Politik

Die geplante Tyrannei der Lethargie und ihre Folgen im politischen Alltag einer sterbenden Demokratie

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Dienstag, 30.4.2013. Eifel. Wie man vielleicht merkt, bin ich gerade am arbeiten. Schwer beschäftigt mit denken. Ich mache mir Sorgen über die Zukunft, die sich aus dieser gruseligen Gegenwart entwickeln wird. Wie es aussieht, kann ich das nicht mehr lange öffentlich machen. Schon jetzt leben wir mit der beständigen Gefahr, das uns irgendwer finanziell den Hahn zudreht, denn das Spiegeln vom Spiegel kann juristisch ernste Konsequenzen nach sich ziehen. Tom Koenigs von den Grünen äußerst sich aktuell in der Frankfurter Rundschau dazu, dass die freie Meinungsäußerung im Internet bald eine immer seltenere Erscheinung werden wird – auch dank deutscher Spionagesoftware. So sind wir Deutschen halt – inzwischen. Wenn es nur irgendwo irgendetwas zu verdienen gibt, dann machen wir mit – selbst wenn es Zyklon-B für Vernichtungslager ist. Hauptsache: Eigenheim im Grünen.

Für unser kleines Biedermeierparadies lassen wir gerne Mitbürger über die Klinge springen.

Während wir so fleissig schaffen, arbeiten andere allerdings daran, unsere Vermögen in großem Umfang wieder zu vernichten. Deutsche Richter nennen Ackermann und seine Gefährten ganz offen Lügner (siehe Handelsblatt), aber mit solchen Ganoven feiert die Kanzlerin gern. Ganoven? Politaia.org weist darauf hin (noch kann man das hier), das die Banken gut Kasse machen, in dem sie die Gelder aus dem Rauschgifthandel waschen, die durch den Verkauf der gigantischen Rauschgiftmengen aus Afghanistan auflaufen, die erst dank NATO-Einsatz wieder produzierbar wurden.

Ich denke mir jetzt nicht, das die NATO nur wegen dem Milliardengeschäft in Afghanistan ist, denn das wäre ja „Verschwörungstheorie“. Das darf nicht sein, denn in unserer Politik herrscht nur der Zufall – sonst nichts.

Der Zufall führt dazu, dass jetzt der US-Geheimdienst auf unsere Konten zugreifen kann (siehe Reuters) – bzw. auf die „Finanzdaten“.  Auf die Konten greift dann die EU zu. Wir sollten nicht vergessen: wir befinden uns gerade in einer großen Auseinandersetzung, der kleine Westen wird durch den großen Westen diszipliniert, siehe Dirk  Müller im Handelsblatt:

Glauben Sie, dass die USA gezielt gegen Europa schießen?

Ich glaube, dass hier geostrategische Interessen im Spiel sind. Gehen wir ein paar Jahre zurück: Der Euro war auf dem besten Wege, den Dollar als Leitwährung anzugreifen. Davor hat unter anderem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman gewarnt. Aus Sicht der Amerikaner wäre es fahrlässig gewesen, nichts dagegen zu tun. Amerika ist existenziell darauf angewiesen, dass der Dollar die Leitwährung der Welt bleibt. Weltweit gibt es Öl fast ausschließlich gegen US-Dollar. Wenn es hierdurch nicht eine beständige Nachfrage nach US-Dollar geben würde, würde das amerikanische Modell überhaupt nicht mehr funktionieren. Die Frage ist nicht: Kann es sein, dass die Amerikaner etwas gegen den Euro haben? Sondern: Ist es realistisch, dass sie tatenlos zuschauen, wie der Euro den US-Dollar als Weltleitwährung gefährdet.

Die Theorie, das es nirgendwo irgendwelche Verschwörungen, Absprachen, listige Täuschungen oder hinterhältige Absichten gibt, verliert langsam an Reiz, weil sie die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen noch nicht mal mehr im Ansatz beschreiben kann. Das ist der Verdienst tausender von Bloggern, Journalisten, Schreiberlingen, Sozialromantikern, die hartnäckig an den offiziell erlaubten Wahrheiten gezweifelt haben. Sie sorgen dafür, das es einen letzten Rest wahrnehmbarer freier Meinung gibt, während die offizielle Presse versucht, die Gegenbewegung tot zu schweigen. So ist zum Beispiel Island „im Mediensumpf versoffen“ (qpress), weil sie erfolgreich die Demokratie vor den Banken (also: den Ganoven) gerettet haben:

Island hat ein Knechtschaftssystem gekippt und ist dabei zu zeigen wie Selbstorganisation von Menschen funktionieren kann. Das Argument, welches jetzt zu erwarten ist, dass dies bei Abermillionen von Menschen nicht mehr funktionieren können soll, scheint ziemlich verlogen, aber wir werden uns auch solches mit Sicherheit seitens unserer Offiziellen noch anhören müssen, sollten wir auf die verwegene Idee kommen Island für dieses Vorhaben als Beispiel anzuführen. Wer also den Gedanken einer ehrlichen und volksnahen Demokratie für erstrebenswert hält, der sollte sich von Zeit zu Zeit einmal nach dem Wohlbefinden dieser 320.000 Insulaner auf Island erkundigen, damit sie eben nicht aus den Augen und aus dem Sinn verschwinden. Das Verhalten der Isländer verdient höchsten Respekt.

Das dürfen wir nie erfahren. Wir erfahren es aber, weil die Technik uns Möglichkeiten eröffnet hat, außerhalb offizieller Medienkanäle für die Wahrheit zu streiten – und dies gibt auch einem Dirk Müller die Sicherheit, offen für „verdächtige“ Standpunkte werben  zu können: er weiß, das er einen riesigen Rückhalt hat. Ein Blick ins Internet und er weiß, das er einer von vielen Millionen ist, die sich gegen die Sklavenhaltergesellschaft der Zukunft (siehe FAZ) auflehnen. Wer Zeitung aufmerksam liest, der wird sehen, das das Unbehagen an unserer Kultur inzwischen alle Parteigrenzen überschritten hat. Nichts kann uns mehr aufhalten als die eigene Lethargie.

Warum ist nun Deutschland nicht das Land, das wie Island das Joch eines kläglich versagenden Dummkopfkapitalismus abschüttelt? Immerhin leiden wir schon ziemlich darunter. Unsere Arbeitslosen sind die ärmsten in Europa, unser „Sozialsystem“ funktioniert nur noch unter gravierender Verletzung der Menschenrechte, unsere Vermögen sind laut EZB-Studie ein Witz gegen das, was die Bewohner von „Krisenländern“ besitzen: was haben wir eigentlich noch zu verlieren? Wo bleibt die breite Front der Menschlichkeit, die sich dem Wahnsinn eines versagenden Wirtschaftssytems widersetzt? In Island geht das doch.

Nun – in der Süddeutschen Zeitung gibt es eine Erklärung dafür, ein Soziologe erläutert dort Erscheinungen im Zeitalter der Massenarbeitslosigkeit:

Es gibt ein paar bekannte soziologische Untersuchungen aus älterer Zeit, berühmt sind etwa die Marienthal-Untersuchungen über die Wirkungen anhaltender massiver Arbeitslosigkeit. Sie zeigen: Arbeitslosigkeit führt nicht unmittelbar zu Widerstand und Protest, sondern zunächst lange Zeit zu Resignation oder Depression – individuell, aber auch gesellschaftlich.

Nun – Revolten von Arbeitslosen sollte man auch nicht erwarten. Ein arbeitsloser CDU-Wähler wird nicht links, nur weil er seinen Job los ist – das gleiche gilt für die anderen Parteien. Im Gegenteil: man denkt, man wählt „Wirtschaft“, wenn man CDU, CSU und FDP wählt (seit zehn Jahren gilt das auch für SPD und GRÜNE) und wählt die heftig weiter, damit es Deutschland wieder gut geht. Das man in Wirklichkeit „Wahnsinn“ wählt, wird einem erst bewußt, wenn man hungert – mitten in einem reichen Land. Hören wir nochmal den Soziologen:

Wenn es einem wirklich elend geht und man kaum mehr weiß, wie man den nächsten Tag übersteht, besinnen sich die Menschen zunächst auf sich selbst und versuchen, klarzukommen: ein Dach über dem Kopf zu haben, für das Essen zu sorgen und die unmittelbaren Beziehungen zu sichern. Sie igeln sich ein und gehen keine Risiken ein. Das ist nicht nur im ökonomischen Sinn zu verstehen, Menschen werden auch vorsichtig angesichts beginnender autoritärer Strukturen in einem Staat wie jetzt in Ungarn – vor allem jene, die potenziell Opfer werden könnten. Das hindert viele daran, nach außen zu gehen und sich politisch zu äußern.

Das ist das Verhalten, das ich von Hartz-IV-Abhängigen kenne. Schön zu sehen, das das der Wissenschaft auch bekannt ist. Seit wann?

Seit 1933, dort wurde die Marienthal-Studie durchgeführt.

Wissen Sie, was das bedeutet?

Das bedeutet, das die Hartz-Kommission genau wußte, was sie anrichtet: man bricht ein ganzes Volk.

Immerhin – was Normalbürger (und erst recht verbeamtete Normalbürger) wohl nicht begreifen: wer arbeitslos wird, sieht sich von heute auf morgen autoritären Strukturen ausgesetzt, die ihn bei leichtestem Verdacht auf Ungehorsam mit dem „sozialen Mord“ drohen können – und „die“ drohen nicht nur.

Nochmal zur Studie:

Die Arbeitslosen von Marienthal ist aber nicht nur eine mit vielen Beispielen illustrierte dichte empirische Beschreibung, sondern auch eine sozialtheoretisch anregende Arbeit mit Blick auf die vier Haltungstypen der auch innerlich Ungebrochenen, der Resignierten, der Verzweifelten und der verwahrlost Apathischen – wobei lediglich der erste Typus noch „Pläne und Hoffnungen für die Zukunft“ kannte, während die Resignation, Verzweiflung und Apathie der drei anderen Typen „zum Verzicht auf eine Zukunft führte, die nicht einmal mehr in der Phantasie als Plan eine Rolle spielt“.

Vier Haltungstypen – drei davon werden politisch und gesellschaftlich völlig neutralisiert. Die Hartz-Kommission konnte wissen, das jene Verwahrlosung, mit der sie die Einführung der Hartz-Gesetze gegen die „Parasiten“ und „Schmarotzer“ begründet haben, genau jene verwahrlosten Typen produziert, die man zur Legitimation der Gesetze brauchte: so schafft man künstlich sich selbst erfüllende Prophezeiungen: man baute eine Feuerwehr, die selber überhaupt erstmal den Brand verursacht.

Nachdem es brennt, stellt das aber keiner mehr in Frage.

Werfen wir einen Blick nach Griechenland – auch dort entwickelt sich alles nach Plan. Die Situation der Griechen ist katastrophal, siehe Wiwo vom 28.4.2013:

Arbeitslosenquote auf Rekordstand – Jeder vierte Grieche ohne eigene Einkünfte

Die Arbeitslosigkeit in Griechenland befindet sich auf einem Höchststand. Nach einer Statistik des Griechischen Statistischen Amts hat sich die Zahl der Arbeitslosen von 449.700 im Oktober 2009, und damit dem Beginn der griechischen Krise, auf 1,3 Millionen im Dezember 2012 mehr als verdoppelt. So lag die Arbeitslosenquote im ersten Quartal 2013 bei 27,2 Prozent, wie das Statistikamt berechnete – den höchsten Wert aller Industriestaaten.

Doch das Feuer des Aufstandes, das manche vielleicht inzwischen sehnlichst herbeiwünschen, bleibt aus. Die Welt erklärt einen Tag später, das der Wille der Griechen gebrochen ist:

Erneut ist im Athener Parlament ein für die Bevölkerung brutales Sparpaket durchgepeitscht worden, mit abgebrühten verfahrenstechnischen Tricks und entscheidenden Änderungen in der letzten Minute, ohne Möglichkeit einer Diskussion oder inhaltlichen Debatte. Teilweise erhielten die Abgeordneten nicht einmal Gelegenheit, die Texte der Änderungen zu lesen.

Während Finanzminister Giannis Stournaras mit einem Änderungsantrag kurz vor der Abstimmung den Mindestlohn für die Beschäftigung von Arbeitslosen radikal senkte, von 580 auf 490 beziehungsweise 427 Euro im Monat für Arbeitnehmer unter 25 Jahren, die zuvor arbeitslos waren, und ansonsten die Tore öffnete für Massenentlassungen im aufgeblähten Beamtensektor, gab es draußen auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament nur lauwarmen Protest einiger Hundert Menschen.

Mit Demokratie hat das nicht mehr viel zu tun – eher mit einem offenen Krieg der Regierung gegen das Volk, das das Versagen des Kapitalismus jetzt ausbaden soll.

Aber wie man sieht, kann man sich auf die in Marienthal beobachteten Mechanismen gut verlassen. Man sieht, es lohnt sich, in einer Gesellschaft „Unternehmensberatungen“ zu etablieren, die die intelligentesten Köpfe des Landes gleich von der Uni wegkaufen: das sind billige Investitionen im Vergleich dessen, was man damit anrichten kann.

Die „Angst der Elite vor der Bevölkerung“ ist groß – wie ein Beitrag auf dem Blog 11k2 zeigt:

Dass sich eine herrschende Elite von dem Volk in Burgen, Schlössern und ummauerten Klöstern versteckt, ist uns aus der Geschichte bekannt. Weniger bekannt ist der bedrückende Umstand, dass sich daran nichts geändert hat. Nur die Mauern sind unsichtbar geworden.

Das seltsame Verhalten unserer Politiker, die – einmal gewählt – sofort zu den oberen einem Prozent der „Reichen“ gehören, wird auf einmal plausibel:

Gerade auf Veranstaltungen der Zivilgesellschaft (Bürgerforen, Demonstrationen) erlebe ich immer wieder, wie Bürger entsetzt fragen, wie denn Politiker in diesen oder jenen Angelegenheiten so entscheiden könnten, wie „dumm“ Politiker doch seien. Ein schreckliches Missverständnis. Die Leute in den Brennpunkten der Entscheidung sind keineswegs dumm, sondern verfolgen eben nur ihre eigenen Interessen. Und wer einmal in den Kreis der Elite aufgestiegen ist, verteidigt die Interessen seiner neuen Zugehörigkeitsgruppe, in der Regel gegen die Interessen der Gesamtbevölkerung.

Die sind nicht dumm – sie sind konsequent, weshalb gewisse politische Forderungen parteiübergreifend verwirklicht werden:

Die ständig wiederholten Forderungen einflussreicher Politiker nach mehr Überwachungskameras, mehr Kontrolle von Mobilfunktelefonie und Internetkommunikation, mehr biometrischer Überwachung, weiterer Aufrüstung der Polizeikräfte bei gleichzeitiger Anonymisierung der Polizisten sind direkte Folgen einer Angst vor einer unkontrollierbaren Bevölkerung, die sich ungezügelt dann ebenso skrupellos und machthungrig verhalten würde, wie man das eigentlich von sich selbst zugeben müsste.

Das wiederum macht mehr Angst, die zu mehr Lethargie führt, weil man sich beständig fragt: „Um Himmels willen: was machen die noch???“

Nun – die werden noch viel mehr machen.

Was – das kann man sich an drei Fingern abzählen.

Die Elitegesellschaft baut sich gerade ihr eigenes Nest im Land – man kann wieder über Kindheit im Feudalstaat schreiben.

Und das wir das Ende des 1789 begonnenen und schon vor 3000 Jahren im alten Griechenland angedachten Experimentes „Demokratie“ erleben, welche nahtlos in einen neuen Feudalstaat übergeht, ist nur die logische Konsequenz aus den Beobachtungen des Alltages.

Arbeitslose in Deutschland zum Beispiel brauchen im Neufeudalismus kein Giro-Konto mehr (siehe Sumpfkrähe, die auch verzweifelt versucht, Widerstand zu organisieren – siehe Beitrag „Monatseuro„), womit das Überleben kaum mehr zu gestalten ist.

Auch wenn es viele Gründe für Lethargie gibt – letztlich ist sie tödlich … aber nur für einen selbst.

Ruht letztlich die Hoffnung in diesem Land auf jenem Häuflein „innerlich ungebrochener“, die nicht von Geld korrumpiert oder von Arbeitslosigkeit zerbrochen werden?

Wollen wir hoffen, das wir genug von denen haben, um isländische Verhältnisse zu gestalten, bevor wir griechische Verhältnisse bekommen.

Wie produziert man eigentlich diese innerlich ungebrochenen Menschen? In Serie, meine ich?

Früher machte das bei uns die Schule, in dem „Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung“ gelehrt wurde.

Und heute?

Heute scheinen wir sogar schon vergessen zu haben, das „Staat“ einst da war, um „Volk“ vor „Lumpen“ zu schützen … und nicht, um im Kanzleramt auf Kosten des Steuerzahlers ihren Geburtstag zu feiern.



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