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Macht Arbeit tatsächlich frei …?
oder
Unser Zivisilatorischer Pyrrhussieg…
Keine Frage, Arbeit erfüllt einen, in keinem Fall zu leugnenden, nützlichen Zweck. Das schöne an der Arbeit ist; erst entsteht eine Idee für deren Verwirklichung gearbeitet wird, dann wird solange an dieser Idee gewirkt bis sie Realität ist und dann ist die Arbeit getan und ein jeder ist froh und glücklich alles gut bewerkstelligt zu haben. Es kommt ja auch immer wieder neue Arbeit dazu, denn dank des Entropiegesetzes lässt die Zeit die Dinge altern und zerstört damit des Menschen Werk ständig aufs neue. So muss eben stets wieder und wieder für Nachschub gesorgt werden. Brötchen werden aufgegessen, Schuhe verlieren die Sohlen, Maschinen gehen kaputt und verrotten, Kleidung verschmutzt und verschleißt usw…
In unserer noch recht kurzen Menschheitsgeschichte war die Arbeit die meiste Zeit dazu da, das Leben an sich zu erhalten und immer auch ein Kampf die Arbeit an sich zu erleichtern. Heute verrichten diese Arbeit zum grossen Teil Wesen die wir geschaffen haben; gigantische “Golem´s” aus Stahl verrichten die schwere Knochenarbeit, dienstbare Geister aus Silizium übernehmen mit Hilfe von Bits und Bytes die langweilige und nervtötende Zählarbeit und immer mehr auch schon die Denkarbeit in Schwindel erregenderer Geschwindigkeit. In unserer “neuen” Zeit haben wir den Kampf der Arbeit endlich gewonnen – diese Revolution ist endlich geschafft… eine Befreiung vom Joch der Arbeit wie sie schon biblische Autoren seit der Vertreibung aus dem Paradies herbeigesehnt hatten.
Wir könnten heute die Ernte, der von unzähligen Generationen gesäten Früchte einbringen, diese Früchte fallen uns praktisch massenhaft in den Schoss. Das Paradies öffnet seine Pforten erneut und wir könnten eintreten…
Aber, wenn wir hineinsehen, erschaudern wir, denn da drinnen lauert ein Gespenst, – es heißt; ARBEITSLOSIGKEIT…
Die Zeitenwende vom Arbeitsfrohn zum Mangel an Arbeit ist somit eine Rückwende. Aber dieser Arbeitszwang ist ja höchstens 10.000 Jahre alt, Eine Folge übrigens von ziemlich unkluger Vermehrung. Doch die Entwicklung zum Homo Sapiens hat ja schon vor etwa 400.000 Jahren begonnen. Die Verklärung der Arbeit durch Apostel wie Paulus, der sich rühmte seinen Lebensunterhalt als Zeltmacher zu verdienen, ist in der Geschichte der Christenheit ein Irrtum erster Güte, leicht zu wiederlegen, und übrigens auch gerade erst mal 2000 Jahre alt.
Der Sinn des Menschen liegt nicht in der Arbeit, nicht in acht und mehr Stunden Malurche am Fliessband einer Fabrik ist des Menschen Zweck zu finden, sondern in der Nicht-Arbeit.
Dies übrigens ist schon ein sehr alter Grundgedanke aus der Antike.
Der große Philosoph Heraklit von Ephesos, auch “Der Dunkle” genannt, soll sich seines Vermögens, das er mit selbst erfundenen Ölmühlen erwarb, geschämt haben. Allerdings nicht weil er Sklaven für sich arbeiten ließ, sondern weil er hohe mathematische Ideen auf diese Art profanisiert sah. Ein freier Mensch strebt immer nach Weisheit, forscht und erfindet, – ein Sklave arbeitet…
Die Ordensregel der Benediktiner besagt; “Beten und Arbeiten”. In den Evangelienübersetzungen des Augustinermönchs Luther sind die Tagelöhner, die Arbeiter am Weinberg, die anschaulichsten Menschen des Neuen Testaments. Für Luther, geprägt wohl auch durch die Schriften des britischen Mönchs Pelagius, war der Arbeitserfolg auf Erden das Vorzeichen einer künftigen Berufung ins Gottesreich. Doch obwohl die christlichen Traditionen heute zum großen Teil eingeebnet sind, thront die Hochschätzung der Arbeit nach wie vor wie ein Fels in der Ebene und trotzt scheinbar jeder Erosion.
Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen,- Hervorragende Vertreter dieses Paulus Wortes sind nicht zuletzt Hitler, Stalin, Mao, usw….
Dieses Wort eignet sich vorzüglich für jede Art von Diktatur, die “Per se” immer zu einer Fehlkonstruktion wird und am Menschen vorbei gedacht ist. Damit wird der “Bürger” aber auf Linie gebracht und zur Arbeit angetrieben. Dem “Faulpelz”, der sich der heiligen Pflicht zur Arbeit entzieht, wird so der Vorwurf des “Schmarotzers” gemacht und dann nicht selten auch der Garaus. Das er in Zeiten der knappen Arbeit auf einen der seltenen Arbeitsplätze und auf ein sicheres Einkommen verzichtet, und oder auch gerade auf jenen von dem, der solcherlei Faulheit verurteilt, ihm damit aber den Job und das Einkommen erst ermöglicht, wurde und wird dann gern mal vergessen.
Und heute, dank einer alles umwälzenden industriellen Revolution, dem Technischen Fortschritt, mit ungeheuer gesteigerter Produktivität, die ja gerade erst vor etwa 200 Jahren richtig in Gang gekommen ist, verwandelt sich Mutter Erde schneller in eine unbewohnbare Mülldeponie als wir es wahrhaben wollen. Immer schneller werden wertvolle Rohstoffe zu Abfall und teure Energieträger zu Gift – und Treibhausgasen. Und das nicht zuletzt auch aufgrund jenes (christlichen) Arbeitsethos, aber auch aufgrund einer kleinbürgerlichen Abscheu vor einer verwerflichen Faulheit.
So sind wir heute, mehr als jemals vorher, auf dem besten Weg unseren Blauen Planeten in eine leblose Wüste zu verwandeln. Das ganze nennen wir dann auch noch Wachstum…
Aber dann doch wohl allenfalls in bösartiger (malignitärer) Hinsicht; ähnlich dem eines Krebsgeschwürs…
Jenem Technischen Fortschritt, wie er vom Marxismus einst verherrlicht und vom Kapitalismus dann schlussendlich verwirklicht wurde…
Dank dieses Technischen Fortschritts ersticken wir heute in unseren “Wohlstandsländern” unter der Riesenlast der Dinge, die wir von cleveren Marketingexperten zu brauchen geglaubt werden.
Aber da sind ja auch noch die Heere der Abermillionen und Milliarden von potenziellen Konsumenten in den “Entwicklungsländern” wie China, Indien u.ä., die danach lechzen auch in denselben Konsumgüterfluten zu schwimmen und letztlich abzusaufen wie wir.
Einzig die Arbeit fehlt – Aber anstatt diese Wende zu erkennen und sich der Befreiung vom uralten Arbeitszwang zu erfreuen, wird die Arbeit umso mehr vergöttert und mit Anwendung der primitivsten aller psychologischen Marktgesetze um so höher geschätzt je knapper sie wird.
Das Fatale an der Unlust der dadurch neu gewonnenen Freiheit ist, daß die Verteilung der gewonnenen Mittel ungerecht erfolgt ist und das Politik nur von Doktrinen und leider sehr wenig vom Denken geleitet wird. Den einmal eingeschlagenen Weg darf man(n) auf keinen Fall verlassen.
Das nationalökonomische Dogma von der Unendlichkeit der menschlichen Wünsche ist offensichtlich ein großer Unsinn, wie die Existens der Werbung zwingend beweist. Bedarf kann sehr wohl gesättigt werden und muss deshalb immer wieder neu geweckt werden.
Zum Glück machen immer mehr Leute die Erfahrung, dass die Dinge nur dann einen echten Wert bekommen, wenn man sie mit dem Faktor Zeit multiplizieren kann. Zeit ist der einzige unvermehrbare Rohstoff des Lebens, sie ist die einzige harte Währung. Allerdings geht das direkt in ein anderes Dilemma über;
Die Verdienenden haben mehr Dinge als sie nutzen können, ihnen fehlt es schlicht an der Zeit. Den Arbeitslosen, deren einziger echter Reichtum die Zeit ist, fehlen oft die einfachsten Dinge. Aber in einer “Geiz ist Geil “- Gesellschaft ist dies auch nur das fatale Ende einer Fehlentwicklung.
Als Folge sinken dann die Gewinnerwartungen der Unternehmen massiv, Investitionen in die Zukunft unterbleiben ganz oder werden einzig zum Zweck einer weiteren Rationalisierung verwendet. Ergebnis sind dann Scharen von “McKinsey” und “Boston Legal Group” – Prozess-Optimierern, die wie die Heuschrecken von Unternehmen zu Unternehmen flattern und witzigerweise inzwischen auch schon von den Kirchenoberen angeheuert werden um “Blut aus Steinen” zu pressen…
Wenn ein neuer Arbeitsplatz fünf alte überflüssig macht und fünf neue fünfundzwanzig alte überflüssig machen, nach welcher Logik bitte, soll da das Wirtschaftswachstum noch mit dem Einkommen gekoppelt sein. Es ist eine (amerikanische) Logik gegen alle Logik, die sich da breitgemacht hat. Der Sinn des Fortschritts sollte sein, den Menschen zu entlasten und das nicht nur in physischer Hinsicht.
Sollte dieses hektische und teilweise hysterische Gerede über Arbeit nicht endlich eingestellt und über Menschliche Arbeit neu nachgedacht werden.
Verteilungsversuche über Verkürzungen der Arbeitszeiten sind notwendig aber leider nicht die Lösung.
In einer Welt der immer spezialisierteren Berufe sind solche Versuche unvollständig gedacht und können keine echten Lösungen bieten.
Die Verteilung von gerechtem Einkommen wird in solch einer Welt kaum vollständig gelingen und soziale Spannungen sind somit vorprogrammiert.
Eine Absicherung aller Menschen durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre die optimale Lösung, stösst aber in einer Gesellschaft, wie der unseren auf harsche Kritik aus allen Lagern. Was den meisten Gegnern dabei nicht klar ist, ist, dass ein BGE zuerst einmal jedem Menschen erlaubt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, auch bei Nichtarbeit. Das ist ein sehr entscheidender Punkt für den sozialen Frieden.
Dann ermöglicht es den Menschen, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Wer sich gern mit seinen, z. Zt. aus Mangel an Gelegenheit, verborgenen Begabungen und Interessen auseinandersetzen möchte, kann dies dann ohne Existensängste tun, was ein Quantensprung für unsere Gesellschaft bedeuten würde und helfen kann, uns zu dem zu entwickeln der/die wir wirklich sind.
Die Finanzierung eines BGE würde uns auch nicht vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen, da es genügend Reichtum in diesem Land gibt, der allerdings sehr schlecht und ungerecht verteilt ist und riesige global operierende Unternehmen keine grossen, bzw. gar keine, Steuerabgaben leisten.
Es bedeutete auch nicht, daß dann niemand mehr arbeiten möchte, da es sich doch so schön vom BGE leben liesse. Die Menschen wollen arbeiten, aber es sollte keine unterbezahlte Fronarbeit sein. Im Moment arbeiten viele Menschen weit unter ihrer Einkommensschmerzgrenze, weil es auf dem Arbeitsmarkt einen enormen Druck gibt. Erzeugt wird er aus der Angst vor dem „Stigmata“ Arbeitslosigkeit und dem daraus resultierenden sozialen Abstieg der Betroffenen. Dies erschafft Konkurrenz unter der Arbeiterschaft, die aus Angst vor Arbeitsplatzverlust stillschweigend fast alles akzeptiert, was die Unternehmerschaft ihnen diktiert. Bei einem BGE würden all diese Pressionen verschwinden und die Arbeit würde gerechter bezahlt und die Arbeitsbedingungen würden sich ebenfalls verbessern, da der Unternehmerseite sonst die Arbeiter davonlaufen würden.
Nur wenn bei Verlust oder Aufgabe des Arbeitsplatzes das Soziale Aus bevorsteht, sind Menschen bereit sich erpresserischen Bedingungen zu unterwerfen. Haben sie erst einmal eine Sicherheit für sich und ihre Familien, würde sich auch auf dieser Seite die Wagschale wieder in einem Gleichgewicht befinden. Und für denjenigen, der arbeitet würde ja das daraus erzielte Einkommen zu seinem BGE dazukommen. Also wenn das kein Anreiz zur Arbeit ist…
Es gibt sowiso nicht den „einen“ Typ Mensch ;
Eigentlich reden wir von drei Gruppen von Menschen;
– Zum ersten die Gruppe der Leute die gern arbeiten, da die Arbeit vielgestaltiger, kreativer und geistig anspruchsvoller und weniger monoton und nervtötend ist als noch vor Jahren.
– Dann die zweite Gruppe, die sich vom wachsenden Tempo und den steigenden Anforderungen bedrückt und teils überfordert fühlen. Sie fühlen sich in den gleichen Tretmühlen wie schon viele Generationen vor ihnen.
– Und schliesslich gibt es auch noch die Menschen, die ihre Zeit lieber mit angenehmeren Tätigkeiten als mit Arbeit verbringen.
Es ist ein ausgemachter Unsinn und erzeugt große Konflikte, wenn in einer Zeit, in der Arbeit endlich knapp wird, die alten Vorstellungen von Arbeitspflicht und der Verwerflichkeit des Nichtstuns weiter am leben gehalten werden. So als gäbe es jede Menge zu schaffen und der “Faule” würde von der Plackerei des Fleißigen leben.
Diese sogenannte Faulheit wird wahrscheinlich mehr und mehr zu einem bedeutender Beitrag zum sozialen Frieden werden. Denn wo Arbeit knapp wird, darf der nicht verachtet werden, der keine Arbeit hat. Jeder Frieden hat seine Preis, auch und insbesondere der soziale !
Wer sich aufgrund von Nichtarbeit mit einem bescheideneren Lebensstandard zufrieden gibt, die Umwelt dadurch entlastet, der keinem, der gern arbeitet, den Arbeitsplatz wegnimmt, darf dafür nicht auch noch bestraft und womöglich kriminalisiert werden.
Ein menschenwürdiges Auskommen sollte Anreiz des Nichtarbeitens bei Verzicht auf Wohlstand sein. Hat nicht jeder Mensch einen Grundanspruch auf das eingangs erwähnte Erbe jener unzähligen Generationen vor uns bereits längst erworben ? Ist Eigenleistung in einer von Maschinen getriebenen Überflußgesellschaft überhaupt noch nötig ? Ist der alte pädagogische Gedanke der Forderung nach Eigenleistung heute überhaupt noch zeitgemäß ?
“Es gehört sich zu Arbeiten, andernfalls darfst Du nicht leben !”
Das ist doch wohl ein recht übles Totschlagargument aus hoffentlich bald vergangenen Tagen.
Ist nicht die ehemals angeprangerte Verschwendungssucht heute längst zu einer erwünschten Tugend namens Konsumorientierung geworden…
Da sollte die gesellschaftliche Verklärung der Tatsache, daß Arbeit der Lebenssinn des Menschen ist endlich einmal aufgebrochen werden.
Diese Verklärung macht die erzwungene Arbeitslosigkeit für den Betroffenen – über den Verlust des Einkommens hinaus – zu einer unerträglichen und erdrückenden Seelenlast.
Um sie zu erleichtern, sollten wir uns alle daran erinnern, daß die Menschenwürde nicht am Arbeitsplatz wohnt… !
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Mit Dank an
Michael Hoather