Sonntag, 15.1.2012. Ein Tag der Ruhe, Entspannung und Besinnung. Jedenfalls … wenn man nicht in die Zeitung geguckt hat. Tut man sich das an, ist es vorbei mit der Ruhe, der Entspannung oder der Besinnung. Schlimmer wird es, wenn man ins Fernsehen schaut: vor laufender Kamera werden dort Menschen gequält, erniedrigt und zu unmenschlichen Akten gezwungen – siehe Welt:
Zuerst werden die beiden mit Mehlwürmern übergossen, bevor sie fetten, lebendigen Maden den Kopf abbeißen, sie aufessen und gequirltes Emu-Blut trinken müssen.
Man stelle sich vor, ein Entführer würde so etwas Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter antun. Hätten wir nicht Verständnis dafür, wenn man die Initiatoren der Veranstaltung nach einem gerechten Prozess standrechtlich erschießen würde? Immerhin – wer weiß, welche Degenerationen diese Entwicklung noch hervorruft, wenn man ihr kein Einhalt gebietet? Hier werden gerade die schlimmsten medialen Horrorphantasien der sechziger und siebziger Jahre Realität – doch niemand schon Anstoß daran zu nehmen. Trauen wir uns doch mal, einen Blick auf die Zusammenhänge zu nehmen – zum Beispiel bei anderen Horrorphantasien, die schon lange vorher Realität geworden sind.
Die ersten Konzentrationslager weltweit wurden von den Briten in Südafrika im sogenannten „Burenkrieg“ etabliert:
Da ein so operierender Gegner auf konventionelle Weise kaum zu fassen war, wandte Kitchener eine Strategie der „verbrannten Erde“ an: Die Farmen in den Guerillagebieten wurden zerstört und die Ernten vernichtet, um den Gegner auszuhungern. Rund 120.000 Farmbewohner, vor allem Frauen und Kinder, wurden in Konzentrationslagern interniert. Davon starben über 26.000 aufgrund katastrophaler Lebensbedingungen an Hunger und Krankheiten. Der Begriff „Konzentrationslager“ (englisch: Concentration Camp) wurde zum ersten Mal in diesem Krieg verwendet.
26000 Tote – vor allem Frauen und Kinder – der erste Massenmord in Konzentrationslagern geschah in Südafrika. Die Deutschen lernten schnell:
Als Konzentrationslager wurden, soweit heute bekannt, in Deutschland erstmals im März 1915 Internierungslager der zum Kruppkonzern gehörenden Friedrich-Albrecht-Hütte für polnische Arbeiter in Barmen und Elberfeld bezeichnet. Dem folgten zahlreiche Internierungslager und provisorische Gefängnisse für deportierte Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und politische „Schutzhäftlinge“ im Ersten Weltkrieg und in der frühen Nachkriegszeit.
Daraus wurde dann später ein richtiger Konzern – weil „Konzern“, jene unheimliche, machtvolle US-Konstruktion von Unternehmenszusammenballungen – gerade voll in Mode kam:
Die Konzentrationslager für Zivilpersonen (Abkürzung: KZ oder KL) wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten von Organisationen derNSDAP errichtet. Es waren schließlich mehrere Tausend Konzentrations- und Nebenlager und sieben Vernichtungslager. Sie dienten der Ermordung von Millionen Menschen, der Unterdrückung politischer Gegner, der Ausbeutung durch Zwangsarbeit, medizinischen Menschenversuchen und der Internierung von Kriegsgefangenen. Das Lagersystem stellte ein wesentliches Element der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft dar.
Durch die Konzentrationslager wurde ein uraltes verbrecherisches Element der Menschheitsgeschichte gesellschaftsfähig, das wir eigentlich für ausgestorben hielten: die Sklaverei – die skrupellose wirtschaftliche Ausbeutung von Menschen zum Zwecke der Gewinnmaximierung – inklusive ihrer anschließenden kostengünstigen Entsorgung im Falle einer chronischen krankheits- oder altersbedingten Leistungsminderung. Merkt man langsam, wie kurz davor wir wieder sind, die ersten Lager zu bauen? Nun – wir bauen neue und andere Lager – erstmal. Zum Beispiel im Dschungel. Was Menschen dort angetan wird, kann man weiter oben lesen. Wie weit das früher ging, sieht kann man hier nachlesen:
An Inhaftierten wurden von Ärzten, wie Josef Mengele (Auschwitz), Robert Ritter (KZ Buchenwald) unter anderem medizinische Experimente vorgenommen, in deren Verlauf die Häftlinge meist qualvoll starben. Sie wurden beispielsweise mit Fleckfieber, Malaria- oder TBC-Erregern infiziert, um Impfstoffe zu testen, ihnen wurden Brandbombenverletzungen zugefügt und an ihnen erfolgten Salzwasserversuche.
Da hätten viele Deutsche sicher gerne an den Bildschirmen gesessen und zugeschaut, oder? Machen sie ja heute auch wieder. Liest man Stéphane Hessels Schrift „Empört Euch“, so findet man gerade diesen Tatbestand ausgeführt – anlässlich einer Kundgebung zum 60. Jahrestag der Verkündigung des Programms des Nationalen Widerstandsrates, auf das ich kürzlich schon hinwies:
„Der Nazismus ist besiegt worden dank dem Opfer unserer Brüder und Schwestern in der Résistance und der im Kampf gegen die faschistische Barbarei verbündeten Nationen. Doch die Bedrohung ist nicht vollständig gebannt, und unser Zorn über die Ungerechtigkeit nicht gewichen“.
Nein, die Bedrohung ist nicht ganz gebannt. Und so rufen wir weiterhin auf zu einem „wirklich friedlichen Aufstand gegen die Massenkommunikationsmittel, die unserer Jugend keine andere Perspektive bieten als den Massenkonsum, die Verachtung der Schwächsten, den allgemeinen Gedächtnisschwund und die maßlose Konkurrenz aller gegen alle“.
(Hessel, Empört Euch, Ullstein 2010, Seite 21)
Hessel weiß, wovon er spricht. Er ist in Buchenwald nur knapp der Vernichtung entkommen. Sicher – unsere Häftlinge sind freiwillig dort drin … noch. Das ist aber auch die neue Dimension des Horrors im 21. Jahrhundert: dank der allgegenwärtigen Massenkommunikationsmittel konnte eine großflächige Umerziehung der Bürger zu masochistischen Leidenssklaven erfolgen, die enormen Spaß am gequält werden haben.
Wir sind ja dazu erzogen worden, zu Glauben, das sei alles Zufall, Schicksal oder der unabwendbare Lauf der Dinge – übersehen aber dabei, das es eine hochintelligente, geschichtlich gebildete Gruppe mit unvorstellbarer Finanzkraft gibt, die über all die Erfahrungen aus historischen Gegebenheiten bewußt verfügt und deren Ergebnisse gezielt anwendet – so wie die US-Raumfahrt die Ergebnisse der KZ-Menschenversuche auch dankbar verwertet hatte. Niemand wäre wirklich auf die Idee gekommen, diese durch äußerste Unmenschlichkeit gewonnenen Daten zusammen mit ihren Opfern zu begraben. „Der Zweck heiligt die Mittel“ – das sagt uns „die Wissenschaft“ oft genug.
Gerade heute kann man die Täter bei der Arbeit beobachten.
„Finanztransaktionssteuer“ ist ja ein lang gehegter Wunsch von Attac, sollte ja jetzt in Frankreich mal eingeführt werden. Was machen die Täter, die sich gerne hinter dem neutralen Begriff „die Märkte“ verbergen – was in etwas sprachlich bzw. inhaltlich so korrekt ist, als würden wir die Bewohnern eines Landes als „die Mägen“ bezeichnen? Sie demontieren den französischen Präsidenten:
Frankreich ohne das dreifache A: Der Verlust der Bestnote durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s ist nicht nur ein weiterer Rückschlag für Europas zweitgrößte Volkswirtschaft: Die Horrornachricht aus London könnte auch für Staatschef Sarkozy wenige Monate vor der Wahl zum Verhängnis werden.
Erinnert in etwas an Deutschland Ende Anfang der dreissiger Jahre: wer den Führer kritisiert, bekommt Besuch von der SA – nur diesmal läuft das globaler. Wer nicht nur auf das Ekelcamp schaut (und sich insgeheim davor fürchtet, was er selbst für eine Figur machen würde, wenn man ihn dort hineinsteckte), hat mitbekommen, das die Schutzstaffel (SS) des Neoliberalismus (eine amerikanische Form des Nationalsozialismus, der Wohlstand, Freiheit und Sicherheit für alle … Millionäre … verspricht im Kampf gegen die böse kommunistische Welt, die es wagen würde, sogar Apple die Kinderarbeit zu verbieten, obwohl der Konzern doch so toll ist und man gerade an Kinderarbeit so fein verdienen kann) –die Ratingagenturen – auch die Merkel im Visier hat – und ganz Deutschland ebenso.
Kaum hat Angela Merkel gedroht, gegen den Ratingterror vorzugehen (ist wohl bald wieder Wahl im Lande), steht schon die SS vor der Tür:
Der Rundumschlag des Ratingriesen Standard & Poor’s setzt Europa unter Druck. Denn auch die Bestnote des bisherigen Schirms EFSF ist bedroht. Die Deutsche Bank stellt sich schon auf das Schlimmste ein.
Klassisches Dramadreieck: Angela Merkel, die böse Täterin, Standard & Poors – das arme Opfer, die Deutsche Bank: die Retterin in der Not. „Ein nicht zu überhörender Warnschuss für Deutschland“ zeigt uns, das wir uns mitten im Krieg befinden – und uns besser nicht einmischen. Diese Passivität, die uns eine gewaltige Mitschuld an der Zerstörung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage von Milliarden von Menschen gibt, wird uns nach Kräften versüßt: der Stubenhocker wird das neue Standardmodell. So wird Isolationshaft erträglich.
„Rating“ verpaßt Ländern eine Nummer. Das kennen wir schon.
Bei der Aufnahme in ein KZ wurde den Häftlingen nicht nur das Haar und die Privatkleidung genommen, sondern auch der Name. Sie erhielten eine in jedem „Transport“ fortlaufende Nummer, die in Auschwitz auch eintätowiert wurde. Damit zählten sie zum Bestand des KZ und konnten „verwaltet“ werden. Ab sofort waren sie im Lager nur noch eine Nummer:
„Wenn man es mit einem SS-Mann zu tun hatte, musste man als erstes die Mütze herunterreißen, und seine Nummer laut und deutlich, natürlich auf deutsch, angeben. Ich beginne zu begreifen, welches Glück im Unglück ich habe, fließend Deutsch zu sprechen. Die meisten griechischen und italienischen Juden verstehen keinen Befehl und können nicht einmal ihre Nummer aussprechen. Natürlich können sie auch keine deutschen Lieder singen, die wir, wie zum Hohn, beim Hin- und Rückmarsch von der Arbeit auch noch zum Besten geben müssen. Das ist ausreichend, um brutal geschlagen, manchmal auch totgeschlagen zu werden.“
Man merkt: im KZ war es lustig wie im Dschungelcamp. Die haben dort sogar freiwillig gesungen. Wir Deutschen haben jetzt auch schon alle unsere Nummern bekommen – dafür hat die Schufa gesorgt. Dazu haben wir noch Steuernummern und Telefonnummern – damit man auch immer weiß, was wir wann wo machen.
Merkt man, warum Buchenwaldhäftlinge sich vor Massenkommunikationsmitteln fürchten?
Im Hintergrund sehen wir den Nationalsozialismus der Neuzeit wirken: den Neoliberalismus der achtziger Jahre.
Der Linguist Noam Chomsky veröffentlichte 1998 Profit over People – Neoliberalism and Global Order. Er vertritt darin, der Neoliberalismus habe seit Ronald Reagan und Margaret Thatcher weltweite Hegemonie erlangt. Dies habe zur Privilegierung weniger Reicher auf Kosten der großen Mehrheit geführt. Große Konzerne und Kartelle beherrschten das politische Geschehen in den USA. Der freie Markt bringe somit nicht im geringsten eine Wettbewerbsordnung hervor. Durch den politischen Einfluss großer Unternehmen auf die US-amerikanischen Parteien werde dauerhaft die Demokratie untergraben. Die US-Regierungen hätten dazu durch Subventionen und Importzölle beigetragen. Ein typisches Beispiel der Unterstützung von Großkonzernen durch die Regierung sei die Welthandelsorganisation.
Da bringt uns das 21. Jahrhundert eine Neuauflage der nationalsozialistischen Weltanschauung (nur wird der Arier hier durch den Millionär ersetzt, der selbst dann noch heiliger Herrenmensch ist, wenn er sein Vermögen mit Menschenhandel, Drogen, Waffen, Prostitution und Kinderarbeit gemacht hat), es werden ganze Völker in Häftlinge verwandelt, die den neuen Herren ihre „Reformen“ liefern müssen wie dereinst die besetzten Länder die „Reformen“ der Nationalsozialisten durchsetzen mußten – und wir verkriechen uns ängstlich hinter dem Bildschirm.
Verständlich – bei den Aussichten.
In den USA fängt man übrigens jetzt gerade an, gegen die bezahlten Experten – „Ökonomen“ genannt – vorzugehen. Ihre Gutachten kann man kaufen wie Bier und Zigaretten. Leider weiß man nicht, wer alles gerade von wem gekauft wurde, man merkt nur, das da in der Tat etwas nicht ganz sauber lief – weshalb wir alle Gutachten und Meinungen der sogenannten „Wirtschaftsweisen“ erstmal auf dem Dachboden lagern sollten – sicherheitshalber.
Stattdessen sollten wir uns eher mit dem langsamen Umbau der westlichen Welt in ein gigantisches Arbeits- und Vernichtungslager beschäftigen. Findet ja eigentlich tagtäglich direkt vor unserer Nase statt – und wir nehmen es ganz bewußt wahr … wie die hoch geschätzte weise Frau Sybille:
Bestehen wir auf Heizung und Kleinwagen, müssen wir arbeiten, immer mehr, weil es gilt, sich gegen sieben Milliarden zu behaupten, die auch eine Heizung und einen Kleinwagen wollen. Und das macht krank, egal, wie wir es nennen, denn das Leben ist eine Demütigung, der man nur mit geisteskrankem Optimismus oder einer gepflegten Trauer begegnen kann.
Und deshalb schauen wir uns gerne an, wie andere Maden fressen müssen: das erleichtert unser eigenes Elend … unser Burn Out, die vornehme Umschreibung von:
SCHNAUZE VOLL!