Medienkritik

Griechenland: die Hartzies der EU und Deutschlands Zukunft – Rente mit 75

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Ich hätte da mal eine Frage. Aufgepasst: zur Beantwortung dieser Frage braucht man mindestens Abitur, besser noch ein abgeschlossenes journalistisches Studium. Man sollte sich ihr nicht leichtfertig mit seinem alltäglichen gesunden Menschenverstand nähern, man muss hier schon auf höherem Niveau abstrahieren können, sonst liegt man schnell falsch. Fairerweise sollte ich das hier sagen.

Also: alles bereit? Vernunft aus- und Gehirn eingeschaltet?

„Was liegt faul auf dem Sofa, ist ständig besoffen und lebt auf unsere Kosten?“

Was höre ich da?

Der Hartz IV-Empfänger?

Ja … das hatte ich mir gedacht. Deshalb hatte ich gewarnt: nicht zu leichtfertig urteilen, denn: es ist nicht mehr der Hartz IV-Empfänger. Aktuell ist es … DER GRIECHE. Bald wird es DER PORTUGIESE sein, dann DER SPANIER, bevor wir wieder zu den Pigs, den Schweinen ins Inland schauen, die aktuell schon von der Polizei erschossen werden, wenn sie Geld wollen. Obdachlose … so sei zu diesem Fall gesagt … haben manchmal so ein Problem mit ihrem Konto, so wie Sachbearbeiter manchmal ein Problem mit ihrer Intelligenz haben, weshalb die Jobcenter in Zukunft an den Gerichtskosten beteiligt werden sollen.

Der Lumpenelite ist das sowieso egal. In den neunziger Jahren gab es in den Printmedien verstärkt Meldungen, wonach die Finanzmärkte nach den deutschen Sozialstaatsgeldern gieren. 2011 haben sie sie eingesackt, da wird der Arbeitslose uninteressant, der Grieche muss her, da ist noch was herauszuholen, die haben noch Volksvermögen, das privatisiert werden kann.

Über Griechenland wissen wir ja auch Bescheid. Die gehen mit fünfzig in Rente und verdienen sich dumm und dämlich.

Das ist natürlich gelogen. Das ist völlig falsch – aber das interessiert die Medien ja nicht. Der Durschnittsjournalist berichtet, was ihm vorgesetzt wird und in den momentanen Mainstream passt, in Folge gibt es dann auch folgenschwere politische Reaktionen, siehe Süddeutsche:

Norwegen stoppt alle Hilfszahlungen an das hochverschuldete Griechenland. Grund sei, dass Athen seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, sagte der norwegische Außenminister Jonas Gahr Store. Er sei ‚traurig‘ über die Entscheidung, weil er die Situation nicht verschlimmern wolle, Norwegen habe aber keine andere Wahl.

Das ist die erste Regelsatzkürzung.

Wie es den Griechen wirklich geht – nun, das kann man einfach bei der für Hartz-abhängige zuständigen Agentur nachfragen, die kann auch dort weiterhelfen:

Die Lebenshaltungskosten sind im Durchschnitt etwas niedriger als in Deutschland. Preiswert ist vor allem das heimische Gemüse, dafür kosten Milch, Käse und Eier ein Drittel bis doppelt so viel wie in Deutschland und das Kilo Fleisch meist mehr als 8 €. Die Telefongebühren gehören zu den höchsten in Europa. Die Lebenshaltungskosten variieren je nach Region stark. Auf den Inseln sind die Preise höher als auf dem Festland – unter anderem wegen der Transportkosten. Die Mieten liegen in der Provinz unter deutschem Niveau, sind jedoch in den vergangenen Jahren stark gestiegen. In touristischen Gebieten fehlen oftmals Wohnungen; viele Vermieter ziehen es vor, Unterkünfte an Urlauber zu vermieten, und verknappen so das reguläre Angebot zusätzlich.

Kilo Fleisch acht Euro – für ein Land, das gerne Gyros isst, ein guter Preis. Und was verdient man so im Land der fiskalisch motivierten Vegetarier?

Das Lohnniveau ist in Griechenland sowohl im Vergleich mit anderen westeuropäischen Staaten als auch im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten recht niedrig. Dabei gibt es regionale Unterschiede: In Thessaloniki verdient man rund ein Viertel weniger als in Athen, im übrigen Land beträgt der Unterschied sogar 35 Prozent. Angestellte erhalten für einen Vollzeitjob im Durchschnitt gerade einmal 41 Prozent des Gehalts eines Angestellten in Deutschland. Innerhalb der Eurozone sind die Einkommen nur in Portugal noch niedriger. Ein Teilzeitjob reicht daher nicht aus, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten.

41 % eines Angestellten in Deutschland … das wird in der Medienhatz nicht gerade groß herausgestellt. Die arbeiten ja jetzt schon auf Leiharbeiterniveau. In konkreten Zahlen ausgedrückt, sieht das so aus:

Die höchsten tariflichen Mindestlöhne werden mit 1.080 € brutto pro Monat in der Branche Finanzdienstleistungen gezahlt; am wenigsten – rund 683 € – verdient man in den Branchen Maschinenbau sowie Elektro- und Elektronikindustrie (Stand: 2007). Branchenübergreifend und mit bis zu drei Jahren Berufserfahrung erhält ein Ingenieur im Durchschnitt mindestens 1.034 € brutto pro Monat, ein Programmierer 702 €, ein Sekretär mit Fremdsprachenkenntnissen 717 €, ein Buchhalter 771 € und ein Fahrer 716 €.

Davon kann man nicht gerade gut über die Runden kommen, noch die Begehrlichkeiten der Finanzmafia befriedigen. Kein Wunder, das die auf die Straße gehen.

Wsws gibt uns einen weiteren Einblick in den griechischen Alltag, der vielleicht ja bald auch der deutsche Alltag ist, wenn der Geist, der uns Hartz IV beschert hat, sich weiter durchsetzt:

Die katastrophale Situation im Gesundheitswesen lässt die Korruption gedeihen. Weil Tausende Planstellen für Ärzte und Pflegepersonal in den staatlichen Krankenhäusern nicht besetzt werden und die Löhne zu gering sind, gehören Bestechungsgelder zum Alltag. Wer einen normalen Service oder einen raschen OP-Termin will, steckt dem behandelnden Arzt ein „Fakelaki“, einen kleinen Umschlag mit Geldscheinen zu.

„Die Geburt eines Kindes in einem öffentlichen Krankenhaus zum Beispiel muss mit 1.000 Euro geschmiert werden“, berichtete Ellen Katja Jaeckel, die Leiterin des Athener Büros des Goethe-Instituts, in einem Interview über die Proteste in Griechenland 2008.

Die Durschnittsfamilie schlägt sich mit 600-700 Euro im Monat durch, erfährt man dort weiter, wovon sie jährlich nochmal 1600 Euro Bestechungsgelder abzweigen muss, um über die Runden zu kommen. Man merkt: die Griechen haben trotz Arbeit schon Hartz IV-Niveau.

In der Welt der konzern- und parteiunabhängigen Blogs findet man dann auch die Korrektur der griechischen Rentenlüge, hier bei print-würgt:

Das durchschnittliche Rentenalter in Griechenland ist übrigens 61,4 Jahre (Deutschland 61,7), die Lebensarbeitszeit in Griechenland tendenziell aber höher, weil weniger Leute, die heute in Rente gehen, studiert haben. Und, wir ahnen es inzwischen, die gern verbreitete Zahl von angeblich 94,7 Prozent des letzten Nettolohnes, den die Staatsdiener als Rente kriegen, bezieht sich nur auf das Grundgehalt und nicht auf die Zuschläge, die einen großen Teil (in Extremfällen den Großteil) des Gehaltes ausmachen. Die deutschen Rentner wären auf griechische Renten nicht neidisch (sie liegen bei durchschnittlich 630 Euro), deshalb werden die absoluten Zahlen nie irgendwo erwähnt. Das ist selbstverständlich Absicht, und zwar eine böse.

Genau. Das ist böse. Menschen ohne Anlageberater haben da noch ein Gefühl für, ein Gefühl, das vermittelt, was notwendiger Anstand und Fairniss für ein friedliches Miteinander ist.  Andere sind da weniger sensibel, aber über die habe ich im Zusammenhang mit diesem Thema ja schon mal geschrieben.

Vergleicht man das Einkommen der Entscheidungsträger mit dem Einkommen der Bevölkerung, so kann einem nur schwindelig werden – man weiß aber sofort, woher die boshaften Tendenzen in der Berichterstattung kommen … da geht es um viel Geld, das die einen haben und die anderen niemals bekommen sollen. Das Manager Magazin nennt da mal aktuelle Zahlen aus den Sphären der Lumpenelite:

Die Chefs von Puma, VW und Axel Springer sind Deutschlands am besten bezahlte Konzernchefs 2010. Die Liste der europäischen Topverdiener führt jedoch der Lenker eines britischen Konzerns an. Insgesamt zahlten die 50 Stoxx-Konzerne ihren Vorständen 1,1 Milliarden Euro. Die Dax-Vorstände verdienten 519 Millionen Euro – ein Plus von 28 Prozent.

Ein Plus von 28 Prozent … wofür eigentlich?

Nun, letztendlich: dafür, das man in Deutschland die Durchschnittsgehälter so langsam auf griechisches Niveau senkt, siehe Statista:

Das höchste Durchschnittsgehalt im Ländervergleich der OECD wird in Luxemburg verdient. Dort beträgt das durchschnittliche Gehalt rund 36.000 US-$. Deutschland liegt mit einem Durchschnittsgehalt von rund 22.000 US-$ innerhalb der wichtigsten Industriestaaten auf Platz 15.

Man kann sich vorstellen, auf welchen Plätzen sich da der faule Grieche tummelt, dem jetzt eine ganz besondere Ehre zukommt. Sieht man den Trend an, den unsere Wirtschaftslenker für uns vorgesehen haben, dann können wir da einen Blick in unsere Zukunft erhaschen, siehe Westdeutsche Zeitung:

In Deutschland haben 57,7 Prozent der 55- bis 64-Jährigen eine Stelle, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat ermittelt hat. In Griechenland arbeiten lediglich 42,3 Prozent der Älteren, in Spanien 43,6 Prozent und in Portugal 49,2 Prozent.

Zum Vergleich: In Schweden sind 70,5 Prozent aller Menschen in dieser Altersgruppe erwerbstätig.

Im Nachrichtenticker des Stern findet sich ein kleiner Kommentar von Jürgen Trittin dazu, dem Helden der deutschen Dose:

Für die CDU-Vorsitzende lägen „die Griechen lieber unterm Olivenbaum statt ordentlich die Ärmel hochzukrempeln“, sagte Trittin. Dabei hätten die deutschen Banken jahrelang „prächtig“ an der Überschuldung von Ländern wie Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien verdient. Deutschland habe mehr als ein Viertel seines Außenhandelsüberschusses mit der schuldenfinanzierten Nachfrage aus diesen Ländern erwirtschaftet.

In der Tat … zu diesen deutlichen Zusammenhängen findet man weniger Material in deutschen Medien. Nicht nur die Banken haben daran verdient, auch unseren Aufschwung verdanken wir zu einem großen Teil jenen Ländern, die jetzt am Hungertuch nagen, weil ihre verarmte Bevölkerung nun die (Alp-)Traumzinsen der Lumpenelite bezahlen soll, die sich von dem Geld ein gutes Leben macht und ihre politischen Kontakte ausbaut, siehe z.B. Spiro Latsis und seine Gang.

Erst hat man unsere Arbeitslosen der psychosozialen Vernichtung preisgegeben, obwohl es sich bei ihnen hauptsächlich um Alte, Kranke, Behinderte oder Alleinerziehende handelt. Jetzt führt man die psychosoziale Vernichtung im großen Stil fort und dehnt sie auf ganze Länder aus, letztlich wird wohl der gesamte europäische Kontinent dran glauben müssen, derweil  die Mittäter ihre Heimatländer verlassen und auf tropischen Inseln ein luxuriöses Asyl finden.

Das Wissen um diese Zusammenhänge ist da. Die Folgen des Raubbaus an den europäischen Volkswirtschaften sind auch bekannt, das Handelsblatt berichtete schon 2006 darüber:

Griechen, die ab Mitte der 90er Jahre ins Berufsleben eingetreten sind, werden bis zum 75. Lebensjahr arbeiten müssen. Das bestehende Sozialversicherungssystem sei nicht mehr zu bewahren. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Alpha-Bank, dem zweitgrößten Kreditinstitut Griechenlands. Doch wie auch in anderen Ländern Europas, fürchten sich die Politiker davor, dieses heiße Eisen anzupacken.

Wie üblich lassen wir uns aber einlullen von den skrupellosen Vergewaltigern des Medienauftrages, die uns täglich mit großem Getöse ihre Lügen präsentieren, die man als solche nur mit viel Mühe enttarnen kann. Darum ist „Beschäftigung“ soviel wichtiger als „Arbeit“ geworden. Die Leute müssen zu tun haben, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen.

Zum Beispiel einen Generalstreik ausrufen, die Beute der neoliberalen Raubzüge verstaatlichen und die Kosten dieser Raubzüge den Verursachern aufbürden.

Es gibt in dem Spiel nicht nur Opfer, sondern auch Täter.

Viele von ihnen haben ein Bundesverdienstkreuz.

 

 



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