich dürfen die Bürger ab Herbst nur noch bis 1000 Euro bar bezahlen und nur noch wenig Bargeld mit sich führen. Auch in Spanien und Italien gibt es bereits ähnliche Obergrenzen für das Bezahlen mit Bargeld, in Griechenland liegt die Grenze sogar bei nur noch 500 Euro. Und renommierte Ökonomen, wie Willem Buiter, Chefvolkswirt der Citigroup, oder Kenneth Rogoff von der Harvard Universität, fordern, Bargeld gleich oder mittelfristig ganz abzuschaffen, damit die Notenbanken leichter negative Zinsen durchsetzen können, ohne dass die Sparer sich in Bargeld flüchten“
Negative Zinsen heißt: Sie müssen ihr Geld zur Bank bringen – und dort dürfen Sie dann Kosten für dessen Lagerung zahlen, so lange, bis alles Geld fort ist. Und wenn Sie dann dagegen protestieren wollen, werden Sie merken, dass die Übung Elmau ganz andere Fähigkeiten trainiert hat: die Fähigkeit, 20000 Polizisten gezielt an jedem Ort des Bundesgebietes einsetzen zu können, jeden Protest durch massenhaften Einsatz von Polizei zu ersticken – und ganz Unbelehrsame in ehemaligen US-Kasernen in neuen Verhaftungscontainern zu lagern (siehe NTV), Container, die neu angeschafft wurden, anstatt dass man die Inhaftierten – wie üblich – auf nahegelegene Polizeidienststellen verteilt.
Die Postdemokratie bereitet ihren Polizeistaat gründlich vor – und das seit 1973. Genau seit diesem Jahr ist allen klar, dass die Währungen mangels Substanz zusammenbrechen werden – und dass man dann die jeweiligen Regierungsfunktionäre zur Verantwortung ziehen wird, egal, wer das dann seien wird.
Währenddessen bricht der Kapitalismus zusammen – nicht wegen Griechenland, sondern wegen völlig unbeherrschbarer Mechanismen. Erstmal berichtet nur die „Welt“ darüber – über einen Verlust von 600 Milliarden Euro (siehe Welt):
„Der EZB-Chef hat mit seinen Worten auf der Pressekonferenz am Mittwoch an den Bondmärkten einen Wertverlust von rund 600 Milliarden Euro provoziert. Das geht aus Daten der Investmentbank Bank of America Merrill Lynch hervor, die täglich den Gesamtwert sämtlicher Anleihen berechnet.
Selbst absolute Haudegen sind geschockt von den Bewegungen. „Die Turbulenzen versetzen mich in Angst und Schrecken“, sagte Bill Gross, ehemaliger Chef des größten Anleihehauses Pimco, der heute bei Janus Capital einen angesehenen Bondsfonds managt, dem Finanzdienst Bloomberg.“
Wenn Profis geschockt sind – was sollen dann wir erst sein? Aber man merkt, warum das Bargeld abgeschafft wird: die Staaten brauchen Geld. Und solche Riesencoups plant man am Besten im Geheimen, abgeschirmt von den Opfern.
Über diese 600 Milliarden Euro Miese wird auf dem G7 Gipfel wohl nicht gesprochen, man will sich Griechenland widmen. Griechenland, dem man weiterhin große Mengen an deutschen Waffen verkauft (siehe Zeit) und das lediglich 318 Milliarden Euro Schulden hat (siehe Statista): im Prinzip also ein viel kleineres Problem darstellt, das groß aufgeblasen wird, um vom Zusammenbruch der globalen Geldjongliererei abzulenken.
Wissen Sie, was auf dem Gipfel der Unverschämtheit nicht besprochen wird?
Das Massensterben im völlig verarmten Griechenland – (siehe Tagesspiegel):
„Die Hälfte aller Ärzte in den öffentlichen Krankenhäusern und Ambulatorien wurde entlassen. Gleichzeitig verlor rund ein Viertel der Bevölkerung mit den Jobs auch ihre Krankenversicherung. Und selbst jene, die noch Löhne oder Renten bekamen, haben oft so wenig, dass sie die hohen Zuzahlungen für die Medikamente oder Behandlungen nicht zahlen können.“
„Wir müssen davon ausgehen, dass Tausende gestorben sind, weil sie nicht behandelt wurden.“
Die Säuglingssterblichkeit stieg um 43 Prozent (siehe Spiegel) – und um die Verschwörer vor diesen Fakten zu schützen, braucht man 20000 Polizisten … die man anderswo dringender gebraucht hätte.
Die Postdemokratie … ist teuer und tödlich.
Aber ihre Profiteure können in edelstem Ambietene zusammenkommen.
Das ist doch schon mal was.
Und zwar der Gipfel der Unverschämtheit.