Samstag, 26.11.2011. Eifel. Wohnt man in einer armen Gegend, die seit Jahrhunderten von Armut geprägt ist und seit Jahrtausenden von Kriegshorden aller Art durchzogen wird, weil die auf dem Weg zu ihren Feinden kurz mal durch müssen (und nebenbei mal wieder alles niederbrennen), hat man vielleicht nicht gerade die günstigste Umgebung, um alles schön rosig zu sehen. Gut, man kann erfahren, das Armut glücklich macht und Geld den Charakter verdirbt, das es wichtigere Dinge gibt als I-Phone und Navi – aber die Naivität, mit der Politiker und Journalisten einem die Welt verkaufen, kann man nicht so einfach teilen … weil man eigentlich nur auf die nächste Kriegshorde wartet, die durch die Wälder marschiert. Studiert man die Zeitungen, so ist man schon wieder mittendrin im Krieg, siehe Presseeurop:
Wenn Clausewitz Recht hat und Krieg die Weiterführung von Politik mit anderen Mitteln ist, so ist Deutschland wieder im Krieg mit Europa – wenigstens in dem Sinne, als deutsche Politik in Europa charakteristische Kriegsziele zu erreichen versucht – die Verschiebung internationaler Grenzen und die Unterwerfung fremder Völker.
So die Londoner Times. Aber auch in Frankreich will man wieder durch die Eifel marschieren:
Deutschland und Frankreich waren, einer nach dem anderen, im letzten Jahrhundert vier Mal in der Situation, wo sie durch absurde oder beschämende Entscheidungen Europa in ein Ruinenfeld verwandeln konnten. Und sie taten es. […] Heute ist es wieder an Deutschland, in seiner Hand die Waffe zum kollektiven Selbstmord des fortschrittlichsten Kontinents der Welt zu halten. Wenn es sich weigert, den engen Weg zu beschreiten, der zwischen den Stützungskäufen der EZB, der Ausgabe von Eurobonds und einer Vertragsänderung im Sinne einer leichteren Sanktionierung der Laxheit der einen und dem Egoismus der anderen verläuft, dann kommt die Katastrophe.
Den Polen geht es ähnlich wie den Eifelern – auch hier wird gerne durchmarschiert … jetzt ganz aktuell:
Die weiten Gebiete östlich von Oder und Neiße sind für wirtschaftliche und politische Expansion geöffnet worden, von ganz friedlichen Deutschen in Designer-Anzügen. Sie holen hochqualifizierte Experten, die in Universitäten und großen Labors an der Macht und dem Ruhm deutscher Technologie arbeiten. […] Alle haben was davon.
In der Politikwissenschaft wird das 20. Jahrhundert manchmal als die Zeit der ‚Pax Americana‘ bezeichnete, was heißt, dass die Beziehungen und die Normen der Friedenspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern arrangiert wurden. Wird das 21. Jahrhundert das der ‚Pax Germanica‘ für Mittel- und Osteuropa sein? Wenn dem so ist, dann haben wir einen klassischen Fall von Ironie der Geschichte.
Jedenfalls sieht es so aus, als wäre es eine Pax Germanica. Was sich aber gerade praktisch wirklich entfaltet, ist etwas anderes, etwas, das vorhergesagt wurde. Am 15. 12.2009 gab Adam Bly ein Interview. Adam Bly ist der Gründer von SEED bzw. SEED MEDIA GROUP, die auch in Deutschland aktiv ist. In Zusammenarbeit mit dem Burda-Verlag bezahlt die SEED Media Group 65 Blogger in Deutschland für die Verbreitung ihres Gedankengutes:
Über die Cyber-Plattform schreiben demnach derzeit 65 Blogger über “Wissenschaftsthemen wie Klimawandel, Medizin oder Biologie”. Zielgruppe sind nicht Fachleute, sondern vor allem Nicht-Wissenschaftler. “ScienceBlogs” gilt laut dem Zeitungsbericht “mit mehr als 1,7 Millionen Besuchen im Monat als eine der größten Wissenschaftsgemeinschaften im Internet”.
Das hört sich erstmal harmlos an – obwohl bezahlte Blogger schon verdächtig sind. Wie das Geld verdient wird, erläutert die FAZ:
Burda werde Seed Media, Herausgeber des Wissenschaftsmagazins Seed, in Europa vor allem bei der Suche nach kompetenten Autoren und bei der Vermarktung der Seite über Online-Werbung helfen, sagte Reichart. Als Anreiz werden die Autoren, meist Wissenschaftsjournalisten oder Forscher, an den Erlösen aus der Werbung und dem Verkauf der Inhalte beteiligt.
Es gibt ganz konkrete Pläne hinter dieser scheinbar harmlosen „Wissenschaftsplattform“:
Zielgruppe des Mediums seien die „Leonardos“, also junge Menschen, die an Wissenschaft, aber auch an Politik und Kultur interessiert sein, meist in Metropolen lebten und in gehobenen Positionen arbeiteten, sagte Reichart. Diese Zielgruppe hat Scienceblogs inzwischen Werbepartner wie Intel, Hewlett-Packard oder Volkswagen gebracht.
Moment? Was hat denn nun ein Wissenschaftsportal mit Politik und Kultur zu tun? Wissenschaft ist gut und schön – der Nachweis der Wahrscheinlichkeit extrasolarer Planeten mit Wasseranteil bereichert unseren politischen Horizont sicher ungemein und beflügelt die Kultur an sich, aber was wollen die handverlesenen Blogger denn da jetzt politisch erreichen?
Ich schaue nach.
Beliebtester Autor momentan: Florian Freistetter, promovierter Astronom aus Österreich. Mit vier Artikeln in den Top 5.
Astronomie ist spannend. Klar, Sterne kennt jeder. Darum freut man sich, wenn sich ein Astronom dazu äußert. Allerdings … haben seine Lieblingsthemen bei Scienceblogs mit seinem Kompetenzgebiet nichts zu tun.
Seine Top-Artikel: Kommunikationsschwierigkeiten zum Thema Kernkraft, Wissenschaftsspielzeug für Mädchen, seine persönliche Blogpause und eine Schmähschrift gegen das ZDF, das in „seiner“ Stadt Jena zu viele Nazis gefunden hat.
Was hat das mit Astronomie zu tun – und warum lesen das die meisten Science-Blog-Leser? Was ist an dem Satz: „Ich mach mal Blogpause aus persönlichen Gründen“ so spannend? Und warum hat der Wissenschaftler als ein zentrales Thema den Weltuntergang im Jahre 2012 im Visier? Gibt es auch eine Seite, die sich der Behauptung widersetzt, das man Ziegen zu Halloween um Mitternacht auf dem Blocksberg in Menschen verwandeln kann? Oder Gegner der Scheibenwelt?
Top-Artikel Nr. 5: Die Wahl des „Klima-Schmock“ des Monats. Diesmal bleibt der Autor – ein Physiker – wenigstens annähernd in seinem Fachgebiet. Er wählt in scheinbar unregelmässigen Abständen immer wieder „Klimaschmocks“, die sich scheinbar nur dadurch auszeichnen, das sie den aktuell grassierenden Klimahype in Frage stellen.
Wie Eifeler tun das nicht (puh, Glück gehabt – wir werden nicht „geschmockt“), aber wir haben trotz unserer Rückständigkeit gehört, das sich „Wissenschaft“ schon mal geirrt haben soll … weshalb man ja in aller Regel über die Ergebnisse diskutiert. Wir machen die gleiche Erfahrung wie der neue Regierungschef in Spanien, den die Normenkontrollwacht von „Primaklima“ schon als entartet ausgemacht hat:
„Wenn doch die zehn bedeutendsten Wissneschaftler der Erde für morgen nicht das Wetter in Sevilla vorhersagen könne, wie können sie das dann in dreihundert Jahren?“.
Tja – Politik will Fakten, keine Theorien. Schade für die Klimaforscher, wen sie keine liefern können – aber kein Grund, sich aufzuregen. Wenn Menschen nicht an den Klimawandel glauben wollen und man ihnen das nicht beweisen kann, dann dürfen sie das. Das ist erlaubt.
Topthema auf „Scienceblogs“ momentan: Astrologie – bzw. warum die pfui ist.
Eine über 20 Jahre laufende Umfrage unter 10.000 Studenten in Arizona, von denen jeder mindestens eine Astronomievorlesung besucht hatte, ergab ein erschütterndes Bild: Obwohl diese Studenten sehr genau wussten, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert, waren nur etwa 20 Prozent sicher, dass Astrologie nicht wissenschaftlich ist. Dass dieser Wert bei jenen Studenten, die drei Vorlesungen über Astronomie gehört hatten, immerhin auf 33 Prozent stieg, zeigt zwar den aufklärenden Effekt von Bildung, aber die Anfälligkeit für Pseudowissenschaften bleibt alarmierend hoch. Dies gilt übrigens nicht nur für Astrologie, sondern auch für andere Versionen des Aberglaubens, wie Glückszahlen oder Wunderheilungen.
Ich bin ebenfalls erschüttert … und glaube mich, in der katholischen Kirche des Mittelalters wiederzufinden, die auch wußte, wie die Welt funktioniert – und wie man die verbrennt, die nicht daran glauben wollen. Vielleicht nochmal ein kleiner Tipp für unser Hobbyexorzisten und Freizeitinquisitoren: Naturwissenschaften heißen deshalb Naturwissenschaften, weil sie sich mit den Elementen der Natur beschäftigen sollen. Glückszahlen, Astrologie, Wunderheilungen und der liebe Gott sind nicht (nein, wirklich nicht) Bestandteil der Natur – ein ganz wichtiger Grund dafür, das man Gott weder mit Teleskop noch mit Mikroskop finden kann.
Aber … es geht der Seed Media Group ja auch gar nicht um Wissenschaft. Es geht um viel viel mehr – um die Erschaffung einer ganz neuen Welt – und auf einmal kommen wir aus der Welt der kleinen Nerds, die gerne der großen Welt zeigen wollen, was sie alles besser wissen in die große Welt der bösen Politik. Mit Demokratie, Marktwirtschaft oder freier Religionsausübung haben es die „Wissenschaftler“ nämlich nicht so. Hören wir dazu mal den Gründer von Seed Media, Adam Bly, hier auf dem Science-Sofa:
Wir brauchen eine neue Art zu denken, eine neue Linse, um durch diese komplexen Zeiten zu navigieren. Wir brauchen Leader, die bereit sind, ihre Meinung aufgrund neuer Erkenntnisse zu ändern. Wir müssen den Wert des Wissens wieder stärken und wir brauchen einen gewaltigen Effort, um das wissenschaftliche Verständnis von Milliarden von Menschen zu verbessern. Bislang waren Dinge wie Demokratie, freie Marktwirtschaft oder der Glauben fundamentale Linsen. Die Wissenschaft muss nun mehr sein als ein wichtiges Thema. Sie muss zur Art werden, wie wir Regierungen organisieren und generell wie wir denken.
Das ist nichts weiter als der offene Ruf nach einer Diktatur der Technokraten … die sich jetzt gerade, zwei Jahre nach dem Interview, in Europa manifestiert, wo die Goldjungs von Goldman-Sachs die Schlüsselpositionen besetzen.
Die Wissenschaft zu unserer wesentlichen Linse werden zu lassen, ist für mich die grösste Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Alle möglichen Institutionen müssen sich daran beteiligen. Jeder Aspekt einer Gesellschaft ist betroffen. Wir suchen deshalb so viele Verbündete wie möglich und arbeiten mit der Politik, der Wirtschaft, mit Architekten, Designern und Künstlern zusammen. Bei Seed möchten wir als Knotenpunkt die unterschiedlichsten Gruppen miteinander verbinden.
Was aber ist „die Wissenschaft“? Das bleibt erstmal ein Geheimnis – und zwar ein romantisches und poetisches:
Ich sehe Wissenschaft in ihrem ganzen poetischen und romantischen Glanz. Wissenschaft ist weit mehr als Mathematik, es ist eine reiche Kultur.
Gibt es denn wirklich etwas romantischeres als „Wissenschaft“? Ja, Wissenschaft ist mehr als Mathematik. Z.B. ist sie Geisteswissenschaft – die nicht beurteilen, sondern verstehen will. „Verstehen“ ist schwieriger als verurteilen – aber enorm wissenschaftlich. Darum verurteilt man als Wissenschaftler keine Glückszahlen, keine Astrologie, keine Hexen und Zauberer sondern versucht zu verstehen, wie sie denken, warum sie so denken, wie sie denken und welchen Nutzen das für die Menschheit haben könnte.
Das ist die Grundlage einer Kultur der Toleranz. Wer will, das die „Leader“ bereit sind, ihre Meinungen aufgrund von „Erkenntnissen“ zu ändern, der fordert die direkte Diktatur … eine Forderung, die nur fehlerfreie „Wissenschaft“ verlangen könnte – wenn überhaupt. „Fehlerfrei“ ist aber in dieser Welt per Definition nur einer, der aber auch Exorzisten und Inquisitoren beschäftigt: der Papst.
Der ist aber auch gegen Astrologie, Wunderheilungen und Glückszahlen – insofern treffen sich da die Richtigen.
Demokratie, freie Marktwirtschaft und Glauben waren in der Tat die Grundpfeiler unserer bisherigen Kultur. „Scienceblogs“ greift erstmal den Schwächsten davon an: Glauben. Seit Mitte 2009 wird die Plattform von „Glam-Media“ betrieben und befindet sich damit in einem passenden dekadenten Umfeld:
Zu den Partnern, die Glam für den Anfang in Deutschland gewinnen konnte, zählen Mode-Websites wie luxusbabe.de, burdastyle.com, deluxe-label.de, stylinrooms.de, mehrere Klatschseiten, aber auch kulturelle Angebote wie fuenf-filmfreunde.de, die Foto-Website danielawagner.com sowie Koch-, Food- und Öko-Angebote wie gutekueche.de und naturkost.de
Der Gründer und Hauptfinanzier von Glam würde nun überrascht sein, was sein deutscher ScienceBlog-Ableger von ihm hält, denn er hält von Wunderheilungen sehr viel, siehe Wikipedia:
Samir Arora studied several forms of alternative health therapies. He is a certified body therapist (AISI) and has studied Bodywork, Ida Rolf’s Structural Integration, Moshé Feldenkrais‚ Functional Integration, Zen Trigger Point, Berry Method, Trager Work, and Dub Leigh’s Zentherapy. Samir Arora practices Zazen, and said in a Times-Interview from 2008: „The last time I had any traditional medicine was 18 years ago.“[
Da lassen sich die Nerds doch in der Tat von einem abergläubischen Menschen finanzieren – ohne sich darüber zu empören?
Ach ja, ich vergaß: sie sind nur Bestandteil des Brash-Vertikal:
Das Glam Vertical spezialisiert sich mit seinem Angebot vor allem auf die qualitativ hochwertige Ansprache der weiblichen Zielgruppen rund um die Themen Fashion, Beauty, Living & Lifestyle, Food, New Eco, Health und Entertainment. Im Bereich der männlichen Zielgruppe bietet das BRASH Vertical für Werbekunden einen optimalen Zugang zu Usern mit den Interessensschwerpunkten Lifestyle, Sport, Cars, Entertainment, Tech & Science sowie Society. Durch den Zusammenschluss mit Fantastic Zero, ein Vertical mit den Themen Film, Comics, Hardware und Games, im September 2010 wurde das Angebot für die Zielgruppe Männer zudem erweitert.
Und weiter:
Als wesentlicher Baustein für Werbelösungen im Netzwerk, als Webhub und als Eingangstür zum einzigartigen BRASH Publisher Network verfolgt BRASH.de nur ein Ziel: Die Lifestyle-Quelle Nummer 1 für Männer zu werden. Unser virtuelles Netzwerk und eigener Premium-Content wird über sechs Top-Kanäle an den Mann gebracht: Autos, Sports, Entertainment, Lifestyle, Tech & Science und Society. Die Aufstellung unserer Partner-Publisher wächst täglich.
So führt uns dieser kleine Exkurs über das Werbe-Uboot „Scienceblogs“ und seine gräuslichen politischen Ziele wieder direkt zum Ursprungsthema zurück:
der Pax-Germanica, die sich gerade über Europa ausbreitet und die zu einer – im Prinzip unglaublichen – Kriegsgefahr werden soll. Es ist aber keine Pax Germanica, sondern immer noch eine Pax Americana.
Dabei helfen die Blogger des „Science Blogs“, die uns „den Aberglauben“ austreiben wollen, den ihre Finanziers so toll finden. Wir sollen weiter Versuchskaninchen und Dauerschlucker der Pharmaindustrie werden (natürlich im Namen der „romantischen“ und „poetischen“ „Wissenschaft“, die unsere „Leader“ steuern möchte), während die demonstrieren, das man prima leben kann, ohne je einen Normalmediziner zu Gesicht zu bekommen.
Aber gegen Folgen dieser Propaganda, die den Menschen als Industriemüllverwerter in den Mittelpunkt des „Lifestyle“ stellt, hat man sich ja schon mal schön abgesichert:
Glam Media ist Diensteanbieter i.S.d. § 7 Abs.1 TMG und für eigene Inhalte, die im Rahmen des Angebots abrufbar sind, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Glam Media/ScienceBlogs hat diese eigenen Inhalte nach bestem Wissen erstellt, übernimmt jedoch weder Gewähr für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität noch für deren Rechtmäßigkeit.
Kurzum: für den Müll, den wir schreiben, übernehmen wir selbstverständlich keine Verantwortung – was ich verständlich finde.
Und so sehen wir, das Pax Americana uns immer noch fest im Griff hat – über einen Lifestyle, der allerdings nur für uns gelten soll. Sie selbst … leben anders.
Und wir in der Eifel?
Warten wieder darauf, wer als nächstes hier durchzieht. Vielleicht eine Horde von „Klimaschmock-Killern“, die erkannt haben, das der Mensch an sich eine Gefahr für die Welt darstellt und somit sein Recht auf Leben verwirkt hat … weil er zuviel atmet?
Ich denke, die „Lifestyle-Quelle Nr.1 für Männer“ wird rechtzeitig zur Jagd aufrufen – wenn die Zeit gekommen ist.