Freitag, 31.8.2012. Eifel. Die Welt ist in Ordnung. Das ist mal eine gute Nachricht. Jedenfalls ist die Welt der Reichen in Ordnung – und wer zu den Spitzenzeiten der Krise Aktien zu Billigstpreisen gekauft hat (also jene Leute, die sich den Verlust auch ohne drohenden Hungertod leisten konnten) hat jetzt trotz der gestrigen DAX-Schwäche seinen Einsatz verdoppelt: Geld verdienen ohne Arbeit macht die Welt halt noch schöner. Wie schön, zeigt die Seite „Rich Kids of Instagram, auf die die Welt aktuell hinweist. Da sieht man, wo die Zinsen der Griechen bleiben: Luxusvillen, Nobelhobel, Goldgehänge und 107 ooo Euro für einen Einkauf in der Schampusbude – und das geben nur die Kinder aus. Die Rechnung der Erwachsenen will man gar nicht sehen. Natürlich fragt man sich: wo kommt das ganze Geld eigentlich her?
Die Antwort liefert unter anderem Karl Marx, hier zitiert bei „2012MissionPhoenix„:
„Durch industrielle Expansion und Vernichtung der Konkurrenz akkumuliert sich das Kapital der Besitzenden. Immer weniger Kapitalisten beuten immer mehr Lohnabhängige aus. Ihre immer größer werdende Macht erlaubt es ihnen, immer mehr Mehrwert“ –Mehrwert ist die überschüssige Produktionsleistung, welche nicht bezahlt wird- „an sich zu reißen. Es gibt immer weniger, aber umso kapitalstärkere Besitzende und immer mehr stetig verelende Arbeiter.“
Kommunismus scheint doch gar nicht so doof zu sein, wie er vielerorts gelebt wurde. Gut, das größte Elend steht uns noch bevor, und zwar dann, wenn die Rendite für die Belieferung der Supermärkte zu klein geworden ist und die Regale einfach mal leer bleiben, doch davon sind wir noch ein paar Monate entfernt.
Bleiben wir bei den Kindern der Superreichen. Wie wird man eigentlich superreich? Nun – ein Weg ist, im Aufsichtsrat großer Kapitalgesellschaften zu sitzen, dort, wo durch Konzentration der Geldflüsse (gern erzeugt durch permanente „Fusion“ ehemaliger Konkurrenten – die Banken ermöglichen hier wahre Wunder) soviel Geld zusammenkommt, das man ungeniert im großen Stil abgreifen kann. Wiwo berichtet hier von Steigerungen der Bezüge zwischen 7,6 % und 263 %. Würden sich Gewerkschaften zu solchen Forderungen hinreißen lassen, wäre der Aufschrei der Kapitaldienstpresse riesengroß, Deutschland wäre in Gefahr, Europa stünde am Abgrund, die ganze Welt stünde vor dem Untergang.
Um genau zu wissen, wie die Reichen denn jetzt das Geld verdienen, muss man nur genauer hinschauen, was „Geschäftsleiter“ (CEO´s) in den letzten zwanzig Jahren geleistet haben – angeleitet durch führende US-Unternehmensberatungen. Welche Branche, welches Geschäftsprinzip, welche Rendite bislang in dem Unternehmen herrschte, spielt keine Rolle, das, was die neuen Herren gemacht haben, war: Massenentlassungen, Steigerung der Wochenarbeitszeit der Überlebenden und Einführung der unbezahlten Überstunden. 1000 Millionen unbezahlte Überstunden leisten die Deutschen so momentan (siehe FTD), macht bei einem Durchschnittsstundenlohn von 20 Euro 20 Milliarden Euro, die Jahr für Jahr über jene ausgegossen werden können, die ansonsten nichts zu tun haben, sich aber viermal im Jahr treffen, um zu kontrollieren, ob der aktuelle Geschäftsführer des Unternehmens auch genug Entlassungen zur Sicherung ihrer Bezüge vorgenommen hat.
Dazu kommen noch ungezählte Milliarden, die durch die Leiharbeit und die Enteignung der Arbeitslosen in den Markt gespült werden: kein Wunder, das die Zahl der Millionäre in Deutschland ständig steigt: wo Kinder 107000 Euro für ein paar Getränke ausgeben können, da können viele gerissene Hunde gut verdienen. An den Arbeitslosen verdient man gleich doppelt: zum Einen hat man ihren Lohn eingespart (und ihr langjährig erspartes Eigentum günstig eingeheimst), zum Anderen kann man auch an ihrer Verwaltung gut verdienen – wie jetzt zum Beispiel in Aachen.
Dort wird ein neues Jobcenter von privaten Investoren gebaut. 250 Millionen soll es kosten, 370 Mitarbeiter finden dort bei schlechtem Wetter Unterschlupf, 52000 Hartz-Opfer werden von Ihnen in einer „Wohlfühlatmosphäre“ gepflegt (Quelle: „Super-Sonntag“, 26.8.2012). Pro Arbeitslosen werden hier 5000 Euro investiert, eine Summe, von dem ihre Kinder sechs Jahre ernährt werden müssen – von einer Schampusrechnung der Krisenverursacher könnten sie sogar 130 Jahre leben.
Man sieht: Marx hatte doch Recht. Leider merken wir das viel zu spät. Noch später werden wir merken, das wir alle davon betroffen sind – nicht nur die Arbeitslosen. Unter dem Titel „Arbeiten bis ins Grab“ erläutert die Rote Fahne gerade aktuelle Entwicklungen in der deutschen Rentnerszene: jedem dürfte klar sein, das die heute Fünfzigjährigen im Alter trotz aller Versprechen und Ansprüche im Alter arm dahinvegetieren werden, damit die selbsternannte Leistungselite und ihre politischen Speichellecker in Saus und Braus schwelgen dürfen: „spätrömische Dekadanz“ wird hier systematisch produziert.
Natürlich hat diese Bereicherungsmaschine auch ihre Nachteile: der Staat wird dadurch finanziell ausgetrocknet. Er braucht nämlich die vielen Millionen Arbeiter, die nicht nur hirnlos beschäftigt herumzappeln, sondern richtig gut verdienen, um richtig gut Beiträge und Versicherungen bedienen zu können. Es wäre der Job der Wirtschaft gewesen, dafür zu sorgen – die Wirtschaft und ihre Lenker haben sich aber anders entschieden.
Welche Zukunft auch uns Deutschen konkret praktisch droht, bekommen wir gerade am Beispiel des superreichen Staates Griechenland anschaulich demonstriert. Superreich? Ja, die Griechen verfügen über Erdgasvorkommen von 9000 Milliarden Euro (siehe Voltaire), ihr Alltag sieht aber ganz anders aus. Ein Grieche schildert gerade in der Zeit seine Eindrücke:
In den vergangenen Jahren wurde die Mehrheit der griechischen Bürger ärmer, arbeitslos oder obdachlos. Ein beträchtlicher Teil unserer Gesellschaft verfügt nicht mehr über die Mittel, um im bestehenden System überleben zu können. Mit Abstand am schlimmsten trifft es die Menschen in den Städten, die keine Möglichkeit haben, etwas Landwirtschaft zu betreiben.
Die Kürzungen im Gesundheitssystem treffen vor allem die chronisch Kranken. Sie sind die ersten Opfer einer nur an Zahlen und Statistiken, nicht aber an den Menschen ausgerichteten Politik. Man hört jetzt viel von Selbstmorden. Junge Menschen wandern aus, um Arbeit zu finden, und werden Sklaven des paranoiden Systems; sie kaufen sich Zeit von Ländern, die bald in der gleichen Lage wie Griechenland sein werden.
Ein weiser Mann, dieser Grieche. Er sieht weiter als unsere Medien … aber ihm wurde wahrscheinlich auch nicht auferlegt, zurückhaltend über die Krise und ihre Folgen zu berichten. Die deutschen Medien sind da bekanntermaßen etwas gehandicapt, sie haben der Kanzlerin ihr Wort gegeben, die Krise weitgehend zu ignorieren. So ist der Deutsche wieder aufgerufen, selber zu denken – welch´ Abenteuer.
Schauen wir also einmal genauer hin, was uns in den nächsten zwei Jahren droht und welche Weichen schon heute unseren Zug Richtung Armut steuern.
Wir wissen ja, das neben Griechenland auch Portugal, Spanien, Italien und Irland einige Probleme haben – aus diesem Grund haben wir ja den Superrettungsschirm aufgefahren. Der wird aber nicht ausreichen – das hat jetzt laut deutschen Mittelstandsnachrichten die Credite Suisse ermittelt. Das die „privaten Investoren“ sich zunehmend aus den Krisenländern zurückziehen (siehe FTD) freut das Jobcenter Aachen, das dadurch einen neuen Prachtbau bekommt, aber es verschlimmert die wirtschaftliche Lage in den Krisenländern zunehmend, die ohnehin durch ihre „Zombie-Banken“ den europäischen Wirtschaftsraum massiv bedrohen (siehe Handelsblatt).
Nun – wir Deutschen könnten uns ja immer noch entspannt zurücklehnen, immerhin bezahlt man viele Journalisten fürstlich dafür, das sie uns täglich vor Augen führen, wie paradiesisch gut es uns doch geht – zum Beispiel im Vergleich zu den Spaniern: die Welle von Zwangsversteigerungen von privaten Immobilien in Spanien erreicht ständig neue Höhen – da 80 Prozent der Spanier in ihren eigenen vier Wänden lebten (siehe ZDF), sind das Vorzeichen einer neuen Völkerwanderung, deren Obdachlosigkeitsrekorde diejenigen Griechenlands in den Schatten stellen werden. Wir könnten uns entspannt zurücklehnen … wenn wir nicht im selben Boot sitzen würden – nur halt näher beim Kapitän – , was aber beim drohenden Untergang der Eurozone den Tod (und das Leiden) nur hinauszögert, nicht aber aufhält.
Immerhin haben unsere Aufsichtsratsanwärter im Bundestag aktuell dem ESM einen Blankoscheck ausgestellt (siehe Handelsblatt), was bedeutet, das all jene Banken, die in den letzten Jahren mit massiver Werbung („Lebe heute, zahle später“) viel Kapital für den Umbau unserer Gesellschaft durch extreme Konzentration in der Wirtschaft und der in Folge der sinkenden Einkommensmöglichkeiten zur Erhaltung der von Werbewirtschaft und Illustrierten vorgegebenen sozialen (bzw. eigentlich finanziellen) Mindeststandards im Alltagsleben notwendig gewordenen Konsumkredite ausgegeben haben, sich das nie vorhanden gewesene Geld jetzt vom deutschen Steuerzahler erstatten lassen.
Wir zahlen jetzt dafür, das wir die RTL-Sozialstandards mit Krediten finanzieren mussten, weil unser Einkommen das nicht mehr hergab. Anstatt aber das sich ein breites Bündnis von Schulen, Gewerkschaften, Universitäten und Medien gegen diese Sozialstandards einfindet, werden sie von Medien und vor allem von der Werbewirtschaft unter völliger Ignoranz der Intellektuellen der Gesellschaft kritiklos weitergereicht.
Das das nicht gut gehen kann, weil unsere Kinder niemals mit den goldenen Handys der Superklassekinder mithalten können, ist jedem normal wirtschaftenden Denker klar – und auch den Spitzen der US-Wirtschaft, die laut WSWS den Bankrott der gesamten Wirtschaftsordnung völlig vor Augen haben.
Eine Kultur, in der immer mehr Menschen auf ständig wachsendem Champagner- Rolex- und Ferrariniveau von anderen leben wollen, erschöpft sich halt ganz schnell – man braucht keinen Doktortitel in Wirtschaft, um das zu erkennen. Ich denke, das könnte der Grund sein, weshalb sich die Regierung (also konkret: die Primärkandidaten für Aufsichtsratsposten) nun ein zusätzliches Reservistenheer aufbaut.
Dieses Heer entlockt Politikern große Begeisterung – siehe Neues Deutschland:
»Die flächendeckende Einführung der Zivilmilitärischen Zusammenarbeit im Inland stellt sicher, dass die Bundeswehr in unsrer Heimat jederzeit und an jedem Ort unseres Landes Hilfe und Unterstützung leisten kann.«
Wie diese Unterstützung aussehen kann, wird ebenfalls erläutert:
Spätestens am 29. August 2009 wäre folgende Schlagzeile in den Medien fällig gewesen: »Bundesregierung will mit Bundeswehr Streiks bekämpfen«. Eine Antwort der Bundesregierung an die LINKE vom 28. August legt den Schluss nahe, dass die Kampfbedingungen der Gewerkschaften eingeschränkt werden sollen. Denn zumindest im öffentlichen Dienst ist nun auch der Einsatz von Streikbrechern aus den Reihen der Bundeswehr denkbar geworden. Das Bundesverteidigungsministerium schließt in der Antwort nicht aus, dass Zivil-Militärische-Zusammenarbeits-Kommandos bei Demonstrationen zum Einsatz kommen.
Leider kam diese Meldung nicht in den Medien, so dass wir uns noch weiterhin im Traum der alten bundesrepublikanische Wirklichkeit befinden, während die Aufsichtsratskaste schon längst gezielt am Abbau der demokratischen Grundordnung des Landes arbeitet – letztlich bezahlt mit unseren neuen Schulden.
Man sieht hier, welche Zukunft konkret für uns geplant wird.
Ich warte nur auf die Einführung des Terminus „lebensunwertes Leben“ durch Medien und Politik, die Weichen dazu hat SPD-Promi Franz Müntefering durch seinen Spruch „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ ja schon gelegt. Sicher werden bald auch die Wirtschaftsweisen erkennen, das Rentner im Grunde gekommen auch nur Arbeitslose sind – wenn auch etwas älter. Nach entsprechender Rentnerhatz in den gleichgeschalteten Medien können die Reservisten dann im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit für die Beseitigung dieser Altlasten einer nicht marktkonformen Gesellschaft sorgen – wir hatten das in Deutschland schon mal.
„Arbeiten bis ins Grab“ ist aber für hunderttausende in Deutschland schon längst bittere Realität.
Vielleicht braucht Europa einfach mal eine dicke Prise Kommunismus, um Demokratie und Marktwirtschaft vor den Aufsichtsräten und ihren Lakaien zu retten – falls Marx´Methoden der Qualität seiner Analysen entsprechen.
Schon seltsame Zeiten, wo man den „Systemfeind“ anrufen muss um das System vor seinen meist de fakto arbeitslosen Gewinnern zu retten.