Politik

Wie „die Märkte“ als „Staatsfeind Nr. 1“ Deutschland und Europa ausplündern und die Politik versagt

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Na, Bürger. Nase voll? Geht mir auch so. Schon lange. Jedenfalls – wenn ich mich politisch so umsehe. Das einst so schön austarierte Gleichgewicht von Arm und Reich, Links und Rechts mit Hütern der Bürgerrechte in der Mitte ist aus dem Ruder gelaufen, „soziale Marktwirtschaft“ weicht alternativlos einem System, das noch keinen Namen hat, aber in einer Diktatur großer Geldhaufen ausartet. Wer die Richtung des Geldflusses bestimmt, bestimmt die Politik – in Zeitaltern großer anonymer Fonds sind das noch nicht mal imner die Eigentümer. Deshalb fällt es so schwer, ein Feindbild zu entwickeln, das die Opfer zur Gegenwehr vereint – vor allem, weil es eigentlich um einen Kampf zwischen „oben“ und „unten“ geht – und alle gewählten Volksvertreter automatisch „oben“ ankommen. Dort werden sie dann von der Politikprominenz empfangen und eingesponnen wir aktuell die Piraten in Berlin, die offensichtlich den Methoden der Politikprofis – ganz zur Belustigung anwesender Pressevertreter – hilflos ausgeliefert sind:

Am Ende bekam Wowereit von seinen Gastgebern – wohlgemerkt eine Oppositionspartei – Applaus.

Welche Eigenschaften ein Politiker heutzutage haben muss, zeigt gerade Wowereit deutlich, wie das Handelsblatt berichtet:

„Ich kann mir nicht vorstellen, mit der CDU eine innovative und fortschrittliche Politik für Berlin hinzukriegen.“

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit am 11.9.2011

Wie schnell sich doch die Vorstellungskraft von SPD-Mann Klaus Wowereit entwickelt hat. Nach einer erfolgreichen Koalitionsvereinbarung mit den Christdemokraten stellen die Berliner Konservativen nicht nur – ebenso wie die SPD – vier Senatoren in der Hauptstadt. Die CDU erhält sogar das neue „Zukunftsressort“, das die Bereiche Wirtschaft, Technologie und Forschung umfasst. Wowereits SPD begnügt sich mit den Ressorts Finanzen, Stadtentwicklung, Bildung und Arbeit. Innovation und Forschung sind nach Wowereits neuester Erkenntnis bei der CDU in besten Händen. Wahlsiege, die so knapp ausfallen wie seiner, können offenbar demütig machen.

Na- wie schnell sich so eine Meinung ändern kann, wenn man nur erst „oben“ ist. Da sind dann Kooperationen mit dem politischen Gegner zur Rettung der eigenen Pfründe im engen Schulterschluss gegen den Bürger, gegen das eigene Land, die eigene Stadt und gegen den demokratischen Geist des Landes ganz schnell selbstverständlich. „Gemeinsam sind wir stark“ – das ist die Botschaft, die Lobbyisten seit den neunziger Jahren unter Politikern verbreiten – und diese Gemeinsamkeit führt dazu, das es Bürgern und Gemeinden immer schlechter geht, während Politiker und Lobbyisten immer mehr verdienen und die Schuld dafür „den Märkten“ in die Tasche schieben.

Es sind so kleine Meldungen am Rande, die die wirkliche wirtschaftliche Situation Deutschlands demonstrieren, siehe Welt:

Der preiswerte Häuserkauf zahlreicher Niederländer in der deutschen Grenzregion stößt manchem in Holland übel auf. Als Parasiten hat Stadtrat Bouke Arends in Emmen Landsleute beschimpft, die zwar im Emsland oder in Westfalen wohnen, aber weiter holländische Schulen und andere Einrichtungen in Anspruch nehmen. 

Den „preiswerten Häuserkauf“ in Deutschland erleben wir in der Eifel deutlich. Häuser über 350000 Euro gehen ganz schnell weg – wenn ein Holländer sie kaufen möchte. Überraschend ist nur, wer die Häuser kauft. Ganz normale Leute – Lehrer, Beamte, Arbeiter. Für normale Deutsche sind deutsche Häuser inzwischen unerschwinglich – aber darüber redet man wohl in Deutschland nicht gern.

Wie kann es eigentlich sein, das wir wirtschaftliche Kolonie der Niederlande werden, wo wir doch im Ranking der Bruttosozialprodukte auf Platz 5 landen, während die Niederlande fernab auf Platz 21 liegen? Offensichtlich machen die irgendetwas richtig, was wir falsch machen.

Nun – wo die Niederländer offensichtlich einfach mehr Geld bekommen, bekommt der Deutsche mehr Versprechen, siehe Spiegel:

Seit Jahren können sich die Deutschen von ihrem Einkommen immer weniger leisten – nun könnte es eine Trendwende geben: Experten erwarten für 2011 und 2012 steigende Reallöhne. Auch die Rentner sollen in den nächsten Jahren spürbar mehr Geld bekommen.

Mit „Versprechen“ sind Wirtschaft und Politik (die man in Deutschland wegen zunehmender Vernetzung als „Politikschaft“ zusammenfassen kann) immer sehr großzügig – leider zeigt die Erfahrung der Zeit, die Politikschaft sich bei ihren Versprechungen nur versprochen hat und sich lediglich der politischen Internationale verpflichtet sieht: „Politiker aller Länder vereinigt euch!“ ist ihr Motto, unter dem sich gemeinsam und vereint die Staatskassen ihrer Länder ausplündern.

Natürlich bekommen die Bürger nicht mehr Geld, das kündigt das gleiche Magazin, das uns die Lohnerhöhungsberuhigungspille hinlegt umgehend mit an:

Die Euro-Zone steckt in der Doppelkrise: Investoren ziehen ihr Geld sowohl von Staaten als auch von Banken ab – dabei brauchen die es gerade jetzt dringend. Ohne ein radikales Signal der Politik droht eine Abwärtsspirale aus Angst und immer neuen Schulden.

Also – bevor die Lohn- und Rentenerhöhung sicher ist, brauchen wir dringend ein „radikales Signal“.

Welches sollte das wohl sein?

Massenerschiessungen von Arbeitslosen in Deutschland, damit die Niederländer noch mehr billige Häuser in einer offensichtlich ziemlich verarmten Industrienation aufkaufen können – so wie die Deutschen früher Häuser in Belgien, Spanien und Italien gekauft haben?

Nein, natürlich wird es nicht zu Massenerschiessungen von Arbeitslosen kommen. Schon Hitler wusste, das diese Methode der Bürgerentsorgung zu kostspielig ist, selbst Gas ist eigentlich zu teuer. Die renditenfreundlichste Methode ist immer noch: wir lassen ihn verhungern. Das Modell – in Deutschland als „Hartz IV“ bekannt – setzt sich international immer weiter durch, es wird – neben BMW und Mercedes – zu DEM deutschen Exportschlager schlechthin und beweist wieder einmal, das „der Tod ein Meister aus Deutschland ist“.

Das Ausland reagiert entsprechend, siehe Olaf Henkel im Handelsblatt:

Dass der Euro die Völker Europas zusammenführt, kann nur noch jemand behaupten, der seinen Kopf in den Sand steckt und die täglich sich neu auftuenden Risse innerhalb der Eurozone ignoriert. Vor der Krise war die deutsche die beliebteste Nation in Griechenland, heute sind wir dort die am meisten verhasste. Und wie sehr innerhalb der EU der Euro den Graben zwischen den Ländern mit und denen ohne Euro vertieft, zeigte soeben das Treffen zwischen dem britischen Premier und unserer Kanzlerin.

Wie kann das eigentlich sein, das die Griechen (deren Küche wir im letzten Vierteljahrhundert so schätzen gelernt haben) uns inzwischen so hassen, obwohl wir doch soviel Geld in die „Rettung“ Griechenlands investieren?

Wissen die mehr als wir?

Wissen die eigentlich, das wir Deutschen für die Niederländer inzwischen Dritte-Welt-Land sind, dessen Immobilien man zu Ramschpreisen bekommen kann?

Offensichtlich gibt es da irgendwelche Verzerrungen in der Kommunikation, Verzerrungen, die es nicht gibt, wenn die „Herren der Welt“ zum Volk sprechen, siehe Ackermann im Handelsblatt:

Die Euro-Staaten forderte Ackermann erneut auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. „Eines der Probleme ist, dass man in der ganzen Welt nicht mehr das Gefühl hat, dass wir die Kraft haben, diese Probleme zu bewältigen.“ Es müsse gelingen, Griechenland so zu restrukturieren, dass es seine Schulden tragen könne. Auch die anderen Länder müssten ihre Haushalte entschulden, um wieder glaubwürdig zu werden.

Was dieses „entschulden“ heißt, kann man sich vorstellen, Griechen, Spanier, Deutsche, Portugiesen und Italiener erleben es gerade: der Bürger als Kostenfaktor muss eleminiert werden, nur dann wird „Politik“ für „die ganze Welt“ wieder „glaubwürdig“.

Die Wirtschaft verlangt einen akademisch voll ausgebildeten, völlig gesunden, psychisch äußerst belastbaren Bürger, der ihr vom zwanzigsten bis ins vierzigste Lebensjahr kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Dort darf er dann eine Weile beim großen Spiel mitspielen – und wenn er gut funktioniert (möglichst asozial), wird er Millionär. Wie die Bürger akademische Bildung erlangen, auf welchen Straßen die Kinder in die Schulen kommen sollen, wie die Lehrer finanziert werden sollen, wer sich im Falle von Krankheit oder Alter um diese Menschen kümmert – das alles ist der Wirtschaft („den Märkten“) egal, Hauptsache, die Politik stellt die völlige Ausbeutbarkeit ihrer Bürger bis zum vierzigsten Lebensjahr sicher und entsorgt den Biomüll anschliessend möglichst kostengünstig.

So formuliert hört es sich brutal an – aber es trifft den Geist, der hinter sich hinter Ackermanns freundlicher Sprache versteckt: die „Kraft“ die sich beweisen muss, um das Vertrauen der Märkte zu gewinnen, ist die Kraft, die es schafft, den Bürger bei maximaler Ausbeutung seiner Arbeitskraft hungern zu lassen.

Je besser das der „Kraft“ gelingt, umso höher die Rendite, umso mehr Geld steht zur Subventionierung der Mißwirtschaft des Systems bereit, siehe Spiegel:

Der Aktienkurs der Commerzbank ist auf ein Rekordtief abgerutscht. Grund ist ein Bericht über massiven Kapitalbedarf: Laut Nachrichtenagentur Reuters benötigt das Geldhaus fünf Milliarden Euro. Das Institut selbst schweigt.

Wetten, die bekommen ihr fünf Milliarden? Dafür werden wieder einige zehntausend Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut, eine Straßen und Schulgebäude verfallen gelassen und Nullrunden bei Gehältern und Renten gefahren, was bei steigender Inflation zur weiteren Verarmung einer Solidargemeinschaft führt, die als Dank für ihre finanziellen Opfer zunehmend von ganz Europa gehasst wird.

Eigentlich … sollte ist es die Aufgabe europäischer Politiker, diesen Hass zu verhindern. Politik soll vermitteln – zwischen Arm und Reich, Links und Rechts, Deutschland und Europa.

Wo Politik versagt, plündern Räuber straflos den Reichtum der Länder, wächst der Hass zwischen Menschen, blühen Kriege zwischen Staaten auf.

„Die Märkte“ werden zum Staatsfeind Nr. 1 – jedenfalls ist das die zweite Botschaft, die hinter der ersten steckt und den Widerstand lenken soll – dabei ist es in jedem Dorf der Markt, der Wohlstand verteilen kann und Überschuss erwirtschaftet. Das der Markt eigentlich schon lange tot ist, wird nicht mehr diskutiert – dieser Zustand wird als alternativlos hingenommen.

Wohin die Reise geht?

Neue, nationalistische Bewegungen werden sich erheben, weil „Nation“ die einzige Gewalt scheint, die vor den unsichtbaren Gewalten der „Märkte“ schützen kann. Mehr Staat wird mehr Geld brauchen – und noch mehr Armut produzieren, noch mehr Hass, noch mehr Gewalt, noch mehr Ungerechtigkeit – was wiederum in mehr Hass enden wird. Diese Entwicklung haben wir schon einmal durchgemacht – ist also leicht, ihre Unausweichlichkeit vorherzusagen.

Es sei denn – wir lernen aus der Geschichte.

Regierungen der industriellen Welt, Ihr müden Giganten aus Fleisch und Stahl, ich komme aus dem Cyberspace, der neuen Heimat des Geistes. Im Namen der Zukunft bitte ich Euch, Vertreter einer vergangenen Zeit: Laßt uns in Ruhe! Ihr seid bei uns nicht willkommen. Wo wir uns versammeln, besitzt Ihr keine Macht mehr.

Wir besitzen keine gewählte Regierung, und wir werden wohl auch nie eine bekommen – und so wende ich mich mit keiner größeren Autorität an Euch als der, mit der die Freiheit selber spricht. Ich erkläre den globalen sozialen Raum, den wir errichten, als gänzlich unabhängig von der Tyrannei, die Ihr über uns auszuüben anstrebt. Ihr habt hier kein moralisches Recht zu regieren noch besitzt Ihr Methoden, es zu erzwingen, die wir zu befürchten hätten.

So John Perry Barlow in der „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ in der Übersetzung von Stefan Münker bei Heise .

Sie haben aber Methoden. Der Geist braucht Körper, um sein Reich zu entfalten, der Körper braucht Wärme, Essen, Flüssigkeit. Deshalb wurden die allgemeinen Menschenrechte formuliert, deshalb gehört ein bedingungsloses Grundeinkommen zu den unabdingbaren Grundsicherungsmassnahmen einer jeden sozialen Gesellschaft – ebenso wie die absolute Dominanz des Souveräns über die „Märkte“.

Der Souverän jedoch, der König des Landes, der Bürger – unterliegt gerade den „Märkten“ … womit eigentlich nicht die soziale Marktwirtschaft, sondern die „Politikschaft“ gemeint ist … jener „Politikschaft“, der die Piratenpartei nun Beifall zollt.

Der Mensch an sich erweist sich als zu schwach für die Bedingungen, die „die Märkte“ an ihn stellen – und ist wird zunehmend Aufgabe der Politik, durch radikale Massnahmen diese Schwäche auszumerzen.

Wir haben nur noch die Wahl zwischen bedingungslosem Grundeinkommen (was – genau genommen – eine Grundvoraussetzung eines jeden gesunden Marktes ist) und der Barbarei (die die Grundvoraussetzung eines jeden Sklavenmarktes ist).

Barbarei soll angeblich gerade die Mehrheit haben.

Aber nur … unter Politikern – und anderen Versagern.

 

 

 

 



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