Leben

Bezahlen, benutzen, wegwerfen: wie uns das Stockhom-Syndrom dazu bringt, unseren Untergang zu lieben.

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Donnerstag, 21.11.2013. Eifel. Der Tag wird überschattet von einem ernsten Trauerfall: der Kabbarettist Dieter Hildebrandt ist tot. Mehr als alle anderen stand er für energischen Widerstand gegen die zunehmende Dekadenz im Land, die Verblödung, die um sich greifende Sitten- und Gewissenlosigkeit. Was mir an ihm gefiel? Sein Ernst und seine Betroffenheit. Ich könnte es mir nun einfach machen und sagen: denken wir heute mal nichts, trauern wir einfach mal. Da aber täglich viele gute Menschen sterben, käme man bei strickter Befolgung dieser Maxime überhaupt nicht mehr dazu, jene Themen wahr zu nehmen, die auch Dieter Hildebrandt betroffen gemacht haben.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in der Flut der Nachrichten kleine Kostbarkeiten verborgen sind, die besondere Aufmerksamkeit verdienen. Nehmen wir als Beispiel heute mal die OECD-Studie über die Menschen aus reichen Ländern, über die der Spiegel berichtet: allein in Deutschland gab es von 2000 – 2011 einen Anstieg der Einnahmen von „Glückspillen“ von 150 %. Eine kleine Nebeninformation ist besonders drollig: bei leichten Depressionen kann die Einnahme des Medikamentes zur Suizidneigung führen. Denkt man zuerst daran: „Na, typisch Pharmaindustrie: kostet viel, bringt aber nichts außer einen um“, so ist mit ein wenig Nachdenken über die aktivitätssteigernde Wirkung des Medikamentes die wahre Ursache gefunden: die Schnauze voll vom Leben hatten die Leute schon vorher – nur gibt ihnen das Medikament die Kraft, ihren Frust in die Tat umzusetzen.

Der Spiegel reduziert die Alltagsproblematik der Depression auf die Finanzkrise – wie üblich wird mit aller Gewalt versucht, die Norm als gut und schön darzustellen: ohne Krise ginge es allen blendend. Die Wahrheit ist: die Finanzkrise macht den wenigsten Deutschen Sorgen, sie erleben andere Veränderung drastischer. Nehmen wir zum Beispiel das Wetter, heute lieber „Klima“ genannt. Jeder merkt es: da tut sich was. Ebenso merkt jeder, der sein Leben nicht im Büro verbringt, dass jene seltsamen Kondensstreifen am Himmel sich im Laufe des Tages zu einer geschlossenen Schleierwolkenschicht entwickeln, die den Menschen den letzten Rest Sonnenlicht nimmt: die Winterdepression wird Dauerzustand. Gut – ich weiß nicht, was in diesen Kondensstreifen drin ist: es bleibt nur zu hoffen, dass es sich um „Chemtrails“ handelt, denn die kann man abstellen. Ist das eine natürliche Entwicklung eines ständig wachsenden Flugverkehrs, mit dessen Hilfe die Deutschen wenigstens einmal im Jahr aus ihrem selbst verschuldeten Elend fliehen wollen, dann ist Hilfe weniger schnell in Sicht.

Ich muss jedoch vorsichtig sein: ich bewege mich hier schon wieder am Rande eines Tabus. Über „Klima“ kann man nicht mehr so einfach reden, „Klima“ ist ein außerordentlich politisches Thema geworden. Kann nämlich sein, dass da jemand dran gedreht hat. Jedenfalls behaupten das laut Spiegel jene Länder, die von der stetig wachsenden Anzahl von Naturkatastophen deutlich betroffen sind – und damit meine ich nicht die USA, die erst kürzlich mit 80 nahezu gleichzeitig auftretenden Tornados einen neuen Redkord aufgestellt haben, sondern die heute im Spiegel zitierten Entwicklungsländer, die jetzt auf der Weltklimakonferenz Entschädigungen für die Folgen der Naturkatastrophen fordern. Gerade deshalb gilt es ja als schick und mutig, diese erkennbaren Klimaveränderungen bzw. die Theorie des menschengemachten Klimawandels anzugreifen: wo kein Täter, da keine Entschädigung. Hier missbrauchen Täter ganz offen die Sitten und Gepflogenheiten der offenen Gesellschaft, in dem sie sich selbst als Opfer präsentieren … und damit auch durchkommen. Habe ich jetzt die Theorie des menschengemachten Klimawandels nicht hinten herum anerkannt – ohne wissenschaftliche Ausbildung und umfassender Sichtung aller Argumente und Gegenargumente?

Ja, diesen Fauxpas habe ich begangen. Was soll ich auch anderes tun, wenn die Tagesschau meldet, dass man sich nun an rekordverdächtigen Dauerregen gewöhnen muß:

Nicht nur Sardinien, ein ganzes Land versinkt in diesen Tagen im Dauerregen. Im Herbst ist das in Italien nicht ungewöhnlich. Und auch dass innerhalb weniger Stunden 400 bis 450 Liter pro Quadratmeter fallen, sei keine Ausnahme mehr, sagt Giorgio Zampetti von der Umweltorganisation „Legambiente“.

„Früher gab es solche Niederschläge alle 20 bis 40 Jahre“, sagt der Umweltaktivist. „Wir haben die italienischen Regionen untersucht, vor allem Ligurien und die Toskana, die zuletzt am meisten betroffen waren. Und wir haben festgestellt, dass so etwas nun drei- bis viermal pro Jahr vorkommt. Hier ist also aus der Ausnahme eine Regel geworden.“

Früher: einmal alle zwanzig Jahre. Heute: viermal im Jahr. Macht eine Steigerung von 8000 Prozent. Soll ich da wirklich noch mit Klimaskeptikern diskutieren, wie es unsere Talkshowkultur gerne sieht, die meint, man könne Wirklichkeit mit Parolen bewältigen?

Es ist aber nicht nur das Wetter, das dem Deutschen aufs Gemüt schlägt. Wo er sich umsieht, bemerkt er eine kriminelle Lumpenelite, die mit großer Macht danach trachtet, den Krieg REICH gegen ARM auch in Deutschland erfolgreich durchzuführen – und er bemerkt – wie im Falle des Herrn Hoeneß – das diese Verbrecher eine große Gefolgschaft haben, die voll hinter ihnen steht. Das das eine typische Erscheinung des völlig entarteten Feudalismus ist, wird kaum noch diskutiert, die Zeiten, wo Bürger über das Stockholm-Syndrom aufgeklärt wurden, sind lange vorbei.

Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert.

Das ist doch die plausibelste Erklärung für den Merkel-Hype der Gegenwart! Oder für die Sympathiewelle, auf denen unsere Leistungsträger schwimmen, deren größte erkennbare Leistung Steuerhinterziehung ist. Frage mich, wann die Kriminellen von Oppenheim-Esch das Bundesverdienstkreuz bekommen. Immerhin haben wir hier jetzt einen Einblick in ihre Machenschaften, die mal wieder deutlich zeigen, wie man zu dem Reichtum kommt, mit dessen Hilfe man dann erfolgreich Krieg gegen die Armen führt, siehe Manager Magazin:

Wie das manager magazin in seiner am Freitag (23. August) erscheinenden Ausgabe berichtet, vereinbarten die Akteure die Gründung einer Gesellschaft, die eine große Mehrheit der Aktien erwerben und anschließend den verbleibenden Streubesitzaktionären ein Übernahmeangebot machen sollte.

Mit einem Squeeze-out sollte verhindert werden, dass die freien Aktionäre am Gewinn teilhaben würden.

Ein geheimer Plan einer zuvor höchst angesehenen Bank. Mit wie viel geheimen Plänen müssen wir eigentlich noch rechnen? Ach – ich vergaß: über Verschwörungen darf man sich in der westlichen Kultur keine Gedanken mehr machen, weshalb solche Aufdeckungen von existierenden Verschwörungen nur noch zufällig geschehen: so weit ist der Krieg REICH gegen ARM schon erfolgreich gewesen – die Denkverbote werden auf weiter Fläche akzeptiert.

Was dieser Plan noch offenbart? Erstmal merkt man schon an der Sprache, dass die Bevölkerung ausgeschlossen werden soll: nicht umsonst kommt hier ein Denglisch zur Verwendung, das jeden Engländer gruseln läßt, aber seinen Zweck erfüllt: der normale Deutsche ohne Anglistikstudium ist erstmal verblüfft, weil schon die Wortwahl zeigt, dass er gefälligst draußen bleiben soll, weil er sowieso keine Ahnung hat. Das die Regierungen des letzten Jahrzehntes dieses „Ausquetschen“ erstmal durch entsprechende Gesetze möglich gemacht haben, soll möglichst nicht öffentlich diskutiert werden: man würde riskieren, dass es auf einmal weniger Reiche gibt – und auf die kann man in dem momentanen Krieg nicht verzichten.

Ist ist auch eher dieser Krieg, der den Deutschen neben dem Wetter und der Finanzkrise Sorgen bereitet. Mit Krisen jeder Art kommen wir klar – aber einen Krieg führen zu müssen gegen einen Feind, der mehr als nur einen Fuß in der Tür des )Bundeskanzleramtes und aller Abgeordnetenbüros hat, einen Krieg, über den man über öffentlich noch nicht mal reden darf  (es sei denn, man heißt Warren Buffett): dass ist etwas viel verlangt – es erinnert an den Kampf gegen unsichtbare allmächtige Götter.

Dieser Krieg nimmt zum Teil absurde Züge an, wie das Handelsblatt aktuell berichtet: ein kleiner Kaffeestand in Bangkok hat gegen den Megakonzern Starbucks verloren. Der Umsatz belief sich auch unter 700 Dollar im Jahr, Starbucks investierte aber ein Vielfaches dieser Summe, um einen Rechtsstreit gegen diesen Kaffeestand durchzusetzen: „töte einen, diszipliniere hundert“, so die Devise, die im Geschäftsleben immer weiter um sich greift. Die Sünde des Verkäufers: ein grünes Schild mit dem Namen „Starbungs“. Ich hätte es für einen Witz gehalten – Konzerne verstehen aber keinen Humor. Bald wird man nicht mehr über sie reden dürfen, weil sie den Gebrauch ihres Namens gesetzlich geschützt haben.

Nun – momentan dürfen wir das noch. Vieles verbietet aber die bundesweite Kultur des Stockholm-Syndroms schon heute, dass zeigt die aktuell aufgeregte Diskussion um die Forderung eines Prostitutionsverbotes durch Alice Schwarzer. Keiner wundert sich darüber, dass es momentan eher linke Kreise sind, die für die Prostitution sprechen, während die alten Puffgänger von der CDU sich gewandelt zu haben scheinen: immer mehr unterzeichnen den Aufruf von Frau Schwarzer. Hier hat sich im Denken der Linken wohl etwas verändert, was ich verpaßt habe – ich habe allerdings schon die Agenda 2010 nicht verstanden. Prostitution war früher ein Ausdruck des Krieges Reich gegen Arm: die Armut soll die Frauen dazu gezwungen haben, sich an reiche Männer zu verkaufen, um ihre Kinder durchzubringen, darum waren die Linken dagegen und die Rechten dafür. Linke hatten auch gar kein Geld dafür – bis rot/grün durch entsprechende Gesetze die Preise dieser angeblich so wertvollen und hochgeschätzten Dientsleistung auf 30 Euro senkten.

So kam auch der arme Linke in einen besonderen Genuss: sie konnten den Berlusconi machen und endlich auch mal mit minderjährigen Mädchen so verfahren, wie es der Meister vorgemacht hat, siehe Welt:

Viele Kritiker machen dafür auch die Jahre unter der Regierung von Silvio Berlusconi verantwortlich, in denen das Frauenbild in Italien von Medien und Werbung vor allem von jungen aufreizenden Mädchen beherrscht wurde, nicht von selbstbewussten Frauen. Jugendrichterin Martello sagt, viele junge Frauen seien längst überzeugt, „dass ihr Körper wichtiger und wertvoller ist als ihre Person. Und die Männer sind der Meinung, dass sie einen Körper bezahlen, benutzen und wegwerfen können“.

Dieses Prinzip – „bezahlen, benutzen, wegwerfen“ – ist das Prinzip, dass unsere Leitungselite mit allem macht, was ihnen in die Finger kommt – der ganze Planet gerät so aus den Fugen. Hier ist dieses Prinzip mal übel aufgefallen, weil es minderjährige reiche Mädchen waren, die dort benutzt wurden: für die Armen ist es ja schon allgemein akzeptiert, dass sie sich gefälligst verkaufen sollen.

Was einem besonders auffallen sollte: die reichen Eltern dachten sich nichts dabei – für sie ist das Prinzip Alltag, warum also nicht auch für ihre Kinder? Hier bewies einer der führenden Bordellbetreiber Deutschlands mehr Ethik – die hat er sich wahrscheinlich aus seinen armen Zeiten hinübergerettet.

Wo das alles enden soll?

Wollen wir doch gar nicht wissen: brächte uns in Konflikt mit unserem Stockholm-Syndrom.

Lieber nehmen wir unsere Glückspillen und freuen uns über Dieter Hildebrandt, dem die Natur den Suizid ersparte. Viele Deutsche werden ihn wohl beneiden.

 

 

 

 

 

 

 



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