Vorwort: Quelle ELO
„Der 12. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg hat bereits in seiner Sitzung vom 10. Juni 2011 entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2011 vorgenommene Neuregelung des Hartz-IV Regelsatzes für alleinstehende erwerbsfähige Leistungsberechtigte auf 364,- € bestehen…..“ Diese Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, ist für mich nicht überraschend. Und ich bin der festen Überzeugung, dass eine erneute Klage beim BVG gegen die Neuregelung der Armut, wenig Erfolg haben wird. Wie ich zu dieser Einschätzung komme, ist in den weiteren Ausführungen nachzulesen.
Mit der Neuorganisation im SGB II, Streichung des Elterngeldes für Hartz IV-BezieherInnen, Streichung des Rentenversicherungsbeitrages für Langzeitarbeitslose, Wegfall des Übergangsgeldes vom ALG I zum ALG II, Umwandlung von Eingliederungshilfe in Ermessensleistungen, z.B. für Selbständige, Änderungen bei den Rechten der Betroffenen, bekommt der sogenannte Sozialstaat eine neue Dimension. Die „Hauptschuldigen“ für den Sozialabbau sind schnell ausgemacht, die Politiker und Wirtschaft. Doch was für eine Rolle spielten eigentlich die Sozialgerichte bei der Erarbeitungen der Entscheidungen durch die Politik, bei der Neuregelungen in der Sozialgesetzgebung? Gibt es in Deutschland noch eine unabhängige Justiz, die frei vom politischen Einfluss agieren darf ? Haben verantwortliche Sozialrichterinnen und Sozialrichter, wenn auch indirekt, Einfluss auf die Entscheidungen der Politik genommen ? Ich werde in meinen Beitrag auf einige Fakten hinweisen, ohne diese zu bewerten. Den Leser möchte ich es überlassen , sich sein Urteil selbst zu bilden und die Fakten zu bewerten. Um eine Bewertung vornehmen zu können, sollte man folgende Tatsachen mit berücksichtigen. Am 24. und 25. Juni 2009 fand in Dresden eine Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister statt. Im Vorfeld dieser Konferenz gründete sich eine Arbeitsgruppe von 12 Sozialrichterinnen und Sozialrichtern aus Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, welche sich zur Aufgabe machte, konkrete Vorschläge zu Gesetzesänderungen, um die Sozialgerichtsbarkeit zu erarbeiten. Es ging der Arbeitsgruppe vor allem darum, „die stetig steigende, außergewöhnlich hohe Zahl von Eil- und Hauptsachverfahren, im Sozialrecht zurückzuführen“. Die Gründung der länderübergreifenden Arbeitsgruppe von Sozialrichterinnen und Sozialrichter wurde bereits von der Justizministerkonferenz im November 2008 ausdrücklich begrüßt. Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende regte die Arbeitsgruppe vor allem den schon nach der gegenwärtigen Rechtslage zulässigen Erlass einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an. Folgende Änderungen wurden „vorgeschlagen, oder besser gesagt gefordert.“ Die Kostenfreiheit bei Klagen vor dem Sozial- und Landessozialgericht sollten abgeschafft werden. Damit eine Klage überhaupt angenommen wird, sollte der Hartz IV Empfänger, vorher eine Prozesskostenpauschale von bis zu 150 Euro zahlen. Das dies, sich ein Hartz IV Empfänger kaum finanziell leisten hätte können, bedarf keiner weiteren Erklärung. Hier ging es eben ausschließlich darum, die Sozialgerichte zu entlasten und die Hartz IV Empfänger von den Gerichten fern zu halten. Nun dieser Vorschlag ist bis heute nicht zum Gesetz geworden, noch nicht !!!!! Von den ARGEN und Jobcenter zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung sollen pauschal festgesetzt werden. Dieser Vorschlag ist seid 01. Januar 2011 rechtlich möglich !!!!! Das Gericht sollte nur noch verpflichtet sein, bei einer das ALG II betreffenden Klage die Leistungen eines Zeitraumes von 6 Monaten zu prüfen. Damit soll ALG II-Empfängern das im Sozialrecht verankerte Recht auf Überprüfung länger zurückliegender Zeiträume verweigert werden. Auch dieser Vorschlag fand seid 01. Januar 2011 seine Berücksichtigung. War es nach alter Rechtsprechung möglich, Anträge rückwirkend auf 4 Jahre überprüfen zu lassen, ist dieses Recht nun seid 01.Januar 2011 rückwirkend auf ein Jahr begrenzt wurden. Der Streitgegenstand bei Ablehnung von Leistungen des SGB II sollte auf die abgelehnte Leistung beschränkt werden, d.h. wenn Richter feststellen, dass den Betroffenen auch, oder stattdessen, andere/weitere Leistungen zustehen, dürfen diese nicht mehr, wie bisher, Gegenstand der Klage werden und der Leistungsträger auch nicht dazu verurteilt werden. Hier werden gleich zwei Prinzipien deutschen Rechts angegriffen, dass Gerichte nicht an Anträge der Klage Beteiligten gebunden und in ihrer Entscheidung frei sind. So wurden Sonderbedingungen, viele davon nur für ALG II-Empfänger, geschaffen, durch welche eine Vielzahl von Rechten,, verweigert werden. Wird eine Zweiklassen-Sozialrecht eingeführt ? Dass alle diese Vorschläge von Landessozialgerichten kamen, lässt die Frage aufkommen wie es in Deutschland tatsächlich um Recht und Gerechtigkeit bestellt ist. Sind Gerichte dabei, sich ganz und gar den Interessen von Politik und Wirtschaft unterzuordnen? . Es ist bemerkenswert, wenn der deutsche Richterbund die Änderungen im SGB II, für „teilweise nicht ausreichend“ einschätzte. Auch wenn einige Vorschläge nicht den Weg in das Gesetz gefunden haben, so haben die Politiker die „Botschaften der unabhängigen Justiz“ gerne bei der Neuorganisation der Armut dankend angenommen und umgesetzt. Teilweise hat die Politik einige Vorschläge im Wahlkampf und im politischen Alltag, als ihre eigenen Vorschläge dem Volk verkauft. Ist Deutschland ein Rechtsstaat ? Ist es zulässig, wenn Richterinnen und Richter indirekt sich am Gesetzgebungsverfahren beteiligen ?
„WENN IHR EURE AUGEN NICHT GEBRAUCHT UM ZU SEHEN, WERDET IHR SIE BRAUCHEN UM ZU WEINEN“
Jean Paul Sartre