Alltagsterror

Der Sanktionsmotor

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Unsere Medien haben sich ja so ziemlich einhellig über die „arbeitsscheuen Sozialschmarotzer“ das Maul zerrissen, nachdem ein neuer Rekord bei den Sanktionen gegen die armen Schweine gemeldet wurde, deren Menschenwürde seit der Einführung von Hartz-IV mit Füßen getreten wird. Ein Herr Joseph Goebbels wäre über diese hirnzersetzende, gleichgeschaltete Propaganda entzückt gewesen. Durch Gespräche mit den Glücklichen, die noch nicht von Hartz-IV betroffen sind (was aber unweigerlich noch kommen dürfte) weiß ich, dass kaum jemandem von denen bekannt ist, wie die Geschichte mit den Sanktionen wirklich funktioniert. Deswegen will ich das hier mal verdeutlichen, wobei ich mich auf zahllose Berichte Betroffener und nicht zuletzt auf eigene, leidvolle Erfahrungen mit der Bundesagentur für Menschenrechtsverletzung stütze. Besagte Agentur tarnt sich mit dem Feigenblatt der Legalität und verschanzt sich hinter Gesetzen. Es sind immer wieder zwei Paragraphen, die dabei genannt werden.

§ 60 SGB I- Angabe von Tatsachen

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

§ 31 SGB II – Pflichtverletzungen

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1. sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
2. sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3. eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.

Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1. sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Arbeitslosengeldes II herbeizuführen,
2. sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3. ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4. sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

Der § 60 SGB I regelt die so genannte „Mitwirkungspflicht“. Was für die Sozialleistung erheblich ist, das bestimmt ALLEIN das Jobcenter. In der Praxis bedeutet das, dass Wohnungen durchsucht werden und die Anzahl der Zahnbürsten erfasst wird – und zwar OHNE richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Der Generalverdacht des Erschleichens von Leistungen gegen JEDEN Arbeitslosen reicht dazu vollkommen aus. Einen uneingeschränkten Freibrief zur Konteneinsicht bekommt das Amt sowieso; das muss gleich als Allererstes unterschrieben werden. Das Jobcenter darf gerne auch Nachbarn u. a. Personen befragen, zum Bespitzeln auffordern oder aber bspw. im Internet hinter dem Leistungsempfänger herspionieren. Das Jobcenter will wissen, welche Versicherungen du zur Ausbildung deiner Kinder oder zur eigenen Alterssicherung abgeschlossen hast? Du musst ihm alle Unterlagen zukommen lassen. Das Jobcenter fordert dich auf, deinen Hausarzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden? Du hast zu gehorchen! Das Jobcenter verlangt von dir Berichte darüber, was du täglich so gemacht hast? Du musst die Berichte liefern! Irgendwann kommt das Jobcenter auf den Klopps und verlangt von dir, deine Alterssicherung oder die Ausbildungsversicherung für deine Kinder aufzulösen. Oder sogar – noch ’nen Zahn schärfer – dein Kind vorzeitig aus der Schule zu nehmen, damit es Hartz-IV beantragen kann (ist mir selbst passiert!). Demütigungen, Schikanen und Nötigung ohne Ende. Immer perfider, immer härter. Immer unerträglicher! Und irgendwann wird dabei eine Schmerzgrenze SEHR WEIT überschritten … Dann spielst du nicht mehr mit! Einige drehen an dem Punkt durch und werden tätlich. Andere erschießt man … selbstverständlich in Notwehr!

Jetzt aber greift der § 31 SGB II – die Sanktion. Am Anfang steht die Eingliederungsvereinbarung, kurz EGV genannt. Die bürdet dir Berge von Pflichten auf und erteilt dem Jobcenter einen Freibrief für fehlende Vermittlung. Damit aber noch nicht genug. Mit der Begründung, das du jederzeit für Vermittlungen (die tatsächlich ja gar nicht erfolgen) zur Verfügung zu stehen hast, schränkt man deine Bewegungsfreiheit ein. So wird dir bspw. standardmäßig verboten, den Tagespendelbereich ohne schriftliche Genehmigung des Jobcenters zu verlassen (selbst erlebt!). Das ist selbstverständlich nichts weiter als eine Neuauflage der auf Juden angewandten Residenzpflicht aus dem Dritten Reich – bloß eben hier und heute auf Arbeitslose gemünzt. Das zwingt dich, zuhause zu bleiben. Deine Anwesenheit wird durch Kontrollanrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit konrolliert (selbst erlebt!). Es steht dir natürlich frei, der EGV zuzustimmen oder nicht. Tust du es nicht, dann wird sie eben per Verwaltungsakt vom Amt selbstherrlich in Kraft gesetzt und man sanktioniert dich aufgrund der Pflichtverletzung, nämlich der fehlenden Zustimmung. Die Rechtsfolgenbelehrung ist übrigens ein Vordruck, der jedem Schreiben eines jeden Jobcenters automatisch beigefügt wird, so dass „Big Brother“ IMMER im Recht ist. Du selbst hast keinerlei Rechte mehr. Auf dem Papier vielleicht, de facto aber nicht.

Doch das ist nur die eine Seite. Die andere Seite sieht so aus: Vielleicht hast du ja irgendwann mal einen fahrbaren Untersatz besessen. Selbstverständlich ist das ein anzurechnendes Vermögen und das Jobcenter hat dich gezwungen, das Ding zu vertickern. Ist völlig normal, machen die mit jedem. Nun bist du also nicht mehr mobil. In diesem Falle verlangt man von dir, zu den unmöglichsten Zeiten zu sinnlosen Gesprächsterminen im Jobcenter zu erscheinen (habe ich auch mitmachen müssen). Die Termine werden bewusst so gewählt, dass du sie ohne Auto (das du ja nun nicht mehr besitzt) oder ohne Öffis (die zu eben diesen Zeiten nicht fahren) gar nicht wahrnehmen kannst. Das wird dann zum Meldeversäumnis und zieht unweigerlich die Sanktion nach sich. So jedenfalls hat es mir mal ein so genannter „Fallmanager“ ganz freimütig erläutert. Konnte er ja machen, denn Zeugen gab’s keine. Er war auf der sicheren Seite und hielt sich nur „an die Gesetze“. Die Sanktion kann bis auf Null, bis hin zum Existenzentzug durchgeführt werden. Wird sie auch. Gerne sogar! Für die Betroffenen bedeutet das (neben der daraus resultierenden Obdachlosigkeit), dass sie legal noch verhungern oder verdursten dürfen. Überleben ist nur auf dem Wege der illegalen Nahrungsbeschaffung möglich; sie werden vorsätzlich kriminalisiert. Das kommt einer Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Hintertür gleich und derartige Todesurteile werden auch oft und gerne ausgesprochen. Ganz legal, versteht sich!

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen: Der § 60 SGB I stattet die Jobcenter mit STASI- bzw. GESTAPO-ähnlichen Befugnissen aus. Der § 31 SGB II ermächtigt sie, indirekt nach dem Vorbild der SS zu handeln. Und 429 so genannte „Volksvertreter“ haben sich für die Beibehaltung dieser Verhältnisse aus der NAZI-Zeit namentlich ausgesprochen. Selbstverständlich aber sind das alles „aufrechte Demokraten“ – jedenfalls nach deren eigenem Verständnis … Auffällig dabei: Kein einziger der lt. gleichgeschalteten Medien „undemokratischen“ Linken ist auf dieser Liste der Befürworter von Menschenrechtsverletzungen zu finden. Kommendes Jahr ist Wahljahr. Denkt beim Ankreuzen mal an diese Worte – und auch daran, dass Hartz-IV wie ein Krebsgeschwür die Gesellschaft zerfrisst und über kurz oder lang unweigerlich jeden trifft!

steinbrueck

von Eckhard Freuwört



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