Politik

Gaddafi, Hartz IV und Eurorettung: die „unsichtbare Hand des Marktes“ greift weiter hart durch – Polizeistaat Europa voraus

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Freitag, 28.10.2011. Eifel. Noch. Heute soll ja wieder mal die Welt untergehen, ich habe die Einkäufe fürs Wochenende deshalb extra auf Morgen verlegt: man will ja nicht umsonst Geld ausgeben und vor der Endabrechnung noch ein paar Miese produzieren. Endabrechnung? Ja, darum geht es doch in der Religion der „Marktwirtschaft“: der heimliche Glaube, das am Ende des Lebens der große Geist des Universums (die „unsichtbare Hand des Marktes“) jede Seele danach beurteilt, wieviel Buchgeld sie auf dem Konto hat und was an Sach- und Geldwerten noch hinzukommt. Wer das Meiste hat, hat gewonnen. Was er gewonnen hat – weiß ich nicht, ich gehöre dieser Religion persönlich nicht an, ich leide nur unter ihrem Wahn … zum Beispiel dem Wahn, das sie alle Werte dieser Welt unter ihre Kontrolle bringen möchte so wie die katholische Kirche alle Seelen vor dem Fegefeuer retten will.

Den Katholiken kann ich noch verzeihen … wenn man ihr System versteht, versteht man auch, das sie keine böse Absichten haben. Für die Religion „Marktwirtschaft“ kann ich das nicht sagen – aktuell ist ihr der libysche Sozialstaat zum Opfer gefallen. Wir hätten eher den Herrn Gaddafi retten sollen als die Deutsche Bank, da aber die Banken aktuell die wahre Macht auf diesem Planeten darstellen sollte es uns nicht wundern, das als Ergebnis des planlosen Natobombardements der Islamismus ein weiteres zivilisiertes Land überrollt … und nebenbei einer der letzten schuldenfreien Staaten von der Landkarte verschwindet.

Ein älterer Artikel von theintelligence weist darauf hin:

Gewiss, finanziell ist es den Libyern bis dato keineswegs schlecht ergangene. Doch was nützt schon Wohlstand ohne Demokratie, ohne internationale Konzerne, ohne Zusammenarbeit mit dem internationalen Bankenwesen, das bereitwillig Kredite zur Verfügung stellt und vielleicht auch Fabriken errichtet, damit die Leute, die bislang ohne Job auskamen, endlich Arbeit kriegen, damit sie Steuern zahlen können, um die Zinsen für die Kredite zu finanzieren?

 Libyen ist ein Beispiel dafür, was mit einem Land geschieht, das sich aus der internationalen Finanzdiktatur zu lösen versucht. 

Vergessen wir jedoch Gaddafi als Person, nehmen wir ein Land, das die Bodenschätze für den Staatshaushalt nutzt, anstatt sie internationalen Konzernen zu überlassen, das ein unabhängiges Geldwesen betreibt, das schuldenfrei ist und das es bislang unterlassen hat, seine Bürger in die Armut zu treiben. Was würde mit einem westlichen Staat wohl geschehen, der radikale Maßnahmen einsetzt, um die derzeitige Wirtschaftkrise zu überwinden? Ein Staat, dem das Wohlergehen der Bürger mehr bedeutet als das der Finanzlobby. 

Darf man so etwas noch schreiben? Das es ein Leben geben könnte, wo normale Bürger ohne Job durchs Leben kommen können? In Libyen ging das, in Deutschland werden solche Menschen als Parasiten beschimpft, mit dem Hungertod bedroht und mit Entzug der Menschenwürde bestraft:

Hinter dem, was auf den ersten Blick wie die Laune einer einzelnen Arbeitsvermittlerin anmutet, könnte tatsächlich ein bundesweites System stecken. „Seit dem Frühjahr beobachten wir verstärkt, dass die Vermittler in den Jobcentern und Agenturen in ganz Deutschland zum Teil schikanöse Maßnahmen anwenden, mit dem Ziel, die Arbeitslosen dazu zu bringen, sich aus dem Leistungsbezug abzumelden“, erzählt der Sprecher des Erwerbslosenforums in Bonn, Martin Behrsing.

Dabei würden jobsuchende Akademiker auch schon mal in Kurse gesteckt, wo ihnen tagelang die Grundrechenarten vorgekaut oder Hartz-IV-Bezieher zum Stricken und Montieren von Spielsachen verdonnert würden. „Die Bundesagentur muss sparen, und sie will jeden Monat eine schöne Statistik präsentieren“, erläutert Behrsing.

Wie man nun von Libyen auf Hartz IV kommt? Nun – es ist das gleiche System … und der gleiche Täter. Der internationale Bankenclan – die Kirche der Religion der „freien Marktwirtschaft“, die in etwa so frei ist wie die USA demokratisch – braucht zur Akkumulation von Kapital (also: zur Generierung von Spielgeld sprich Anlagekapital) das Geld in den Händen möglichst weniger Menschen. Damit aber einige wenige Menschen für einen Euro Leistung Millionenboni bekommen, dürfen Millionen von Menschen für hundert Euro Arbeitsleistung nur einen Euro Gehalt bekommen – sonst geht das nicht. Der Geldkreislauf ist ein geschlossenes System, was ich an einer Ecke aufhäufe, muss ich an den anderen Ecken abzweigen.

Die gleiche Hand, die hier den „Niedriglohnsektor“ gefordert und gefördert hat, hat in Libyen den Sozialstaat zerbombt und demonstrativ – unter Zuhilfenahme von geheimen britischen und us-amerikanischen Bodentruppen, die Gaddafi wochenlang einkesselten – einen der Widerständler durch die islamistische Söldnermafia hinrichten lassen.

Auch in Deutschland greift die harte Hand weiter durch – alternativlos, wie wir wissen. Zwei kleine Nachrichten am Rande offenbaren uns das System eines aufkeimenden Polizeistaates. Nachdem nun auch naturwissenschaftlich bewiesen ist, das Armut nicht gesund für kleine Kinder ist,  hat man die nötige reichsdeutsche Konsequenz aus dieser Erkenntnis gezogen:

Nach jahrelanger Debatte beschloss der Bundestag ein neues Kinderschutzgesetz. Jugendämter werden verpflichtet, Risikofamilien stärker zu kontrollieren. Bei klaren Hinweisen auf eine mögliche Gefährdung von Kindern soll es regelmäßige Hausbesuche geben. Ärzte und Psychologen können bei klaren Anhaltspunkten für Misshandlungen von sich aus ihre Schweigepflicht brechen und die Behörden einschalten.

Risikofamilien sind natürlich all diejenigen Familien, in denen der Haupternährer nicht mehr durch den Arbeitgeber (bzw. dessen Kreditgeber) kontrolliert werden kann, weil er in Folge von Alter und Krankheit aus dem System gefallen ist.

Was das nun alles mit der Eurokrise zu tun hat? Nun – es verdienen die gleichen daran, die auch an der Plünderung des libyschen Sozialstaates oder der Plünderung des deutschen Sozialstaates verdienen: der internationale Bankenclan, der jetzt schon einen Großteil der Weltwirtschaft dominiert.

Ist es Zufall, das nach dem griechischen „Haircut“ erstmal Zypern abgestuft wurde … jenem „Haircut“, der schon jetzt eine Mogelpackung ist, weil der fünzigprozentige Schuldenerlass de Fakto nur ein dreissigprozentiger ist – und man sowieso die Verluste von der Steuer abziehen kann? Fachleute wissen, das die Eurokrise nicht gelöst ist, das die Krise droht, noch „viel viel schlimmer“ zu werden, weil nun ganz Europa zu einem Hedge-Fond wird – mit völlig unkalkulierbaren Risiken für den normalen Wirtschaftsbürger. Der kann seine eigene Zukunft schon mal beispielhaft am Schicksal der US-Häuslebauer studieren:

Weite Teile der USA stehen „unter Wasser“. Damit ist gemeint, dass ein Haus weniger wert ist, als der Kredit, der auf ihm lastet. Ein Viertel aller US-Hausbesitzer ist auf diese Weise überschuldet, in den einstigen Boom-Staaten Florida, Arizona und Nevada sind es 50 Prozent und mehr. Viele geben auf und stellen ihre Ratenzahlungen ein. Die Banken ordnen eine Zwangsräumung an, die Häuserpreise fallen weiter und noch mehr Amerikaner drückt es unter Wasser.

Die Deutschen wissen das – auch wenn die Medien immer ein anderes, rosafarbenes, zweckoptimistisches Bild zeigen und die Wähler mit unbezahlbaren Rentensteigerungen und Weihnachtsgeldverdoppelungen für Beamte in beruhigt werden – so als hätten wir überhaupt keine Krise und würden wie Libyen in Geld schwimmen. Während die Politiker ihre Unglaubwürdigkeit und Machtlosigkeit immer deutlicher demonstrieren, gibt es in Deutschland aktuell einen „Crack-up-Boom“:

Eine aktuelle Studie des Versicherungsriesen Allianz beleuchtet das Sparverhalten in verschiedenen europäischen Ländern. In Deutschland gibt es erste Ansätze eines so genannten Crack-Up-Booms.

Konsumieren, solange das Geld noch etwas wert ist: Dieser Devise folgen laut einer aktuellen Studie des Allianz-Versicherungskonzerns bereits erstaunlich viele Menschen in Deutschland. 39 Prozent gaben im Rahmen einer Befragung an, mehr Geld auszugeben, weil sie steigende Inflation befürchten.

Leider … bekommen sie das Geld, das sie jetzt ausgeben, in Zukunft nicht wieder. Aber wenigstens haben sie dann drei Fernseher im Haus.

Eine der ausführenden Organe der „unsichtbaren Hand des Marktes“ ist der ehemalige Hartz-IV-Einführer Joschka Fischer, der aktuell mit besinnlichen Worten auf sich aufmerksam macht und interessante Perspektiven der Eurokrise aufzeigt:

Dieses Scheitern geschähe zudem während einer fundamentalen Neuordnung der Welt,  denn 200 Jahre westlicher Vorherrschaft gehen zu Ende. Macht und Reichtum verschieben sich nach Ostasien und in andere Schwellenländer, zudem wird sich Amerika an die Lösung seiner eigenen Probleme machen müssen und sich zugleich mehr dem Pazifik als dem Atlantik zuwenden. Um Europa wird es also einsamer und kälter werden. Wenn die Europäer daher jetzt nicht anfangen, sich um ihre Zukunft und ihre Interessen zu kümmern – wer denn soll es für sie tun? Niemand, lautet die schlichte Antwort.

Er weiß auch, worin das Übel der aktuellen Krise besteht und zeigt, das er scheinbar mehr weiß über die „fundamentale Neuordnung der Welt“, als wir Sparbürger, die gerade unsere Zukunft für neue Fernseher verschleudern:

Der Kern der europäischen Krise liegt nicht in drei Jahrzehnten Neoliberalismus, nicht im Platzen der Spekulationsblase, nicht in der Verletzung der Maastricht-Kriterien, nicht in der Staatsverschuldung und auch nicht bei den Banken und der allgemeinen Gier – allesamt wichtige Dinge – , sondern in der Politik. Genauer: im Fehlen einer gemeinsamen europäischen Regierung.

Dreissig Jahre Neoliberalismus war ok, Spekulationsblasen waren ok, überbordende Staatsverschuldung ist total in Ordnung, die Banken mit ihrer Gier nach immer mehr sind einfach nur putzig, aber das Fehlen der gemeinsamen europäischen Regierung hat uns an den Rand des Abgrundes gebracht. Wie gut, das der lange gezielt als Feindbild aufgebaute „Islamismus“ nun bis vor die Tore Europas gerückt ist und uns klar macht, wie allein wir in dieser kalten Welt sind, in der sich niemand um uns kümmert.

Merkt man, wie sich die von Joschka Fischer gepredigte „fundamentale Neuordnung der Welt“ nach einem Plan entfaltet – zufällig natürlich, weil die Herren des Geldes ihre Entscheidungen grundsätzlich nur auswürfeln und niemals taktisch und strategisch planvoll handeln – der langsam aber sich alternativlos wird … und aus Europa einen Polizeistaat macht, in dem Armut eine Straftat ist und mit regelmässigen Hausbesuchen der Behörden verknüpft sein wird.

Das sind natürlich alles nur Verknüpfungen eines Philosophen aus der Eifel, die nicht wahr sein können, weil es keine Verschwörungen gibt: das wissen wir ja seit dem 11.9.2001.

Wir wissen auch, das die Nato nur einige demokratische Wutbürger in Misurata vor den Luftschlägen Gaddafis geschützt hat – das hat man uns erzählt. Das man vor Ort andere Beobachtungen machen konnte, kann nicht sein, weil das ja Verschwörungstheorie wäre:

Es herrschte Krieg in Libyen. Jeden Tag wurden weitere Teile Tripolis‘ bombardiert. Am 6. August beschloss ich, meine Frau und den Rest der Gruppe zurück nach Italien zu schicken. Ich wollte noch einige Tage abwarten in der Hoffnung, das offizielle Schreiben mit Ghadhafis Unterschrift doch noch zu erhalten. Aber ich wartete vergebens und konnte auch niemanden mehr kontaktieren. Es gab keinen Strom, kein Wasser, und das Telefonnetz brach auch die ganze Zeit zusammen. 

Wieso es in Tripolis keinen Strom, kein Wasser und kein Telefon mehr gab (also: gezielte Terrorakte gegen die Zivilbevölkerung, vor denen man ja eigentlich die libysche Zivilbevölkerung schützen wollte), nur weil es eine Flugverbotszone gab und man die Rebellen vor Gaddafis Armee schützen wollte, erschließt sich nur den wahren Gläubigen der neuen Religion … immerhin wissen selbst Regierungsvertreter in Italien nicht, was in Libyen los war:

Sie schienen sehr interessiert, weil sie keine Ahnung über den Ernst der Lage hatten. Ich erklärte ihnen, dass humanitäre Hilfe dringend nötig war, zeigte Fotos von verletzten Zivilisten, Kindern, von vielen bombardierten Privathäusern und von Krankenhäusern ohne Strom und ohne Wasser. Sie versprachen mir, sich bald bei mir zu melden, doch natürlich hörte ich nichts. Warum hätten sie sich auch bei mir melden sollen? Als ich anrief, um mich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, hiess es, dass sie nichts unternehmen könnten, da es sich um kein offizielles Schreiben handelte. Mir war klar, dass ich nichts mehr tun konnte.

Da geht es dem Handlungsreisenden wie uns und unseren Politikern. Gibt es eigentlich noch Fragen über den Ernst der Lage aus der Sicht der Politik, wenn ein werdender Vater lieber mit Merkel in Berlin über Geld redet als mal kurz bei der einzigartigen Geburt seines ersten Kindes zu sein? Kann man „getrieben sein“ noch besser illustrieren?

Wenn die „unsichtbare Hand des Marktes“ nun schon Präsidenten jagt … wie wollen wir uns da Hoffnung machen, den Polizeistaat Europa noch aufhalten zu können.

Er wird alternativlos sein … und wenn wir uns wehren, dann kommt eben der Moslem oder andere finstere Gestalten aus der kalten Welt da draussen, vor der uns der gute alte Joschka so eindringlich warnt.

 



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