Dienstag, 18.6.2014. Eifel. Man hatte mich kürzlich gebeten, etwas mehr über Syrien und die Ukraine zu schreiben. Mache ich gern, aber: ich muss erstmal die alten Sauereien aufarbeiten. Nur weil die Nachrichten lieber über Ballspiele als Kriegsspiele berichten heißt das nicht, dass letztere nicht immer deutlicher in Erscheinung treten. Ich weiß, dass es etwas wichtigeres als Fussball geben sollte, ist für die durschnittliche Bierbauchgrillzange schwer zu begreifen – aber da muss man sich dann halt mal Mühe geben: immerhin ist das hier nicht das Schlaraffenland (auch wenn es manchmal für kurze Zeit bei viel Geld zu erscheinen kann).
Die alte Sauerei, die jetzt hochkocht, ist die Sauerei im Irak. Irak – kennen Sie das noch? Ein Land, das zugunsten seiner Bevölkerung des Joch der Erdölindustrie abgeschüttelt hatte (siehe Wikipedia):
Am 1. Juni 1972 leitete er die Verstaatlichung westlicher Ölfirmen ein, die ein Ölmonopol im Irak hatten. Mit den Öleinnahmen entwickelte er das Land zu einer regionalen militärischen Großmacht. Die Einnahmen aus dem Ölverkauf sorgten aber auch für den Wohlstand breiterer Bevölkerungsschichten.
Wer war „er“? Nun – Saddam Hussein. Sorgte für den Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten. Gilt als „böse“ und wurde deshalb hingerichtet. Dabei half George W. Bush (jetzt Hobbymaler), in dem er die ganze Weltgemeinschaft bezüglich der Massenvernichtungswaffen belog. Der war aber der „gute“ (was jetzt nicht an der Malerei lag, der hatte sich Adolf Hitler auch gewidmet). 500 000 tote Kinder infolge einiger Embargos, bis zu 650000 tote Zivilisten wurden billigend in Kauf genommen, um den „Bösen“ zu erledigen, damit der Bush wieder in Ruhe weitermalen konnte.
Die verzerrende Berichterstattung hält bis heute an, beeinflusst unser Denken, unser Urteilsvermögen und unsere Meinung. Ein Beispiel? Nochmal Wikipedia:
Bereits zur Zeit Saddam Husseins verließen viele Iraker das Land, Ende 2002 waren bereits ca. 400.000 Flüchtlinge weltweit registriert.
Der muss schlimm sein, dieser Saddam Hussein.
„Bereits zur Zeit Angela Merkels verließen viele Deutsche ihr Land, allein 2013 flohen 789.193“ – gleiche Fakten, andere Perspektive. (Daten siehe: Statista) „Fliehen“ ist hier das falsche Wort, meinen Sie? Schauen sie einfach mal genauer hin (siehe Statista):Knapp 30 Prozent der Fach- und Führungskräfte fliehen vor der miserablen Beschäftigungslage, andere Gründe sind: fehlende Toleranz, niedriger Lebensstandard, hohe Steuern, niedrige Lebensqualität. Da geht es nicht um ABENTEUER, da geht es um FLUCHT.
Zurück zum Irak. Wohlstand ist da heute Vergangenheit, die Koalition der Mordwilligen hat dort alles zerschlagen, was irgendwie von Wert war. „Böse“ war Saddam Hussein, aber bestraft wurden alle – auch Frauen, Alte und Kinder. So sind wir Demokraten inzwischen (obwohl ich nicht garantieren kann, dass das Wort „Demokrat“ hier den realen Sachverhalt wiedergibt). Dafür ist es eines der korruptesten Länder der Welt: an der Armut läßt sich trefflich verdienen, zudem ist die Infrastruktur vollständig zerstört (ich sagte ja: der Krieg wurde hauptsächlich gegen die Menschen geführt – nicht gegen den Diktator) – den Aufbau ordentlicher staatlicher Strukturen hat man aufgegeben.
Man ist einmarschiert, hat den ganzen Laden kurz und klein geschlagen, die Verwaltung eliminiert, eine Million Menschen getötet und dann ist man wieder abgezogen. Wikinger gingen so auch vor – manchmal einfach nur zum Spaß.
Nun geschieht dort etwas, was eigentlich jeder hätte erwarten können. Junge Leute greifen zu den Waffen. Ja – da gibt es überlebende Kinder, die einst auf der Straße standen: Mamas abgetrennten Arm in der Linken, Papas abgetrenntes Bein in der Rechten, Tränen in den Augen – am Himmel der Koalitionsbomber. Was meinen Sie, wie die 10-15 Jahre später drauf sind? Was meinen Sie, welche Lektion ihnen die Koalition der Willigen erteilt hat?
„Nimm Dir was Du willst, ohne Rücksicht auf Verluste“ – die Ethik der Räuberbanden. Das drapiert mit etwas religiösem Pathos (Täter sind immer gerne „gut“, das erleichtert den Massenmord – hier wie dort): fertig ist der Dschihad. Noch mehr Wikinger, die sich natürlich auch in Syrien ausbreiten, wo die „Koalition der Willigen“ – diesmal ohne großes Getöse – ebenfalls staatliche Strukturen durch Finanzierung von Räuberbanden („Rebellen“ – so nennt man „gute“ Räuber) zerstört bzw. geschwächt hat – und jeden Versuch der Armee, diese Banden in ihre Schranken zu weisen als Angriff auf die Demokratie wertet.
Die Beobachtungen im Irak sind irritierend – es ist die Rede von Verschwörungen (ja – im Ausland gibt es die scheinbar, hier nicht: hier leben „Demokraten“) – siehe Spiegel:
30.000 Soldaten der irakischen Armee haben in Mossul vor 800 Kämpfern der Isis kapituliert.
Eine Millionenstadt – eingenommen von 800 Kämpfern, die weiter auf dem Vormarsch sind. Sie sind auch enorm reich – finanziert durch Reiche. Neben Erdöl und Lösegeld bringt auch der Handel mit geraubten oder frisch ausgegrabenen Antiquitäten ein Vermögen ein … da wird auch manch westlicher Sammler sein Ego mit Stücken aus dem Weltkulturerbe aufpolieren.
Die Kämpfer folgen einem alten General aus Saddam´s Zeiten, heißt es (siehe Spiegel) – anders formuliert: einer Symbolfigur für den Reichtum breiter Bevölkerungsschichten. Da wir im Westen nur noch geschliffenen Propagandamüll anstelle von nüchternen Informationen zugeworfen bekommen und dummerweise auch daran glauben, können wir – siehe Tagesschau – überhaupt nicht verstehen, was da vor sich geht:
In der Irak-Krise gibt es keine klaren Konfliktlinien – oft sind Feinde zugleich Verbündete, Fronten verschieben sich, neue Verbindungen werden geknüpft.
Es ist nur unser Denken, das dort keine klaren Konfliktlinien erkennt. Ändert man die Perspektive, erkennt man auch die Front: der Staat ist tot, ermordet von der Koalition der Willigen, die Ganoven kommen und übernehmen die Macht. Zerschlage ich den deutschen Staat, seine Armee, seine Polizei, seine Regierungsstrukturen, geschähe hier dasselbe: da die Macht aus den Läufen der Gewehre kommt, wäre hier die Mafia die letzte überlebende Großmacht, die unaufhaltsam vorstürmen würde. So ein Staat ist halt schnell zerschlagen … aber sehr schwer aufzubauen. Manchmal braucht man Jahrhunderte, bis er funktioniert, oftmals bedurfte es eines starken Königs, der die streitenden Banden erstmal im Zaum hält: UNO und NATO übernehmen diese „Königsrolle“ schon in vielen Ländern – was das für den Glauben an die Demokratie bedeutet, kann sich jeder selber denken.
Doch bleiben wir einen Moment stehen … und schauen uns die momentane Berichterstattung genauer an. Nur nicht hektisch werden … und auf Details achten. Der Spiegel legt gerade den Ball vors Tor:
Die Dschihadisten der sunnitischen Extremistengruppe veröffentlichen fast täglich grauenvolle Videos oder Fotos im Internet, auf denen sie nach eigenen Angaben irakische Soldaten, Zivilisten, Kleriker oder Polizisten hinrichten. Die Echtheit der Bilder ist schwer zu bestätigen, doch die Drohwirkung ist maximal.
Daraufhin unser Fachmann fürs Äußerste:
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schloss eine militärische Beteiligung Deutschlands am Wochenende aus. „Ich kann mir keine Konstellation vorstellen, in der deutsche Soldaten dort zum Einsatz kommen“, sagte Steinmeier der „Welt am Sonntag“.
Wieso er dass dann sagt – und überhaupt dran denkt ist ein Geheimnis. Ich kann mir auch keine UFO-Invasion vorstellen und rede auch nicht darüber, weil sie völlig fremd ist. Darüber reden, das ich mir da keine Konstellationen vorstellen könnte, würde ich nur, wenn es denkbar, vorstellbar, theoretisch möglich wäre. Nun Steinmeier kann sich da auch fein zurückhalten, das alte Spiel läuft ja trotzdem gut: die Gräueltaten der „Bösen“ werden groß herausgestellt, die verzwickten Ursachen verschwiegen – das Gemüt eines normalen Menschen revoltiert ja schon von ganz alleine. Wie gut, dass wir unseren Bundespräsidenten haben, siehe Deutsche Welle:
Im Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben von Menschen sei es manchmal erforderlich, „auch zu den Waffen zu greifen“, sagte Gauck weiter. „So wie wir eine Polizei haben und nicht nur Richter und Lehrer, so brauchen wir international auch Kräfte, die Verbrechen oder Despoten, die gegen andere mörderisch vorgehen, stoppen.“
Teamspiel, wie beim Fussball. Einer spielt zu, ein anderer gibt die Vorlage, der Dritte versenkt den Ball: TOOOOR…..bzw. Krieg.
Der ist sogar alternativlos, wenn man heute Deutschlands Leitmedium im Detail studiert (klar: Spiegel):
Amerika vollzieht unter Obama einen historischen Kurswechsel in der Außenpolitik. Es will kein Weltpolizist mehr sein, legt sich Zurückhaltung auf. Das ist per se nicht schlecht. Man kann es gut verstehen, nach all den Toten im Irak.
Ist fast wie eine mathematische Gleichung: da herrscht bitterste Not, Frauen werden vergewaltigt, Priester hingerichtet, Öl wird an Fremde verkauft: da muss die Weltpolizei einschreiten. Tja – diese Konstellation konnte sich ein Steinmeier nicht vorstellen … aber was heißt das letztlich schon. Wenn das Volk im gerechten Zorn dem Präsidenten folgt, um die Horden des Bösen im Namen allerbester Werte zu vernichten („Kollateralschäden“ wie üblich inbegriffen): da wird dann aus „80 Millionen Deutschen ein Team“ (dieses Nationalgetöse hatte ich schon als Fussballwerbung im Briefkasten), welches alternativlos die Lücken des ehemaligen Weltpolizisten schließt: schon haben wir deutsche Truppen im Irak.
Ähnliches hatte Rom schon mit den Germanen gemacht: Hilfstruppen für das Imperium, um eigene Kräfte zu schonen. Medien und Bundespräsident marschieren schon mal in diese Richtung.
Ach, war die Zeit schön, als man noch die Kunst der Diplomatie dem Bombardement von Zivilisten vorzog. Herrliche Tage, als die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg noch nicht vergessen waren und man noch klar vor Augen hatte, das KRIEG DER FEIND DER MENSCHHEIT ist … und immer mehr Probleme schafft, als er zu lösen verspricht.
Sieht man jetzt im Irak: nach dem die Nato alle Sicherheit schaffenden Strukturen zerschlagen und unterhölt hat, übernimmt die Mafia die Macht.
Ach ja … jetzt lehnen Sie sich mal nicht zurück und denken sich: „gut, dass das alles so weit weg ist“.
Wenn die Soziopathen in der Hochfinanz, in Wirtschaft und Politik mit diesem Land und dieser EU fertig sind, die staatlichen Kassen komplett ausgeplündert und Polizei, Armee und Verwaltung nicht mehr bezahlbar sind, dann werden wir die gleichen Verhältnisse bekommen. Agressionen gegeneinander werden in unserer Gesellschaft schon genug gezüchtet … ich denke da nur an das Thema „Bundesliga“ bzw. „Gewalt im Fussball“.
Diese Entwicklung ist auch unaufhaltbar, sie liegt in unserem „Personalproblem“ begründet, das wir noch nichtmal ansatzweise verstanden haben – siehe Berner Zeitung:
Sie zeigen, worum es in ihrem Geschäft geht: möglichst viel für sich zu bekommen, ohne dass die anderen es merken. Ob das dann auch dem Unternehmen und den Angestellten zugute kommt, ist ihnen egal. Globalisierung und Konzentration kommen dieser Mentalität sehr entgegen, weil die Kontrolle fehlt, aber auch die Rücksichtnahme und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Narzisstisch gestörte Manager funktionieren so: Sie kommen, nehmen und gehen wieder, bevor ihre Schwindel auffliegen.
Besonders die grossen Unternehmen selektieren vorzugsweise Spitzenkader mit narzisstischen Charakteren.
Also … auch Kirchen, Parteien, Medien und Gewerkschaften? Der deutsche Bundestag? Die Regierung?
Und so sehen wir … das wir mit einem Blick in den Irak die Zukunft Syriens, der Ukraine und letztllich die Zukunft Europas gesehen haben.
Auftrag erfüllt.