Freitag, 9.3.2012, Eifel. Heute erhielt ich eine E-Mail von John Perkins. Ich habe sie nicht gelesen, ich bin kein großer Freund der esoterischen Welle (und halte vieles davon für Mumpitz und Humbug oder absichtlich gestreute Volksverdummung), finde es aber doch faszinierend, das Menschen wie Perkins ihr Heil in solchen Weltbildern suchen. Manchmal jedoch frage ich mich: was ist eigentlich, wenn wir uns irren? Aber lassen Sie uns zuerst einmal schauen, was unser Herr Perkins – der economic hit man – zu sagen hatte. Wikipedia beschreibt es kurz und praktisch:
Perkins erklärt in seinem Buch, seine Aufgabe als EHM sei es gewesen, den US-Geheimdienstbehörden und den multinationalen Konzernen zu helfen, ausländische Staatsoberhäupter dazu zu verleiten und ggf. zu erpressen, der US-Außenpolitik „zu dienen“ und der US-Wirtschaft lukrative Aufträge zu verschaffen. Es sei im Wesentlichen darum gegangen, Staaten größere US-amerikanische Kredite zu verschaffen, als sie ökonomisch verkraften konnten; durch deren so herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit habe sich die USA weitreichende Einflusszonen in den jeweiligen Ländern gesichert, u.a. zur Gewinnung von Rohstoffen. Staatschefs, die derlei „Deals“ nicht zu folgen bereit waren, seien mit geheimdienstlicher Hilfe von den USA aus dem Weg geräumt worden. Perkins nennt in seinem Buch explizit die früheren Präsidenten Panamas,Omar Torrijos, und Ecuadors, Jaime Roldós, die beide bei mysteriösen Flugzeugabstürzen 1981 ums Leben kamen.
….es sei im wesentlichen darum gegangen, Staaten größere US-amerikanische Kredite zu verschaffen, als sie ökonomisch verkraften können … woran erinnert uns das eigentlich gerade? Vielleicht mal jetzt die Preisfrage: welches europäische Land hat nochmal gerade große Schwierigkeiten, weil es mehr Kredite bekommt, als es ökonomisch verkraften kann?
Bei der Huffington Post löst Perkins dieses Rätsel selbst:
As I write this, I am watching the economic chaos in Greece. I’m sure we’re all sharing the feelings of fear of economic collapse that is rampant among the other European countries — and in fact, around the world.
These events are classic cases of what I detail in my books — Confesssions of An Economic Hit Man andHoodwinked.
Greece has been struck by economic hit men.
So einfach wünscht man sich einen Krimi, oder? Leiche liegt auf dem Teppich, Kommissar schaut hilflos, Perkins kommt herein und sagt: „Ich kenne den Täter, der hatte schon viel auf dem Gewissen“.
Fall gelöst, oder?
Dabei brauchen wir überhaupt keinen John Perkins, der uns in die Einzelheiten weniger öffentlich gelebter Politik einweiht, um zu sehen, das in Griechenland ein ganz großes Ding gedreht wurde, siehe Mittelstandsmagazin:
Für die Investmentbanken sind die Politiker die besten Kunden: Sie brauchen immer Geld und verstehen nichts vom Geschäft. So werden am Vorabend des griechischen Schuldenschnitts neue Details bekannt, wie Goldman Sachs den Griechen half, die EU zu betrügen. Für Goldman war es ein extrem profitables Geschäft. Für die Euro-Zone war es das Initialereignis für die größte Krise ihrer Geschichte.
Wieder ist der Fall gelöst, oder?
Leider nicht, denn: die economic hit man sind auch heute unterwegs, gerade jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe. Sie hören ja nicht auf, nur weil sie wieder mal Erfolg hatten – ganz im Gegenteil: jetzt fangen sie erstmal richtig an.
Griechenland ist der D-Day der Eurozone. Die Griechenlandkrise zeigt uns deutlich, das der von Perkins beschriebene Neokolonialismus jetzt Europa erreicht hat – jenes Europa, das sich als Verbündete der USA immer sicher gefühlt hat. Sind wir aber nicht mehr. Schauen wir doch mal, was Neokolonialismus praktisch anrichtet:
die Medikamente werden knapp – man stirbt bald wieder ein einfachsten Krankheiten … vielleicht sind bald Pest und Pocken auf dem Weg nach Europa, wenn sich die economic hit man noch ein paar weitere europäische Länder einverleibt haben. Es werden jetzt auch die ersten Hilfslieferungen aus Deutschland eintreffen, um die Not, die Tat für Tag schlimmer wird, wenigstens ein bischen zu lindern. Einfachste Sachen werden dort gebraucht siehe Zeit:
Reis, Nudeln, Mehl, Speiseöl, Fischkonserven, Zahnpasta, Seife, Shampoo – alles was zum Leben wichtig ist.
Das sind unsere griechischen Brüder und Schwestern gewesen, die Helden der deutschen Gyros-Bude und großzügigen Gastgeber unserer Urlaubsreisen. Jetzt, nach dem Besuch der economic hit man hat man den Eindruck, dort sei eine Naturkatastrophe schlimmsten Ausmaßes gewesen oder gar ein Krieg verloren gegangen. Anstatt aber über diese dem Bundestag durchaus bekannten Tatsache zu schreiben, jubelt die Systempresse uns was vom glorreichen Schuldenschnitt vor – einem Schuldenschnitt, der dem deutschen Steuerzahler schon jetzt Milliarden kostet … die vierhundert Millionen Euro, die wir laut Focus bislang selbst als Gewinn aus der Krise gezogen haben, sind ein Pappenstil dagegen. Kein Wunder, das wir jetzt dem gemeinen Griechen auf der Straße die Tür vor der Nase zuknallen, siehe Welt:
Arbeitssuchende EU-Bürger sollen künftig keine Hartz-IV-Leistungen mehr bekommen. So will die Regierung laut einem Bericht den Zuzug von Arbeitslosen aus Südeuropa erschweren.
Während der griechische Bürger live erleben darf, wie sich die Bürger Latein- und Mittelamerikas früher gefühlt haben, als die economic hit man ihre Länder überfielen, sorgen die economic hit man erstmal dafür, das der Rest Europas ruhig bleibt – und den bankrotten Griechen noch seine Waffen verkaufen kann.
Teile und herrsche – funktioniert doch überall und immer wieder, oder?
Sie sind auch in Deutschland unterwegs und bereiten hier schon mal den Endsieg vor – erstmal erfahren wir aber nur von kleinen Guerillaangriffen auf deutsche Städte:
Es begann damit, dass die Stadt Pforzheim mit einem Finanzprodukt der Deutschen Bank hohe Verluste machte. Der vermeintliche Retter in der Not, JP Morgan, entpuppte sich jedoch als die noch größere Katastrophe für die Finanzen der Stadt. Am Ende verschwanden die Investmentbanker spurlos.
Sie bringen aber heute schon ihre Truppen in Stellung für den ganz großen Schlag … und die Regierung merkt es auch, siehe Handelsblatt:
Dass das neue Spitzenduo der Deutschen Bank durchgreift, noch bevor es offiziell im Amt ist und das oberste Führungsgremium mit Investmentbankern stärkt, stößt in Berlin auf breite Kritik. Die Union erwägt Konsequenzen.
Die hätten mal John Perkins lesen sollten – mit solchen „Konsequenzen“ können economic hit man gut umgehen. Immerhin bewegen wir uns hier in Sphären, die auch vor einem erneuten Barschel nicht zurückschrecken werden – das weiß in Berlin auch jeder. Die Welt der economic hit man ist eine ernste Welt, in der nur der Erfolg zählt – nicht das ethische Niveau beim Einsatz der Mittel. Das sind jene Geschäfte in Europa, von denen der Bundestagsabgeordnete besser mal die Finger läßt, bevor er einen Unfall hat, an plötzlichem Herzversagen stirbt oder tot in der Wanne liegt.
Würde man uns das offiziell so erzählen – wir wären die Krise los. Sofort. Stattdessen wundern wir uns über Rekordspritpreise, Preise, die auch deshalb so hoch sind, weil der Euro ständig an Wert verliert – um an Öl zu kommen, müssen wir aber Dollar kaufen. Öl wird nur in Dollar gehandelt – und die USA sorgen mit allen Mitteln dafür, das das so bleibt (und wir dafür immer weniger haben), nochmal John Perkins, hier bei „Let´s make Money„:
„Auch heute sind die USA wieder ein bankrottes Land. Wir haben riesige Schulden, mehr als jemals ein anderes Land hatte. Wenn irgendeines der (Gläubiger-) Länder sein Geld in einer anderen Währung als Dollar fordern würde, dann wären wir in großen Schwierigkeiten. Aber jetzt wollen alle ihr Geld in Dollar, weil Erdöl so ein wichtiges Produkt ist und man es nur in Dollar kaufen kann. Saddam Hussein drohte, Erdöl auch gegen eine andere Währung zu verkaufen. Kurz bevor er gestürzt wurde … Hätte er nachgegeben, würde er heute noch regieren. Wir würden ihm Flugzeuge und Panzer und sonst noch alles Mögliche verkaufen.“
Jetzt wird auch klarer, warum die Kreditausfallversicherungen im Fall Griechenlands nicht greifen werden – und warum die Politik total nervös wird: economic hit man haben inzwischen ein so dichtes Netz gestrickt, das der ganze europäische Kontinent darin gefangen ist, siehe Wiwo:
Das maßgebliche Gremium des Verbandes hat 15 stimmberechtigte Mitglieder. Diese werden von zehn Banken und fünf großen Finanzinvestoren gestellt, darunter Deutsche Bank, Goldman Sachs, der Vermögensverwalter Blackrock und der weltgrößte Anleiheinvestor Pimco – also alles, was Rang und Namen in der Finanzbrache hat. Da liegt der Verdacht nahe, dass die großen Banken und Investoren am Ende selbst darüber urteilen, was aus ihren Ausfallversicherungen wird.
Die Versicherungen – mit denen gut verdient wurde – sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Und das ist auch gut so – niemand sollte ernsthaft auf die Idee kommen, sie einzulösen: die Folgen könnten katastrophal sein:
Was an den Finanzmärkten passiert, wenn CDS in großem Still ausgelöst würden, kann niemand mit Sicherheit vorhersagen. Der Handel mit CDS ist wenig transparent, er läuft nicht über geregelte Börsen ab. Wer wie viele CDS auf Griechen-Anleihen in den Büchern hat, lässt sich nur schwer ermitteln. Experten fürchten jedoch ein Chaos wie nach der Lehman-Pleite 2008. Das Risiko bei einem Kreditereignis sei so groß, dass sogar mancher Versicherungsnehmer kein Interesse daran habe, seine Versicherung wahrzunehmen.
Das darf mein eigentlich nicht lesen – sonst kommt man noch auf die Idee, wirklich in einem Tollhaus zu leben: die Versicherungen, die gerade die Wirtschaft vor den Folgen von Pleiten schützen soll, darf niemals ausgelöst werden, sonst droht eine Katastrophe. Kein Wunder, das letztlich die Bürger zahlen werden – zahlen, um den Wert des Dollars nicht zu beschädigen … nur darum geht es.
Darum wurde der Irak zerstört, darum wird jetzt der Euro zerschlagen – und darum wird die aktuelle Yuan-Offensive der chinesischen Regierung die Welt an den Rand des Krieges bringen.
Sieht man sich nun Macht und Wirkungskreis der economic hit man, so kann man schnell auf den Gedanken kommen, das es Angst und Hilflosigkeit sind, die Perkins auf den schamanisch-esoterischen Trip bringen. Vielleicht irren wir uns aber auch alle, und die Ritualmeister des Bohemian Grove nehmen ihre magische Symbolik viel ernster als wir denken und opfern Griechenland, das Mutterland europäischer Demokratien, symoblisch, um das endgültige Ende der weltweit existierenden Demokratien einzuläuten. Mit dem Irak hatten sie ja schon die symbolische Wiege der modernen Zivilisation (Babylon) in Besitz genommen.
Auf jeden Fall können wir sagen: diesmal kommen die Angreifer zuerst über Griechenland, nicht über die Normandie. Das letzte mal haben sie einen US-finanzierten Clowen vom Thron gejagt, der ihnen einen lukrativen Krieg bescherte, diesmal verjagen sie die marktunkonformen Demokratien, die als Folge dieses Krieges entstanden: sie räumen auf und ordnen die Dinge wieder mal neu.
Ich denke, ich sollte Perkins Mail doch lesen: wie es aussieht, hilft nur noch beten.