Studiert man täglich die Nachrichten, so kann man nicht umhin, sich zu fragen: was soll das eigentlich alles? Wo soll das denn eigentlich alles hinführen, was wollen die eigentlich von uns? Mir schwirrt immer noch ein Spiegelartikel aus fernster Vergangenheit im Kopf herum, den ich zeitlich nicht genau einordnen kann, der aber eins deutlich aussagte: das die US-Fonds an das Kapital des deutschen Sozialstaates heranwollen. Heute, am 29.10.2011, wissen wir, das sie mit ihrem Plan Erfolg hatten: das ganze Land verwandelt sich in einen Hedge-Fond, nur versteht das keiner. Wir stehen vor den größten gesellschaftlichen Umwälzungen der menschlichen Geschichte, einer kompletten Zersetzung von staatlichen Strukturen weltweit zugunsten international operierender, höchst beweglicher Kapitalmengen die ihren sichtbaren Ausdruck in der beständigen Ausweitung der US-Konzernstruktur finden – aber scheinbar keiner bemerkt, was hier wirklich geschieht.
Es geht ihnen wie Georg Diez im Spiegel, geschildert in dem bemerkenswerten Artikel über das Dogma der Doofheit:
Das sagte neulich ein Freund beim Spazierengehen: Alle haben gedacht, dass nach dem Ende des Kommunismus der freie Markt sich ausbreiten und aller Welt die Demokratie bringen würde – tatsächlich hat sich der freie Markt ausgebreitet und Europa in einen „failed state“ verwandelt. „Travels in the New Third World“, so nennt Michael Lewis seine Reportagen aus Island, Griechenland, Irland und Deutschland.
Eigentlich einfach zu verstehen, oder?
Wir werden die neue Dritte Welt, wir sind es eigentlich schon, merken es nur noch nicht.
Der Hebel also war nichts anderes als das, was mein Held Michael Lewis in „The Big Short“ beschrieben hat, seine Erklärung für die Finanzkrise 2008 – „Leveraging“, ein Teufelsinstrument, mit dem man Geld, das man nicht hat, vervielfacht, mit der Konsequenz, dass die Verluste, falls sie kommen, sich eben auch vervielfachen.
Ach, dachte ich, schau mal an, das kann doch gar nicht sein, dass die Politiker, die uns vor den Auswüchsen des Finanzkapitalismus warnen, uns davor mit Mitteln genau jenes Finanzkapitalismus retten wollen.
Und wo kommen diese Instrumente her? Reden wir lieber nicht darüber, das könnte in Verschwörungstheorien enden – und die sind ja seit einigen Jahren verboten und auf den Index gesetzt. Die Medien waren da sehr fleissig … wie auch bei der Aufklärung der Ursachen der Finanzkrise:
Die Medien, die selbst in einer strukturellen und in einer Sinnkrise sind, haben vor der Finanzkrise in weiten Teilen versagt, weil sie sich, aus Angst, aus Anpassung, zu sehr dem Denken der Märkte und der Marktakteure angepasst haben. Von „kognitiver Verengung“ spricht der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der Journalist Dean Starkman spricht vom „Stockholm-Syndrom“.
Soviel Medienkritik im „Spiegel“ – das könnte Hoffnung machen, wenn … ja, wenn sie nicht viel zu spät kommen würde. Jetzt ist der Zug abgefahren, die Karten liegen auf dem Tisch, das Geld wandert zum großen Gewinner, wir dürfen nur noch zahlen – und erdulden mit erstaunlicher Gelassenheit die Entmachtung unseres politischen Systems. Darf ich mal einen Einsiedler zitieren, der hier regelmässig kommentiert:
Dazu passt es auch, dass eine effektive Staatsführung offensichtlich nur noch mit absolutistischen Strukturen möglich ist (Versuch der Installation eines “Neunerrates” anstelle des Bundestages, Errichtung eines Polizeistaates, systematische Herbeiführung des Staatsbankrotts zwecks Aushebelung der Verfassung und juristisch unanfechtbarer Abtretung der Herrschaft an das Finanzkapital).
An dieser Stelle: vielen Dank für den Kommentar – er könnte in die Geschichte eingehen wie der Artikel des Georg Diez oder jener des Arno Luik, der 2004 vor dem Putsch von ganz oben warnte:
Anders als noch in Zeiten der Systemkonkurrenz, also bis 1990, muss der Kapitalismus jetzt nicht mehr beweisen, dass er sozial, human und gerecht sein kann. Jetzt darf ein Spitzenmanager – ohne einen Aufschrei auszulösen – sagen: „Menschen? Das sind Kosten auf zwei Beinen.“ Roh ist diese Republik geworden.
Werden die Reformen umgesetzt – und die politisch Handelnden sind dazu verbissen entschlossen -, wird diese Republik eine radikal andere Gesellschaft sein: ein entkernter Staat ohne Gemeinsinn, eine entzivilisierte Gesellschaft. Anfällig für individuelle Aggressionen und für Rechtsextremismus.
Es ging um die Hartz IV-Reformen. Was ein Arno Luik noch nicht wußte, aber ein Georg Diez erschreckend bemerkt: es geht noch um viel mehr. Hartz IV war – wie zu vermuten – nur die Spitze eines Eisberges. Ist man jetzt versucht, die Amerikanisierung der Welt als Theorie zu formulieren, so wird man feststellen, das man viel zu spät kommt: zuerst wurde dieser Trend 1920 bemerkt … und ein Artikel bei Wikipedia zeigt auf, das die Tatmuster schon längst öffentlich bekannt sind:
Amerikanisierung bezeichnet Kulturtransfer in einem sehr weit gespannten Verständnis. Gegenstand dieses Transfers sind Amerikanismen, das heißt Institutionen, Normen, Werte, Gebräuche, Verhaltensweisen und Verfahrensformen, aber auch Symbole, “icons“ und Bilder, die vermeintlich oder tatsächlich aus den USA übernommen, auf jeden Fall aber als amerikanisch empfunden werden. Eines ist dabei entscheidend: Der als Amerikanisierung bezeichnete Kulturtransfer verläuft nur in einer Richtung, nämlich von den USA in andere Teile der Welt.
Diese Amerikanisierung ist allumfassend – und führt uns direkt wieder zu Hartz IV:
Die 1960er Jahre gelten als Wendepunkt des Westernisierungsgeschehens in Westdeutschland. Wie bereits erwähnt hatte die so genannte 68er-Bewegung keinerlei Probleme, ihre massive ideologische Kritik an den USA mit einer ebenso massiven Übernahme US-amerikanischer Kultur- und Verhaltensmuster zu verbinden. Auf institutioneller Ebene tritt besonders die sehr stark von den USA beeinflusste Westernisierung der Arbeiterbewegung hervor. Sowohl die SPD mit dem Godesberger Programm wie auch der DGB mit dem Düsseldorfer Programm akzeptierten nach langem internen Kampf und massiver Einflussnahme durch die Amerikaner die Soziale Marktwirtschaft, die Westbindung sowie die Orientierung an dem angelsächsischen Demokratieverständnis. Der unter anderem an dem New Deal angelehnte Konsenskapitalismus hatte damit auch in der deutschen Arbeiterbewegung seine Verankerung gefunden, was nichts anderes als einen fundamentalen Wandel vom Ziel des Systemwechsels hin zu einer systemkonformen Politik bedeutete.
(Die Hervorhebungen sind vom Autor dieses Artikels vorgenommen worden)
Vor diesem Hintergrund wird klar, warum drei Jahrzehnte später unter „rot-grün“ der deutsche Sozialstaat vernichtet und die deutschen Soldaten als Hilfstruppen der US-Regierung vermarktet wurden, es wird klar, warum US-Finanzinstrumente nun europaweit vor den Folgen vor US-Finanzinstrumenten schützen sollen – und warum der angebliche „Fachkräftemangel“ nur ein weitere Schritt in die Richtung ist, aus der Bundesrepublik Deutschland eine Filiale der US-Kultur zu machen, von der aus man den gesamten politischen Markt in Europa aufrollen kann.
Politischer Widerstand in Deutschland ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte unmöglich: jeder, der sich mit Berufung auf die deutsche Kultur (Beethoven, Goethe, Marx, Luther, Kant – um nur ein paar zu nennen) gegen die Amerikanisierung der deutschen Gesellschaft auflehnt, wird sofort eingereiht in die Linie der „wahren“ Deutschen: Hitler, Göring, Goebbels, Himmler, Eichmann, Mengele. Dank Hollywood und US-Marketing sind sie die wohl bekanntesten Figuren in der deutschen Geschichte, die aus der deutschen Staatsbürgerschaft einen Tatbestand machen, für den man sich lebenslänglich schämen muss.
Je größer der Anteil an „Ausländern“ wird, je unsicherer der Tatbestand der „Staatsbürgerschaft“, umso schwieriger wird es zudem, Widerstand im Lande zu organisieren: wer jederzeit ausgewiesen werden kann, ist sehr systemtreu – das wissen Amerikaner besonders … immerhin ist bei ihnen eigentlich jeder ein Ausländer.
Die US-Kultur beruht auf dem größten Landraub der Geschichte, der Genozid an der ethisch hochstehenden nativen Kultur wurde so erfolgreich aus der offiziellen Wahrnehmung verdrängt, wie der Holocaust hervorgehoben wurde, aktuell breitet sich diese Raubkultur in Europa aus. Wo das hinführt, wissen wir schon: die Finanzmärkte diktieren uns, alternativlos zum Spiegelbild der US-Kultur zu werden, deren Missionare uns schon mit Musik, Filmen und Büchern überschwemmt haben, damit der Widerstand möglichst gering bleibt.
Der Vorteil der US-Kultur liegt auf der Hand: sie haben Menschen aus allen Ländern in ihren Reihen, sind also auf eine gewisse Weise Heimat für jeden – und eignen sich jetzt die alten Heimatländer an, deren Schicksal in Zukunft wohl darin liegen wird, neue Bundesstaaten der US-Kultur zu werden … möglicherweise sofort unter „Notverwaltung“, weil wir hier einfach nicht wirtschaften können.
Jahrzehntelange Arbeit von Bilderbergern, Atlantikbrücke und anderen deutsch-amerikanischen Gesellschaften, die ihre Seilschaften in die Volkswirtschaft implementieren, zeigt nun ihren Erfolg.
Einen großen Plan dahinter dürfen wir jedoch nicht vermuten, obwohl die ersten Beobachtungen zur Amerikanisierung Europas aus den zwanziger Jahren stammen.
Worüber wir hier reden, hat eigentlich weniger mit Kapitalismus zu tun. Es hat vielmehr mit einer Lebensart zu tun, einer geistigen Unart, die zuerst die USA erobert hat und von dort aus auf den Rest der Welt übergreift. Die Überlebenden des indianischen Holocaust kennen sie gut und nennen sie Powaqqatsi:
Powaqqatsi ist ein Wort aus der Sprache der Hopi-Indianer, das so viel bedeutet wie „ein Wesen“, „eine Lebensart, die die Lebenskräfte anderer Wesen aufbraucht um sein eigenes Leben zu fördern/unterstützen“.
Das ist der eigentliche Gegner: eine besondere Art zu denken, eine besonders parasitäre Lebensweise, die viel nimmt und nichts gibt. Durch die Verwandlung Europas in einen Hedgefond wird diese parasitäre Lebensweise einem ganzen Kontinent übergestülpt … und man hofft sehr, das wir das zu spät merken.
Tun wir auch. Wir hätten damals zu Hartz IV konsequent „Nein“ sagen müssen. Es ist nicht des Deutschen Art, seinem Landsmann die Menschenrechte zu entziehen, nur weil dieser in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit keine Arbeit findet … jedenfalls ist es nicht die Art jener Deutschen, die kulturschaffend in die Geschichte der Menschheit eingegangen sind, bevor der nationalsozialistische Pöbel von 1933 – 1945 dafür gesorgt hat, das hier amerikanische Verhältnisse möglich werden und „deutsch sein“ ein Schimpfwort und fast schon ein Straftatbestand wurde.
Momentan bekommen wir als zentraler Angelpunkt der Unterwerfung des europäischen Kontinents noch ein paar Beruhigungspillen, ein paar „Zückerchen“ (viele Millionäre und jetzt sogar einen Mindestlohn), in Zukunft, wenn die Unterwerfung komplett ist, werden wir allerdings mit der Kürzung unserer Minirenten leben müssen wie jetzt die Griechen, die als erstes europäisches Land ganz öffentlich dem Finanzdiktat unterstellt und als erster Dominostein fallen werden während ihre Milliardäre in den USA hochwillkommen sind … wie auch unsere eigenen deutschen Kriegsgewinnler dort eine sichere Heimstadt gefunden haben.
Die Unart des Powaqqatsi manifestiert sich auch – auf unbewußter Ebene – in der Populärkultur: das bald allgegenwärtige Bild des Zombies, des Vampires, des Kannibalen zeigt der Seele, welcher Art die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kräfte sind, die unser Leben bestimmen, die gesellschaftskritische Dimension des Mythos, den George R. Romero ins Leben gerufen hat, wird hier gerne verdrängt: dabei konnte er doch die Wurzel des Übels an ihrer Quelle studieren.
Zurück zu Georg Diez – und der überraschenden Erkenntnis von Spiegel-Autoren, das auch ihre soziale Stellung durch die momentane Entwicklung massiv bedroht ist.
Er liest viel in englischer Sprache – und wundert sich darüber, das dort vieles klar ausgedrückt wird, was in Deutschland niemals seinen Weg zu Papier finden würde. Andererseits … überschwemmt die Kultur des Powaqqatsi unsere Kultur mit ihren Anglizismen, die überall Verwendung finden … vielleicht gerade, weil sie keiner versteht: nur ein Bruchteil der Deutschen versteht die englischen Werbesprüche korrekt, mit denen wir tagtäglich überflutet werden, die meisten haben noch weniger Ahnung als der Herr Diez.
Und darum droht uns nun das Schicksal der nordamerikanischen Indianer: verschlungen zu werden von einer Kultur, die nichts weiter kann als die Errungenschaften ihrer Mitmenschen zu verschlingen.
Auf gut deutsch: wir werden gefressen und als „Hartzies“ ausgeschissen.
Und das finden wir dann …. „cool“.
Noch ein Blick auf die Kultur, die uns nun droht? Der Spiegel berichtet aktuell über die wenig bekannten Schattenseiten der „Apple“-„iPod“-Kultur:
Stattdessen spricht der passionierte Journalist und Drehbuchautor nun über 13-jährige Kinder, die 16-Stunden-Schichten arbeiten und auf dem Fabrikboden schlafen. Er spricht von einer Selbstmordserie auf dem größten Fertigungsgelände für Elektronikgeräte der Welt, wo rund die Hälfte unserer kleinen Lieblingsspielzeuge herkommt. Er redet von alten Männern, deren Hände von der jahrelangen Akkordarbeit verkrüppelt sind und von Frauen, die unheilbar nervenkrank sind, weil sie jahrelang das Reinigungsmittel eingeatmet haben, mit dem iPod-Touchscreens poliert werden.
Auch für uns wird – siehe den Artikel von Arno Luik – der Ausbau des Niedriglohnsektors mit all seinen Folgen unverzichtbar sein … einem Sektor, der einfach nur eine Falle für Bürger ist, die dem amerikanischen Geist des Powaqqatsi nicht stringend genug folgen.