Alltagsterror
Hasserfüllte Poster und ahnungslose Journalisten? Eine Replik
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Als Nachschlag zum Umgangston in Onlinemedien passend zum letzten Eifelphilosoph-Artikel:
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Im Netz stehen wir vor einer wichtigen Frage: Wie sollen wir mit all dem Hass umgehen, der tagtäglich in Zeitungsforen veröffentlicht wird? Ganz offensichtlich läuft in vielen Onlineforen etwas falsch, denn statt einer sachlichen Debatte findet man dort menschenfeindliche Untergriffe. Beleg dafür ist zum Beispiel die aktuelle Asyldebatte. Es ist erschütternd, wieviel Wut und wie wenig Empathie dort nachzulesen ist. Drei Beispiele:
– Posting von diePresse.com

– Posting von Heute.at (bezieht sich auf
target=“_blank“>dieses Video):

– Posting von derStandard.at (bezieht sich ebenfalls auf das Video)

Diese drei Kommentare sind gar nicht ungewöhnlich, sie repräsentieren die Tonalität vieler Onlineforen. Zu diesem Thema trat die Schriftstellerin Julya Rabinowich eine Debatte im Standardlos, auch ich kommentierte dieses Thema vergangene Woche im Falter. Eine Kernthese meines Kommentars: Die Aggression in den Onlineforen ist gefährlich, sie verseucht das gesamte Klima, verunmöglicht eine sachliche Debatte. Hier gibt es keinen fairen, argumentativen Schlagabtausch, diese hasserfüllten Postings sind eine “blinde Katharsis”, ein “Ausleben unangenehmer Bedürfnisse ohne jeglichen persönlichen Erkenntnisgewinn”, wie auch schon der Psychologe John Suler festhielt.
Hass ist eine Emotion, die sogar von radikalen Gruppierungen gezielt eingesetzt wird. Oder wie es der Soziologe Hinrich Rosenbrock ausdrückt: „Menschen, die hassen, haben keinerlei Empathie gegenüber den Gehassten; damit verlieren sie auch einen Großteil ihrer Hemmungen. Hass drückt eine starke Feindschaft aus, also eine Abgrenzung und damit in der Regel eine Zuschreibung ‘wir’ gegen ‘die’. Es bildet sich eine kollektive Identität heraus.“ Gerade in Wahlkampfzeiten kann man beobachten, wie extrem es in einigen Onlineforen zugeht. Ich behaupte, dass solche Hasspostings in der Tat für die öffentliche Debatte – und damit auch für unsere Demokratie – gefährlich sind. Das alles ist hier nachzulesen.
Ein Kollege im Standard hat den Kommentar anscheinend missverstanden. Michael Vosatkaempfindet die Debatte anscheinend als hochnäsig, spricht von journalistischen Eitelkeiten. Auch stellt er generell infrage, dass es überhaupt ein Problem in der Onlinedebatte gibt. So schreibt er:
„Es ist falsch, so zu tun, als ob die Flegel in der Mehrheit oder auch nur eine relevante Größe wären. Wer dies behauptet, hat sich mit der Dynamik eines Onlineforums nicht auseinandergesetzt.“
Dies ist atemberaubender Unsinn. Gäbe es keinerlei Probleme mit diesen „Flegeln“, dann würde der Standard wohl kaum dazu eine Debatte führen und etliche Kommentare zu diesem Thema veröffentlichen. Man merkt, dieses Thema polarisiert und viele Menschen sind beunruhigt, mit welcher Aggression und fehlender Empathie online diskutiert wird. Robert Misik hat das in seinem Videoblog sehr schön zusammengefasst: „In manchen Foren wird (…) intelligent und vernünftig diskutiert und diese Debatten liefern dann auch einen Mehrwert, zum Beispiel zu dem Artikel, an dem sie sich entzünden. Aber in sehr vielen hat einfach der Irrsinn die Macht übernommen.“
Es geht in dieser Debatte nicht um „Online“ gegen „Print“ oder um „alte“ gegen „junge“ Journalisten. Diese Trennlinien machen immer weniger Sinn in einer Welt, in der online und offline verschmelzen. Ich selbst bin Printredakteurin, aber auch auf Twitter viel unterwegs, dieser Text erscheint in meinem Blog. Mir geht es um Journalismus, nicht um Etiketten.
Das Netz wird immer wichtiger. Also wird auch immer wichtiger, dass dort nicht nur die Rüpel und Schreihälse das Sagen habe
Im jüngsten Kommentar des Standard werden Robert Misik und ich als Printjournalisten angesprochen, sowie Armin Wolf als bekannter TV-Moderator und es heißt: ”in ihren Medien fehlt der direkte Kontakt mit den Konsumenten der medialen Produkte.” Das ist eine verkürzte Darstellung, denn gerade Misik, Wolf und ich sind zum Beispiel drei Journalisten, die extremen Kontakt zum Publikum suchen und auch gerne auf Twitter diskutieren. Wir tun das, würde ich meinen, weil uns der digitale Austausch ein Anliegen ist.
Das Netz wird immer wichtiger. Also wird auch immer wichtiger, dass dort nicht nur die Rüpel und Schreihälse das Sagen haben, die Demagogen und Spin-Doktoren. Viele User wundern sich doch selbst, was in den Foren abgeht (speziell zu Wahlkampfzeiten). Gerade jene Poster, die eloquente, clevere oder sogar lustige Kommentare werden viel zu wenig gehört. Und das Problem ist nicht die Anonymität, sondern fehlende Sorgfalt.

Ein grobes Missverständnis ist nämlich, dass aggressive Meinungen unbedingt auf der Webseite sichtbar sein müssten und dass jedes niedergeschriebene Ressentiment eine unverzichtbare Kritik sei. Das stimmt nicht. Medien haben sehr wohl das Recht, die Debatte auf ihrer Seite zu moderieren und Rüpel auszuschließen. Wem das nicht gefällt, der kann an etlichen anderen Orten posten oder sogar sein eigenes Onlinemedium starten. Die Meinungsfreiheit wird nicht gefährdet, wenn man gegen jene vorgeht, die andere beleidigen oder sogar bedrohen.
Der zweite Schritt ist dann, für ein positives Klima zu sorgen. In meinem erscheinenden Buch liefere ich einige Beispiele, wie man mehr Respekt in der Onlinedebatte herstellen kann. Das simpelste Beispiel: Journalisten müssen den Leser und Usern auch Wertschätzung zeigen. Es macht einen riesigen Unterschied, wenn diese das Gefühl haben, sie werden ernstgenommen. Dazu das Zitat eines Zeit.de-Redakteurs: „Sobald irgendein Mitglied der Redaktion, sei es auch nur ein Moderator, einen Kommentar verfasst, beruhigt sich jede Debatte. Zumindest ein Stück weit, zumindest eine Zeit lang. Ich glaube, es liegt daran, dass die Leser erst einmal vor diese Wand gestellt sind. Die Seite wirkt irgendwie kalt, unmenschlich, das ist ein Produkt. Das lese ich und dann fange ich darüber an, zu zetern. Sobald da aber ein Mensch ist, der sagt, dass er sich Gedanken dazu gemacht hat, gehe ich ganz anders damit um.“
Es gibt kein Naturgesetz, dass Onlineforen so aussehen müssen, wie sie es heute tun. Im Gegenteil, immer mehr Medien versuchen, die Debatte freundlicher zu gestalten. Der Standard hat zum Beispiel einen eigenen Community-Manager engagiert und arbeitet an einem neuen Kommentar-System, worauf ich extrem gespannt bin.
Deswegen ist es falsch, den Status quo der Onlineforen zu verteidigen. Es ist auch verkürzt, Kritik als journalistische Überheblichkeit oder Internetfeindlichkeit abzutun. Im Gegenteil: Gerade wenn man das Internet mag, wenn man dort mit anderen diskutieren will, sollte man dafür eintreten, dass dort mit Respekt und nicht mit Ressentiments argumentiert wird.
Die obigen Screenshots stammen aus den jeweiligen Foren von diePresse.com, Heute.at und derStandard.at.
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Mit vielen Dank an Ingrid Brodnig, aus ihrer Internetseite Brodnigs Blog, das Vorschaubild wurde photographiert von Heribert Corn.
Veröffentlicht unter CC BY-NC-ND 3.0