Freitag. 18.11.2011. Eifel. Gestern erreichte mich die Nachricht, das ein Urgestein der Bloggerszene – Herr Flegel – die Segel streichen will. Zweckl0s sei das alles, meinte er. Ich lese nicht viel in der deutschen Bloggerszene – dafür fehlt mir die Zeit. Ausserdem nehme ich an, das die meisten freien Geister (ausser bei religiösen Themen wie Israel oder dem Papst) sowieso dasselbe denken: das, was auch der normale Mensch auf der Straße denkt, wenn er mal die Medien aus- und das Gehirn einschaltet. Er macht es sich nun leicht, der Herr Flegel – aber ich verstehe, was er meint. Leider kann ich es mir nicht so leicht machen: ich stehe im Wort. Ich habe Menschen mein Wort gegeben, das es NIE WIEDER einen WELTKRIEG geben würde, NIE WIEDER einen NS-STAAT auf DEUTSCHEM BODEN, NIE WIEDER eine WELTWIRTSCHAFTSKRISE. Diese Menschen haben – wie ich selbst – Kinder bekommen, weil ich – mit viel Wort und Mühe – die Zukunft in den herrlichsten Farben geschildert habe, weil VERNUNFT letztendlich siegen wird. Ich habe … schrecklich versagt. Unsere Kinder haben keine Zukunft. Einer von sechzehn wird vielleicht in Zukunft Millionär … die anderen werden überflüssig werden, sobald sie vierzig sind. Das ist die BERLINER REPUBLIK, in der der WAHNSINN herrscht – nicht die Vernunft … und es wird noch schlimmer kommen.
Ein Beispiel? Hören wir Wolfgang Münchau im Spiegel über das aktuelle Krisenmanagement:
Welcher Investor, der halbwegs bei Trost ist, kauft in einer solchen Situation dann noch portugiesische, spanische oder italienische Anleihen? Selbst eine Rendite von sieben Prozent kann das Risiko eines italienischen Zahlungsausfalls nicht ausgleichen. Italiens Schulden betragen 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, das Wachstum liegt bei null, und das Land stürzt gerade in eine tiefe Rezession. Es ist eine Frage mathematischer Unausweichlichkeit, dass Italien seine Schulden nicht bedienen kann, wenn die Zinsen nicht sinken. Reformen müssen sein, aber mit Reformen löst man keine akute Schuldenkrise. Auch das ist eine Lehre aus anderen Krisen.
Übertragen wir dieses Beispiel mal auf unseren Körper. Nehmen wir mal an, er hat irgendwo ein Loch – ein Hochzinsloch – wo Blut (also, unser körpereigenes Tauschmittel) herausfließt. Das tut dem Rest der Organe nicht gut. Was tun die „Ärzte“? Anstatt das Loch zu stopfen, geben sie Transfusionen … und fordern den Körper auf, die Versorgung der Organe stark einzuschränken: „Reformen“ müssen her.
Nun die Preisfrage: was versagt zuerst – Herz, Hirn, Niere, Leber?
Im Falle der langsamen Erdrosselung einer Volkswirtschaft werden wir es bald bei allen europäischen Staaten sehen können. Selbst Menschen, die man nicht dem „linken politischen Spektrum“ zuordnen kann sehen hier inzwischen die komplette Vernichtung des demokratischen Gemeinwesens, wie Olaf Henkel im Handelsblatt:
Inzwischen beschädigt die Euro-Politik nicht nur unsere finanzielle Zukunft, sie sät nicht nur neue Zwietracht innerhalb der Eurozone, sie verbreitert nicht nur den Graben zwischen ihr und den anderen zehn Nichteuroländern in der EU. Sie ist dabei, massiv den Rechtsstaat und die Demokratie auszuhöhlen.
Es wundert sich ja auch keiner mehr über die Machtballungen von Technokraten in Regierungen: der Goldman-Sachs Berater Mario Monti ist Regierungschef, Wirtschafts- und Finanzminister, siehe Spiegel. Jetzt noch den Verteidigungs- und Innenminister draufgelegt: wir haben einen neuen König. Das Medienecho in Deutschland auf diese Notregierung aus „Nichtpolitikern“ ist denkbar gering, dabei ist es eigentlich ein Skandal allererster Güte.
Aber wir haben ja unsere eigenen Probleme, denn Deutschlands negatives Rating rückt schneller in den Fokus, als ich dachte. Ich hätte vorgestern noch mit zwei -drei Monaten gerechnet: es wurden zwei bis drei Tage:
„Ich halte die Höhe der deutschen Schulden für besorgniserregend“, sagte Juncker dem Bonner „General-Anzeiger“. Die Bundesrepublik habe „höhere Schulden als Spanien“. „Nur will das hier keiner wissen“, bemängelte der Luxemburger.
Möglicherweise haben wir dann bald auch eine Merkel, die zu den Märkten und Bankern fleht wir jetzt der spanische Regierungschef, der wohl der nächste sein wird, der durch einen „Technokraten“ ersetzt werden wird.
Währenddessen fallen die griechischen Landesverräter in Deutschland ein und treiben hier die Immobilienpreise mit ihren Raubmillionen in die Höhe:
Griechische Käufer stürmen den deutschen Häusermarkt. Immobilienscout24-Chef Marc Stilke schildert im Gespräch mit manager magazin Online, wie die Finanzkrise die Immobilienpreise hierzulande in die Höhe treibt und wie eine Luxusvilla am besten vermarktet wird.
Das wird in Deutschland auch die Mieten … und damit die Armut erhöhen.
Im Alltag führt die Krise zu seltsamen Erscheinungen, an die wir uns wohl gewöhnen werden müssen, siehe Spiegel:
Auf dem Flug vom indischen Amritsar nach Birmingham sind Passagiere einer österreichischen Fluggesellschaft von den Piloten gezwungen worden, insgesamt 20.000 Pfund (23.400 Euro) Benzingeld für den Heimflug zu zahlen. Sie seien von der Crew bei einem Zwischenstopp in Wien sechs Stunden lang an Bord festgehalten und regelrecht erpresst worden – dies berichteten die betroffenen Comtel-Air-Kunden britischen Medien.
Da wird jeder Urlaubsflug zu einer Spendentour – oder zu einem Hochrisikounternehmen. Das Geld, das wir zur Aufrechterhaltung unseres volkswirtschaftlichen Blutkreislaufs brauchen, ist halt knapp … und wird dank „Reformen“ immer knapper werden, was sich jetzt auch in Deutschland auf die Realwirtschaft auswirkt.
Schon jetzt haben wir in Deutschland Erscheinungen wie nach dem Kriege: Rohstoffdiebe zersägen das Land in Einzelteile, um für fünf Euro das Kilo einen Tag länger Essen auf dem Tisch zu haben. Die Schäden, die so angerichtet werden, sind enorm – auch für das Lebensgefühl in einem Land, das Rüpelrappern Bambis verleiht.
Im Körper ist es übrigens ähnlich: wird er zu schlecht versorgt, fängt er irgendwann an, das Eiweiß im Gehirn abzubauen – er verdaut sich selbst im Kampf gegen die Unterversorgung. „Hartz IV macht das Volk doof“ – könnte man im Übertrag auf die Volkswirtschaft sagen. Es soll ja auch „doof“ gehalten werden – und sich dabei bestens unterhalten fühlen.
Wie im Kino schauen wir zu, wie gerade der letzte Weltkrieg vorbereitet wird.
Wo sind die Demonstrationen, wo die streikenden Gewerkschaften, wo die Studenten, die auf den Barrikaden stehen?
Alle am selben Ort: mit Chips und Bier versorgt vor dem Fernseher, um zu sehen, wie der „gute“ Cowboy den „bösen“ Chinesen in die Schranken weist, siehe Welt:
Präsident Obama stationiert Truppen in Australien und untermauert die US-Präsenz als maritime Weltmacht. Eine klare Warnung an die Adresse Chinas.
China wird mit der Warnung allerdings nichts anfangen können – sie müssen expandieren, um überleben zu können:
Der Zugriff auf Rohstoffe, die China selbst nicht in ausreichendem Maß besitzt, ist für die chinesische Führung aber nicht nur aus Exportgründen unverzichtbar, sondern auch, um die wachsende Mittelklasse zufrieden und die vielen Millionen Wanderarbeiter in Brot und Beschäftigung zu halten.
Das weiß der Chinese. Eine ähnliche Strategie hatte übrigens zum Angriff auf Pearl Harbour geführt, auch dort hatten die USA zuvor den Zugriff auf für die japanische Wirtschaft lebensnotwendige Ressourcen eingeschränkt. Die Japaner reagierten damals wie die Chinesen heute – zornig und empört, siehe Spiegel:
Die Reaktion aus Peking fiel scharf und ablehnend aus: Es wäre nicht angemessen und nicht im Interesse der Länder in der Region, sollte Washington seine militärischen Bündnisse in der Asien-Pazifik-Region ausbauen, warnte Liu Weimin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, laut einem Bericht der „New York Times“.
Nun – und seien wir mal ehrlich: ein Weltkrieg, der mal nicht Europa als Zentrum hat, wäre doch der Höhepunkt des Entertainment. Immerhin füllt uns Hollywood seit Mitte der neunziger Jahre mit heroischen Kriegergeschichten ab, um den Widerstand gegen neue Weltkriege möglichst zu minimieren.
Oh – ich vergaß.
Wir dürfen ja nicht darüber nachdenken, das irgendeine intelligente politische Kraft hinter den wahnhaften, unvernünftigen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte steckt: das wäre ja gleich „Verschwörungstheorie“ … und diesem Denkverbot unterwerfen wir uns ja als aufgeklärte rationale Menschen gerne.
Es ist sicher nur Zufall, das die US-Wirtschaft wieder mal in einer Krise steckt und der Staat kurz vor dem absoluten Bankrott, einer Krise, die man durch einen kleinen Weltkrieg wieder einmal schön bewältigen könnte. Trifft ja auch nur die Armen, was soll´s.
Der Herr Flegel hatte eine ganz wichtige Erfahrung für seinen angedachten Ruhestand angegeben: die Existenz einer „Kanzlerakte“, von der man in der Zeit erfahren konnte:
Brandt war empört, dass man von ihm verlangte, »einen solchen Unterwerfungsbrief« zu unterschreiben. Schließlich sei er zum Bundeskanzler gewählt und seinem Amtseid verpflichtet. Die Botschafter könnten ihn wohl kaum absetzen! Da musste er sich belehren lassen, dass Konrad Adenauer diese Briefe unterschrieben hatte und danach Ludwig Erhard und danach Kurt Georg Kiesinger. Dass aus den Militärgouverneuren inzwischen Hohe Kommissare geworden waren und nach dem sogenannten Deutschlandvertrag nebst Beitritt zur Nato 1955 die deutsche Souveränität verkündet worden war, änderte daran nichts. Er schloss: »Also habe ich auch unterschrieben« – und hat nie wieder davon gesprochen.
Nun – heute – so hat man mir versichert – sei diese Akte nicht mehr gültig. Mir fehlt auch die Zeit, zu recherchieren, ob wirklich alle deutschen Bundeskanzler VOR ihrer Vereidigung in die USA geflogen sind, um sich dort die Erlaubnis zur Amtsausübung abzuholen.
Mich würde es auch nicht wundern, denn ich habe den Zeit-Artikel weiter gelesen:
Als ich die Kanzlerbriefe einmal gegenüber dem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker erwähnte, reagierte er zu meiner Überraschung erstaunt; er hatte von ihnen nichts gewusst. Es bedurfte keiner besonderen Absprache: Die beteiligten Deutschen wie die Alliierten hatten das gleiche Interesse, diese Manifestierung der begrenzten deutschen Souveränität nicht öffentlich werden zu lassen.
Es bedurfte keiner besonderen Absprache – noch einer besonders geheimen Verschwörung, es bedarf dazu auch keiner „Illuminaten“ oder „Bilderberger“ (obwohl es letztere offensichtlich gibt): alle hatten das gleiche Interesse, die Öffentlichkeit über die politischen Wirklichkeiten nicht zu informieren.
Das ist aber nicht das Kennzeichen einer Demokratie.
Es ist nicht die Existenz einer (in meinen Augen verständlichen) Kanzlerakte, die die politische Bloggerei „zwecklos“ erscheinen läßt, sondern die Tatsache, das es „Interessengemeinschaften“ gibt, die automatisch in die gleiche Richtung laufen, „Interessengemeinschaften“, die sogar den Bundespräsidenten aussen vor lassen.
Damit ist das Modell Demokratie in Deutschland schon lange vor der Wiedervereinigung ausgelaufen – und wir brauchen uns eigentlich nicht mehr über den Wahn zu wundern.
Es ist auch kein Wahn.
Aus der Sicht der „Superklasse“ der USA ist schlicht logisch und vernünftig, was gerade geschieht: immerhin haben Wiedervereinigung und Hartz IV dazu geführt, das die Bundeswehr wieder Freiwillige für den lebensgefährlichen Dienst im Ausland bekommen hat, die künstlich herbeigeführte Wirtschaftskrise sorgt für eine politische Lähmung in Europa, der „Krieg gegen den Terror“ hat zu einer breitflächigen Akzeptanz militärischer Massnahmen in der Bevölkerung geführt, die inzwischen sogar widerspruchslos die Eleminierung fortschrittlicher Volkswirtschaften wie der libyischen kritiklos akzeptiert, im Falle eines großen Krieges im pazifischen Raum stehen Millionen junger europäischer Männer bereit, für die Interessen der Superklasse der USA in Asien zu sterben, junge Männer, die aktuell arbeitslos auf den Straßen herumstehen und den Krieg wohl – dank Hollywood – als willkommene Abwechslung ihres durch Angst, Not und Zukunftslosigkeit geprägten Alltages erfahren werden, bis die brutale Realität sie eines besseren belehrt.
Das es Menschen gibt, die mit nahezu grenzenlosen finanziellen Mitteln ausgestattet ganz gezielt politische Strömungen hervorrufen, dürfen wir ja nicht denken.
Was wir öffentlich denken dürfen, ist, das die Spendengelder für den US-Präsidenten durch Lotto festgelegt werden.
Das stimmt zwar nicht … aber es ist im Interesse aller, das die Tatsache der begrenzten politischen Souveränität der westlichen Demokratien genauso geheim bleibt wie die „Manifestierung der begrenzten politischen Soureränität“ Deutschlands.
Von der Existenz solcher Verschwörungen konnte ich aber als junger Student nichts wissen – ich hoffe, man akzeptiert meine Entschuldigung … und ich hoffe auch, das ich wenigstens Recht mit der Vermutung behalte, das es – außer vielleicht in Thüringen – nie wieder einen NS-Staat auf deutschem Boden geben wird.
Aber … möglicherweise gibt es den ja doch schon – wir erfahren nur nichts das „geheime Deutschland„, weil die Öffentlichkeit eben nicht alles wissen sollte.