Politik

Welt im Wahn: Afghanistan, Ukraine, Irak, Griechenland, Reebock und politisches Kleinganoventum

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Dienstag, 27.1.2015. Eifel. Lohnt es sich überhaupt noch, als normaler Bürger seine Gedanken öffentlich zu machen? Mehr geschieht hier ja nicht. Wir als kleines Nachdenkmagazin verfügen nicht über die Ressourcen, Korrespondenten in die Ukraine zu schicken – oder nach Afghanistan. Oder nach Reebock. Reebock? Ja, eine Addidas-Tochter, die die vor einiger Zeit selbst aufgekauft hatten. Die Meldung erschien im Oktober 2010 im Manager-Magazin – wahrscheinlich hat sie jeder überlesen, der nicht bei Reebock arbeitet . Der Artikel bringt mit einem einzigen Satz Licht in die Welt unserer modernen Wirtschaftsordnung (siehe Manager-Magazin):

Die Investorengruppe, zu der die in Hongkong ansässige Beteiligungsgesellschaft Jynwei Capital sowie Fonds mit Verbindungen zu der Regierung von Abu Dhabi gehören, seien der Ansicht, dass Reebok alleine besser aufgestellt sei, hieß es unter Berufung auf nicht näher genannte Insider.

Erstmal ist es ja schon Wahnsinn, welche Preise für eine Firma gezahlt werden, die Turnschuhe herstellt – aber was soll man machen: die Schlüsselindustrien sind schon alle verkauft. Der nächste Wahnsinn: das eine Gruppe von Geldanlegern (früher hätte man die „Sparer“ genannt – aber das klingt so trivial) sich eine milliardenschwere Firma kaufen kann – ohne auch nur die geringste Ahnung vom Turnschuhbusiness zu haben. Man weiß, wo das endet, hat es oft genug gesehen: Massenentlassungen, Leiharbeitsmaximierung, Qualitätssenkung zum Wohle der Rendite – denn das ist alles, woran Investoren Interesse haben: an leistungslosem Einkommen.

Alles beruht auf einer ganz einfachen Gleichung: Ich gebe Dir heute hundert Euro – und dafür bekomme ich nächsten Monat 125 Euro zurück (wenn ich mal auf die alten Renditeträume von Josef Ackermann zurückgreifen darf). Szenen, aus dem Kleinganovenmillieu, mit denen man heute unsere Wirtschaft beschreiben kann.

Der so erzeugte Druck – der im Übrigen nur aufrecht erhalten werden kann, wenn hinter den Forderungen auch Schlägertrupps stehen, die diese durchsetzen – führt zu erstaunlichen Entgleisungen im Sozialgefüge, zu einem deutlichen Abbau des Gemeinschaftsbewusstseins bei gleichzeitiger hemmungsloser Plünderung der Gemeinschaftskassen (vor allem der Krankenkassen und der Steuerkassen) und zu einer unbeschreiblichen Verrohung der Moral: Zustände, wie man sie sonst nur in kollabierenden Sozialordnungen beobachten kann.

Schlägertrupps? Ja – die Jungs, die einem die Finger brechen, wenn man nicht pünklich zahlt. Die braucht man, sonst hält das ganze Gefüge nicht zusammen. Unsere Schlägertrupps haben sogar einen Namen: NATO – gerade weltweit im Einsatz. Unter dem US-Nuklearschirm kann man sich halt einiges erlauben – zum Beispiel die hemmungslose Ausweitung dieses Kleinganoventums auf alle Länder der Erde – im Namen von Investoren, die schon viele Firmen zugrunde gerichtet haben … und dicht davor sind, mit ihrem Wahn die komplette weltweite Wirtschaftsordnung zu zerstören … und nicht nur Reebock.

Speerspitze dieser Schläger sollen jetzt wir Deutschen werden – die Sachsen sollen jene Truppen anführen, die als erste in die Kampfhandlungen mit russischen Streitkräften eintreten (siehe Spiegel): ja, solche Nachrichten gehen heute fast spurlos an uns vorbei … ebenso wie die Nachrichten über eine Neugestaltung der atomaren Doktrin (siehe Spiegel): ganz offen wird ein thermonuklearer Krieg in Europa angegangen.

Worum geht es in diesem Krieg?

Nun – die Schlägertrupps der Kleinganoven haben noch nicht überall Zugriff, der Zinsterror endet an der russischen Grenze – eine Sünde sondergleichen, denn dort existiert etwas, was Investoren hassen wie die Pest: ein starker Staat, der sich gegen die schleichende politische Machtübernahme durch „Investoren“ durch Enteignung wehrt. Früher war ihre Sünde der Kommunismus (was für ein grausamer und unverständlicher Gedanke auch, dass die Gesamtleistung einer Volkswirtschaft dem Wohle aller – und vor allem der Kinder – zugute kommen sollte, um die Zukunft der Bewohner zu sichern), heute ist es die Nichtaktzeptanz des Kleinganovenbusiness. Ja, ich weiß: das ist jetzt etwas einseitig dargestellt – aber diese Einseitigkeit wird doch vom Kleinganovenjournalismus vorgelebt … was soll ich also anderes tun, als dies nachahmen?

Lange Zeit war das kein Krieg. Lange Zeit gab es da gar nichts – nur Tote. Die Kleinganovenmedien hatten sich noch nicht auf einen Sprachcode geeinigt, 2015 kam dann die Erlösung: der Spiegel erklärte den Krieg für offiziell eröffnet … und beschreibt nebenbei die Zunahme an Grausamkeiten auf beiden Seiten … nebenbei wird lapidar die brutale Ermordung eines russischen Generals in der Ukraine erwähnt, ohne die Quelle kritisch zu prüfgen – so „beweist“ man hintenherum die Präsenz russischer Truppen in der Ukraine (siehe Spiegel). Weniger Beachtung finden Anschläge des ukrainischen Geheimdienstes auf die Pressefreiheit (siehe Ukraine-Nachrichten), wo sich Szenen abspielen wie bei Charlie Hebdo … nur momentan noch ohne Tote; die Frage, ob die ukrainischen „Freiwilligenbattalione“ ihre Foltermethoden (siehe Junge Welt) vom amerikanischen Geheimdienst gelernt haben, wird wohl länger unbeantwortet bleiben – ebenso wie der Einsatz von Streubomben durch die Regierungstruppen ungesühnt bleiben wird (siehe Süddeutsche).

Da tobt inzwischen ein Vernichtungskrieg gegen den politischen Gegner, ein Krieg, der von Deutschland finanziert wird – mit aktuellen Kreditgarantien (siehe FAZ) kann der Finanzoligarch seine Machträume von dem Aufbau einer Riesenarmee verwirklichen (siehe FAZ) obwohl das Land völlig bankrott ist (siehe Spiegel).  Worüber man sich beschwert? Das der neue Zar in Russland das merkt und die ukrainische Armee die „Fremdenlegion“ der Nato nennt, sollte aus der Perspektive nicht verwundern, zumal man im Westen inzwischen ganz offen über private US-Söldnerhaufen berichtet, die in der Ukraine aktiv sind (so der „Nahost-Sicherheitsexperte“ Michael Lüders am 20.1.2015 in einer Sendung von N-TV): was wir Russland vorwerfen, praktizieren wir selbst ganz ungeniert. Wahrscheinlich sind wir deshalb so sicher, dass „DIE“ das auch tun.

Wenden wir unseren Blick mal kurz von dem baldigen Dritten Weltkrieg ab – und bleiben bei den Investoren, die einen starken Staat fürchten wie der Teufel das Weihwasser: immerhin geht er konsequent seinem Job nach und schützt die Bürger vor Räubern und Piraten … auch vor denen in Armani-Anzügen und maßgeschneiderten italienischen Halbschuhen, die Geld genug haben, jeden führenden Politiker und Entscheidungsträger der westliche Welt auf größten Privatjachten durch die Paradiese des Universums zu schippern. Wie gehen wir eigentlich in Deutschland mit denen um? Der Putin sperrt sie ein und enteignet ihre Firmen … und was machen wir? Die Süddeutsche hat da aktuell einen kleinen Skandal aufgedeckt (siehe Süddeutsche):

„Fast die Hälfte der mehr als 2000 Hausausweise für Lobbyisten werden über die Parlamentarischen Geschäftsführern (PGF) der Fraktionen beantragt.
Etwa 900 davon werden über die PGF von Union und SPD beantragt. Zum Vergleich: Der Bundestag hat 613 Abgeordnete.
Die Namen der Lobby-Organisationen wollen weder Bundestagsverwaltung noch die PGF der großen Koalition nennen.“

Ganz offen wird über die Arbeit der Agenten des Kleinganoventums gesprochen:

Lobbyisten, die lieber ganz im Geheimen Abgeordnete beeinflussen wollen, können sich sicher sein, dass ihre Namen und die Namen ihrer Organisationen nirgends auftauchen.

Das .. ist das Ende der Demokratie. Sie starb – offiziell – am 24. Januar 2015. Und so bekommen „Investoren“ direkten Zugriff auf politische Entscheidungen in Deutschland … oder auf die Inhalte der Medien. Da niemand weiß, wer da wann und wo bei wem warum unterwegs ist, ist mit Gegenmaßnahmen, Verhaftungen und Enteignungen nicht zu rechnen.

Irre, oder?

Aber es wirft ein interessantes Licht darauf, woher die negativen Gefühle gegen Putin noch kommen können.

Na ja – Krieg mit Putin ist beschlossene Sache, machen wir uns da mal nichts vor. Der Kapitalismus braucht seine Weltkriege, um überleben zu können: der Zeitpunkt, wo man merkt, dass man auf 100 % Welt nicht noch Zinsen draufpacken kann, ohne einen anderen Planeten hinzu zu fügen, rückt mal wieder näher, bald gehören dem obersten einen Prozent (zu dem auch die Bundestagsabgeordneten gehören) über fünfzig Prozent der ganzen Welt … und in absehbarer Zukunft gehört ihnen alles.

Die Bilanzen der ersten Kriege zur Rettung des leistungslosen Zins-Grundeinkommens auf Fürstenniveau liegen jetzt vor (siehe Deutsche Welle):

„Nach einer Universitätsstudie haben die von den USA im Anschluss an 9/11 geführten Kriege in Afghanistan, Irak und Pakistan 225.000 Menschen das Leben gekostet. Die Kosten der Kriege lägen bei vier Billionen Dollar.“

Interessant auch, was die Präsidenten der von der Eisenhower-Stiftung unterstützten Kriegskostenstudie zur Absicht ihrer Arbeit geäußert hat:

„Wir wollten die Öffentlichkeit mit zusätzlichen Informationen versorgen. Denn vor allem hier in den USA operieren die Teilnehmer der öffentlichen Debatte nicht immer mit den richtigen Zahlen. Sowohl was die budgetären und finanziellen Summen angeht, wie auch bei den Opferzahlen.“

Das …. ist eine „Verschwörungstheorie“ …. so nennt man heute den Versuch, Regierungslügen aufzudecken und an die Öffentlichkeit zu bringen.

Vier Billionen Dollar. Das sind viertausend Milliarden Dollar. Der Irak hat 29 Millionen Einwohner, Afghanistan 30 Millionen. Hätte man die bisherigen Kriegskosten ohne Krieg JEDEM Iraker und Afghanen ausbezahlt, damit sie – wie ein ordentlicher deutscher Bundestagsabgeordneter – im Sinne des Systems funktionieren, dann … hätte JEDER 67000 Dollar erhalten können. Das ist das Durchschnittseinkommen eines Afghanen für 150 Jahre. Iraker haben sechs Mal so viel, wären also nach 25 Jahren wieder pleite (siehe Durchschnittseinkommen).

Irre, oder?

Die Opferzahlen stimmen jedoch jetzt schon nicht, auch dazu gibt es neue Studien (siehe Süddeutsche):

„Die ersten Bomben fielen 2003, acht Jahre später zogen sich die amerikanischen Soldaten aus dem Irak zurück. Einer US-Studie zufolge starben während des Irak-Krieges und der anschließenden Besatzung eine halbe Million Iraker. Und das ist eine „niedrige Schätzung“.

Wie viele wohl letztlich in der Ukraine sterben werden … und im Krieg gegen Russland?

Für die Freiheit, Konzerne wie Reebock aufkaufen zu können, sie auszuschlachten und ihre Reste profitabel zu veräußern – mit riesigen Kosten für die Sozialsysteme der so überfallenen Länder – morden wir weltweit wie die Wahnsinnigen.

Auch übrigens in Griechenland, dessen unverschämter Missbrauch des Wahlrechtes aktuell die Lobbyisten in allen Parlamenten aufschreckt. Über die Folgen der vor allem von Kanzlerin Merkel öffentlich so viel gepriesenen Sanktionen gegen Griechenland berichtete der Spiegel schon vor zwei Jahren (siehe Spiegel):

Die Zahl der Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht ist allein zwischen 2008 und 2010 um 19 Prozent gestiegen, die Zahl der Totgeburten um mehr als 20 Prozent. Als möglichen Grund führen die Wissenschaftler den – wegen hoher Kosten und geringem Einkommen – schwierigen Zugang zu Ärzten an, die zu Komplikationen in der Schwangerschaft führten. Auch die Säuglingssterblichkeit ist den Zahlen zufolge um 43 Prozent gestiegen.

100000 Kinder pro Jahr werden jährlich in Griechenland geboren (siehe Deutschlandfunk). Im selben Jahr starben 4,85 Säuglinge pro tausend Geburten (siehe Länderdaten.de), also 485 im Jahr. Macht: 200 tote Säuglinge mehr dank Sparpolitik.

Was wäre das für eine Überschrift: KAPITAL KILLT TAUSENDE SÄUGLINGE!

Und das sind noch nicht alle, die der Sparpolitik zum Opfer gefallen sind. Schon 2012 schilderte die Süddeutsche Zeitung den Anstieg der Suizidraten in Griechenland (siehe Süddeutsche):

Im Jahr 2008 nahmen sich in Griechenland knapp 300 Menschen das Leben. Laut der Weltgesundheitsorganisation hatte Griechenland damals die niedrigste Selbstmordrate in Europa. Doch seit Beginn der Krise hat sich diese Zahl mehr als verdreifacht. Schätzungen der Hilfsorganisation Klimaka gehen davon aus, dass sich seit Anfang 2010 weit mehr als 2000 Griechen das Leben genommen haben.

So etwas kennt man aus belagerten Burgen im Mittelalter: Säuglinge sterben, Menschen bringen sich um, die Hoffnungslosigkeit grassiert. Über „Krieg gegen Griechenland“ redet allerdings keiner, die „Sanktionen“ – in Deutschland auch Millionenfach gegen eigene Bürger ausgesprochen, in steigendem Maße auch gegen Behinderte (siehe „Gegen Hartz„) – werden auch anders genannt: „Auflagen“. „Tributzahlungen“ … so nannten das die Römer zu Zeiten Christi.

Wer in Deutschland seine Tributzahlungen nicht in erforderlichem Ausmaß entrichten kann, wird zur einkommenslosen Zangsarbeit im Altenheim verdonnert – so jedenfalls die Phantasien der vom Lobbyisten geformten Entscheidungsträger (siehe gegen-Hartz).

Wollen wir mal grob schätze, wie viele Menschenleben die Sanktionen gegen Griechenland gekostet haben? 20o Säuglinge pro Jahr, 600 Selbstmorde pro Jahr? Da kommen wir auf 4000 Tote für fünf Jahre … und haben die Toten durch nicht mehr behandelbare Krankheiten noch gar nicht mitgezählt.

Suchen Sie bitte mal selbst: das dürften wesentlich mehr als 4000 sein. Mehr als im sogenannten „Ukraine-Konflikt“. Wo bleibt da der Aufschrei?

Er bleibt aus – weil in der Welt des Kleinganoventums alles in dunklen Hinterzimmern besprochen wird. Von dort aus wird die Straße regiert, dort wird die Bestechung des Bürgermeisters in Szene gesetzt, werden gezielte Schläge gegen die Konkurrenz ausgeheckt und Mordaufträge vergeben. Der genialste Coup jedoch war: jegliche Ermittlungen gegen das Kleinganoventum im Keim zu ersticken durch den genialen Einsatz des Wortes „Verschwörungstheorie“ … Al Capone gibt die Parole aus „Es gibt keine Verbrechen in der Stadt!“ Wer das nicht glaubt … kriegt Besuch … vom Selbstmordförderverein.

So weit sind wir nun gekommen … durch eine kleine Meldung über eine „Investorengruppe“ – die wahren Herrscher der Welt, die wie blutrünstige Mongolenhorden die zivilisierte Welt überfallen und die Realwirtschaft bei lebendigem Leibe ausschlachten, um traumhafte Zinsgewinne zu regenerieren.

Jetzt weiß ich auch, warum wir kleine Blogger trotzdem weiter schreiben sollten… und vor allem weiter lesen müssen:

„Wir wollten die Öffentlichkeit mit zusätzlichen Informationen versorgen. Denn vor allem hier in den USA operieren die Teilnehmer der öffentlichen Debatte nicht immer mit den richtigen Zahlen. Sowohl was die budgetären und finanziellen Summen angeht, wie auch bei den Opferzahlen.“

Übrigens – eine kleine Anmerkung noch für die Freunde der modernen Medien wie dem Manager Magazin: „unter Berufung auf nicht näher genannte Insider“ kann ich auch behaupten, dass der Mond aus grünem Käse ist.

Und sowas nennen wir „seriöse Medien“.

Ich weiß übrigens nicht, ob die Investorengruppe aus Hongkong mit ihren Kollegen aus dem Königshaus von Abu Dhabi Reebock wirklich gekauft haben – oder lieber woanders Arbeitslose produzieren. Das … ist aber auch unerheblich.

Die Zahl der Toten durch die Politik der letzten Jahre allerdings nicht.

 

 

 

 

 



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