Leben

Deutschlands Kriminalstatistik … ist sicher, Verrohung und Betrug sind es auch.

Von hier aus gelangen Sie auf die Autorenseite von und koennen alle kommenen Artikel mit "Link speichern unter" abonieren.

Die Welt wird jeden Tag besser und sicherer. Wir sind auch dem direkten Weg zum Endsieg, nur noch ein paar Huckel stören die ansonsten reibungsfreie Reise ins Paradies. Die reichen Menschen spenden Milliarden Dollar an die Pharmaindustrie, damit die grossflächig Kinder in der Welt impfen kann (die kurz danach verhungern, verdursten oder erschossen werden), während sauberes Wasser, genügend Nahrung und mimimale Sozialstandards für viel weniger Geld viel mehr für die Volksgesundheit tun könnte – das war in Europa auch so.  Sicher, in den USA geht die staatliche Post pleite und die ersten Banken bereiten sich auf die Zahlungsunfähigkeit der USA vor, aber das rummst erst im August und ist außerdem weit weg. Wir freuen uns schon über die ersten Bilder von Hungeraufständen in New York, während kaum von der Öffentlichkeit bemerkt auch das europäische Bankensystem vor dem Aus stehen könnte: stufen die Ratingagenturen Griechenland auf D herab, sind die Folgen unabsehbar. Auf CCC sind die Griechen aktuell gelandet … da werden die Zinsen wieder steigen und noch mehr Gelder aus den Rettungspaketen in die Kassen der Banken fließen – auch jener Banken, die zuvor direkt oder indirekt (das sind ja eigentlich fast alle) mit Steuermitteln gerettet wurden.

Doch das alles ficht uns nicht an. Uns geht es gut. Mag auch der Ackermann in den USA immer mehr ins Visier der Staatsanwälte geraten oder der deutsche Selbständige den Sozialstaat ausbeuten, wir fühlen uns wohl in diesem Land, weil wir hier ruhig und sicher leben können. Das sagt die Kriminalstatistik … bzw. sagt das der Innenminister über die Kriminalstatistik.

Die Polizei selber sieht ihre Statistik etwas differenzierter und erkennt vielfältige Unsicherheitsfaktoren, unter anderem kann auch der fortschreitende Stellenabbau bei der Polizei Grund dafür sein, das immer weniger Straftaten erfasst werden.

Nun – um Wirtschaftskriminalität hatte ich mich ja schon gekümmert. Die steigt, bei Anlage- und Finanzierungsdelikten 2009 um 176 % im Vergleich zum Vorjahr. 2010 sind nach einem erneuten Anstieg um 9 Prozent schon für 80% der Unternehmen eine ernsthafte Bedrohung, bei Großunternehmen sogar 90 %. Kapitalanlagebetrug stieg 2009 sogar um rekordverdächtige 214 % an.

Sicherheit … fühlt sich anders an – und auch die Nachrichtenlage ist in dieser Hinsicht verwirrend. N-Tv meldet, das bei der organisierten Kriminalität immer weniger Personen immer mehr Schaden anrichten – was einen Rückgang in manchen Statistiken bedeutet, die nur Täter zählen. Der Spiegel meldet einen Anstieg der Kindstötungen um 20 % in 2010 – auch eigentlich kein Grund zur Beruhigung.

Aber ein Grund, mal selber in die Statistik zu schauen, wohl wissend, das man keine Chance hat, sie zu verstehen noch sie sicher zu deuten, aber das BKA hat sich halt trotzdem viel Mühe mit ihren Zahlenwerken gemacht.

Ich weiß, das es 1990 eine Widervereinigung gab. Eigentlich war es eine Einverleibung mit anschließender Verdauung, die Reste werden gerade ausgeschieden, aber wir nennen das anders. Deshalb werde ich zum Vergleich nur … die „Häufigkeitswerte“ benutzen, die die Häufigkeit der Taten auf 100 000 Einwohner beschreiben. Für diesen Wert ist die absolute Einwohnerzahl nicht bedeutend.

Insgesamt sieht es gut aus. 7265 Straftaten pro 100 ooo Einwohner gab es 1987, 2010 waren es 7253. Insgesamt ein schönes Bild … wenn es nicht hässliche Details gäbe.

Da gibt es zum Beispiel die Körperverletzung. 1987 bekamen 327,3 Einwohner auf 100 000 was aufs Maul. 2010 waren es 664,5. Das ist ein Anstieg von „Körperverletzung“ von 100 %.  Dementgegen sinken die Angriffe auf Werttransporter im gleichen Zeitraum von 663 auf 120. Da ich kein Werttransporter bin, ist mir das egal, das im statistischen Durchschnitt da irgendetwas sicherer geworden ist.

Verbreitung pornographischer Schriften steigt von 1544 auf 8776, war schon mal 2007 auf über 15000 angestiegen, Häufigkeit: von 2,2 auf 10,7. Vergewaltigung durch Gruppen steigt im vergleichbaren Zeitraum um 50 % von 0,2 auf 0,3, ebenso die „überfallartige Vergewaltigung durch Gruppen“.  Vergewaltigung selbst steigt von 8,6 auf 9,4, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung steigen von 15,1 auf 18,8, „sexuelle Nötigung“ steigt von 5,6 auf 7,3.

Morde bleiben auf stabilen Niveau, strafbare Schwangerschaftsabbrüche und homosexuelle Handlungen gehen deutlich zurück, ebenso die exhibistionistischen Handlungen vor Kindern. Vollzug des Beischlafes mit einem Kind steigt um 30 % seit 1999, schwerer sexueller Mißbrauch von 0,1 auf 1,8 Fälle, sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger steigt von 0,7 in 1995 auf 1,7 in 2010, dafür sinkt die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger und die Förderung der Prostitution sowie die Zuhälterei.

„Rohheitsdelikte“ steigen von 461,6 auf 965, Tendenz ständig steigend, allerdings sinken die Raubüberfälle auf Postagenturen, Briefmarkensammeln generell ist nicht mehr so „in“.

Sonstige Raubüberfälle auf Straßen steigen von 13,2 über 40,0 im Jahre 1997 auf 24,2 in 2010. Da merkt man schon, das weniger Polizisten die Fälle aufnehmen können.

Gefährliche schwere Körperverletzung steigt von 104, 2 1987 auf 174,7 in 2010.  Die hauen nicht nur mehr aufs Maul, die hauen auch fester.

Misshandlung von Schutzbefohlenen steigt von 2,5 in 1987 auf 6,1 in 2010, Kindesmisshandlung im gleichen Zeitraum von 1,8 auf 4,6, vorsätzliche leichte Körperverletzung von 198 in 1987 auf 455 in 2010.

Straftaten gegen die persönliche Freiheit steigen im gleichen Zeitraum von 88,4 auf 241,6, Freiheitsberaubung von 106 auf 238 Fälle pro 100000 Einwohner, dafür sind Geiselnahmen rückläufig.

Diebstähle von Fahrzeugen, Mopeds und Fahrrädern sind rückläufig, ebenso der Schusswaffendiebstahl und der Diebstahl aus Automaten.

Kaufhaus- und Ladendiebstähle sind ebenso rückläufig wie Diebstähle aus Wohungen oder der Großviehdiebstahl, Diebstähle aus Hotels oder Kiosken nehmen ebenfalls ab, nur der Ladendiebstahl selbst nimmt zu … von 4,7 auf 15,1, dafür sinkt der Diebstahl aus Schaufenstern von 19,1 auf 2,6.

Obwohl auch die Straftaten nach dem Weingesetz deutlich abgenommen haben, beende ich meinen Streifzug durch die Kriminalstatistik mit einem gewissen Unwohlsein, denn was ich sehe, entspricht dem, was ich in den Medien nebenbei wahrnehme: es wird brutaler in Deutschland. Man bringt nicht mehr um … aber man quält mehr, schlägt, mißbraucht und vergewaltigt. Die Verrohung des Mittelstandes scheint sich in sehr hässlichen Zahlen wiederzuspiegeln – auch wenn der Innenminister den Hauptaugenmerk auf das Zunehmen des „Ausspähens von Computern“ richtet, das in der Tat seit 1987 enorm zugenommen hat – wie die Anzahl der Computer auch.

Da die Anzahl der Bürger aber eher rückläufig ist, können wir – abseits der offiziellen Verlautbarungen – schon erkennen, das das Leben auf Deutschlands Straßen brutaler geworden ist.

Wollen wir hoffen, das unsere Postagenturen nicht pleite gehen, denn dort kann man sich – statistisch gesehen – gut in Sicherheit bringen. Angesichts der steigenden Wirtschaftskriminalität bei sinkenden Wohnungseinbrüchen ist die sicherste Geldanlage wieder die alte Socke unter dem Bett – das wäre dann meine Anlageberatung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Die letzten 100 Artikel