Kurz vor der Wahl in NRW waren die beiden Direktkandidaten, Axel Braun und Peter Klein und Frau Susanne Thomas von den Krefelder Piraten so freundlich, ein wenig ihrer knappen Zeit zu opfern und dem Nachrichtenspiegel ein Interview zu geben. Eigentlich nicht mein Ding (ich meine Interviews, nicht die Piraten) aber ich hoffe doch, daß hier ein paar erhelllende Dinge zu lesen sind.
Am 29.04.2012 trafen wir uns im Jules Papp, der Ort des regelmäßig stattfindenen Krefelder Piratenstammtisches, in angenehmen Ambiente und bei gepflegter Apfelschorle. Kurz vor dem Fegefeuer, dem regelmäßig wiederkehrenden Heavy Metal Abend. Wer sich einen zünftigen Hörschaden ob der Lautstärke wünscht, der ist herzlich dazu eingeladen den Kopf im Takt zu schütteln.
Hier geht mein ausdrücklicher Dank an die Besatzung des Jules Papp, die in der Zeit des Interviews mit stoischer Geduld meine Zwerge beaufsichtigte.
Das Interview selber artete in Minuten vom Interview-Versuch in ein nettes Gespräch aus, daß ich unmöglich 1 zu 1 von .wav in .txt übersetzen kann, dazu reicht der Platz hier leider nicht aus. Daher wurden die wichtigsten Fragen und Antworten extrahiert.
Einige Fragen haben sich mit dem neuen Flyer zum Wahlprogramm (PDF), der kurz vorher fertig wurde, eigentlich erledigt. Ich hab sie dann trotzdem aufgeschrieben, weil möglicherweise viele Leser diesen Flyer selbst noch nicht gelesen haben.
Rb: Welche Wahlversprechen werdet ihr einhalten und welche werdet ihr brechen:
P.: Wir machen keine Wahlversprechen, wir fordern!
Rb: Auch wenn es überregional nicht ganz so Interessant ist, was habt ihr speziell für Krefeld im Programm:
P. Einiges, zum Beispiel haben wir uns gegen die Freigabe des Fracking im Krefelder Norden ausgesprochen (Fracking = Gasförderung mithilfe einer hochgiftigen Chemiesuppe, die in den Untergrund gepresst wird um das Gas dort zu befreien. Einfach mal ein paar erschreckende Videos bei youtube schauen. Rb). Wir sind ebenfalls gegen die Kohlenmonoxyd-Pipeline, die sollte schnellstens zurückgebaut werden. Weiterhin stehen wir für eine genaue Prüfung der Finanzen der Stadt Krefeld und natürlich des Landeshaushaltes NRW. Dies und vieles mehr steht in unserem Flyer. Und im Internet.
Rb: Die lauten Nazis seid ihr ja nun losgeworden bzw. habt euch glaubhaft distanziert, die anderen haben einen Maulkorb verpasst bekommen. Was macht ihr mit den „leisen Nazis“? Die, die versuchen ohne markige Sprüche die Politik in ihre Richtung zu drängeln.
P.: Das wir uns von rechtsradikalen Tendenzen und Sprüchen distanziert haben, ist ja sogar in der bürgerlichen Presse angekommen. Es ist nicht auszuschließen, daß irgendwo nochmal etwas aufkommt, aber da laufen ja bereits einige Parteiausschlußverfahren. Und die „leisen Nazis“ haben auf Grund unserer Struktur wenig bis keine Möglichkeiten, irgend einen unschönen Einfluß zu nehmen. Die Beschlüsse werden von der Basis beschlossen und selbst wenn es jemandem glücken sollte, mit seltsamen Argumentationen oder durch verstecken seiner wahren Ansichten irgendeinen Posten zu ergattern, hat er nach seinem Outing nichts mehr zu sagen und wird sofort von der Basis zurückgepfiffen.
Rb: Vor einiger Zeit war mal zu hören, daß ein Kandidat meinte, er könne im Parlament nicht immer die Basis befragen sondern müsste auch mal nach seinem Gusto entscheiden. Wir verträgt sich daß mit eurer Vorstellung von Baisdemokratie?
P. Das wird selten bis gar nicht vorkommen. Ein Parlament hat eine Tagesordnung die immer die Möglichkeit bietet, vorher in strittigen Fragen eine kurze Befragung durchzuführen oder eine Diskussion anzustoßen. Ansonsten sollte er sich erst einmal zurückhalten. Viele Fragen sind auch aus dem Programm oder der bereits bestehenden Meinungslage abzuleiten. Nicht zuletzt sollte man aber auch nicht vergessen, daß ein Abgeordneter immer zu allerletzt seinem Gewissen verantwortlich sein sollte. Zum Beispiel kam letztens auf Facebook die Frage auf: „Wie seht ihr zu den Hundetötungen in der Ukraine?“. Dazu gibt es noch keinen gültigen Mitgliederbeschluß. Ich (Peter Klein in diesem Fall, Rb) habe das dann aus den Beschlüssen zur Haltung von Wildtieren zum Beispiel im Circus abgeleitet, die wir so nicht wollen und habe dann geschrieben, daß wir das aus diesem Grund ebenfalls ablehnen weil es wahrscheinlich ist, daß ein diesbezüglicher Beschluß sicher genauso ausfallen würde. Gesunder Menschenverstand hilft in vielen Fällen weiter.
Ausserdem laufen Bestrebungen, das System Liquid Feedback so auszubauen, daß sehr schnelle Umfragen möglich sind. Bespielsweise mit Apps. So daß ein Teilnehmer in einer Talkshow nach einer Frage sagen kann „Moment, ich schau mal was die Basis dazu denkt, dann kann ich diese Frage beantworten“. Danach schaut er kurz auf sein Smartphone oder Pad und kann dann sofort die Meinung der Basis kundtun. Hier wollen wir noch noch schneller reagieren können und nicht nur mit dem PC, sondern auch mit tragbaren Geräten arbeiten.
Rb: Wieso sind eigentlich 2 Kandidaten aufgestellt worden, die beide um die 50 sind in einer Partei, die doch ein sehr jugendliches Image hat?
P: Bei uns ist es so, daß der, der aktiver ist als ein anderer, erstens bekannter ist und zweitens eher gewählt wird. Wir haben auch „jugendliche“ Mitglieder, wie zum Beispiel den Christof (Grigutsch – Wahlkampfleiter in Krefeld, Rb) oder einen anderen, der jetzt nach Frankfurt zurückgeht, die sich bewusst nicht haben aufstellen lassen. Und nicht vergessen, das Durchschnittsalter in den Piraten liegt bei ungefähr 37. Wobei wir eine große Menger aktiver junger Mitglieder haben und auch keine Angst davor, diese zu Wort und Amt kommen zu lassen. Eine Jugendorganisation zu gründen, deren einziger Zweck es ist, die unverdorbenen jüngeren Mitglieder von der richtigen Politik fernzuhalten, lehnen wir ab.
Wir erleben im Moment eine Menge ältere Menschen, die beim Straßenwahlkampf an einem vorbeilaufen. Wenn man dann sagt „Infos über die Piratenpartei“ dann drehen sie sich nochmal um und reißen einem teilweise den Flyer förmlich aus der Hand. Meiner Meinung sind gerade bei den Älteren (hier ist die Altersgruppe 35+ gemeint, Rb) sehr viele Protestwähler dabei. Unsere Zielgruppe, um in der Zukunft etwas zu bewegen und zu ändern werden allerdings wohl die Jüngeren sein, weil die keine so große Hemmschwelle haben, Meinungsbildung und Informationsgewinnung mit dem Internet zu betreiben.
Rb: Vieles in eurem Progamm hat mich an das Programm der Linken erinnert wobei ihr zum Glück ein anderes Vokabular verwendet, daß einem normalen Menschen nicht sofort die Nackenhaare hochstehen lässt. (Zur Ehrenrettung der Linken, ich meine hier die abgenutzen altkommunistischen Kampfbegriffe im Programm und in den Reden einzelner, nicht die Wahlkampfaussagen auf Plakaten).
P. Wir haben natürlich viele Punkte, die denen anderer Parteien gleichen. Bei manchen gibt es mehr Übereinstimmungen, bei anderen wenige. Das liegt natürlich in der Natur der Sache, es gibt überall Schnittmengen. Zum Beispiel das BGE (Bedingungslose Grundeinkommen), daß die Linke nicht fordert oder das Gesamtthema Bankenverstaatlichung. Obwohl hier natürlich eine andere Regelung als die Jetzige nötig ist. Oder Auslandeinsätze der Bundeswehr, wenn der jeweiligen Bevölkerung dabei geholfen wird. Kriegseinsätze aus wirklich humanitären Gründen. Dies schließt natürlich wirtschaftliche Gründe wie „Sicherung der Versorgungswege“ oder „Sicherung des Nachschubs“ aus. Wobei die Linke Kriegseinsätze komplett ablehnt.
Rb: Stellt euch mal vor, die Piraten haben genügend Stimmen und/oder es gibt endlich eine vernünftige Basisdemokratie. Nun steht übermorgen eine Abstimmung über die Todesstrafe auf der parlamentarischen Abstimmungsliste und heute wird ein Kind ermordet. Was macht ihr wenn 80% der Deutschen für die Todesstrafe stimmen?
P: Bin ich trotzdem dagegen (das kam von beiden Piraten wie aus der Pistole geschossen, Rb). Jeder Mandatsträger ist natürlich zu allererst seinem eigenen Gewissen verantantwortlich. Die Leute, die im Endeffekt abstimmen, müssen ihrem Gewissen folgen, wir haben keinen Mandatszwang und keinen Fraktionszwang. So wie es auch im Grundgesetz steht und die Piraten sind ja absolut für das Grundgesetz. Sie sollten der Basis folgen, müssen aber nicht.
Rb: Der Parlamentarier als Regulativ?
P: Nein, nicht ganz. Wir denken und glauben an die Intelligenz der Masse. Wir sehen es ja bei Tagungen und Parteitagen. Wir kommen, so seltsam es klingt, immer zu einem vernünftigen Ergebnis.
Rb: Ok, ich habe ja bisher nur intelligente und des Nachdenkens mächtige Piraten kennenlernen dürfen, aber geh doch mal auf die Straße. Ich denke hier mit Schrecken an ein paar Millionen Bildzeitungsleser. Stellt euch vor, die stimmen mit ab.
P: Wir wollen die Leute ja bilden.
Rb: Also RTL abschaffen?
P: Nein, aber auch dort versuchen, das Programm anzupassen. Wir wollen ja nicht das, was Herr Schröder für seine Meinungsbildung brauchte, also Bild, Bams und Glotze. Das ist genau das, was wir Piraten nicht haben wollen.
Rb: Zu den Grünen. Ihr habt eine Menge ökologische Programmpunkte, die, wenn man nicht nur die Worte sondern auch die Taten mitberücksichtigt – Stichwort Laufzeitverlängerung, im gesamten Ökologischer sind als diejenigen der Grünen. Bekommt ihr deswegen so viele Stimmen von deren ehemaligen Wählern?
P: Die beiden Hauptpunkte der Grünen, Atomkraft und Friedensbewegung, sind ja weitestgehend weggefallen. Die Laufzeitverkürzung klingt anders als „Atomkraft Nein Danke“, die meisten Atomkraftwerke stehen schon still, was kein Verdienst der Grünen sondern einer schrecklichen Katastrophe geschuldet ist und die Grünen haben Angriffskriegen zugestimmt. Das wird an deren Basis natürlich wahrgenommen. Genau genommen haben die Grünen ihre Ideale, die sie vor 30 Jahren hatten, verraten. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, an dem sie in die Parlamente einzogen. Die haben sich oftmals über den Tisch ziehen lassen.
Rb: Also an die Fleischtöpfe herankamen… Zu diesem Thema, werdet ihr große Spenden von großen Firmen annehmen?
P: Wir haben auf dem Parteitag bereits darüber gesprochen. Es gibt ja Firmen, die jeder Partei, die im Bundestag sitzt, 500.000 Euro per se spenden.
Rb: Ausser an die Linken, da die ja keine Spenden von Firmen annehmen.
P: Wir werden solche Spenden annehmen wobei der Spender sicher sein kann, daß das Ganze öffentlich wird. Ob er will oder nicht. Und dann muß die Basis, und das ist der Grund warum wir die Spenden erstmal annehmen müssen, entscheiden, was mit dem Geld gemacht wird. Selber Nutzen oder an eine gemeinnützige Organisation weitergeben zum Beispiel. So wie mit der E-Zigarette, die anonym an den Landesvorsitzenden in Essen gesendet wurde. Die wurde dann für 82.– Euro versteigert und das Geld, auf 100 Euro aufgerundet, an eine Krebshilfeorganisation weitergegeben.
Es ist ja so, daß bei uns die Basis entscheidet. Also müsste theoretisch gesehen derjenige, der einen Mandatsträger bestechen will, jedem Piraten 10.000 Euro spenden. Es entscheiden nicht die Vorstands-Etagen, es entscheiden alle. Wenn einer unserer Mandatsträger gegen die Interessen der Basis abstimmt, ist er weg vom Fenster. Bis hin zum Parteiausschlußverfahren wegen Parteischädigung, wenn er die Toleranzschwelle überschreitet. Wir verlieren lieber einen Mandatsträger als das Vertrauen der Basis.
Rb: Also auch keine Angst vor Lobbyisten?
P. Nein. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich in die Diskussionen auch bezahlte Lobbyisten einmischen oder irgendwann einmischen werden. Aber die können dann nicht ein paar wenige Mandatsträger überzeugen, beeinflussen oder gar bestechen, sondern müssen gleich mal zigtausende Mitglieder, die sich über die angesprochenen Themen ja auch noch schnell mal im Internet informieren, überreden. Bestechen ist hier ja ob der Anzahl finanziell so gut wie unmöglich.
Und noch ein paar kurze Fragen zum Abschluß:
Rb: Für welches BGE seid ihr eigentlich? Das eine Modell in dem jeder Bundesbürger einen Betrag X bekommt, unabhängig von seinem Einkommen oder eine Art Aufstockung, damit jeder mindestens den Betrag X zum Leben zur Verfügung hat?
P: Hier müssen wir sicher noch die verschiedenen Modelle durchrechnen, im Prinzip sind wir aber für den Betrag X für jeden. Wer das Geld nicht braucht oder nicht haben will, stellt halt keinen Antrag. Und wenn doch, auch nicht schlimm.
Rb: Kommunales Wahlrecht ab?
P: 16, inklusive ausländische Mitbürger, die hier ihren festen Wohnsitz haben.
Rb: Wollt ihr mehr oder weniger Polizei auf den Straßen:
P. Wir haben in NRW zu wenig Polizei auf den Straßen. Die Polizei hat jede Menge unbesetzte Stellen und das wollen wir ändern. Was wir nicht wollen sind Hilfspolizisten und wir fordern eine Kennzeichnungspflicht für die Polzei.
Rb: Wie bereitet ihr euch auf den Weltuntergang im Dezember vor?
P: Welcher Weltuntergang? Wir bereiten uns lieber auf die Bundestagswahlen in 2013 vor. Die sind Wahrscheinlicher.
Weitere Informationen über die Crew der Krefelder Piraten findet man auf ihrer Webseite: http://www.Seidenstadt-Piraten.de
So, Einzelheiten über den Landeshaushalt, inklusive der Unstimmigkeiten und satirischen Einlagen darin, über den wir lange gesprochen haben, werden wir später mehr erfahren. Würde diesen Artikel sprengen und ist auch als Thema viel zu wichtig, um unter „ferner liefen“ abgehandelt zu werden. Vielleicht (*Wink mit dem Zaunpfahl*) als Podcast.
Wir danken den Damen und Herren Piraten für ihre Zeit und Geduld.