Mitwoch, 28.3.2012. Eifel. Wir befinden uns mitten in einem Krieg. Dieser Krieg bedroht uns existentiell in allen nur erdenklichen Lebenslagen. Die Fronten verlaufen direkt durch unser Wohnzimmer, durch unsere Küche, durch unser Schlafzimmer – aber wir reden nicht darüber. In diesem Krieg gilt die Genfer Konvention nicht – alle Waffen sind erlaubt, nirgendwo gibt es mehr Sicherheit und Geborgenheit. Sie werden jetzt sagen: der spinnt, der Eifelphilosoph – hier wird schon lange nicht mehr geschossen. Ich sage: Sie haben keine Ahnung vom Krieg. Ich rede nicht von Amokläufen, sondern von der gewaltsamen Aneignung Ihrer Ressourcen, die bei härterem Widerstand auch mit Waffengewalt durchgesetzt wird … aber auch nur bei härterem Widerstand. Geben Sie alles freiwillig ab, werden Sie auch arm … aber es bleibt leise. Geben Sie es zu: Sie fühlen es doch! Warum diese vielen Sicherheitsschlösser an der Wohnungstür, warum der SUV und die Optimierung ihrer körperlichen Fitness? Weil sie Angst haben. Das ist im Krieg aber auch ganz normal. Unser Gefühl hat die Tatsache schon längst akzeptiert – nur unser Verstand zeigt sich von der modernen Art der Kriegsführung überfordert. Dem kann man aber Abhilfe schaffen. Fangen wir ganz klein an – bei ihrem Hausarzt.
Wenn Sie meinen, das sie krank sind, gehen Sie zu ihrem Arzt und denken, dort ist ein verschwiegener Ort des Vertrauens, wo Ihnen geholfen wird. Nackter können Sie sich kaum irgendwo fühlen – und darum ist es auch wichtig, das Ärzte Vertrauenspersonen sind, die durch heilige Eide verpflichtet sind, Ihnen zu helfen und darüber zu schweigen. Ihr Pech nur: ohne Götter ist nichts heilig. Darum wandern Ihre persönlichsten Daten direkt in die Speicherbänke der Pharmakonzerne:
Interne Dokumente sollen es beweisen: Mitarbeiter von Novartis bringen deutsche Ärzte dazu, ihre Patientendaten zu kopieren und einem Berater zu übergeben, der auf der Honorarliste des Pharmaunternehmens steht.
Nun, die Korruption unter der Ärzteschaft ist weit verbreitet. Als ehemaliger Mitarbeiter einiger der ganz großen Konzerne kann ich Ihnen versichern: ein Arzt von hundert widersetzt sich dem Werben der Industrie. Einer von hundert. Die anderen sind mit ihren persönlichen Vorlieben, ihren dunklen Geheimnissen, ihrem Verordnungsverhalten, ihrer finanziellen Situation und ihren privaten Verstrickungen schon längst in den Speicherbänken der Konzerne registriert und liegen direkt neben Ihren persönlichen Daten, mit denen sie vernetzt sind, damit der zuständige Mitarbeiter genau weiß, wie viele Diabetiker Doktor Lottermoser am 28.3.2012 von 9-12 behandelt und was man ihm besorgen muss, damit er das mit dem jeweils gewünschten Medikament macht.
Natürlich gibt es Versuche, diese Korruption zu verhindern. Die gibt es schon seit dreissig Jahren – nie hatte auch nur einer Ansatzweise Erfolg – kein Wunder in einer Welt, in der man für 250.000 Pfunde das Ohr der Regierenden kaufen kann:
Reportern der „Sunday Times“, die sich als interessierte Parteispender ausgaben, erklärte Co-Schatzmeister Peter Cruddas freimütig, ab 100.000 Pfund sei ein Treffen möglich, besser freilich wären 250.000 Pfund, rund 300.000 Euro.
Und was bekomme man mit diesem „Premier-League-Paket“, wollten die verdeckt arbeitenden Journalisten wissen. Cruddas erläuterte: „Nun, wir bringen sie zu den Abendessen von Cameron und Schatzkanzler George Osborne. Einige der großzügigen Spender waren schon zum Dinner in den Privaträumen des Premiers und seiner Frau Samantha. Sie müssen Teil des Systems werden.“
Merken Sie langsam, was um Sie herum vor sich geht? Merken Sie, wie der Konzern sich einfach in die Spitze der Politik einkaufen kann und dort dann – neben neuen Jobangeboten für den Amtsinhaber nach der Amtszeit – seine politischen Wünsche äußern kann … samt Preis, den er dafür zahlen wird?
Konzerne schwimmen in Geld, die können locker hundert Politiker beschäftigen, ohne das die für ihr Geld arbeiten müssen. Währenddessen drohen Ihnen Methoden, die ich zuerst in der Pharmaindustrie kennenlernte – angeblich die härteste Branche in Deutschland. Jenseits von Kündigungsschutz und Arbeitsrecht weiß man, wie man mit Mitarbeitern umzugehen hat, die nicht parieren:
Der Verkaufsleiter eines Lebensmittel-Discounters hat mir neulich berichtet, er sei angewiesen worden, missliebigen Mitarbeitern einzelne Artikel aus dem Sortiment in die Tasche zu schmuggeln, um sie anschließend wegen Diebstahls entlassen zu können.
Auch wenn Sie jetzt persönlich noch nichts Konkretes von dem Krieg merken – in der Statistik finden sich die Opfer schon, siehe Welt:
Die Gefahr in Armut abzurutschen ist in Deutschland höher als in den meisten Nachbarländern. Hierzulande sind 15,6 Prozent oder 13 Millionen der Menschen armutsgefährdet, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In den Nachbarstaaten Tschechien, Niederlande und Österreich liegt die Quote teils deutlich niedriger.
Ölkonzerne arbeiten gerade mit Hochdruck daran, diese Quote nach oben zu treiben – während Sie von den durch Korruption maximierten Gesundheitskosten nicht so schnell was merken, dürfen Sie hier Tag für Tag Zeuge werden, wie man Sie ausplündert. Aber wie gesagt: solange sie freiwillig geben, geschieht Ihnen nichts.
Jeder weiß, das das nicht endlos so weitergehen kann:
Langfristig kann das nicht funktionieren, Wachstumszwang und Umverteilung vertiefen den Graben zwischen jenen, deren „Geld für sie arbeiten kann“, und jenen, die „für ihr Geld arbeiten müssen“. Krieg, Crash oder soziale Revolution seien unvermeidlich.
So die Kapitalismuskritikerin Margrit Kennedy im Standard. Vielleicht merken wir die Vorzeichen dieser Entwicklung schon daran, das man Zahnärzte nicht nur ausraubt, sondern ihnen nebenbei gleich nochmal einen Finger abschneidet. Die Verrohung des Mittelstandes wirkt sich halt irgendwann auch auf andere Schichten der Gesellschaft aus – in einer Welt, in der eine deutsche Hauskatze soviel CO2 verbraucht wie ein Ägypter dürfte das nicht verwundern.
Selbstverständlich ist es nicht nur der Gesundheitsbereich oder die Tankstelle, an der Sie Ihren Tribut an die Herrscher der Welt entrichten müssen. Selbst wenn Sie persönlich super wirtschaften, fleissig sparen und nie auch nur einen Euro Schulden gemacht haben: dann werden eben Euro- und Bankenhilfspakete geschnürt, auch wenn sie völlig nutzlos sind.
In Spanien kann man gerade die Geburt eines neuen Riesenkonzerns beobachten – Konzerne haben den Hang, um jeden Preis zu wachsen, immer größer zu werden und ihre Marktmacht ins Unendliche zu steigern. Mit den kindischen Begriffen von „Markt“, „Leistung“, „Arbeit“, mit denen „moderne“ Ökonomen noch vorspielen wollen, das sie alles im Griff haben, haben Konzerne nichts mehr am Hut. Sie machen den Markt – was sogar dem Ackermann inzwischen Angst macht.
Schauen Sie sich in Ihrer Wohnung um: der Feind steht schon mitten drin. Sie selbst haben ihn hineingelassen – und jetzt müssen Sie dafür zahlen. Sony, Microsoft, Siemens, Deutsche Bank, VW … wie viele Objekte in Ihrem privaten Bereich tragen die Siegel der neuen Herren? Konzerne haben aus uns die „Kunstfigur des Homo oeconomicus“ gemacht, ein erbärmliches, schwächliches und ekelerregendes Zerrbild jenes Menschen, der sich einst als soziales Wesen gegen eine zutiefst feindliche Umwelt durchgesetzt hatte: Eiszeit, Viren, Säbelzahntiger – das alles haben wir im Geiste des Miteinanders besiegt, nur um jetzt einem wirtschaftlichen Frankensteinmonster zum Opfer zu fallen, das gerade sein weltumspannendes Imperium entfaltet – auf Kosten aller Nationen, die es befällt … sogar auf Kosten ihrer Ursprungsnation, siehe International Business Times:
Die Antwort ist, dass Washingtons Imperium die Ressourcen des amerikanischen Volkes zum Nutzen einiger wenigen mächtigen Interessengruppen, die Amerika beherrschen, extrahiert. Der militärische Sicherheits-Komplex, Wall Street, Agro-Business und die Israel-Lobby benutzen die Regierung, um Ressourcen der Amerikaner zu extrahieren, um damit ihre Gewinne und ihre Macht zu erhöhen. Die US-Verfassung wurde im Interesse des Sicherheitsstaates extrahiert, und die Einkommen der Amerikaner in die Taschen der 1 Prozent umgeleitet. So funktioniert das amerikanische Imperium.
Dieses neue Imperium weist auch dem Krieg eine neue Rolle zu.
Im neuen Imperium spielen Erfolge im Krieg keine Rolle mehr. Die Extraktion erfolgt allein dadurch, dass sich das Imperium im Krieg befindet. Riesige Summen amerikanischer Steuergelder fließen in die Rüstungsindustrie und riesige Mengen an Energie werden von der Homeland Security verbraucht. Das amerikanische Imperium funktioniert dadurch, dass die Amerikaner ihres Wohlstandes und ihrer Freiheit beraubt werden.
Auch wir Deutschen verdienen prächtig an diesem System – solange wir unser Leben einem Konzern opfern oder uns von einem kaufen lassen. Die meisten von uns haben allerdings keine von beiden Optionen.
Es ist eine Ironie, dass im Neuen Reich die Bürger des Imperiums ihres Reichtums und ihrer Freiheit beraubt werden, um Menschenleben der angegriffenen ausländischen Bevölkerungen auszulöschen. Genau wie die bombardierten und ermordeten Muslime, ist das amerikanische Volk Opfer des amerikanischen Imperiums.
Dabei … ist da eigentlich kein amerikanisches Imperium. Die USA werden von dem neuen Imperium genauso ausgeplündert wie die anderen Staaten. Nur für uns Menschen … ist es einfacher, so zu denken. Wir sind dem neuen Krieg allein schon begrifflich nicht gewachsen – wir merken doch gar nicht, das wir mittendrin sind. Wir bemerken die Folgen an den Kassen der Tankstellen, im Arbeitsleben oder am respektlosen Umgang mit unseren Gesundheitsdaten, die privaten Konzernen kostenlos zur Verfügung gestellt werden, aber das man uns ehrlich sagt, das wir uns in einem Krieg befinden, das wird noch lange dauern.
Dabei geht es in dem Krieg um sehr viel – um das Überleben der ganzen Menschheit. Siegt der Konzern, das Frankensteinmonster gewissenloser Renditehaie, bleibt zum Schluss nur ganz wenig übrig, für das es sich zu leben lohnt – im Extremfall ein toter Planet voller Industriemüll, dessen Ressourcen komplett in virtuelle Werte umgewandelt worden sind, die in den virtuellen Speicherbänken des letzten Konzernsatelliten um die Erde kreisen – eines Satelliten großen Superbank, die am Ende aller Tage übrig bleibt.
Noch nie war die Menschheit einer solchen Gefahr ausgesetzt – und nur selten war sie so ahnungslos.
Sie hat kaum noch Zeit, sich zum Widerstand zur organisieren, kaum eine Chance, überhaupt eine Front zu bilden, um den Feind aufzuhalten – er ist schon überall in der Stadt, im Dorf, in der Familie … und sogar – als Homo oeconomicus – in einem selbst.
Aber einen ersten Schritt kann man machen, eine Freiheit haben wir noch, gegen den der Feind momentan noch machtlos ist: wir können uns einfach mal einen Tag aus dem Prozess herausziehen. Vielleicht machen die Bürger anderer Nationen auch mit, bevor auch ihre Ressourcen von ökonomischen Monstren gefressen werden. Darum nicht vergessen: am 4. Juli 2012 ist nationaler Kaufnixtag.
Diese Freiheit haben wir noch, bevor man uns auch irgendetwas in die Tasche steckt, wegen dem man uns verhaften kann.