Feuilleton

Die Bestie Mann als Feind der Menschheit … Erfahrungen aus dem deutschen Alltag

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Freitag, 19.10.2012. „Nordkorea droht mit Angriff ohne Vorwarnung“ – schreibt heute der Spiegel. Als ob wir nicht schon genug Weltkriegsgefahren durch den Konflikt zwischen China und Japan oder Syrien und der Türkei hätten. In der Türkei sieht man ja schon den gottlosen Westen als globalen Verlierer des 21. Jahrhunderts an, das weitgehend ohne ihn gestaltet werden wird (siehe Welt) – das hört sich nicht gerade danach an, als würde man die laufenden Konflikte deeskalieren wollen. Die ganze Welt marschiert zunehmen in einen Wahn hinein, den im Prinzip superreichen Deutschen drohen zunehmend Altersarmut – auch aufgrund drastisch reduzierter Renten wegen Erwerbsminderung (siehe Welt), Obdachlosigkeit wegen Wohnungsmangel kombiniert mit Mietpreisexplosionen – das Wort Wucher scheint man hier nicht verwenden zu wollen (siehe Handelsblatt) oder auch einfach, weil sie heute schon arm sind – wie aktuell 15,8  Millionen Menschen (siehe Welt).  Manche Deutsche sterben auch einfach an leicht zu behebenden Krankheiten wie das zwanzigjährige Modell Jennifer Schermann (siehe Welt). Sie teilt das Schicksal mit einem Arbeitskollegen von mir, der ach so stolz darauf war, das er sich niemals krank schreiben lies. Leider war ihm (und all den anderen so „mutigen“ und „fleißigen“ Idioten, die jedes Jahr daran krepieren), nicht bekannt, das die harmlosen Viren gerne den Herzmuskel angreifen, wenn man dem Körper nicht Zeit und Ruhe gibt, die Viren zu entsorgen.  Und während all diese Nachrichten unseren desaströsen Alltag begleiten, habe ich nur ein einziges Problem: den deutschen Mann.

Zugegeben: ich bin selber einer. So rein biologisch gesehen. Betrachtet habe ich mich nie als solcher, gehe auch in keine Männergruppen, alldieweil ich glaube, das es sehr viel wichtigere Probleme in dieser Welt gibt.

Das … war ein Irrtum.

Um den zu beschreiben, muss ich aber ein wenig ausholen. Wie andernorts mal nebenbei erwähnt, experimentiere ich ja in meinem Privatleben gerne mit alternativen sozialen Organisationsformen – auch um selbst sich ändernden politischen und gesellschaftlichen Realitäten gewachsen zu sein. Nebenbei bin ich auch alleinerziehend (ein bedauernswerter Umstand, der sich nicht vermeiden ließ) – und da kam mir doch gleich die Idee, das es doch etwas ganz Sinnvolles sei, was für die Alleinerziehenden aufzubauen: ein Netzwerk für gegenseitige Unterstützung und  Hilfeleistung.  Im Kleinen machen wir das ja schon seit sieben Jahren in unserer Hausgemeinschaft mit wechselnder Besetzung – und es waren nur Frauen, die hier mit mir wohnten.  Das tat meinen Jungs auch ganz gut.

Voller Freude ging ich also erstmal in die nächstgelegene Stadt, um mich dort beim Verein der Alleinerziehenden umzuhören.  Mittelfristig hatte ich auch ein Wohnungsangebot dabei – sechs Zimmer, zwei Duschen, ein Bad, zwei weitere Toiletten, Kaminanschluss, Garage, Nebengebäude, zwei Dachbodenräume, mitten im Naturschutzgebiet weitab von störenden nörgelnden Nachbarn in unberührter Natur für 325 Euro kalt – normal immer ein Knaller … denn das ist nur das halbe Haus.  Nicht jedoch … bei den alleinerziehenden Frauen im Verein. Mein Wohnangebot hat nämlich einen gewaltigen Nachteil:

In diesem Haus wohnt ein Mann (und zwei weitere wachsen nach).

Ich hätte gerne mein Gesicht gesehen, als man mir dies mitteilte. Ich habe jahrelange Erfahrung in der Personalführung – und sehr engem Personaltraining – da gehört es zur berufsbedingten Professionalität, mit Frauen (auch wenn es bildhübsche, willige Photomodelle sind) ebenso professionell und distanziert umzugehen wie z.B. mit Männern die man überhaupt nicht leiden kann. Nie hätte ich gedacht, das mich mein Geschlecht diskreditieren kann. Es kam aber noch schlimmer … man bot mir an, mein Angebot an die (wenigen) Männer im Verein weiterzuleiten – vielleicht wäre es für die ja interessant. Wie bitte schön kann man von mir erwarten, das ich – gerade frisch konfrontiert mit der prinzipiellen Bedrohlichkeit der Bestie Mann – ein solches Scheusal in meinem Haus aufnehme? Hier wohnen doch auch Kinder…

Nun kehrte ich zurück aus der großen Stadt mit meinen frisch gewonnenen Erfahrungen. Na ja, dachte ich mir, schon Woody Allen hatte seinerzeit deutlich demonstriert, wie neurotisch der Stadtbewohner ist.  Die haben dort ja auch am Tag mehr Vergewaltigungen als wir hier in den letzten zehn Jahren, das sollte man berücksichtigen.

Wohlgemut fuhr ich also mit diesen und anderen Erfahrungen fort, meine Idee im Lande zu verbreiten. Schön, das es da auch einen Verein gab, der Nachbarschaftshilfe auf größerem Niveau professionalisieren wollte. Ein Netzwerk Eifeler Familien, die sich gegenseitig unterstützen. Alleinerziehende waren da weniger im Fokus, alldieweil die nicht abends zur Vereinssitzung anreisen können – immerhin sind ja die Bambini zu Hause.  Ich hätte auch Räume zur Verfügung stellen können, in denen sich die betroffenen Eltern samt Kinder hätten kennenlernen können, aber … wieder hatte ich nicht daran gedacht, das ich eine Bestie bin. Anlaufstelle für Alleinerziehende: ja – aber nur für Männer.

Da ich nun weit und breit der einzige Mann bin, der alleinerziehend ist (Kinder bleiben hier grundsätzlich traditionsgemäß im Trennungsfall bei der Mutter, mein Fall wird oft genug als „unerklärliches Wunder“ bestaunt, für das ich täglich dreißig Dankgebete sprechen soll), war diese Arbeitsgruppe schnell gegründet, vollständig und abgeschlossen: seitdem betreue ich mich selber ganz gut in dieser Hinsicht, obwohl mir etwas mulmig dabei ist, so eng mit der Bestie Mann arbeiten zu müssen. Die automobillosen Mütter jedoch, die morgens auf der Arbeit von der Schule angerufen werden, das sie „SOFORT“ ihre krank erscheinenden Kinder abholen müssen, warten immer noch vergeblich auf Hilfe. Schade auch – aber hier kann vielleicht das Jobcenter der Gegend helfen. Die fanden die Idee klasse, dringend notwendig und haben auch kein Problem damit, sich vorstellen zu können, das Männer und Frauen auf rein geschäftlicher Basis miteinander kooperieren können.

Nun bin ich ja noch umtriebiger und fand recht bald Menschen, die ganz tolle Ideen hatten: einen Kindergarten zu gründen, der mehr die Bedürfnisse der Eltern denn die Bedürfnisse der Angestellten und der Behörden erfüllt. Zudem wollte man auch mehr alte und junge Menschen zusammenbringen und so die bislang sorgfältig gezüchteten Generationenschranken durchlässiger machen. Ein Kindergarten, 24 Stunden am Tag geöffnet, sieben Tag im Jahr – auch Feiertags, Weihnachten und Sylvester. Es gab nach einer kleinen Umfrage 80 Eltern (mehr, als wir zu dem Zeitpunkt hätten stemmen können), die Bedarf dafür hätten, die nötigen Erzieherinnen hatten wir auch schon und die Geldmittel waren ebenfalls in Reichweite (nur die Kostenträger samt Bürgermeister wanden sich bei dem Gedanken – und klagten darüber, das es keinerlei Bedarf gäbe. Die Umfrageergebnisse mit den achtzig Interessierten wollten sie trotzdem gern kostenlos haben).

Da kam mir ein verwegener Gedanke. Ich bin Vater von sieben Kindern, habe schon mit fünfzehn Jahren Jugendarbeit gemacht (auch mit Mädchen!), arbeite aktuell als Lerntherapeut und bin von Kindern sehr begeistert. Schaut man sie sich genauer an, so sind es wunderbare Wesen, die an ganz kleinen Dingen Riesenfreude haben können und ganz tolle Charaktereigenschaften mit sich bringen … bis die Erwachsenen anfangen, sie zu deformieren. „Junge, Dein Papa hat zwar keine Zeit für Dich, aber dafür hast Du das teuerste Handy in der ganzen Klasse“ – das hat dann Konsequenzen. Wenn Mama den Sohnemann als Partnerersatz aufbaut (oder Papa die Tochter), dann ist das ebenfalls alles andere als lustig – und den letzten Rest kindlicher Lebensfreude baut das staatliche Bildungssystem mit tödlicher Sicherheit ab.

Da mir nun noch die Klagen von Politikern in den Ohren lagen, das es doch so wenig Männer in der Erziehung gab, kam mir ein verwegener Gedanke. Man kann schon ahnen, welcher: ich könnte doch selbst auch als Kindergärtner mitarbeiten. Mittelfristig wäre mir eine berufliche Alternative ganz lieb – man merkt schon, das in Deutschland Kinder Mangelware werden. Außerdem hat mir die Lektüre einiger zentraler Werke moderner Pädagogik mühsam klar gemacht, das Männer in der Tat wichtige Rollen für heranwachsende kleine Menschen haben. Männer sind auch Menschen, sie haben eigene Qualitäten, die zum Beispiel Kinder dazu ermutigen, sich selbst wesentlich mehr zuzutrauen, wenn sie mit Papa unterwegs sind als wenn die nur der gluckenden Mutter ausgeliefert sind. Dazu gibt es sogar Studien – wenn das jetzt mal  nicht ein überzeugendes Argument ist.

Das Echo unseres Vereins war jedoch tödlich.

Wie kann ich nur daran denken: ich bin ein Mann!

Gut, es gab Beifall für den Gedanken von den ausgebildeten Erzieherinnen. In der Tat wäre es auch sehr sinnvoll, Männer als Erzieher zu haben, hieß es da – aber praktisch besteht da keine Chance. Mir wurden Geschichten aus dem Arbeitsalltag erzählt, wo hochgebildete Eltern ihre Kinder aus dem Kindergarten genommen haben, weil (Iiiiiiiiiiiiiihhhhhhh) ein Mann mit dem kleinen Kind auf dem Teppich herumbalgte. Keine Einrichtung möchte sich einer solchen Kritik aussetzen – oder solchem Gerede: „Man stelle sich doch wirklich einmal vor, die lassen dort Männer arbeiten. Mit KINDERN.

Gut, die eine oder andere Erfahrung hätte ich ja locker wegstecken können …. aber so insgesamt in kurzer Zeit erlebt, stimmt das schon nachdenklich.

Was ist eigentlich dort draußen los?

Wenn hat das Wesen „Mann“ seinen Status als Mensch verloren?

Haben wir jahrelang gegen die Unterdrückung der Frau protestiert (und gearbeitet: ich war der erste, der es gewagt hat, gegen die Firmenpolitik zu verstoßen und Frauen einzustellen … Anfang der neunziger Jahre. Obwohl die Kinder kriegen können, was im Extremfall das Geschäftsergebnis der Abteilung deutlich nach unten verlagern und den Krankenstand in der Statistik drastisch hochtreiben kann), nur um letztlich einen Zustand zu haben, der die Verhältnisse einfach nur umkehrt?

Oder bin ich einfach mittlerweile  zu weit außerhalb der normalbürgerlichen Gesellschaft angesiedelt, das ich nicht mehr mitbekommen habe, das der Mann tatsächlich die Bestie ist, als die man ihn ansieht?

Immerhin – sehe ich die in der Einleitung geschilderten gesellschaftlichen Entwicklungen, so muss ich sagen: da sind überall Männer auf Photos zu erkennen. Goldman-Sachs, McKinsey, Taliban: alles Männer. Wer guckt Kinderpornos? Männer. Wer schießt in Uniform auf fremde Menschen? Männer. Wer leiht sich viel Geld, um damit Firmen aufzukaufen, Mitarbeiter ´rauszuschmeißen, Namen und Materialien zu verkaufen und den Gewinn davon für sich zu behalten? Männer.

Vielleicht haben „die da draussen“ ja recht – und auf der Welt herrscht der ewige Friede, wenn erstmal alle Männer weggesperrt sind. Auf die Idee wäre ich so leicht nicht gekommen.

Oder sind wir vielleicht in den Augen der Türkei deshalb die Verliererkultur, weil wir insgeheim und nahezu unbemerkt einen Kult betreiben, der aus der Hälfte unserer menschlichen Gemeinschaft Ungeheuer macht?

Die möglichen und notwendigen Spekulationen dazu überlasse ich aber gern den zuständigen Verschwörungssanalytikern.

 

 



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