Transzendentes

Die Anderwelt (oder: ein Nachruf auf Bernhard Kornstedt)

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Freitag, 16.1.2015, Eifel. Im Schwarzbuch USA von Peter Scowen finden wir in der Einleitung folgende, bemerkenswerte Passage (Deutsche Erstausgabe DTV 2004, Seite 7) :

„Meine Schwester Amy ist in leitender Stellung bei einer amerikanischen Unternehmensberatung tätig und saß am Morgen des 11.September 2001 ab 8:30 Uhr in der 54. Etage des Südturms des World Tade Center an ihrem Schreibtisch. Später erinnerte sie sich, dass sie, bevor sie mit der Arbeit begann, ein unerklärliches Verlangen verspürt hatte, per E-Mail weit entfernt lebende Freund und Bekannte zu kontaktieren“.

Um 8.48 wurde klar, woher dieses Verlangen stammte: es kam zum größten Angriff auf die USA nach dem Zweiten Weltkrieg, angeblich ausgeführt von einer Handvoll mit Teppichmessern bewaffneter Fanatiker. Diese Geschichte geht schnell unter – zumal sie in einem Buch steht, dass sich hauptsächlich mit den politischen Verfehlungen der USA beschäftigt. Im Prinzip wäre es eine Geschichte, die jeden Naturwissenschaftler aufhorchen lassen sollte: offenbar liegt hier der Beweis vor für erstaunliche Fähigkeiten des menschlichen Unterbewusstseins: es kann Verzerrungen in der Zeit, in der Geschichte wahrnehmen, fühlt Entwicklungen, bevor sie eintreten – und meldet sich bei dem Bewusstsein mit „unerklärlichem Verlangen“, kurz vor dem Tod nochmal alle Freunde und Bekannte zu kontaktieren, um einen letzten Abschiedsgruß zu schicken.

Nun – Ami hat überlebt. Nicht durch Zufall, sondern weil sie weiterhin ihrem Gefühl traute – sie und viele andere. Wären sie nur dem Verstand gefolgt, hätten sie wohl ihre letzte Lebenszeit damit verbracht, den Einschlag im Nordturm mit Entsetzen zu beobachten, während sich ihnen die Maschine, die ihren Südturm im Visier hatte, unaufhaltsam näherte. Gut, dass sie – ohne jeden rationalen Anlass – ihrem Gefühl gefolgt sind und das Gebäude aus eigenem Antrieb verließen: das hat ihnen das Leben gerettet.

Eine faszinierende Fähigkeit, oder? Offenbar verfügt auch der Mensch über einen Instinkt (oder „sechsten Sinn“) der ihn – wie bei Tieren oft zu beobachten – vor Gefahren warnt. Wer Hunde oder Katzen hat, kennt das: manchmal bellen die Hunde panisch, obwohl nichts zu erkennen ist – und manchmal jagen Katzen wie verrückt unsichtbaren Dingen hinterher.

Was machen wir nun? Natürlich beschäftigen sich hunderte von Wissenschaftlern mit dieser Fähigkeit und mit der Existenz von Welten, die unserer Wahrnehmung noch verschlossen sind, weil Naturwissenschaft gerne alle Aspekte der Natur verstehen und begreifen will …. nein, das tun sich natürlich nicht. Sie machen eher in geschlossener Front das Gegenteil: sie versuchen, alle, die nicht ihrem Weltbild entsprechen, in die Psychiatrie zu schicken, streng nach dem Motto: „wer nicht mein Weltbild teilt, gehört eingesperrt“.

So formuliert, hört sich das fürchterlich an – doch ist es alltägliche Praxis.

Ich durfte einige dieser Menschen kennenlernen, unterliege hier jedoch der Schweigepflicht … doch die Geschichte kann ich erzählen. Im Rahmen der Neueinführung eines Mittel gegen Schizophrenie besuchte ich einige psychiatrische Kliniken mit dem Auftrag, Hospitationsplätze für Pharmareferenten zu besorgen. Wir wollten, dass unsere Mitarbeiter die Krankheit vor Ort studieren konnten, um adäquate Gesprächspartner beim niedergelassenen Arzt werden zu können, Menschen, die wissen, wovon sie sprechen. Ich trug unseren Wunsch in verschiedenen Häusern vor – in einem Haus jedoch verlief das Gespräch anders, der Chefarzt fragte nach meiner vorherigen Ausbildung. Als er von meinen Studienfächern hörte, wurde er hellhörig – und lud mich in sein Allerheiligtes ein: das Privatzimmer, das normalerweise Ärzten und Patienten verschlossen blieb, weil es – wie früher die Kapitänskajüte – dem obersten Boss eine Rückzugsmöglichkeit bietet und seine besondere, unerreichbare Stellung unterstreicht.

Bevor wir nun zu dem Thema kommen, warum auch heute noch in der Ärzteschaft Strukturen des preussischen Militärs im 19. Jahrhundert herschen (auch ein sehr spannendes Thema), bleiben wir lieber bei den Schizophrenen. Der Chefarzt hatte ein Problem – kurz gefasst, beschrieb er es so: „Wenn der Deutsche zu mir kommt und mit Gott spricht, muss ich ihn behandeln. So haben wir das gelernt. Kommt aber der Moslem zu mir, so deshalb, weil er nicht mehr mit Gott sprechen kann – und ich muss Methoden finden, wie er seinen Dialog mit Gott wieder aufnehmen kann“.

Ein sehr fortschrittlicher Wissenschaftler, dieser Arzt. Was ihm vorschwebte – als Gegenleistung der Firma für Hospitationen von Mitarbeitern – war eine Vorlesungsreihe in der Klinik, in der „Verrückte“ (er nannte sie natürlich nicht so) der verschiedensten Glaubensrichtungen auftraten, damit seine Mitarbeiter (vor allem die Ärzte) lernten, welche Dimensionen normales, gesundes Denken annehmen kann, ohne behandlungsbedürftig zu sein: nur einfach Gottes Stimme zu hören reichte nicht mehr aus, das war für andere Kulturkreise normaler Alltag – und um hier differentialdiagnostisch sicher arbeiten zu können, musste man neue Perspektiven entwickeln – oder man würde wieder in eine Psychiatrie des 19. Jahrhunderts zurückfallen.

Die Organisation einer solchen Vortragsreihe schien mir eine Kleinigkeit zu sein – ich hatte auch Arbeitszeit genug zur Verfügung, um das nebenbei zu organisieren. Neben christlichen Mystikern, Zen-Buddhisten, Nonnen und Theologen hatte ich auch eine ganze Reihe von Wissenschaftlern im Sinn, die jemand anders schon für mich zusammen gestellt hatte: „Der Wissenschaftler und das Irrationale“ hieß damals ein Sammelwerk, wo Geisteswissenschaftler aller Fachrichtungen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Irrationalen berichteten – ich hatte dieses Werk im Rahmen der Ausbildung über Erkenntnistheorie durchgenommen – was bei mir zu der Erkenntnis führte, wie wenig wir überhaupt über die Welt wissen und wie wunderbar unerforscht sie doch noch ist.

Zudem war ich aufmerksamer Leser der Ärztezeitung … wo man in der Tat sonderbare Artikel zu lesen bekam, die unser Weltbild sehr in Frage stellten: erfolgreiche Schädeloperationen vor 12000 Jahren – oder ein kleiner Junge mit einem so starken Eigenmagnetfeld, dass er regelmäßig den Diebstahlsalarm von Kaufhäusern auslöste – leider haben die Artikel (und andere) die letzten zwei Umzüge nicht überlebt, ich hoffe, sie beim nächsten Umzug wieder zu finden. Darüberhinaus hatte ich die Neuauflagen der Werke von Charles Fort studiert, der in den dreißiger Jahren des 20 Jahrhunderts die Zeitungen nach „Verdammten“ durchsucht hatte: so nannte er Meldungen, die nur kurz erschienen, bevor sie von der modernen Inquisition „verdammt“ wurden.

Neben diesen hochqualifizierten Zeugen der „Anderwelt“ (so ein Sammelbegriff für das Mystische, der aus der älteren europäischen Kultur stammt) kam mir aber auch noch ein anderer Mensch in den Sinn. Ich hatte während des Studiums Feldforschung im Sauerland gemacht – im hochkatholischen Sauerland, auf einsamen Höfen fernab der Kultur. Dort stieß ich auf einen „Aberglauben“, der mit dem Christentum nichts zu tun hatte – Geschichten über unheimliche Dinge, die an bestimmten Abenden auf den hofeigenen Friedhöfen geschahen. Bis heute habe ich die panischen Gesichter der Hofbewohner (einer davon war Rechtsanwalt) vor Augen, als ich – der rationale Atheist – vorschlug, ich würde – obwohl gerade eine der „gefährlichen“ Nächte war – einfach jetzt mal auf den Friedhof gehen, um zu sehen, warum man eigentlich um diese Uhrzeit zu gewissen Tagen dort nicht hingehen soll: die Angst der Menschen sprang mir förmlich entgegen und ich habe keine Zweifel, dass sie mich mit Gewalt gehindert hätten, den kleinen Friedhof zu betreten … um mich vor dem zu schützen, was dort umging und den Menschen schadete, wenn sie ihm begegneten.

Ich wollte diesen „Andersglauben“ gerne zum Gegenstand einer Doktorarbeit machen (im Sinne von „Traumzeit“ von H.P.Duerr: immerhin handelte es sich hier um lebendige und aktive Formen einer Religion, die mit dem herrschenden Christentum nichts gemein hatte – aber einen enormen Einfluss auch auf akademisch gebildete Menschen in Deutschland bewies), doch scheiterte ich mit diesem Ansinnen an dem Veto eines Kirchenfürsten: so etwas durfte es einfach nicht geben.

Ich hatte später (im Jahr 2000) meine ersten Gehversuche im Internet hinter mir (per Spielkonsole der Kinder, Dreamcast genannt), hatte in einem „Parsimony“-Forum einen Ort zum Gedankenaustausch gefunden, geleitet von einer Autorin, die ein Werk über den Odilienberg geschrieben hatte (wenn ich mich recht erinnere, war die Frau danach in die USA ausgewandert um dort Asyl zu beantragen – so sehr wurde sie von deutschen Behörden und Neonazis verfolgt – aber das ist eine andere Geschichte).  Aus diesem Forum meldete sich eines Tages ein Herr bei mir telefonisch, der mich gerne mal kennen lernen wollte.

Ich war verblüfft – und noch verblüffter war ich, als das Telefonat beendet war. Ich erfuhr, dass ich ein „Geistkrieger“ sei – und das jener Herr … Bernhard Kornstedt … sich zur Aufgabe gemacht hatte, jene Geistkrieger zusammeln, um gegen eine kommende Dunkelheit anzugehen und die Menschen vor Unheil zu schützen. Man hätte das leicht als Unfug abtun können – wäre Herr Kornstedt („Bärenherz“) nicht ein ausgebildeter Religionswissenschaftler gewesen – und somit für mich ein „Bruder im Geiste“.

Was folgte, waren jahrelange Telefonate, nahezu jeden Sonntag morgen rief er an um verschiedene Dinge zu besprechen – und ich merkte schnell, dass hier jemand eine lebendige Kultur repräsentierte und rational einwandfrei belegen konnte, die ein Hans Peter Duerr als verstorben und ausgerottet erachtet hatte. Für einen Erkenntnistheoretiker war es hoch interessant, hier jemanden zu sprechen, der sehr rationale Emotionen als Instrumentarium der Wahrheitsfindung benutzte und so in einem Weltbild lebte, dass – ja- das ursprünglichste religiöse Weltbild der Menschheit praktizierte, ohne irgendeine Anbindung an irgendwelche Lehren oder dogmatische Systeme zu haben. Heutzutage würde man es „Schamanismus“ nennen – obwohl man gleich warnen muss: wo in Deutschland offen „Schamanismus“ verkauft wird, ist mit fast absoluter Sicherheit keiner drin – so wie in der gesamten zum Konsumgut verkommenen „Esoterik“.

Anders jedoch die wissenschaftliche Bedeutung: die Existenz einer solchen Kultur ohne Anbindung an Glaubenslehren deutete primär – nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit – darauf hin, dass hier kein „Glauben“ sondern eine „Wahrheit“ gelebt wurde: ein idealer Mensch, um Medizinern klar zu machen, dass man ganz vernünftig, plausibel und rational nach den Maximen westlicher Wissenschaftlichkeit ein Weltbild leben konnte, dass konträr zu den Dogmen der Gegenwart stand – und vor allem politsch äußerst brisant war.

Politisch? Nun – nach den Öffnungen der Archive des Vatikan zum Thema Hexenverbrennungen und Auswertung historischer Dokumente hatte sich gerade zur damaligen Zeit eine kleine Revolution ereignet (ob dies im Internet schon dokumentiert ist, kann ich momentan nicht sagen): zwar schrieb ein Mönch den Hexenhammer, aber eingesetzt wurde dieses Werk von der weltlichen Obrigkeit, hauptsächlich von Ärzten (die die Konkurrenz durch die Hebammen ausschalten wollten – ein gerade dieser Tage hochaktuelles Thema) und den Juristen, aber auch von einer Gruppe skrupelloser Machtmenschen, die vor allem eins im Sinn hatten: sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen (auch ein hochaktuelles Thema, der Papst hatte sich kürzlich dazu geäußert). Die Folgen dieser Entwicklung nennen wir „Kapitalismus“ – und er wurde in der Neuzeit vorbereitet durch Auslöschung jeglicher lebendiger Religiösität, ein Prozess, der heute stringend durch den „Krieg gegen den Terror“ – der in Wahrheit ein Krieg gegen den Islame, die letzte, ernsthafte Großreligion, ist – fortgeführt wird.

Im Kontakt mit „Bärenherz“ habe ich viele interessante Menschen kennenlernen können – und einen Einblick in eine lebendige, religiöse Gegenkultur gewonnen, der Betriebsratsvorsitzende, Boxer, Unternehmensberater und Radiomoderatoren angehören – oder ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, die sich voller Entsetzen vor den kalten Machtspielen im Bundestag vom politischen Treiben abgewandt haben, um ihre Seele nicht zu verunstalten. Menschen, die im klaren Bewusstsein einer parallelen Realität leben, die zu den ältesten Paradigmen der Menschheit weltweit gehören: der sicheren Gewissheit, dass es jenseits der Welt, die unseren Sinnen zugänglich ist (und immer noch jenseits der Wirklichkeit, die wir mit unseren Apparaten ertasten können) eine andere Wirklichkeit gibt – unter anderem bevölkert mit intelligenten Wesen … die auch äußerst boshaft sein können.

Manchmal jedoch setzen die „Spirits“ auch Impulse ins Unterbewusstsein – zum Beispiel wenn ein Akt äußerst boshafter Dunkelheit droht …wie bei Amy. Manchmal rettet die Anderwelt Menschenleben – wenn man noch sensibel genug ist, ihre Stimme zu hören; wer durch massenhaften TV-Konsum aktive Innenweltvergiftung betrieben hat, wird da im Nachteil sein, die sehr leisen Stimmen der Anderwelt sind dann nicht mehr zu hören: man ist taub geworden.

Bernhard Kornstedt ist vor zwei Tagen gestorben – Anfang sechzig. Ein Schicksal, das ich in den letzten Jahrzehnten oft beobachten durfte: wer sich den geistigen Herren der Welt in den Weg stellt, wird selten alt. Ich bringe das manchmal in einen Zusammenhang mit der verblüffenden Beobachtung (die Textstellen dazu werde ich erst nach meinem Umzug wiederfinden, so lange sei das jetzt eine unterhaltsame Geschichte), dass die US-Armee die Medizinmänner der Indianer beseitigte – nicht so sehr ihre Kriegshäuptlinge. Der neue Geldgott wusste wohl, wer seine Erzfeinde sind. Mit Bernhard Kornstedt starb einer der letzten lebenden europäischen Schamanen, der sich sein Weltbild – wie es dort Tradition ist – nicht durch Theorie sondern durch praktische Arbeiten, Gespräche mit und Reisen durch die Anderwelt geschaffen hatte: wie es Wissenschaftler eben tun sollen. Und dieses Weltbild ist weltweit durch alle Zeiten das Gleiche – ein wahrer Fundus für undogmatische Wissenschaft.

Unsere Wissenschaft ist jedoch nicht undogmatisch – und deshalb ist sie auch schon lange keine mehr, sie ist Büttel des neuen Gottes „Geld“ geworden und verfolgt seine Widersacher bis aufs Blut – ohne Rücksicht darauf, ob sie nicht vielleicht doch eine Wahrheit leben, die größer und wichtiger ist als die, die noch in unseren Schulen gelehrt werden darf.

Unfug, meinen Sie? Meinte ich auch mal. Ich kann Ihnen als Angehörigen einer Gesellschaft, die Pornographie und Sexualität vergöttert, andere Kunde bringen: das, was an Orgien und sexuellen Ausschweifungen im Rahmen der europäischen „Anderweltkultur“ (wie ich sie nennen möchte, um einen Oberbegriff einzuführen) gelebt wurde (nicht nur in Griechenland unter dem Siegel des Dionysus), läßt selbst das hemmungsloseste westliche Bordell oder den verruchtesten Swingerclub als ein Nonnenkloster erscheinen. Es kann viel Magie und Zauber in der Sexualität liegen – und wer einmal davon genossen hat, ist mit Geld nicht mehr zu kaufen, noch an Bullshitarbeit zum Gelderwerb interessiert: er weiß, dass das Leben größere Genüsse bieten kann („gratis“, sozusagen), die auch den Geist weit über seine erlaubten Grenzen hinausführen können. Vielleicht ist das mit ein Grund für die Urlaubssucht des westlichen Menschen: man weiß, dass es Reisen gibt, die unglaubliche Wunder möglich machen … allerdings findet man sie nicht an den Stränden dieser Welt.

Die „Gegenkultur“ zu diesem „Anderweltkultur“ befindet sich im 21. Jahrhundert auf dem absteigenden Ast – um so mehr muss sie ums Überleben kämpfen … und um so mehr Erlebnisse wie die von Amy ignorieren, obwohl sie geeignet sind, allen Ansprüchen von „Wissenschaft“ gerecht zu werden. Nur zweihundert Jahre nach ihrem Sieg über die Kirche (die – als katholische Kirche – noch für viele „Zaubermenschen“ eine sichere Zuflucht bietet, wenn sie den richtigen Dress- und Verhaltenscode befolgen) hat die Kultur des dogmatischen Materialismus die Welt an den Rand der Vernichtung geführt: Massenvernichtungswaffen bestimmen das Kriegsgeschehen (das vor zweihundert Jahren von nordamerikanischen Eingeborenen noch als Spiel mit manchmal tödlichem Ausgang geführt wurde – und nicht als Massenvernichtungsorgie im Namen alternativloser „Kollateralschäden“), das politische System produziert trotz demokratischer Sicherheitsstrukturen einen Krieg nach dem anderen (was den Schamanen nicht wundert, weiß er doch, welch´ üble Dinge böse „Spirits“ den ungeschultem Geiste einflüstern können), das wirtschaftliche System hat sich in einen realitätsfernen Wahn verwandelt, jahrtausendealte Sozialsysteme („Familie“) stehen kurz vor der Vernichtung, die Umweltschäden ihrer unausgereiften und undurchdachten Technologien (der Erfinder des „Herrn der Ringe“ J.R.R. Tolkien nannte es mal „Orks, die den einen Ring gefunden haben“) verwüsten die Erde Tag für Tag, ihre Nebenwirkungen greifen desaströs in den Klimahaushalt des ganzen Planeten ein – und neben bei wird der Mensch (einst: Ebenbild Gottes) immer weiter zur bloßen Funktion, zum billigen Futter für die Maschine degradiert und gnadenlos aussortiert, wenn er nicht mehr für den Profit des Mammon dienlich ist.

Angesichts dieser desaströsen Bilanz ist es schon dreist, ältere Kulturen als „krank“ zu beschreiben und ihre Vertreter in die Psychiatrie zu überweisen – dabei werden wir womöglich die Hilfe dieser Kulturen (bzw. die Hilfe der Anderwelt) gut gebrauchen können, wenn die Rechnung präsentiert wird und der neue Turmbau zu Babel in sich zusammenfällt. Ja – die Selbstvergötterung des Menschen hatten wir schon mal, wir wissen, wie das endet – und wir wissen, wie die Menschen den Zusammenbruch überstanden haben.

Was bleibt noch zu sagen – zum Abschied eines Menschen aus unseren Kreisen … und zum Abschied einer Kultur, die ein hohes Maß an Lebensqualität auf niedrigem Verbrauchsniveau erlaubte?

Als ich Bernhard das erste mal persönlich traf (das letzte Mal war 2004 … ab 2005 waren mir solche Reisen nicht mehr möglich und ich hatte auf einmal ganz andere Probleme) schaute er mich an und sprach mit merkwürdigem Ton (den man leicht als „Bewunderung“ hätte deuten können): „Jetzt bist Du also endlich da“ … so als ob dieser Besuch von größter Wichtigkeit gewesen wäre. Es war im Krankenhaus, er war damals schon sehr angegriffen. Ich hätte gerne gewusst, was er da eigentlich in mir gesehen hatte – doch wir hatten so viele andere Themen, dass ich zu der Frage nie gekommen bin.

Und ich wüsste langsam endlich mal gerne, was ein „Geistkrieger“ ist. Werde ich nun wohl nie erfahren.

Das letzte Telefonat mit ihm ist übrigens ein paar Monate her – er war in Eile, getrieben von dem dringenden Gefühl „seine Arbeit fertig stellen zu müssen“.

Wie Amy gab ihm das Gefühlt recht.

Ach ja – das sei noch gesagt: mit dem Gefühl, dass der Menschheit großes Ungemach droht, hatten wir wohl nicht Unrecht. Leider bin ich von denen, die 2000 darüber gesprochen haben, der einzige Überlebende. Am 2001 haben es aber dann ja auch alle mitbekommen – und Hartz IV hat 2005 in Deutschland gezeigt, dass es auch wirklich jeden treffen kann, 2014 standen wir wieder kurz vor dem Ausbruch eines neuen großen europäischen Krieges … eine Gefahr, die jetzt festzementiert über uns schwebt.

Andererseits: wann war die Menschheit schon mal nicht von großem Ungemach bedroht.

Nur: früher wares es Naturkatastrophen, denen man siegreich als Gemeinschaft begegnete. Heute machen wir das selbst.

Oder lauschen den falschen Geistern.

 

 

 



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