Politik

Der Asozialstaat – Deutschland 2011

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Deutschland ist ein soziales Land. So habe ich das in der Schule gelernt – und so lernen es meine Kinder heute auch noch. Ich habe extra mal bei „Planet Schule“ nachgeschaut:

Um das Wohlergehen aller zu sichern, hat ein demokratischer Staat wie der Bundesrepublik Deutschland den Anspruch hinzu, die materielle Not der Bürger zu lindern und soziale Gerechtigkeit anzustreben. Wir sprechen von Deutschland als einem Sozialstaat – einem Zusammenschluss von freien Bürgern mit dem Zwecke des gemeinsamen Wohlstandes in sozialer Gerechtigkeit. Alle Bürger sollen im Stande sein, aktiv an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen teilzuhaben.

Und was macht der Sozialstaat sonst noch so?

Der Sozialstaat setzt sich zum Ziel, menschenwürdige Lebensverhältnisse sicherzustellen, Armut zu bekämpfen, in Notlagen zu helfen, Chancengleichheit zu schaffen, ein Einkommen im Alter zu sichern, das Risiko bei Arbeitslosigkeit zu minimieren sowie bei Krankheit, Pflege und bei der Kindererziehung finanziell zu unterstützen. Da die Durchsetzung dieser Garantien Geld kostet, wird ein erheblicher Teil der Steuereinnahmen für die soziale Sicherung verwendet. Die Bürger eines Sozialstaates sind Teile einer Solidargemeinschaft, die im Ernstfall füreinander einstehen. Der Staat übernimmt die Organisation der sozialen Absicherung.

Das hört sich schön an, oder? „Teile einer Solidargemeinschaft, die im Ernstfall füreinander einstehen“. Und so etwas erzählen die unseren Kindern ohne rot zu werden. In der Zeit schrieb ein Historiker 2005 folgende Zeilen:

Heute vergeht kaum noch ein Tag, an dem keine Hiobsbotschaft aus Berlin das verstörte, zwischen Zorn und Resignation schwankende Publikum erreicht. Es scheint, als sei man entschlossen, den langen Weg, der in der Bismarck-Zeit begann, mit Mutwillen zu verlassen. Statt den Sozialstaat weiterzuentwickeln, zielt man auf dessen »Rückbau«, an die Stelle gesicherter Rechte soll private Fürsorge treten. Ein Blick zurück auf die Anfänge, aber auch die Kämpfe der Weimarer Zeit zeigt, was dabei auf dem Spiel steht: der soziale, der innere Frieden des Landes.

Wie am Ende der Weimarer Republik bauen wir den Sozialstaat wieder zurück. Das ist sehr mutig – der letzte Versuch in dieser Richtung hat zum Krieg geführt. Offenbar ist man sich heute sicher, den Kampf zu gewinnen. Oder man ist so degeneriert, das man „nicht an den Krieg glaubt“, weil schon die Eltern nicht mehr wussten, was das eigentlich ist.

Verlassen wir die Märchenstunde der Schule, in der schon lange nicht mehr fürs Leben gelernt wird. Wenden wir uns der Realität der Berliner Republik Deutschland zu, die Rechtsnachfolgerin der alten Bundesrepublik Deutschland geworden ist, jenem alten, verlorenen Paradies, in dem selbst ein Helmut Kohl die Lobbyisten von Banken und Konzernen noch zum Teufel jagte, während sie heutzutage bei jedem Gesetz und jeder politischen Entscheidung ihre fünftausend Finger im Spiel haben.

Bleiben wir für heute erstmal bei den Arbeitslosen, jenen Sozialfällen, die im Zuge der Globalisierung auf der Strecke geblieben sind. Im Rahmen des Konzeptes des Fördern und Forderns wurden sie mit sehr knappen finanziellen Mittel ausgestattet, was sie dazu befähigen sollte, die Folgen der Globalisierung ohne Hilfe von Staat und Wirtschaft ganz allein zu tragen. Das führt zu einem menschenunwürdigen Leben, wie inzwischen sogar BA-Vorstände zugeben.

Wenn ich jetzt als normaler reicher Bürger (von denen wir ja einige haben) sage: NEIN, DAS WILL ICH NICHT! so kann ich das tun, was der Unternehmensberater und Managementtrainer Anthony Robbins  empfiehlt: ich kann was verschenken. Ganz persönlich und anonym an Menschen, die ich gar nicht kenne. Ich schleiche mich also nachts in ein Hartz IV Ghetto uns stecke Briefumschläge mit je 2000 Euro in Briefkästen von jungen Müttern mit kleinen Kindern, weil ich ihre materielle Not lindern will. Immerhin: gerade den Kindern geht es besonders schlecht.

Ich gehe dann erstmal beruhigt von dannen mit dem guten Gefühl, mit meinem Reichtum endlich mal was richtig Gutes getan zu haben. Anders als andere Reiche, die sich vom Sozialstaat schon mal persönlich verabschiedet haben, weil sie ihn gerade mal nicht brauchen (außer natürlich bei Bankenkrisen, wo ihr persönliches Risikoinvestment in Gefahr gerät,  verloren zu gehen) und ihr Geld lieber im Ausland verstecken, habe ich einen direkten persönlichen Beitrag geleistet.

Doch was geschieht?

Kaum erfährt der Staat von der Tat, greift er sich das Geld ab! Obwohl hier nachweislich Armut herrscht, die ich persönlich lindern wollte, nimmt der Staat – die Berliner Republik Deutschland – den Armen MEIN GELD wieder weg und steckt es sich in die eigene Tasche. Das war „Einkommen“, das dürfen Arme nicht haben, sonst wären sie ja auch nicht mehr arm. Das nennt man auch „berlinern“, wird bald als neues Verb im Duden stehen.

Ich wäre gewillt, die gleiche Aktion nochmal mit 5000 Euro zu fahren (man stelle sich einfach mal die glücklichen Gesichter vor), doch ich weiß wie das ausgeht: das Geld landet in Berlin. Was lernen wir in der Schule?

Wir sind ein: Zusammenschluss von freien Bürgern mit dem Zwecke des gemeinsamen Wohlstandes in sozialer Gerechtigkeit.

Wir sind aber keine freien Bürger mehr. Selbst ich als reicher Bürger habe meine Grenzen. Ich darf per Gesetz keine notmindernden Massnahmen ergreifen, der Staat WILL ARMUT mit ALLER MACHT DES GESETZES!

Und keinen störts.

Nun bin ich selbst arm geworden ob meiner Versuche, Armut mit Geld zu bekämpfen, während der Staat von meinem Geld Banken rettet. Aber es gibt einen kleinen Sonnenschein in meinem Leben: eine der alleinerziehenden Mütter hat mein Herz berührt. Bin ich auch arm, so habe ich doch die Liebe meines Lebens gefunden.

DOCH HALT!

Auch hier regiert die Berliner Republik!

Gestehe ich nämlich öffentlich und frei – wie es ganz normal ist – meine Liebe zu dieser Frau ein und möchte mit ihr eine Familie gründen, so kommt der Staat erstmal mit einer Rechnung. Beziehungen mit Hartz-Abhängigen führen zur Verpflichtung, dem Staat die Pflicht der Versorgung der beteiligten Personen abzunehmen. Eine Beziehung zu mir führt bei der Mutter zur kompletten Streichung der Bezüge, sie wird zu einer „Bedarfsgemeinschaft“ mit mir zwangsverpflichtet.

Der Staat verkauft mir sozusagen die junge Mutter.

Ich schaue in mein Leiharbeitergehaltssäckel und sehe: ich kann mir keine junge Mutter mit Kind leisten. Ich kann gerade mal für mich selbst aufkommen.

Also: Finger weg von der Mutter! Die gehört dem Staat und der verkauft sie nur an Leute, die sich auch eine eigene Hartz-Frau leisten können!

Noch schlimmer ist es, wenn die Mutter ein behindertes Kind hat, das eine ärztlich attestierte Sonderernährung braucht: die kriegen nämlich Kinder in Deutschland nicht. Diesen „Mehraufwand für Sonderernährung“ bekommen in Deutschland (wie schon 1933 – 1945) nur ARBEITSFÄHIGE Menschen. Durch das Verbot der Kinderarbeit (das auch immer mehr gelockert wird) fallen arbeitsunfähige Kinder aus dem Raster heraus.

Schade für die, denn die verrecken dann.

Oma darf ja auch nicht helfen, siehe meinen Versuch, die Armut in Deutschland persönlich zu lindern.

Für mich selbst sieht es auch schlecht aus. Meine Versuche, durch Arbeit wieder auf die Beine zu kommen, bringen kaum noch Geld. Dabei sollte Arbeit Geld bringen, „beschäftigen“ kann ich mich auch mit anderen Tätigkeiten. Aber Arbeit und Geld sind zwei Begriffe, die immer weniger miteinander zu tun haben, so will es die Berliner Republik, siehe le-bohemien

Schon längst sind aber nicht mehr nur noch ungelernte Hilfsarbeiter in der Reinigungsbranche oder im Bereich der Produktion von der Schlechterstellung durch Leiharbeitsverträge betroffen. Nur noch rund 45 Prozent der Leiharbeiter lassen sich zu dieser Gruppe zusammenfassen. Weitere 45 Prozent setzen sich aus Facharbeitern wie Schlossern, Elektrikern oder Mechanikern zusammen.

Auch in den Bereich der hochqualifizierten Arbeitskräfte hat die Leiharbeit bereits Einzug erhalten: 10 Prozent der Leiharbeitskräfte – also rund 100.000 Menschen – sind trotz akademischer Ausbildung als Leiharbeiter tätig.6 Oft geschieht dies noch in beiderseitigem Einverständnis, etwa wenn Ingeneure sich nicht fest an einen Arbeitsplatz binden und zunächst verschiedene Arbeitgeber kennen lernen wollen.

Ich selbst muss sogar fürchten, obdachlos zu werden, weil die Berliner Republik den Arbeitsmarkt für Billigkräfte aus dem Ausland öffnet, die den preiswerten Wohnraum komplett vernichten, siehe News.immobilo

Als Folge der seit 1. Mai geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit, nach der Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen Staaten in Deutschland Jobs annehmen können, rechnet der Mieterbund mit steigenden Mieten in Ballungsräumen. Besonders im Bereich der Kleinraumwohnungen werden deutliche Mietsteigerungen erwartet.

Überhaupt sehen meine Chancen schlecht aus – für mich und für Millionen andere Deutsche auch, selbst im Aufschwung geht es mir dreckig, siehe Neues Deutschland:

Vor allem aber explodiert die Zahl der 400-Euro-Jobs, die 2010 auf 7,3 Millionen gestiegen ist. Immer mehr reguläre Stellen werden in solche Jobs zerlegt, die Bezahlung liegt oft nur bei der Hälfte des Tariflohns. Und fast zwei Drittel dieser Minijobber sind Frauen. Nach ökonomischen Gesetzmäßigkeiten müsste eine selbsttragende Konjunktur den allgemeinen Preis der Arbeitskraft erhöhen. Dass im Gegenteil die Entwertung fortschreitet, ist ein Indiz für die mangelnde Substanz des Aufschwungs.

Ich werde wohl nie mehr in der Lage sein, meinen Mitmenschen aus eigener Kraft aus ihrer Not zu helfen. Und der Finanzwirtschafter sagt mir, das es insgesamt für Deutschland kaum noch Hoffnung gibt:

Der private Konsum macht rund 60 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung aus und ist damit die wichtigste Stütze für die Konjunktur. Volkswirte erhoffen sich von der Erholung am Arbeitsmarkt positive Impulse für den privaten Konsum. Maßgeblich ist aber die gesamte Lohnsumme und nicht die amtliche Arbeitslosenstatistik. Es ist durchaus möglich, dass die Prognosen die Auswirkung einer Zunahme der Beschäftigung überschätzen. Schließlich verlief die Lohnentwicklung in den vergangenen 10 Jahren sehr schwach. Wer heute aus der Arbeitslosigkeit heraus eine neue Stelle antritt, verfügt nicht mehr zwingend über ein hohes verfügbares Einkommen.

Was lernt man noch in der Schule?

Wir sind ein Zusammenschluss von freien Bürgern mit dem Zwecke des gemeinsamen Wohlstandes in sozialer Gerechtigkeit.

Offensichtlich ist das eine Lüge.

Wir sind ein Haufen unorganisierter Globalisierungsopfer, die sich von einer Bande skrupelloser Wirtschaftskriegsgewinnler das eigene Land stehlen ließen und jetzt auf die Formen der menschlichen Resteverwertung warten, die man sich in Berlin wieder ausdenkt. Die Aussichten sind insgesamt düster, siehe Süddeutsche Zeitung:

Fordern ja, fördern nein: Der Bund hat die Mittel für die Qualifizierung von Hartz-IV-Beziehern drastisch gekürzt. Arbeitsagentur und Wissenschaftler schlagen Alarm: Hunderttausende müssten auf eine Jobperspektive verzichten.

Wir sind aktuell nur noch Schafe auf der Schlachtbank.

Das ist die Berliner Republik Deutschland: ein Asozialstaat, ein Zusammenschluss von unfreien Bürgern zum Zwecke der persönlichen Bereicherung und Förderung der sozialen Ungerechtigkeit. Man hetzt alle Bürger gegeneinander und fördert nur noch die, die in diesem Chaos kräftig abkassieren … und natürlich ihren Tribut entrichten, siehe Spiegel:

Ludwig-Holger Pfahls, Ex-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, soll nach SPIEGEL-Informationen für seine Hilfe bei Rüstungsdeals viel mehr Geld bekommen haben als bisher bekannt. Der Lobbyist Karlheinz Schreiber soll ihm insgesamt 3,8 Millionen Mark überwiesen haben.

Und der soziale Friede? Ist für die Armen schon lange fort, aber auch für die staatlich geförderten Subjekte wird es unruhiger, siehe TAZ:

Zu zwei Anschlägen auf Autos in der Nacht zu Montag hat sich eine anonyme Gruppe in einer Bekennermail an die taz bekannt. Opfer sind Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) und die Immobilienverwaltung Landschulze. Grund sei die Wohnungsnot in Hamburg sowie die „Verhöhnung der Notlage der Wohnungssuchenden“ durch die Senatorin.

Weiter heißt es in der Mail: „Darum haben wir Steine und Farbe auf das Haus und das Auto von Senatorin Blankau (… ) geworfen. Vor der Villa der Grundstücksverwaltung Landschulze in Marienthal sind zwei Fahrzeuge des Familienclans angezündet worden.

Darum greifen die Asozialen dieses Landes soviel ab wie sie können: damit sie am Ende der Entwicklung, dem unvermeidlichen Bankrott der Berliner Republik Deutschland ihre Domizil auf Barbados beziehen können. Sowas kostet halt.

 

 

 

 

 



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