Politik

Athen brennt – der Tag, an dem der europäische Bürgerkrieg von der Finanzwelt begonnen wurde

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Montag, 13.2.2012. Eifel. Gestern hatte ich einen Artikelgeschrieben. Wie üblich schelmisch mit einem reisserischen Titel versehen – man gönnt sich ja sonst nichts:

2012 – das Jahr, in dem der europäische Bürgerkrieg begann und die Subventionen den deutschen Staat auffraßen

In der Tat kümmert sich kaum jemand um den Subventionswahn in Deutschland – ich sollte die Zahlen täglich neu bringen, bis wir 80 Millionen Leser haben, die begreifen, wohin das in der Arbeitslosenversicherung eingesparte Geld wirklich fließt.  Viel wichtiger wäre jedoch gewesen, zu schreiben, das der europäische Bürgerkrieg in der Tat am 12.2.2012 losging – dem Tag, an dem der Artikel erschien und Athen brannte.  So ist es halt mit Geschichte – die bedeutenden Zahlen rauschen an einem vorbei, sind alltäglich, während zukünftige Schülergenerationen sie auswendig lernen müssen. Es ist nicht der erste Bürgerkrieg, der wegen der Macht der Banken geführt wurde. Otto von Bismark – hier zitiert auf einer Reenactment-Seite – erwähnt noch einen:

»Es kann nicht bezweifelt werden und ist mir mit absoluter Sicherheit bekannt, daß die Aufteilung der Vereinigten Staaten in zwei gleich starke Föderationen schon lange vor dem Bürgerkrieg von den stärksten Finanzmächten Europas beschlossen worden war. Diese Bankiers fürchteten, daß die Vereinigten Staaten, sollten sie vereinigt bleiben und sich zu einer einzigen Nation entwickeln, wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit erringen könnten, und diese hätte die weltweite finanzielle Vorherrschaft Europas bis ins Mark erschüttert. Natürlich kam der Stimme der Rothschilds im inneren Kreise der Finanz beherrschendes Gewicht zu. Sie sahen eine Chance auf reichliche Beute voraus, falls es ihnen gelingen sollte, die starke, selbstbewußte, stolze und selbstversorgende Republik durch zwei schwache Demokratien zu ersetzen, die unter der Last ihrer Schulden ächzten und jüdische Finanzmagnaten um Unterstützung anflehen würden. Folglich sandten sie ihre Agenten aus, um das Thema der Sklaverei auszuschlachten und eine Kluft zwischen den beiden Teilen der Union zu schaffen. Der Bruch zwischen dem Norden und dem Süden wurde unvermeidlich; die Herren der europäischen Finanz setzten alle ihnen zur Verfügung stehenden Kräfte ein, um ihn zu bewerkstelligen und zu ihren eigenen Gunsten auszunutzen.«

Tja – der durfte das noch einfach so sagen: eine Verschwörungstheorie allererster Güte. Die stärksten Finanzmächte Europas machen Politik, um ihre Pfründe zu sichern. Man lässt sie sich verschulden, spielt sie gegeneinander aus – und setzt sich nachher ins gemachte Zinsnetz. Den Seitenhieb auf die Juden wollen wir dem Herrn Bismark mal verzeihen, das war damals üblich.

Wir kennen den amerikanischen Bürgerkrieg aus den Medien. Heldenhafte Nordstaatler kämpfen gegen neanderthalartige Südstaatler, die Afrikaner wie Tiere halten.

Das es den Sklaven auf den Farmen besser ging als den schwarzen Arbeitern in den Fabriken des Nordens, wird gerne mal unerwähnt gelassen – ebenso wie die wahren Ursachen des Krieges gerne verschleiert werden. Hören wir nochmal die Jungs vom First Virginia dazu:

Im Norden, vor der Haustür, wurde die verarbeitende lndustrie ausgebaut. Der Süden sah sich immer mehr in der Rolle des Absatzmarktes und Rohstofflieferanten festgeschrieben. Man zwang den Süden, gegenüber den europäischen Produkten minderwertigere und teurere Produkte im Norden zu kaufen. Dem gegenüber wurden auf die Produkte des Südens im Norden hohe Schutzzölle aufgeschlagen. Die Zolleinnahmen der langen Küste des Südens flossen nach Norden. In breiten Schichten der Bevölkerung des Südens herrschte ein starkes Gefühl der Abhängigkeit und Ausbeutung durch die Yankeefabrikanten, Spediteure und Schiffahrtsgesellschaften vor.

Seit Beginn des Jahrhunderts mehrten sich deshalb die Stimmen im Süden, die sich fragten, was sie denn noch in dieser Union sollten? Tatsächlich war die Banken- und Handelspolitik des Nordens gegenüber den südlichen Staaten in vielen Zügen die Politik einer Zentrale gegenüber ihren Hinterhof, einer Rolle, die später andere lateinamerikanische Staaten übernehmen sollten. In diesem Sinne war die Sezession (Abtrennung) bereits vom Kapital des Nordens vorvollzogen, bevor der Süden sie tatsächlich nachzuvollziehen versuchte.

Kommt einem das nicht gerade heute sehr bekannt vor … und sehr aktuell? Befinden wir uns wieder in einem Sezessionskrieg Nord gegen Süd, einem Krieg, in dem es in erster Linie um die Interessen der Banken geht?

Wer hat den Griechen den das ganze Geld geliehen? Wer hat ihnen geholfen, die Schulden zu vertuschen? Wer hat an der immensen griechischen Rüstung verdient – und wer verkaufte Unmengen von Waren dorthin, die sich eigentlich keiner hätte leisten können, wenn man ihm nicht gleichzeitig das Geld geliehen hätte?

Wir.

Bisher hat uns Griechenland noch keinen einzigen Euro gekostet – wir verdienen köstlich an deren Elend. Die fahren unser Autos, unser Panzer, unser U-Boote und jetzt dürfen sie für den Schrott auch  noch Zinsen zahlen, die sich ihre Wirtschaft gar nicht leisten kann.

Bezahlen wir nicht eigentlich Politiker gerade dafür, das so ein Unsinn nicht geschieht? Weiß eigentlich jemand, was unsere Hochzinspolitik gegenüber Griechenland anrichtet? Immerhin hätten wir die Freiheit, die Zinsen enorm niedrig zu halten anstatt an den griechischen Schulden goldene Nasen zu verdienen. Schauen wir doch mal genau hin, was dort geschieht – siehe Spiegel:

Das Heer der arbeitslosen Hellenen wird derweil immer größer. Ende November waren bereits über eine Million Griechen ohne Job – Tendenz stark steigend. Ohnehin bezieht nur ein Drittel von ihnen das nicht gerade üppige Arbeitslosengeld. Bisher waren das einkommensunabhängig 461,50 Euro pro Monat. Nach einem Jahr ist auch damit Schluss, eine Grundversicherung wie in Deutschland gibt es in Hellas nicht. Das Arbeitslosengeld wird jetzt auf 359,97 Euro gesenkt.

Und jetzt triumphieren die Märkte, weil nochmal 150000 Menschen auf einen Schlag arbeitslos gemacht werden … Menschen, die mit dem Schuldenpoker persönlich nichts zu tun hatten – sie hatten drauf vertraut, das ihre Arbeitsverträge „echt“ sind und ihnen eine Perspektive bieten. Kein Unternehmen in Deutschland würde sich mit so einer Situation abfinden müssen, mit dem Schlagwort „Planungssicherheit“ würde man alle politischen Bedenken beiseite fegen. Firmen kriegen diese Planungssicherheit – jedenfalls, wenn sie groß genug sind, Posten für ausscheidende Politiker bereit zu stellen – das darf man jetzt ruhig im doppelten Wortsinn verstehen.

Die Griechen haben keine soziale Grundsicherung – warum haben wir nicht als erstes verlangt, das die in Griechenland eingeführt wird? Hartz IV ist doch ein so tolles Erfolgsmodell zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit – gilt das nicht für Griechenland?

Oder will man lieber Leute auf den Straßen verrecken sehen?

Schauen wir nochmal auf Otto von Bismark – er wusste schon damals von Agenten, die ausgesandt wurden, die Stimmung so richtig anzustacheln: die Athener sehen das genauso, siehe Welt:

In Athen steht an diesem Montagmorgen immer noch die Feuerwehr vor den rauchenden Ruinen dreier Gebäude. Insgesamt sieben sind in der Nacht abgebrannt, darunter eine ganze Einkaufspassage. „Was kann man dazu sagen?“, sagte eine Geschäftsinhaberin. „Wie kann es sein, dass diese Leute über so viele Jahre hinweg bei jeder Demo so viel zerstören können, und angeblich weiß niemand etwas über sie?“ Sie hält die Regierung für den Drahtzieher der Gewalt, wie viele andere Griechen auch.

Die Regierung hat ja auch den meisten Nutzen davon – und zeigt ja auch nebenbei, was sie von der Unabhängigkeit der Abgeordneten im griechischen Parlement hält: wer nicht spurt, wird arbeitslos. Ja, das ist Freiheit, wie wir sie meinen – die Freiheit seine Macht ungebremst auszuleben. Nebenbei kommen auch aus diesem Parlament scharfe Töne in Richtung Deutschland, siehe Handelsblatt:

Kouvelis warnte Deutschland, seine in der Schuldenkrise hinzugewonnene Macht nicht auszunutzen. „Ich spüre hinter all den wirtschaftlichen Argumenten andere, politische Ziele“, sagte er dem Blatt. „Deutschland muss sehr aufpassen, seine Macht nicht zu missbrauchen. Denn das würde zu einer Gegenreaktion in Europa führen, zu einem Bumerangeffekt.“

Dabei ist diese Gegenreaktion doch schon da:

Georgios Trangas hat sich heiß geredet – wieder einmal. Vergessen sind in diesem Moment seine vier Studiogäste. Trangas fixiert Kamera eins und widmet sich seinem Lieblingsthema: den Deutschen – und wie sie die Griechen kalt lächelnd ins Verderben stürzen. „Deutschland ist es doch egal, dass hier drei Millionen Rentner sterben“, wettert der Moderator. Es ist noch eine seiner harmloseren Thesen an diesem Abend. Willkommen beim Athener Fernsehsender Extra 3, der Schaltzentrale für Wutparolen gegen die „deutschen Besatzer“.

Ja, ist es uns auch. Sonst hätten wir doch die Zinsen nicht so hoch angesetzt, oder? Sonst hätten wir den Griechen doch Luft zu leben gelassen. So können wir jetzt mit den Folgen leben, über die man uns im Detail nur am Rande informiert:

Auch wenn Trangas seine Standpunkte mitunter fast lächerlich überspitzt (und damit Quote macht): Im Kern spricht er wohl vielen seiner Landsleute aus der Seele. So mancher Grieche sieht die EU inzwischen als das „Vierte Deutsche Reich“ an. Fast hat man das Gefühl, die Stimmung wird von Tag zu Tag feindseliger.

Verständlicherweise. Und diese Stimmung trifft nun auch die deutsche Realwirtschaft:

Dass die vermeintliche Übernahme ihres Landes durch deutsche Führung viele Griechen empört, zeigt eine Aktion aus dieser Woche. In Athen trafen die Spitzenverbände von Ärzten, Rechtsanwälten und Bauingenieuren zusammen und einigten sich auf einen gemeinsamen Boykott gegen Produkte aus Deutschland. Wie die Aktion konkret ablaufen soll, ist noch nicht klar. Doch ist zu befürchten, dass dies erst der Anfang einer breiteren Anti-Deutschland-Bewegung sein könnte.

„Kauft nicht bei Deutschen“ … organisieren das die „Aufständischen“ bzw. die Finanzagenten, wenn sie gerade nicht „Germanos“ anstecken?

Schon werden in Griechenland deutsche Fahnen verbrannt, während ständig neue Horrorzahlen den deutschen Steuerzahler über den gierigen Griechen entsetzen – ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sich bei uns zu den „Döner-Morden“ auch „Gyros-Brände“ gesellen, wo „wir“ es den faulen arbeitslosen Griechen mal so richtig zeigen. Währenddessen … wächst das Elend in der Hauptstadt Griechenlands:

Während in den Regierungspalästen und den Büros der politischen Entscheidungsträger über Lohnreduzierungen und Entlassungen Hunderttausender gerichtet wird, spielen sich auf den Straßen der Armenviertel Athens Szenen ab, die an die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Verarmte Rentner sammeln nach Schluss der Wochenmärkte weggeworfenes Restgemüse und Obst. 250 000 Menschen sind auf die Mahlzeitenhilfe der Kirche und Hilfsorganisationen angewiesen. Hunderte besuchen humanitäre Ärzteorganisationen, um untersucht zu werden und um Medikamente zu bekommen, weil sie lange Zeit arbeitslos und nicht mehr versichert sind.

Die verelenden für unsere Zinsen. 20000 Obdachlose in einem Land, das diese Form der Armut bis vor kurzem gar nicht kannte.

Man sollte Mikis Theodorakis lauschen – ich nehme mal an, der wird es nicht bis in die deutsche „Tagesschau“ schaffen:

Wir wenden uns auch an die europäischen Völker. Unser Kampf ist nicht nur der Griechenlands, er strebt ein freieres, unabhängigeres und demokratischeres Europa an. Glauben Sie Ihren Regierungen nicht, wenn sie behaupten, dass euer Geld dazu dient, Griechenland zu helfen.Glauben Sie nicht die groben und absurden Lügen der kompromittierten Zeitungen, die Sie überzeugen wollen, dass das Problem von der sogenannten Faulheit der Griechen herkommt, während dem, nach den Daten des Europäischen Statistischen Instituts, diese mehr arbeiten alle anderen Europäer! Die Arbeiter sind nicht verantwortlich für die Krise; der Finanzkapitalismus und die Politiker in ihrem Boot, sie sind es, die sie verursacht haben und sie ausnutzen. Ihre Programme “Rettung von Griechenland” helfen nur den ausländische Banken, und gerade denjenigen, die mittels Politikern und Regierungen in ihrem Sold, das politische Modell aufgezwungen haben, das zur aktuellen Krise geführt hat. 

Ob wieder Agenten der europäischen Finanzelite unterwegs sind, um zu Politiker schmieren und  Zeitungen kaufen? Sicher, das machen sie ganz offen – genauso offen, wie sie abkassieren, siehe Spiegel:

Der britische Premierminister David Cameron hat laut „Financial Times“ einen Waffenstillstand mit den Bankern der Londoner City ausgerufen. Ende der Woche verzichteten unter massivem öffentlichen Druck sowohl Philip Hampton, Aufsichtsratschef der Royal Bank of Scotland (RBS), als auch Stephen Hester, Vorstandschef der Bank, öffentlich auf ihnen angebotene Boni. Daraufhin machte Cameron nun den Weg frei für die Ausschüttung von Sonderzahlungen an die Angestellten der RBS. Die sollen nun rund 500 Millionen Pfund Belohnungen für ihre Arbeit kassieren – mittelbar aus Steuergeldern.

Man sieht: es gibt einige, die verdienen an dem Geschäft ganz gut. Supergut. Auf Halbgottniveau. Andere durchstöbern der Abfall nach Essbarem, weil sie zu alt und zu krank zum arbeiten sind. Ein tolles Europa – und … wie es scheint … ganz mit Absicht so geschaffen, siehe nochmal Mittelstandsnachrichten:

Eine interessante Berechnung hat der Finanzblog Zerohedge angestellt: Hätte man den Griechen bereits im Jahr 2010 einen Schuldenschnitt gewährt, wäre die griechische Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren um 36% gewachsen. Stattdessen treibt das Land nun in den Bürgerkrieg (hier). Die Feindseligkeiten innerhalb Europas (hier) werden mit jeder neuen Finte vertieft, die sich die Euro-Retter einfallen lassen. Diese werden sich weiter vertiefen, weil man Schulden nicht mit immer mehr Schulden abbauen kann. Es ist bemerkenswert, dass diese Binsenweisheit trotz der täglich neuen Zeichen an der Wand den Verwaltern der europäischen Desasters einfach nicht in den Sinn kommen will.

36 % Wachstum …. die Armut wäre Vergangenheit. Warum nun die Binsenweisheit ignoriert wird?

Nun – vielleicht sollte man einfach öfter Bismark lesen. Damals hießen „Verschwörungstheorien“ einfach noch „Politik“.

Heute glauben wir, politische Entscheidungen intelligenter Menschen werden von Orakeln, Würfeln und dem Flug der Vögel geleitet, niemals aber von Plan, Absicht und Strategie.

Vielleicht sollten die Griechen aber auch einfach mal öfter Brecht zitieren – hier in den Augsburger Nachrichten:

„Reicher Mann und armer Mann. 
Standen da und sahn sich an. 
Und der Arme sagte bleich: 
Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“

So kann man die Hintergründe der Eurokrise am einfachsten darstellen, denke ich.

 

 



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