Politik

Ralph Boes ist tot, das System hat gewonnen und mordet weiter.

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Samstag, 19.10.2013. Eifel. Heute wird mein letzter Tag mit Gartenarbeit – dann kann der Winter kommen. Wird er auch – daran habe ich keinen Zweifel. Allerdings nicht nur meteorologisch, sondern auch politisch. Es ist nicht schwer, diese düstere Zeit vorherzusagen: eine allmächtige Regierung, eine zur Handlungsunfähigkeit degradierte Opposition (die an sich schon den Namen nicht verdient), ein Wertekanon, der dem einer Räuberbande gleicht – das wird sehr teuer werden für die Bürger. Gestern habe ich mit einem (nicht arbeitslosen) Sozialarbeiter gesprochen, er überraschte mich mit der Frage, ob ich überhaupt noch einen Menschen kennen würde, der glücklich sei. Fast hätte ich gesagt: „Ich“ – doch dann schreckte ich zurück … kam mir kurz so vor, als wäre ich der letzte Überlebende im Zombieland.

Der Zustand des Unglücks wird natürlich nicht in Frage gestellt, man nimmt es klaglos hin: Zombieland halt. Tag für Tag wird es liebloser, gewalttätiger, dümmer – als in einem demokratischen Deutschland groß gewordener Bürger möchte man einfach nur noch weg. Deutschland kann nicht mehr „Heimat“ bieten, es wird „un – heim – lich“.

Die Gründe für diese Entwicklung sind bekannt, viele Schriftsteller haben darüber berichtet – über den „Deutschland-Clan“, über „das System“, über „die Elefantenmacher“: es ist jedem aufgeklärten Bürger klar, dass das Traumschiff Berlin fernab der gesellschaftlichen Realität ein Hort von Wölfen geworden ist, die nur noch dann miteinander ringen, wenn es darum geht, welche Lämmerbürger gefressen werden –  und die Lämmer dürfen wählen, welcher Wolf am Kopf des Tisches sitzen darf. Neu ist die Erkenntnis, das diese Entwicklungen schon im Dritten Reich angelegt wurden: die Geburt des Vierten Reiches ist kein Zufall, doch der deutsche Blogger sieht eher die Zunahme der Nazivergleiche als Problem, weniger das zielstrebige konsequente Wachstum des Vierten Reiches.

Ein Kampf gegen die Auferstehung dieses Monsters, dass in Europa schon jetzt wieder für Angst und Schrecken, Hunger und Obdachlose sorgt, wurde jetzt verloren: der neue Stauffenberg ist tot. Ich hatte Ralph Boes diesen Ehrentitel verliehen (in meinen Augen war das einer, für die meisten Deutschen auch), um auch andere Schichten als die „üblichen Verdächtigen“ darauf aufmerksam zu machen, was da geschieht.

Die Idee war gut, auch wenn mir Führerkult zuwider ist – im Krieg geht es aber nicht anders, das wussten sogar die Indianer und wählten einen Kriegshäuptling. Die Vorstellung, alle Hartz-Kritiker hinter einem Intellektuellen zu vereinen und dabei gleichzeitig dem Bürger klar zu machen, dass neue Hinrichtungen bei Befehlsverweigerungen laufen, war sehr verlockend. Nun – es kam, wie es halt kam: anstatt Frontmann einer sozialen Bewegung zu werden, wurde eine „Ein-Mann-Show“ durchgezogen, die Zusammenarbeit mit anderen Grundeinkommensbewegungen eingestellt, da Ralph und seine bösen Freunde nicht den Verlockungen des TV widerstehen konnte, wurde der total unvorbereitete Akteur gnadenlos durch die Arena gezerrt, was blieb war das Bild von „Deutschlands frechstem Arbeitslosen“: Wasser auf die Mühlen des asozialen Mobs, der das sofort dankbar aufgriff. Wer immer dort Rat gab, muss ein großer Narr sein: der Kriegshäupling war der Schlacht nicht gewachsen.

Dilettantismus amüsiert mich nicht, erst recht dann nicht, wenn es um Menschenleben geht – und dass es darum geht, scheinen die Deutschen nicht zu verstehen. Es geht um IHR Leben, um die Implementierung grundgesetzfeindlicher Werte in unser Alltagsbewußtsein. Medien, Richter, Polizei – überall herrscht das Parteibuch. In kleinen lichten Momenten erlaubt der Spiegel seinem Feigenblatt (den Kolumnisten) mal eine kritische Reflexion des Zeitgeistes, wie aktuell von Georg Diez vorgenommen:

Wie ist denn dieses Gift in die Köpfe von Journalisten gedrungen? Wie können sie in einem freien Land tatsächlich solche Orwell-Sätze schreiben, dass der Staat schon wissen wird, was gut für uns ist? Ist das nur die Angst um die eigene Position, die Angst vor der medialen Herausforderung durch „das Internet“? Reicht das als Erklärung etwa für den klebrigen Populismus von Kirsty Wark, die sich zur Sprecherin der von ihr vermuteten schweigenden Mehrheit der Briten machte, die sich doch „durchaus sicher fühlen“, so sagte sie es, durch die Spionage von NSA und GCHQ?

Was ist los mit einem Journalismus, der die Grundlagen, die ökonomisch gefährdet sind, inhaltlich gleich selbst zerstört?

Hätte man mehr Bildung, würde man nicht so schnell vergessen, dass andere schon längst beschrieben haben, was los ist: der „Putsch von oben“, 2004 von Arno Luik im Stern angekündigt, läuft in vollem Gange. Jahrzehntelang wurden überparteiliche Allianzen unter der Schirmherrschaft des Kapitals geschmiedet, das so mächtig in Berlin geworden ist, dass es die Grünen und Linken ganz schnell schlucken konnte, gleichzeitig wird dafür gesorgt, dass die Lämmer sich vor Furcht nicht aus den Häusern trauen, in denen als Ersatz für Realität immer mehr optisch brillante aber inhaltlich peinliche Unterhaltung produziert wird.

Die Fragen des Herrn Diez lassen sich also leicht beantworten: der Putsch von Oben hat inzwischen die Medien gleichgeschaltet, überzieht gerade das Land mit Sicherungskompanien und bringt Arbeitslose durch unterlassene Hilfeleistung zum Tode, ex-Militärs machen in der Arbeitslosenverwaltung lukrative Karriere und schaffen dort erstmal lukrative Parteibuchjobs von dem Geld, das man den Arbeitslosen aus der Tasche gezogen hat – so stopft man kritische Mäuler am Besten: durch Beförderung.

Wir haben kaum noch unabhängige Medien, das Kapital diszipliniert sie direkt über Werbung, den Aufkauf ganzer Zeitungen oder auch indirekt über die Parteisoldaten, die unablässig ihre Wühlarbeit auf allen Ebenen durchführen, finanziert durch großzügige Spenden. Man merkt den neuen, strammen Geist des Vierten Reiches nicht nur in den Medien, sondern auch in den Parteien: die „Basis“ ist voller Verwunderung über den Kurs ihrer „Elite“, doch gegen den „Willen des Volkes“ kommen sie nicht an … und dieser Wille wird vom „Volk“ auf allen Kanälen tagtäglich gesendet, einmal wendete sich das „Volk“ sogar direkt an den Bürger, die „Nachdenkseiten“ haben das Dokument deutscher Elitemenschen der Nachwelt erhalten: eine breite Front reicher Menschen jubelt Kanzler Schröder für Harzt IV zu – auch Marius Müller-Westernhagen.

Dafür ist Geld da: man will wieder Tote sehen – und fast hätte man wieder einen mehr gehabt.

 

Ralph Boes ist nicht tot. Er lebt – noch.  Die Jobcenter bekommen sogar von dritter Seite Geld überwiesen, um sein Überleben sicher zu stellen, siehe wir-sind-boes:

Nach einer erneuten Sanktion, die am 1.August 2013 über Ralph Boes verhängt wurde, hat dieser erneut öffentlich vorgelebt, dass die Sanktionen sehr wohl bis zum Hunger führen. Nach über 50 Tagen ist die Lage um Ralph Boes so besorgniserregend geworden, dass nun mehrere Menschen begonnen haben, Darlehen an das Jobcenter Berlin-Mitte zu überweisen. Sie fordern das Jobcenter auf, im Namen der Allgemeinheit das Geld umgehend an den mittellosen Ralph Boes weiterzuleiten. Wird das Jobcenter selbst diese Gelder vorenthalten?

Nun – das wird man sehen. Interessanter Schachzug der Planer um Ralph Boes, doch leider wird er nicht weit tragen: Jobcenter sind nicht für die Verteilung von Almosen zuständig, sondern für die Erteilung von Befehlen an Arbeitslose: „Wer zahlt, befiehlt“ hat die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte ersetzt. Wer nicht gehorcht, wird obdachlos und verhungert, das ist so geplant und gewollt.

Das wir die Menschenrechte kampflos aufgegeben haben, werden bald viele Millionen bitter bereuen …. wenn man merkt, das Rentner eigentlich auch arbeitslos sind, ebenso Kosten auf zwei Beinen, deren sozialverträgliches Frühableben man im Dienst an der zahlenden Generation gerne optimal organisiert. Sind doch eh´ alles Schmarotzer … oder „Gammelfleisch“ – ja, das Wort hat die Jugend schon mal eingeführt. Ihm müssen nur noch Taten folgen.

Um die Klage zum Bundesverfassungsgereicht aufrecht zu erhalten, muss Ralph Boes leben. Auf Drängen der Aktivistengruppe hat er seit Kurzem angefangen, wieder Nahrung anzunehmen, wenn sie von Freunden gegeben wurde. Ohne Solidarität wäre Ralph Boes bald Geschichte.

Gäbe es keine Aktivistengruppe – wäre die Überschrift hier korrekt. So ist sie es nur halb.

Bei der Bundestagswahl hat Ralph Boes mehr als die Hälfte seiner Stimmen eingebüßt, sein Antrag auf aufschiebende Wirkung der Sanktion wurde abgelehnt, ebenso lehnte es der Petitionsausschuss ab, die Fordernung nach sofortigem Stop der Sanktionen dem Gesetzgeber zuzustellen.

Herr Boes könnte verhungern und es würde kaum mehr als ein Achselzucken in der Politik bewirken.

Genau.

Es war immer die Frage, ob Gandhis Methode des gewaltlosen Widerstandes auch bei Hitler gewirkt hätte. Viele meinten: nein. Gandhi konnte nur gewinnen, weil die Briten anständige Demokraten waren. Wir haben nun erlebt, wie „Das System“ mit einem kleinen Gandhi aus Berlin umgeht: sie räumen ihn gnadenlos aus dem Weg. In der Tat würde sein Tod niemanden interessieren – immerhin ist ja auch das gerade vom „System“ (in dem dauernd gräßliche Dinge geschehen, für die niemand Verantwortung trägt) beabsichtigt: wer die Befehle von Oberst Weise nicht mit voller Begeisterung ausführt, wird erschossen … äh, nein, Entschuldigung: „sanktioniert“.

Und dieser Zustand ist es natürlich nicht wert, dem Bundestag vorgelegt zu werden.

Wieso auch: der hat das beschlossen!

Das wenigstens haben wir Ralph Boes zu verdanken: die Erinnerung daran, das SANKTIONEN DIREKT ZUM TODE FÜHREN.

Sanktionen sind kein Kinderspiel, noch Spaß. Der Staat greift mit tödlicher Gewalt in den Arbeitsmarkt ein: unser Feind steht moralisch weit unter dem Ethos der britischen Besatzungs- und Kolonialmacht in Indien – es gibt nur niemanden, der das noch so verbreiten würde. Eine Glocke des Schweigens senkt sich über die Republik der Unglücklichen, die Bürger flüchten sich (wie früher schon mal) in die innere Emigration, werden fügsam und biegsam, weil der Tod wieder durch die Straßen schleicht, die Wirtschaft selektiert immer gnadenloser aus, der Staat entsorgt den nicht mehr verwertbaren Müll: das alles hatten wir schon mal. War doch kein Unfall, wie sich zeigt.

Und was ist mit den vielen Menschen, die durch die mit dicken Bonuszahlungen versüßten Sanktionen (die in Deutschland von Jahr zu Jahr neue Rekorde erreichen – Bonus bringt halt doch was) aktuell dem Hungertode nahe sind – nicht durch einen schweren Schicksalsschlag, sondern durch den brutalen Willen eines empfindungs- und verantwortungslosen Staatswesens, das sich völlig dem Dienst an einer Elite von Lumpen verschrieben hat?

Sie sterben, ihre Namen kennt keiner.

Um an sie zu gemahnen, habe ich mir mal erlaubt, den Namen des prominentesten Arbeitslosen in Deutschland zu verwenden – ich glaube, das ist eine verzeihliche Sünde. Dem Herrn Boes selbst wünsche ich: guten Appetit. Schön, wenn man Freunde hat, die helfen, wo der Staat Hunger und Tod sät.

Und ihr anderen, die ihr dem Morden mal wieder meinungs- und tatenlos zuschaut: für euch habe ich leider nur noch eine Tüte Verachtung im Schrank.

Ein Volk, das immer mal wieder dazu neigt, Staatsmacht zum Bürgermord zu missbrauchen, sollte sich nicht wundern, dass es bei der NSA auf der Liste der Feinde steht.

Das ist keine Frage von Politik und Bündnis, dass ist eine Frage von Erfahrung und Menschlichkeit. Rentnergenozid steht nur in Deutschland alternativlos auf dem Plan, nur hier versagten schon einmal alle menschlichen Sicherungen – und man will wohl vorgewarnt sein.

 

 

 



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