Autor: U. Gellermann
Als M aus ihrem sicheren Haus auf die Spree blickte, hatte sie schon Wochen turbulenter Kämpfe gegen Le Chiffre hinter sich: Die Zahlen der Märkte wollten einfach nicht stimmen. Was auch immer sie bisher unternommen hatte, die Zahlen waren gegen sie. Keiner ihrer Schirme schützte bisher gegen das Spekulations-Wetter. Sogar der mit einem Hebel hatte versagt. Alle zwei Wochen hatte sie kategorisch NEIN zu neuen Schirmen gesagt, um dann, wenige Tage später, erst Jein, dann, vielleicht doch, zuletzt: Ja, bitte zu sagen. Miss Moneypenny steckte den Kopf durch die Tür: „Chefin, die Kaffeekasse ist leer, sollen wir uns beim International Monetary Fund was leihen?“
Monetary-Fund? Da war doch mal der Dings Chef gewesen, der zeitweilig unter ihr Bundespräsident war. Wie war das noch, der hatte irgend so einem Latino-Land Geld geliehen und das ging dann prompt Pleite. Nein, so wollte sie nicht geholfen werden. Für M schien es nur einen Ausweg zu geben: Sie musste zocken. Alle anderen machten das ja auch. Wozu sonst sollte das Casino Royale gut sein? Zwar war auch M bekannt, dass hinter dem Casino eine internationale Spekulaten-Gruppe stand, aber sie, in ihrer Position, konnte doch nicht Lotto spielen. Wenn schon zocken, dann mit Größe! Schon vor Monaten hatte man ihr Euro-Bonds zur Rettung der Finanzen empfohlen. Bondsssss, Plural! Wo dann Krethi und Plethi beteiligt gewesen wären, sogar diese ungewaschenen Südländer. Nee, es kann nur einen geben: Bond, den Elite-Bond.
Gerührt betrat Elite-Bond das Büro von M. Sie hatte wieder eines dieser knappen Kostümchen an, die ihn an seine Mutti erinnerten. Als M ihm dann aber erklärte, dass er das Casino Royale sprengen sollte um die Welt, vor allem aber die Kaffeekasse von M zu retten, schüttelte er sich. Ob man denn nicht erstmal an seiner Ausrüstung arbeiten und die Feuerkraft des Schirms durch einen dreifachen Hebel verbessern könne, fragte er. Nicht schlecht wäre auch, wenn man die Turbo-Notenpresse gegen die Krise einsetzen würde. M schnitt ihm das Wort ab: „Damit müsste ich ja in den „Gemeinsamen Paralaments-Ausschuss“ damit gehen, dann steht es nachher in der Zeitung“. Das Gremium zur Kontrolle von M sollte zwar vertraulich tagen, war ihr aber nicht geheim genug. Sie traute nur sich selbst und so grade noch Elite-Bond.
„Faites vos jeux!“, sagte der Croupier und Elite-Bond machte sein Spiel: Die reichsten Länder rund um M hatten ihn mit jeder Menge Geld ausgestattet. Was aus den ärmeren werden sollte, war M gleich, die sollten sich selbst retten. Elite-Bond stapelte seine Chips auf dem grünen Filz, er setzte alles. Le Chiffre, auf der anderen Seite des Spieltisches, lächelte sardonisch. Er wusste, dass die Bank von den Banken gehalten wurde, da konnte Elite-Bond niemals gewinnen. Und tatsächlich, nachdem der Croupier „Rien ne va plus“ gerufen hatte, holperte die Kugel über die Fächer des Roulettes und landete schließlich auf Zéro. Das Gesetz der großen Zahl war nicht auszuhebeln, die Bank strich mal wieder alles ein. An der Casino-Bar hielt M den Martini für Bond in der Hand und erinnerte sich an die Mahnung eines befreundeten Historikers: Bis 1933, hatte der gesagt, waren die Spielbanken in Deutschland verboten, erst die Nazis hatten sie wieder zugelassen. Nachdem Bond versagt hatte, blieb nur noch Bondage, Zinsknechtschaft für ein Volk, das sie gewählt hatte. Selber schuld.
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Mit Dank an die Rationalgalerie