Es gibt Worte, die mag man gar nicht mehr hören, weil man zuviel von ihnen hört, ohne das etwas zu hören ist. Eins dieser Worte ist: Bilderberger. Es wird gerade wieder aktuell, denn in drei Tagen findet mal wieder das jährliche Treffen dieser Gruppe statt, diesmal in der Schweiz. Die treffen sich in der Tat seit 1954, ursprünglich organisiert von einem Altnazi, der auch wegen selbstfinanzierter Söldnereinsätze in Afrika auf sich aufmerksam gemacht hat. Die Treffen sind natürlich ganz harmlos, das habe ich ja selbst schon mal feststellen können. Also eigentlich kein Grund, ein Wort darüber zu verlieren.
Vielleicht sollte man sich darüber mokieren, das die Kosten für teilnehmende Politiker von dem Steuerzahler übernommen werden, was die Politiker in Ordnung finden, weil es sich um keine private Veranstaltung handelt. Sieht man sich die ursprünglichen Ziele der Bilderbergerbewegung an, so verwundert diese Einstellung nicht: sie sind hochpolitisch und … hochverschwörerisch:
Für die Grundlage müssen wir bis zum Jahre 1948 zurück gehen, da Josef Retinger und Churchills Schwiegersohn Duncan Sandys kurz nach dem Haager Kongress in die USA fuhren, um dort für die europäische Integration zu werben. In ihren Gesprächen mit dem Begründer der CIA, William J. Donovan, und Allen Dulles, deren künftigem Direktor, wurde klar, dass die USA ein Interesse daran hatten, die Schaffung eines vereinigten Westeuropas zu unterstützen. Einige Forscher und Historiker sind der Meinung, dass das American Committee on a United Europe (ACUE) von 1949 bis 1960 vom State Department dazu benutzt wurde, das Projekt eines Vereinigten Europas in Form einer „liberalen Verschwörung“ voranzutreiben. Auf jeden Fall ist klar, dass Amerika nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem alten Kontinent einen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Brückenkopf schaffen wollte, der in der Lage war, dem Sowjetreich entgegenzutreten und dabei die expansionistische Doktrin der USA voranzubringen.
Um diese Aufgabe erfüllen zu können, braucht das Personal besondere Qualifikationen:
„Offensichtlich“, so Retinger, müssen die Teilnehmer an den jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenzen „einflussreich und allgemein respektiert sein sowie über Spezialwissen oder reichlich Erfahrung“ verfügen, um durch ihre „persönlichen Kontakte und ihren Einfluss in nationalen wie internationalen Kreisen den von Bilderberg gesetzten Zielen“ genügen zu können. Die Teilnehmer sollten von großer Offenheit sein, keine offensichtlich nationalen Überzeugungen vertreten und nicht mit Vorurteilen belastet sein, sowie die westlichen kulturellen und ethischen Werte teilen, um so dem Ziel, so viele Personen wie möglich aus den verschiedensten Kreisen zu erreichen, entsprechen zu können. Die Organisatoren achten darauf, parteipolitisches Gleichgewicht zu halten, denn „es kann nicht schaden, wenn Kontroversen auch im Rahmen […] [dieser] Konferenz polar ausgetragen werden“. Für die jeweilige Zusammensetzung jedes Treffens, so Retinger, wird ein Gleichgewicht angestrebt, welches so gut wie möglich die vorherrschende Meinung des jeweiligen Landes zu den vorgegebenen Themen widerspiegelt.
Man sucht gezielt einflussreiche Mulitplikatoren für das … geheime Ziel. Einer davon ist Cem Özdemir, in Deutschland bekannt geworden durch seine Offenheit für Privatkredite aus einflussreichen Wirtschaftskreisen. Nebenbei ist er auch Vorsitzender der Grünen. Doch zurück zu den zentralen und allgemeinen Qualifikationen der Bilderbergteilnehmer.
„Grosse Offenheit“ … wofür? Für neue Horizonte, die man ihnen erschließen möchte? Keine nationalen Überzeugungen … weil die geheimen Ziele den nationalen Volkswirtschaften schaden könnte? Keine Vorurteile … weil die Konferenz schon für „richtige“ Urteile sorgen wird? „Parteipolitisches Gleichgewicht“ …. weil man rechts und links gleichermassen für sich einnehmen möchte?
„Ein Netzwerk von einflussreichen Persönlichkeiten mit unklaren Zielen sucht Mitarbeiter ohne eigenen Standpunkt“ … so könnt eine Stellenanzeige der Bilderberger aussehen, nur wird es leider keine Stellenanzeige geben: der Kreis ist hochelitär und streng geschlossen. Da wird ordentlich gesiebt, bis man zur Teilnahme zugelassen wird. Das sorgt natürlich für Spekulationen:
Für die einen ist es eine Art „Weltregierung“ im Schatten, für die anderen nur ein überholter Gesprächskreis
So beschreibt es N-Tv.
Manche sehen in ihr eine Art „Schatten-Weltregierung“, andere nur einen überholten elitären Debattierclub
So beschreibt es der Spiegel.
Es ging um das Treffen 2010, man könnte den Eindruck bekommen, das da Formulierungen übernommen wurden, das ein gemeinsamer „Sprachcode“ für die Medien herausgegeben wurde, um zu verhindern, das allzu früh herauskommt, was dort wirklich geschieht. Die Sonntagszeitung in der Schweiz darf das ganz offen aussprechen:
Kees Van der Pijl, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität von Sussex in England, sagt: «Wenn sich Leute von politischem und gesellschaftlichem Gewicht treffen, geht es um wichtige Dinge.» Wie wichtig, schilderte er in einem Interview mit dem österreichischen «Standard». Von der Bilderberg-Konferenz 1989, kurz vor dem Mauerfall, seien ihm Dokumente zugespielt wurden, die belegten, dass dort die Bereitschaft Deutschlands abgeklopft wurde, mit Sowjet-Chef Michail Gorbatschow zusammenzuarbeiten. Reiner Debattierklub?
In der Tat ist das kein Debattierclub mehr, wenn dort Geschäfte eingefädelt werden. Auch wenn man das hundertmal behauptet, wird es nicht wahrer, vielmehr reicht ein belegter und dokumentierter Fall zum den Verdacht nahezulegen, das es sich hier um ein inoffizielles Steuerungsinstrument für Weltpolitik handelt, bei gleichzeitiger Verheimlichung der Ziele ist der Verdacht ohne jeden Zweifel gerechtfertigt, das es sich um eine Verschwörung handelt, umso mehr, als bei der Einladung drauf geachtet wird, das die Teilnehmer ein gewisses – konturloses – Profil aufweisen. Nochmal aus der Sonntagszeitung zu dem Thema:
Hans-Jürgen Krysmanski, emeritierter Soziologie-Professor aus dem deutschen Münster, betrachtet Konferenzen wie Bilderberg, aber auch das WEF in Davos als Teil einer informellen Strategie der globalen Elite, wie er der «Frankfurter Rundschau» sagte. Diese Konferenzen gehörten zu den «Begegnungen, bei denen die Reichen und Mächtigen aus Wirtschaft und Finanz unserer politischen Klasse auf den Zahn fühlen und ihnen sozusagen Schnellkurse darin verpassen, wie sie ihre Macht ausüben sollten.» Der nächste Kurs beginnt am Donnerstag.
Normalerweise sollten solche Erkenntnisse umgehend Folgen haben. Teilnehmende Politiker sollten umgehend aus ihren Ämtern entfernt werden, weil nicht mehr sichergestellt werden kann, wem nun ihre Loyalität gehört, welche Ziele sie in ihrer Amtsausübung nebenbei verfolgen und wie weit sie eigentlich noch in der Lage sind, autark und selbstbestimmt zum Wohle des Volkes zu handeln oder ob sie die Vorstellung einer „Diktatur der Finanzmärkte“ kritiklos übernommen haben und bereit sind, sich einer solchen zu beugen.
Ein bei Lobbycontrol vorhandener Artikel zeigt deutlich die Brisanz der Veranstaltung:
Als der US-Aktivist und Filmemacher Alex Jones 2006 nach Ottawa flog, um die dortige Bilderberg-Konferenz zu dokumentieren, wurde er 16 Stunden lang von Beamten der kanadischen Einwanderungsbehörde auf dem Flughafen festgehalten (der Ottawa Citizenberichtete am 8.6.2006). Der Journalist Campbell Thomas landete für acht Stunden im polizeilichen Gewahrsam, als er 1998 im schottischen Turnberry in der Umgebung des Konferenz-Hotels Leute interviewte (UK Press Gazette, 22.5.1998). Von einer zehnstündigen Befragung durch den deutschen Geheimdienst auf dem Münchner Flughafen berichtet BilderbergBuchautor Daniel Estulin aus Spanien, als er 2005 auf dem Weg nach Rottach-Egern war. Auch sein kleines Hotel in Rottach-Egern, wo er anschließend übernachtete, sei voller Geheimdienstler gewesen.Interessant ist dabei, dass die Konferenz offensichtlich von staatlichen Sicherheitsorganen geschützt wird, wo doch die Organisatoren stets betonen, das Treffen sei rein privat – ergo müssten eigentlich auch die Kosten für die Sicherheit privat getragen werden.
Die Ausübung von Staatsmacht zum Schutze eines konspirativen Treffens, der Einsatz von Geheimdienstlern zur Abschottung einer privaten Veranstaltung (für die wohl letztlich der Steuerzahler aufkommen darf) gehört nicht in das Umfeld eines demokratischen Gemeinwesens. Das sehen auch andere so, siehe Frankfurter Rundschau:
Der Mediensoziologe Rudolf Stumberger sprach im Deutschlandradio von „Tendenzen der Re-Feudalisierung“ durch Bilderberg. Und der Niederländer Kees van der Pijl, Professor für Internationale Beziehungen, rügt: „Die dort vertretenen Interessen haben nicht viel mit Demokratie zu tun.“
Es ist überhaupt gar keine Frage, das Geheimdienste und Verfassungsschutz auf diesen Veranstaltungen aktiv werden sollten. Uns als Bürger, als souveräne Herrscher dieses Landes interessiert es brennend, was dort vor sich geht. Vielleicht ist alles ja ganz harmlos – ich würde mir aber wünschen, das der Verfassungsschutz jeden Teilnehmer aus Deutschland gründlich befragt – und nicht die Journalisten. Dafür ist er da, siehe Website:
Gemäß § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) hat das BfV gemeinsam mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV) „Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen“ zu sammeln und auszuwerten über
1. Bestrebungen, die
- gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung oder
- gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder
- gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind,
2. geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (Spionagebekämpfung).
3. Ferner wirkt das BfV nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG beim Geheim- und Sabotageschutz mit.
Offensichtlich wirken informelle Treffen einer nach undurchsichtigen Gesichtspunkten auserwählten Machtelite nicht im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung und sind in der Tat gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes gerichtet … der in der EU konturlos aufgehen soll.
An der Uni Münster gibt es zu diesem Thema ein Forschungsprojekt: Wem gehört die EU?, eine Website widmet sich speziell den Bilderbergern und einer in diesem Zusammenhang eigentlich recht brisanten Fragestellung:
Eine zentrale Frage ist schlichtweg weshalb die Medien nicht über diese kleine Gruppe von einflussreichen Menschen berichten, welche sich seit nunmehr über 50 Jahren jedes Jahr zusammenfinden. Insbesondere da Medienvertreter selbst den Konferenzen teilnehmen (aus Deutschland etwa die Zeit und der Medientycoon Hubert Burda). Daran anschließend stellt sich die Frage wieso die Sozialwissenschaften sich über das Thema ausschweigen.
Ich wage mal zu bezweifeln, das wie zu diesen Fragen auch Antworten bekommen. Gegen ein kleines Häuflein von Fragestellern wirkt ein ganzes Imperium an Desinformationsprofis, die mit allen Mitteln der publizistischen und rhetorischen Kunst einen undurchdringlichen Schleier um das Phänomen Bilderberger weben und dabei auch vor Verleumdungskampagnen nicht zurückschrecken – oder vor Zensur.
Ganz ehrlich: wäre Bilderberger wirklich nur ein harmloser Debatierclub, würde man sich dann eine solche Mühe machen, seine Kritiker zu diffamieren?
Andererseits sollten sich auch alternative Medien nicht wundern, wenn ihr antizionistischer und antiisraelischer Marsch sie angreifbar macht – dieser Marsch erfolgt im Gleichschritt mit antisemitischen und rechtsradikalen Bewegungen. Man kann schlecht „Antizionist“ sein, ohne gleichzeig rechtsextremen Fahrwassern gefährlich nahe zu kommen. Das haben auch schon die LINKEN gemerkt. Und das in den alternativen Medien neurechte Bestrebungen aktiv sind, ist keine reine Erfindung der Bilderberger und schadet der Glaubwürdigkeit alternativer Medien generell. Deshalb werden die Bilderberger in aller Ruhe weiter ihr geheimes Süppchen kochen können, das offensichtlich hochpolitisch ist.
Und wir können uns sicher sein, das wir es auslöffeln dürfen.
Einige Zutaten habe ich in meiner Suppe schon entdeckt:
Einsatz der Bundeswehr im Ausland
Deregulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte
Politische Neuorganisation des europäischen Raumes
Umfassende Privatisierung staatlicher Hoheits- und Versorgungsstrukturen
Wachsender Einfluss privatwirtschaftlicher Machtballungen auf den politischen Raum
All das … will mir nicht wirklich schmecken.