Manchmal gibt es auch heute noch richtige Abenteuer, die ein wenig an die Fahrten des Christoph Columbus erinnern oder an die Reisen des Marco Polo, Gelegenheiten, wo ein Mann zeigen kann, was er Wert ist, wo ihm der Sturm mächtig ins Gesicht braust und unbekannte Gefahren in fernen Gefilden ihm einfach alles abverlangen. Ganz so lebensgefährlich wie früher sind diese Abenteuer nicht – aber sie haben ein gemeinsames Prinzip inne: die Ignoranz allgemein gepredigter Wahrheiten zugunsten der Wirklichkeit. Alle dachten, die Welt wäre eine Scheibe mit Rom, dem Zentrum der Christenheit, im Mittelpunkt. Einige dachten anders und entdeckten neue Welten. So geht es einem heute ebenfalls, wenn man sich abseits der öffentlich abgesegneten Informationspfade bewegt – und ebenso wie früher muss man mit Spott, Verachtung und Anfeindungen rechnen, denn: die Erde ist einer Scheibe, der Papst hat´s gesagt.
Auf die Reise hinaus in die Wirklichkeit ist man vielen Gefahren ausgeliefert – vor allem der Orientierungslosigkeit. Es gibt dort draussen keine Landkarten, die einem den Weg zeigen, schnell hat man Pfade eingeschlagen, die nirgendwo hin führen: man landet im Reich der reptilienhaften UFO-Nazis in nordamerikanischen Geheimbunkern. Will man mehr Sicherheit, so muss man das machen, was für die alten Seefahrer unabdingbar war: einfach mal den Realitätschek wagen und sich fragen „bin ich noch auf Kurs oder lauert das Ende der Scheibenwelt dicht vor mir?“.
Insofern bin ich immer froh, wenn es Menschen gibt, die kritische Lichter auf Kritiker werfen und gelassen über die Planungen zum dritten Weltkrieg scherzen. Man braucht auch solche Perspektiven, denn abseits der ausgetretenen Pfade der staatlich erlaubten Normalität gerät man schnell in Treibsand oder Sumpfgebiet: es ist immer ratsam, bei jedem (aber auch wirklich jedem) Tritt für festen Halt zu sorgen.
So ist man sicherlich aufgeregt, wenn der Spiegel einem heute Morgen den Verkauf der Notfallreserven eine Zeit lang als Top-Nachricht bringt: eine Ölflut soll über die Märkte hereinbrechen. Man ist geneigt, sich so seine Gedanken zu machen, warum das so ist, da aber das Benzin billiger werden soll (wie üblich, erst ein paar Tage später, weil die Konzerne erstmal das billige neue Öl aufkaufen und es zum alten Preis an uns weitergeben) darf man erstmal erfreut sein. Verläuft man sich aber zur Zeit, so findet man einen „Sprecher des Weltwirtschaftsinstitutes“, der sich über die Aktion öffentlich verwundert, in der Neuen Züricher Zeitung erfährt man, das dieser sich wundernde Experte der Rohstofffachmann Leon Leschus ist.
Wenn Fachleute sich wundern, sollten wir uns dann nicht unsere Gedanken machen?
Die FAZ meldet, das im Falle der Griechenlandkrise erste Banken zur Hilfe bereit sind, während Focus überzeugend argumentiert, das diese Hilfen grundsätzlich vom Tisch seien und Politiker von Ratingagenturen zu Bettlern degradiert werden, was die Sozialisten der Vierten Internationale dazu verführt, von der offenen Diktatur des Finanzkapitals zu reden.
Wenn führende „Systemmedien“ am gleichen Tag Meldungen bringen, die in zwei sich ausschliessende Richtungen gehen: glauben wir dann noch weiter daran, das die Erde eine Scheibe ist, während die Welt gleichzeitig von der drohenden „Genickbrecher-Rezession“ spricht, die den Märkten Angst macht?
Doch, wir glauben an die Scheibe, wir wollen daran glauben. Sicher gibt es einen guten Grund, die Märkte mit kostbarem Öl zu fluten, das den Ölpreis drücken wird, die Konzerne noch reicher macht und die strategischen Reserven der Staaten schrumpft (und wertloser macht), denn unsere Politiker haben den Überblick über die komplexen wirtschaftlichen Zusammenhänge dieses Planeten, sie sind absolute Fachleute die hervorragend qualifiziert sind wie Silvana Koch-Merin, die zwar ihre Doktorarbeit zusammengepfuscht hat aber dafür Forschungsministerin geworden ist – was bei manchen Bürgern endgültig den Geduldsfaden reißen lässt.
Wir wollen gar nichts wissen über neue Spuren im Fall Barschel, die die Mordtheorie erhärten, über Steuergelder, die die Lobbyarbeit von Atomkonzernen finanzieren, damit die keine wertvollen eigenen Gelder aus Gewinnen für ihre eigenen Propagandaarbeit ausgeben müssen, über drohende Hungeraufstände wollen wir ebensowenig was erfahren wie über Polizisten, die Aufstände provizieren, denn das sind Informationen, die die Scheibenwelt in Gefahr bringen. Wir wollen uns auch nichts dabei denken, das die EU ganz offen und ungeniert Zwang auf den Alltag eines jeden Bürgers ausüben will, wir bei der Griechenlandrettung in erster Linie französische Banken retten und Attac deshalb im EU-Parlament demonstriert, weil mit der Einführung der EU-Wirtschaftsregierung ein Demokratie- und Sozialabbau ungeahnten Ausmasses zu erwarten ist.
Wir finden das in Ordnung, das Zimmer, die 14000 Euro in der Nacht kosten für 3,65 Euro Stundenlohn geputzt werden und das sogar die florierende Versicherungsbranche Niedrigstlöhne und Samstagsarbeit einführen will. Wir sind nämlich ganz auf der Höhe der Zeit und akzeptieren die uns erlaubten und öffentlich abgesegneten Wahrheiten in vollem Umfang.
Wir sind auch bereit, unseren Preis für die Verteidigung der Scheibenwelt zu bezahlen, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet:
Vergleiche zwischen Ländern mit hohem, mittlerem und niedrigem durchschnittlichem Einkommen zeigen eindrucksvoll, dass die Bedeutung neuropsychiatrischer Erkrankungen in den modernen Industriegesellschaften mit einem hohen mittleren Einkommen deutlich höher ist als in Ländern mit einem mittleren niedrigeren Einkommen, bei denen Infektionskrankheiten und durch Fehlernährung bedingte Störungen weiterhin eine sehr große Rolle spielen.
Nach Hochrechnungen der Weltbank und der US-amerikanischen Harvard University zum „global burden of disease“ (2, 3) werden depressive Erkrankungen im Jahr 2020 an zweiter Stelle aller Erkrankungen stehen, wenn man deren sozioökonomische Bedeutung für die Gesellschaft betrachtet.
Ich würde mir solche Untersuchungen mal bei jenen Menschen wünschen, die die Bilderberger für die Planung des nächsten Weltkrieges oder die gezielte Rahmensetzung wirtschaftlicher Existenzbedingungen der Menschheit verantwortlich machen. Vielleicht … sind sie ja gesünder, weil sie nicht tagtäglich die „Wahrheiten“ der Scheibenwelt verdrängen müssen.
Solange ein Realitätscheck zeigt, das für die Wahrheiten der Verschwörungstheoretiker weniger Hypothesen notwendig sind als man braucht, um die Wahrheiten der etablierten Medien zu verteidigen, lohnt es sich, sich bei der Erarbeitung eines eigenen Weltbildes auch bei alternativen Medien umzuschauen. Es hilft möglicherweise, geistig gesund zu bleiben.
Oder aber man wählt den Weg der willkürlichen Setzungen von Wahrheiten – hat der Papst auch gemacht.
„Die Erde ist eine Scheibe“ … und das Gerede über Verschwörungen ist einfach Quatsch.