Leben

Aktion Weihnachtsengel

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Dienstag, 17.12.2013. Eifel. In sieben Tagen ist Weihnachten. Ich weiß: die meisten widert das an. Der Konsumrausch, die Abarbeitung gesellschaftlicher Verpflichtungen, die weitflächige Vernichtung von Lebenszeit durch sinnentleerte Rituale: das ist nicht jedermanns Ding, die geistige Armut, die mit diesem Fest durch die Gassen schleicht, ist oft schwerer zu ertragen als die materielle Armut, die ein Genießen dieses Festes unmöglich macht.

Dabei ist ein es altes Fest – ein sehr altes. Es hat auch wenig mit Göttern zu tun, es geht um Winter – und um Licht. War den Menschen früher halt unangenehm, wenn die Dunkelheit das Licht fraß. Man wusste ja wirklich nicht genau, ob es nochmal wiederkam. Wissen wir eigentlich auch nicht – aber wir tun einfach mal so. Eigentlich weiß kein Mensch sicher, ob er das Licht des neuen Jahres noch lebendig erleben wird, darum reicht die Bedeutung des Festes weit hinaus.

Es ist ein Fest, zu dem man sich Harmonie wünscht. Der Winter – das wusste man noch zu Zeiten Napoleons – ist kein guter Zeitpunkt, um Kriege zu führen. Die Truppe friert einem einfach weg, verhungert, noch bevor sie den Feind sieht. Auch Nachbarschaftsfehden sollten dort ruhen: der unmenschliche, übermächtige dunkle Feind steht draußen – für Menschen ein guter Zeitpunkt, zusammen zu rücken, sich ums Feuer zu scharen, um der unerbittlichen Kälte und er unbezwingbaren Dunkel zu entkommen. Gerne nahm man auch ein paar Tannenzweige mit: jener Baum zeigte, das Leben selbst den finstersten Abgründen der Existenz trotzen konnte – ein guter Gefährte für die Wanderung durch die Winternächte.

Heute ist natürlich alles anders. Heute haben wir Zentralheizung und Glühbirnen. Die machen weder so schön warm wie ein echtes Feuer, noch werfen sie ein so schönes Licht: aber Dunkelheit und Kälte sind weitgehend aus unserem Leben verbannt – es sei denn, man hat sich zu sehr auf das Versprechen verlassen, dass das hier ein Sozialstaat ist. Wir können jetzt auch Kriege im Winter führen: ein toller Erfolg von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – noch nicht mal diese Zeit ist ohne Widerwärtigkeiten zu bestreiten.

Dunkelheit und Kälte machen uns aber immer noch zu schaffen. Wo man früher naturgemäß „schlecht drauf“ war, hat man heute eine behandlungsbedürftige Winterdepression, die viel Gewinn verspricht – für die Behandler.

Dabei … ist es vielleicht gar nicht so sehr die Sonne, die uns fehlt, sondern mehr das Licht und die Wärme, die von menschlicher Gemeinschaft ausgeht. Dunkelheit und Kälte – sind immer noch um uns, aber sie betreffen mehr die Seele und den Verstand, sind umso beunruhigender, weil sie nicht offen zutage treten, sondern sich hinter nüchternen Zahlen verstecken, die unser Gemüt wohl richtig zu deuten vermag – unser sorgfältig abgelenkter Intellekt aber nicht.

Für Neopresse habe ich jetzt ein paar Fakten zusammengetragen, die aufzeigen, was wir in unserem Alltag wirklich erleben: Lügen, Täuschungen, Armut, ein jubelnder Marsch in den fürchterlichsten Staatsbankrott, den dieses Land je erlebt hat: eine reale Arbeitslosigkeit von über 50 % (aus internen – und selbstverständlich streng vertraulichen – Quellen des Arbeitsamtes habe ich erfahren, dass man dort von 80 % realer Arbeitslosigkeit ausgeht), eine reale  Staatsverschuldung von 7 Billionen Euro, ein Rückgang des Warenvolumens im Binnenkonsum um 15 %, Sanktionen der Jobcenter von 350 % (nein: kein Scherz): das ist unsere Dunkelheit, unser Winter.

Um den natürlichen Winter zu überstehen, hat man sich in finsterster Zeit einen Tag ausgesucht, den man bewusst und absichtlich mit Licht, Wärme und Kuchen füllte: Weihnachten. Es besteht kein Grund, diese Tradition nicht weiter zu führen.

Werden Sie einfach selber Weihnachtsengel, bringen Sie Licht, Wärme und Freude ins Leben der Menschen.

Haben Sie Geld, ist der Weg sehr einfach.

Stellen Sie ein Paket zusammen mit handelsüblichen Nahrungsmitteln, Obst, Gemüse, Brot, lehrreichen Büchern, vielleicht auch eine CD mit etwas Musik: nehmen Sie Dinge, die einfach sind. Verpacken Sie sie liebevoll … und legen Sie sie einfach anonym vor die Tür armer Menschen. Bringen Sie etwas Licht in das Leben dieser Menschen – aber bleiben Sie unbedingt anonym – „vom Weihnachtsengel“ reicht als Absender vollkommen. Die Tat soll in erster Linie Ihr dunkles Herz erwärmen und nicht ihr Ego pflegen, Sie sollten wenigstens einmal im Jahr etwas tun, ohne daran zu denken, was Sie selbst davon haben: davon haben Sie dann nämlich viel mehr.

Versuchen Sie es einfach mal: selbstlos helfen kann sehr glücklich machen – die beste Therapie gegen Winterdepressiond, viel besser als Alkohol oder Tabletten.

Sie kennen keine Armen?

Fragen Sie den Pfarrer. Oder schauen Sie dort nach, wo Kinder sind, die nicht in fein gepflegten Egotempeln gehalten werden. Erkennt man am Spielzeug vor der Tür. Oder machen Sie einfach beim Einkaufen die Augen auf. Aber achten Sie darauf: werden Sie nicht arrogant, bloß weil´s ein Armer ist: die Arroganz ist es, die Ihr Innerstes verdunkelt.

Haben Sie kein Geld, ist der Weg noch einfacher.

Sie brauchen nur etwas Papier und Stifte. Suchen Sie sich einen einsamen Menschen  – bei den Reichen findet man davon besonders viele – und schreiben Sie einen besonders freundlichen Weihnachtsgruß. Anonym – als „Ihr Weihnachtsengel“. Auch deren Kinder freuen sich über ernst gemeinte Wünsche. Schreiben Sie etwas über Dunkelheit und Licht – und garnieren es noch mit einem schönen Zitat, von denen es im Internet tausende gibt. Aber: nicht zynisch werden, nur weils ein Reicher ist: der eigene Zynismus ist es, der einen innerlich verdunkelt.

Gerne können Sie auch Reiche einladen, sich an der Aktion Weihnachtsengel zu beteiligen: die meisten von ihnen wissen doch gar nicht mehr, wohin mit ihrem Geld.

Viel ist gewonnen, wenn die Menschen das Gefühl bekommen, dass da draußen jemand ist, der an einen denkt, das trotz aller Finsternis, bitterer sozialer Kälte und gesellschaftlicher Dunkelheit sich Menschen zusammenfinden, die Licht in das Leben bringen.

Man stelle sich vor, welch´ ein Ruck durchs Land gehen würde, wenn auf einmal Weihnachtsengel in großer Zahl unterwegs wären: die unbekannte Volkssolidarität würde Wirtschaft und Politik massiv beunruhigen.

Aber auch, wenn man nur ein kleines Licht anzündet, hat man gute Arbeit geleistet: den Menschen Hoffnung gegeben.

Dafür ist Weihnachten da: Hoffnung geben, dass die Dunkelheit nicht ewig währt.

Die Idee dazu stammt ursprünglich nicht von mir, sondern von einem äußerst erfolgreichen Trainer von reichen Leuten und US-Präsidenten. Leider hat sie sich nie durchgesetzt – weshalb ich immer mal wieder gerne daran erinnere.

Man kann sie auch noch ergänzen.

Ist Ihnen das Materielle zu mühsam, nehmen Sie das Ideelle. Verzeihen Sie einem Menschen (nur einem – man will ja niemanden überfordern), der sie verletzt hat – auch, wenn es ein Sachbearbeiter vom Jobcenter oder ein anderer Vorgesetzter ist. Entschuldigen Sie sich bei einem Menschen, den Sie verletzt haben. Das geht auch schriftlich – und gern kann man die Aktion Weihnachtsengel als Ausrede für seine Tat benutzen. Nur – anonym geht das nicht so gut.

Sie können natürlich auch gerne Weihnachten in den sicheren eigenen vier Wänden in den Kreisen der eigenen Lieben verbringen, deren Sympathie Sie sich mit großzügigen Geschenken erkaufen, die schnell verbraucht und vergessen sind.  Ganz so viel wirkliche Freude werden weder Sie noch die Beschenkten davon haben – aber das ist ganz allein Ihre Verantwortung.

Da halte ich mich gerne ´raus.

 

 

 



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