Fröhliche Weihnachten, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Wie jedes Jahr möchte ich mich zu dieser gesegneten Stunde an Sie wenden, um einige Worte zu Ihnen zu sprechen. Das hat so Tradition in Deutschland: das Staatsoberhaupt signalisiert, das das Volk auch von jenen wahrgenommen wird, die hinter den Mattscheiben aktiv agieren und nicht nur die Aufführung vor den Bildschirmen passiv konsumieren. Dieses Jahr jedoch möchte ich einmal etwas anderes wagen. So wie der Friedensnobelpreisträger und Bundeskanzler Willy Brandt, der Sie einst dazu aufrief, mehr Demokratie zu wagen, möchte es heute wagen, Sie mit ein paar offenen Worten zu konfrontieren. Das wird Sie verstören, das wird empfindliche Gemüter gerade zu dieser Jahreszeit erheblich verunsichern und manch´ einem sicher den Festtagsbraten vergällen – doch das ändert nichts an der Überzeugung, das Sie meiner Meinung nach wenigstens einmal im Jahr die Wahrheit erfahren sollten, die Wahrheit über dieses Land, aber auch: die Wahrheit über sich selbst und unsere Kultur.
Fangen wir an mit der Wahrheit über dieses Land.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger: dieses Land stirbt. Der Grund für diesen Zustand ist klar erkennbar und wird auch oft benannt: Wir haben zuwenig Kinder. Viel zu wenig. Schon in wenigen Jahren werden wir nötige Aufgaben im sozialen Sektor nicht mehr mit Personal ausstatten können, weshalb die Krankenkassen schon überlegen, systematisch pflegebedürftige Alte ins Ausland zu verlagern. Die Tatsache, das eins der schönsten Erlebnisse des Menschseins nicht mehr lebbar ist, hat ganz konkrete Ursachen: die Wirtschaft wollte aus Deutschland für einen kurzen Zeitraum soviel Leistung wie möglich herausholen, dazu mussten – wie in Kriegszeiten – alle mit anpacken. Da war dann keine Zeit für Kinder – und wie wir an den Schicksalen von Millionen aktuell verharzten Kindern sehen können, noch nicht mal Platz für jene, dich schon da waren aber noch nicht arbeiten konnten.
Wie gerne würde ich Sie dazu aufrufen, Care-Pakete für diese Kinder zu schnüren, wie gerne würde ich Sie an die Zeiten erinnern, wo wir zur Weihnachtszeit Pakete in den Osten geschickt haben, oder – noch früher – Pakete aus den USA erhalten haben, um Menschen am allgemeinen Reichtum teilhaben zu lassen und durch persönliche Hilfsbereitschaft wenigstens die gröbste Not lindern zu können, doch leider wäre der Aufruf nutzlos.
Es ist nicht das blinde Schicksal, keine Weltwirtschaftskrise, keine Missernte die diese Kinderarmut hervorruft, sondern – schlimmer als in der alten DDR oder der Nachkriegszeit – es ist der Staat selbst, der mit aller Staatsgewalt diese Armut herbeizwingen will, sie ist per Gesetz vorgeschrieben. Das wissen Sie auch – oder zumindest können Sie das wissen: jedes Geschenk an jene „Bedarfsgemeinschaften“, wie Familien heute laut staatlicher Anweisung genannt werden müssen, wird als „Einnahme“ dieser armen Kinder verbucht und ihnen von ihrem ohnehin sehr knappem Regelsatz abgezogen.
Mitten in unserem Alltag: Zustände wie in Nordkorea. Sie wissen das alle … und wir alle werden in wenigen Jahren einen hohen Preis für diese menschenfeindliche Politik zahlen müssen, eine Politik, die in Deutschland eine gewisse Tradition hat.
Wenn wir über Pakete an den Osten reden, dann müssen wir auch an unsere dortigen Mitbürger ein ehrliches Wort richten, das haben sie zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung verdient. An Wiedervereinigung, liebe Brüder und Schwestern aus dem Osten, war nie gedacht – jedenfalls nicht in dem Sinne, wie man es euch erzählt hat. Was wiedervereinigt werden sollte, waren nur eure Aktiva – wie bei jeder feindlichen Übernahme. Viele Westkonzerne haben sich an den Resten eures Volksvermögens eine goldene Nase verdient, viele Westpolitiker haben sich in euren Ländereien wertvolle Pfründe gesichert und eure Soldaten kamen wie gerufen, um als Schutztruppe für Drogenbarone in Afghanistan zu sterben, aber sonst: braucht Euch keiner mehr. Ihr seid nicht mehr Wert als die Kinder dieses Landes – oder die, die älter werden.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, lassen Sie uns nicht nur an die Kinder denken oder an die Bürger im Osten, auch die Älteren unter uns gehen einem dunklen Schicksal entgegen und werden staatlicherseits mit aller zur Verfügung stehenden Gewalt in die Armut gezwungen, wie ich höre, steigt die Zahl der Arbeitslosen, die über 55 sind, aktuell um über 16 % an. Wie alle anderen auch, die sich anmaßen, diesen Sozialstaat im Notfall auch in Anspruch zu nehmen, werden sie enteignet, ihrer Würde beraubt und in Billigwohnghettos abgeschoben, um dort einsam und allein ihren Lebensabend zu fristen – wir zahlen sogar Prämien an Bedarfsgemeinschaften, wenn sich die Frauen von diesen Menschen trennen.
All das ist inzwischen Gesetz in Deutschland: wir sehen es nur deshalb nicht so deutlich, weil wir mehr Zeit vor dem Fernseher als auf den Straßen verbringen. Dort würden wir auch jene zehntausend Menschen treffen, die durch staatliche Gewalt ihr Obdach, ihre Nahrung und bald auch ihr Leben verloren haben: die „Sanktionierten“ dieses Landes, Menschen, die man im finsteren Mittelalter einfach nur „vogelfrei“ nannte. Ihre Schuld, ihre Sünde: sie haben den Anweisungen des Staates nicht gehorcht, und der Staat hat reagiert, wie alle autoritären Staaten reagieren: mit brutaler, lebengefährdender Gewalt.
Ja, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Deutschland ist ein autoritärer Staat geworden, ein mitleidloser Staat mit einer Privatarmee aus heimatlosen Ostbürgern, die viel weniger Hemmungen hätten, auf reiche Wessis zu schießen, als in der Wehrpflichtarmee der alten Bonner Republik zu erwarten gewesen wäre. Hemmungslos auf Menschen zu schießen wird ja auch aktuell in vielen Ländern dieser Erde geübt.
Sei es nun Stuttgart 21, die Elbphillharmonie, der Berliner Flughafen oder die tausend anderen Großprojekte in Deutschland, überall sehen wir die gleichen Anzeichen für eine totalitäre Regierung: es gibt grenzenlosen Pfusch bei der Arbeit, aber die Preise steigen ungehemmt nach oben, ohne das noch irgendjemand Kontrolle über diese Projekte hat – und das führt uns zu einer ganz anderen Wahrheit.
Oft berichtet man mir in letzter Zeit von Zweifeln, die Bürgerinnen und Bürger an der Souveränität dieses Landes haben. Es sind rechtsradikale Kreise, die diese Lügen streuen, um Anhänger für einen großen, nationalen Befreiungskampf zu sammeln, bei dem sie von vielen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes begleitet werden. Nun, es gibt keine Kanzlerakte – und auch die noch so fein ausgearbeiteten Ableitungen über die bestehende Reichsbürgerschaft der Bewohner dieser Republik entbehren jeglicher realen Substanz, aber eins muss man deutlich sagen: dieses Land war nie souverän und ist es auch jetzt nicht.
Das ist, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch kein Geheimnis, dazu bedarf es keiner Verschwörungstheorie, unsere Medien und unsere Regierung informieren uns jeden Tag darüber, weshalb viele von uns noch in der Illusion leben, dieses Land sei eine Demokratie, in der das Volk den Souverän stellt und die Bürger in freier und geheimer Wahl ihre Abgeordneten bestimmen, die dann im Parlament eine Regierung einberufen, um das Beste für das Land zu schaffen.
Es ist die Regierung selbst, die diesem Mythos ein Ende setzt: und mit ihr alle Medien und Wirtschaftsverbände.
Schon lange ist an Stelle der Herrschaft des Volkes die Herrschaft der Märkte getreten, das hören wir – wenn wir nur wollen – jeden Tag, nur deshalb musste unsere Demokratie „marktkonform“ werden. Das wurde in aller Öffentlichkeit erklärt – mehrfach auf allen Kanälen. Wir Deutschen kennen das schon, nur unter anderem Namen: vor den Märkten war es die „Vorsehung“, die „Geschichte“, die „Zukunft“ oder der Wille der Götter: unmenschliche Gewalten, die uns alternativlos ins Leid stürzten … und das führt uns direkt zur nächsten Wahrheit: der Wahrheit über die Bürger in diesem Land.
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, ohne beleidigend werden zu wollen möchte ich Sie mit einer einfachen Wahrheit über Sie selbst konfrontieren: Sie sind dumm. Sie sind sogar dümmer, als die vielen Generationen vor ihnen und Sie scheuen sich nicht, diese Dummheit Tag für Tag in unterschiedlichsten Formen mit großem Stolz vorzuleben. Ohne ihre Dummheit könnte die ganze Maschine nicht funktionieren, ohne Ihre gut gepflegte Dummheit wären Sie selbst reicher, gesünder und müssten weniger arbeiten, doch anstatt das Sie an die hehre deutsche Tradition der Dichter und Denker anknüpfen, bilden Sie ein Tradition der dreisten Dummköpfe, die sich wohlig vor den Bildschirmen räkeln, wenn deutsche Bürger von Exekutoren des Privatfernsehens gedemütigt, entehrt und erniedrigt werden.
Wissen Sie, was Nitzsche dereinst dazu sagte? „Nicht durch Zorn, durch Lachen tötet man“.
Sie freuen sich, wenn Millionäre Millionen verschenken, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, das dieses ganze Geld aus Ihren Taschen kommt. Sie erfreuen sich daran, wenn junge Menschen ihre Unfähigkeiten zum Zwecke der perfekten Demütigung öffentlich zur Schau stellen oder andere ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren, um Ihnen eine Lebendigkeit vorzugaukeln, die Sie selber schon lange nicht mehr haben.
Es ist nur durch den Zustand grenzenloser Dummheit und schrankenloser Einfältigkeit zu erklären, das Sie das offen gepredigte Ende der Demokratie, das offen gepredigte Ende der Leistungsgesellschaft, das offen verkündete Ende der freien Marktwirtschaft kommentarlos schlucken, weil sie die Worte nicht mehr verstehen, geschweige denn die durch die Globalisierung eingeläutete weltweite Vernichtung der Volkswirtschaften auch nur ansatzweise nachvollziehen können – es wäre Ihnen sonst aufgefallen, das die vielen vielen Milliarden, die wir als Hilfe nach Griechenland schicken, dort eine zivilisierte Gesellschaft in bodenlose Armut versinken lassen. So etwas fraglos stehen lassen können nur große Dummköpfe. Es wäre ihnen aufgefallen, das Reichtum und Leistung nichts mehr miteinander zu tun haben, das die freien Marktwirtschaft einer kannibalistischen Raubwirtschaft gewichen ist, die vor allem vom leistungslosen Einkommen lebt und dieses leistungslose Einkommen Jahr für Jahr zu neuen Rekordwerten führt, während der Staat die armen, alten, kranken und für die Privatwirtschaft nutzlosen Menschen mit Gewalt in Armut hält.
Niemand ist mehr in der Lage zu begreifen, das eine Verdoppelung der Regelsätze für Arbeitslose genau das Gleiche darstellt wie die Verdoppelung der Millionärsvermögen: letztes erlauben wir uns (trotz Billionenkosten) ohne nachzudenken und feiern das sogar als Erfolg, während wir bei den Arbeitslosen lieber noch etwas kürzen wollen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich sagte, das es Zeit sei für ein offenes Wort, ein Wort, das sich so sehr unterscheidet von den Worten, die sonst in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medienwelt gewechselt werden, ein offenes Wort in einer autoritären Kultur, wo die Lüge der Alltag ist und das offene Wort eine große Seltenheit darstellt. Dieses Wort ist aber gerade jetzt angebracht, wo wir Christi Geburt feiern, die Geburt des Sohnes jenes Gottes, der uns aus dem Reich jenseits menschlichen Wirkens die Botschaft der Nächstenliebe überbracht hat: doch unser Verhalten, unsere Schaustellerei in den Medien unterscheidet sich aktuell nur noch graduell von jenem Verhalten jenes spätrömischen Pöbels, der sich daran ergötzte, wie Christen bei lebendigem Leib von Löwen zerfleischt wurden.
Hier endlich ist das Wort von spätrömischer Dekadenz angebracht – und diese Dekadenz, diese Dummheit führte zum Zusammenbruch des dereinst mächtigsten Reiches der Menschheit, was den dort lebenden Menschen Zustände einbrachte, die wir zurecht das finstere Mittelalter genannt haben.
Und genau dies beschreibt unsere Zukunft: finsterstes Mittelalter.
Ich erzähle Ihnen da nichts Neues. Wer aufmerksam mit intelligentem Blick die Nachrichten in den deutschen Leitmedien studiert, sieht, das der reale Zustand dieses inzwischen hoch verschuldeten Landes katastrophal ist – was mit großer Medienmacht verschleiert wird. Vor aller Augen gibt es effiziente Bündnisse von Wirtschaft, Politik und Medienwelt, die nichts anderes im Sinn haben als uns von der Wirklichkeit abzulenken, die Wirklichkeit, das wir ein sterbendes Land in einem sterbendem Kontinent sind.
Wir feiern heute den Geburtstag des Sohnes jenes Gottes mit großem persönlichem Aufwand, der die Sklaven aus der allumfassenden Macht der Pharaonen rettete. Jeder kennt seine Botschaft: „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“!
Doch was würde unser Staat tun, wenn wir diese Botschaft mit zahlreichen milden Gaben umsetzen würden?
Er würde sie den Kindern wieder wegnehmen.
Wenn wir eine gebende und liebende Gesellschaft christlich nennen – wie nennen wir dann eine Gesellschaft, die nur nimmt und hasst?
Wie nennt man jene Menschen, die voller Abscheu die Kultur der Nächstenliebe als „Sozialromantik“ verbrämen und versuchen, lächerlich zu machen?
Kurzum: was ist kulturgeschichtlich das Gegenteil zum Christentum?
Die Antwort auf diese Frage hat der Islam schon gefunden, weshalb er zum Feind der Herren der Welt geworden ist. Millionen von Menschen sind schon gestorben, weil sie diese Wahrheit offen ausgesprochen haben.
Wir sollten ehrlich sein und ein offenes Wort vertragen können. Wir sind nicht so dumm, das wir nicht erkennen würden, das Christen, die es ernst mit ihrem ethischen Programm meinen, auch hierzulande offen verfolgt und als „Sozialromantiker“ gebrandmarkt werden. Wir Deutschen wissen, wie schnell das häßliche Progrome nach sich ziehen kann. Wir können aber auch Immanuel Kant im Original lesen und wissen, wie zentral wichtig der Gedanke an einen gerechten, liebevollen und gütigen Gott für die Moralität unserer Vernunft ist … und wie unhaltbar sich die Vernunft zum Instrument der Barbarei prostituiert, wenn man ihr diesen Anker, dieses „Grundgesetz“ nimmt.
Wir erleben es gerade in unserem Alltag, einem Alltag, der einer Parodie des platonischen Höhlengleichnisses gleich kommt: wir schauen dumm auf die Schatten der Bildschirme, während hinter uns die unerträgliche Wirklichkeit sich ungehemmt entfaltet und mit täglich mehr Rettungsbillionen Armut züchtet.
Wir wollen aber gerade heute, zum Tage der Geburt Christi, die Kultur, die wir mit unserer ganzen Kraft aufbauen, schaffen, unterstützen und erhalten ganz offen beim Namen nennen:
es ist eine Kultur des Teufels.
Oder – um es unreligiös und strikt rational im Sinne Kants zu sagen: eine Kultur hemmungsloser unmoralischer Barbarei, die uns ein Auschwitz nach dem anderen bescheren wird, ob wir wollen oder nicht.
Wenn nun die Frage aufkäme: ja, was können wir denn tun? so kann ich nur mit jenen Worten antworten, die ganz einfach aber diesen Tagen angemessen sind: „Gehet hin, verkauft alles was ihr habt und schenkt es den Armen“ … im Geheimen, damit der Staat es nicht merkt … oder aber stellt euch offen auf die Seite der Feinde Christi und schafft diese verlogenen, die deutsche Wirtschaftsleistung schädigenden christlichen Feiertage ab.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein Fest, das den Titel „besinnlich“ nicht umsonst tragen sollte.
(geschrieben von Eifelphilosoph am 23.12.2012 für den amtierenden Bundespräsidenten Joachim Gauck).