Wer kennt sie nicht, die Meldungen über die „faulen und gewalttätigen“ Hartz IV Empfänger. In den Medien wird, in regelmäßigen Abständen, ausführlich berichtet. Wer kennt nicht den Hartz IV-Report von „WIR VERBLÖÖDEN ALLE“. Ausführlich wurde hier der gewaltbereite Hartz IV Empfänger dargestellt. Mitarbeiter von Jobcenter erzählen,was sie in ihrem Alltag für durchschnittlich 2500 Euro im Monat an Bedrohungen, Beschimpfungen und Gewalt ertragen müssen.
Die Suedeutsche.de titelte reiserisch : „Übergriffe in Jobcentern – Krieg auf dem Arbeitsamt“ und man konnte in der Einleitung zum Beitrag gleich mal lesen: „Körperverletzung und Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Morddrohungen: „Die Wut auf die Harz-IV-Gesetzgebung entlädt sich zunehmend in den Jobcentern. Leidtragende sind die Sachbearbeiter“. Und dann kommen die „Opfer“ zu Wort und beschreiben Verhältnisse und Erlebnisse welche den Leser die Haare zu Berge stehen lassen. „Claudia Czernohorsky-Grüneberg, Chefin der vier Jobcenter in Frankfurt macht sich große Sorgen um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. „Deutlich aggressiver“ seien die Menschen geworden, „und was mich besonders beunruhigt: dass es ohne Vorwarnung auf die Person geht.“ Sie hört, wie ihre Mitarbeiter bedroht werden, nach dem Motto: Wir wissen, wo Du wohnst. Sie sieht, wie sich Kollegen gegenseitig Begleitschutz geben auf dem Weg zur Straßenbahn. Sie registriert eine neue Qualität der Beschimpfung, wie sie das nennt. „Es kann nicht sein, dass meine Mitarbeiterinnen Schlampe, Hure oder sonst wie genannt werden“, sagt sie. Dann lässt sie einige Zahlen heraussuchen, die ihren Eindruck stützen: 36 Hausverbote hat sie dieses Jahr schon ausgesprochen, mehr als eines pro Woche, dazu 13 Strafanträge gestellt wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch oder Morddrohungen….“ so hat es die Sueddeutsche.de am 04. AUGUST 2011 aufgeschrieben und „bestätigt“ die Zustände und beruft sich hierbei auf eine Studie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.
Doch stimmen die Aussagen von zunehmender Gewalt von „Kunden der Jobcenter“ gegenüber den Mitarbeitern überhaupt, mit Verweis auf die Ergebnisse der angesprochenen Studie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Ich habe da meine Zweifel. Die Studie, auf welche hier hingewiesen wurde heißt: „DAS PROJEKT ABBA“, übersetzt, – Arbeitsbelastung und Bedrohung in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV“ -. Die Dauer der Studie war von 2008 – 2010 und wurde unter anderem von „Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Leitung), Unfallkasse des Bundes, Unfallkasse Nord-Rhein-Westfalen, Unfallkasse Rheinland-Pfalz, Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover und Landesunfallkasse Niedersachsen, Unfallkasse Berlin als Projektträger erarbeitet. Die Ergebnisse der Studie sollen dazu dienen, die Arbeitsbelastung der Beschäftigten (ARGEN/JOBCENTER) zu senken und Übergriffe durch Kunden zu verhindern. Kommen wir nun zu den Behauptungen in den Beitrag von Sueddeutsche.de und den in der Studie festgestellten Ergebnissen. Sueddeutsche.de schreibt: „Deutschlandweit (!) fühlen sich 70 Prozent der Mitarbeiter in Jobcentern bedroht oder unsicher, wie eine Studie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung herausfand. Jeder Vierte gab an, schon einmal Opfer eines Übergriffs geworden zu sein…“ Hierzu muss man wissen, dass „sich bei Beginn (2008 Erstbefragung) der Studie 12 (!!!) JobCenter aus drei Bundesländern beteiligten. An der Zweitbefragung beteiligten sich lediglich zwei (!!!!) der ursprünglich zwölf (!!!!) ARGEn und damit 762 von ursprünglich 2.194 Beschäftigten. Vergleiche zwischen Erst- und Zweitbefragungen beziehen sich daher nur auf diese beiden ARGEn. Die Ergebnisse der Evaluation in diesen ARGEn sind deshalb nicht statistisch auswertbar.“ Also kann von DEUTSCHLANDWEIT keine Rede sein. Nach meiner Auffassung eine irreführende Aussage. Auch die Berichterstattung von „ Straftaten bis hin zu MORDANDROHUNG“ wird in der Studie etwas anders dargestellt. Hierzu heißt es in der Studie:
„Das durch Medienberichte zum Teil vermittelte Bild von ständig in Gefahr lebenden ARGE-Beschäftigten konnte durch die Ergebnisse der Ersterhebung insofern relativiert werden, als dass von extremen Bedrohungen wie Übergriffen und Gewalttaten eher selten berichtet wurde. Auch andere Übergriffe, zum Beispiel sexuelle Aggressionen oder Bedrohung mit einer Waffe, waren nur selten zu verzeichnen……….( gemeint sind der befragte Personenkreis in den Argen/Jobcenter).“ Und weiter wurde klargestellt: „ Gefragt nach dem Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung am Arbeitsplatz antworteten 37,5 % der Befragten, sich nie unsicher oder bedroht zu fühlen. Dieser Wert verbesserte sich gegen-über der Ersterhebung (33 %) etwas. 57 % der Befragten (Ersterhebung 60 %) fühlten sich ge-legentlich am Arbeitsplatz bedroht beziehungsweise unsicher und 5,4 % fühlten sich noch häu-fig oder ständig bedroht beziehungsweise unsicher (Ersterhebung 6,9 %). Insgesamt hatte sich in der Wahrnehmung der Beschäftigten das Sicherheitsgefühl verbessert. Abbildung 13 zeigt das wahrgenommene Gefühl der Unsicherheit beziehungsweise der Bedro-hung am Arbeitsplatz im Vergleich von Erst- und Zweiterhebung……“ Zusammengefasst stellt die Studie nach Abschluss der Befragungen zu Übergriffe und Bedrohungen fest: „ Im Vergleich zur Erst-befragung sind die Zahlen zum Übergriffsgeschehen an den Arbeitsplätzen der ARGE insgesamt zurückgegangen. Trotzdem erleben die Beschäftigten noch immer täglich Verweigerungshaltungen seitens der Kunden oder sind mit alkoholisierten beziehungsweise unter Drogen stehenden Personen konfrontiert. Randale oder Sachbeschädigungen kommen in den Gebäuden der ARGE durchschnittlich zweimal im Monat vor. Extreme Formen der Gewalt wie körperliche Übergriffe, Angriffe mit Waffen und Werkzeugen, Bombendrohungen oder Geiselnahmen kommen vor, sind jedoch äußerst selten (einmal im Jahr). Deutlich abgenommen haben nach Aussagen der Beschäftigten verbale Aggressionen (Kunde schreit herum, beleidigt und beschimpft Sachbearbeiter). Diese sind von erlebten dreimal (141) auf zweimal wöchentlich (94) zurückgegangen.“
Zum Schluss des Beitrages folgende Anmerkungen. Das es zu Übergriffen kommt, in welcher Art und Weise auch immer, ist unbestritten, sind aber völlig inakzeptabel. Inakzeptabel ist aber auch, eine übertriebene und irreführende Berichterstattung einiger Medien. Es wird der Eindruck erweckt, dass Hartz IV Empfänger in der Gesamtheit zu Gewalttaten neigen. Solche einseitige negative Berichterstattung gegen Hartz IV Empfänger muss entgegengetreten werden, dazu sollten meine Ausführungen beitragen. Quellenhinweis: Der Abschlussbericht „Projekt “ abba-Arbeitsbelastung und Bedrohung in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV“ wurde am 14.07.2011 durch die Gewerkschaft Verd.i veröffentlicht und umfasst insgesamt 107 Seiten.