Leben

Königliche Hochzeit dank Psychopathenwirtschaft und Todsündenkult

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In London ist gerade Hochzeit. Waren Sie dabei? Ich nicht. Ich weiß auch nicht genau, wer da gerade wen geheiratet hat, ich komme auch sonst kaum dazu, mich um meine Nachbarn zu kümmern. Schade eigentlich, denn es ist eine mythische Hochzeit, die dort gefeiert wurde – eine königliche Hochzeit.
Das Mythische hat einen enormen Einfluss auf die Menschen, auch auf die aufgeklärten, rationalen, materialistischen. Dem Zauber des Königstums können sich nur wenige entziehen, erst recht nicht, wenn es von einer Armada aufregender neuer Hüte begleitet wird. Hüte? Ja, darüber berichtet der Spiegel gerade. Die Hüte der königlichen Hochzeit sind ihm einen Artikel wert. So wird aus dem Sturmgeschütz der Demokratie die Pickelhaube der Hutmode. Das nennt man Evolution.

Nun hat der Spiegel noch andere Facetten – wie die Hochzeit auch. Darum ist es nicht verwunderlich, das man auch jenen kleinen Absatz dort findet, ein Interview mit einem Kenner der Materie:

Wir haben ein zementiertes und ungesundes Klassensystem und ganze Schichten, denen überkommene Privilegien zuteil werden. Wenn wir es neu machen würden, dann würden wir ganz sicher keine Monarchie errichten. Aber wir leben nun einmal mit ihr, sie ist auf das Engste verwoben mit Staat, Gesellschaft, Religion, Verfassung. Wenn wir sie aufgeben müssten, hätte der Gesetzgeber auf Jahre nichts anderes zu tun. Das will sich niemand zumuten.

Ein ungesundes Klassensystem, verwoben mit der Monarchie, die wiederum Staat, Gesellschaft, Religion und Verfassung infiltriert hat? Das riecht in der Tat ungesund. Aber das wurde da ja nicht gefeiert. Gefeiert wurde der Traum einer edlen Monarchie, der – gerade in England – zurückgeht bis König Arthus, dem britischen Urbild des gerechten Königs. Da die Queen auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche ist, braucht man aktuell auch keinen weisen Merlin, der dem König mit Rat und Zauber beiseite steht. Wir in Deutschland eifern dem nach … leise, verschämt, indirekt … in dem wir „Pro Christ“ -Aktivisten in führende Positionen der Gesellschaft bringen: Bundespräsident Christian Wulff fällt da ebenso auf wie der BA-Chef Weise.

Ich denke, sie werden sich freuen, diese modernen Christen, denn die Endzeit scheint nah: die apokalyptischen Reiter kehren zurück: Krieg, Tod, Pest und Hunger sind wieder unterweges, siehe Manager Magazin:

Brot ist das Lebensmittel im wahrsten Sinne des Wortes. Doch dieses Brot wird aufgrund global steigender Weizenpreise immer teurer. Das erschüttert längst nicht mehr nur die Dritte Welt und den Nahen Osten.

Und die Finanzwelt ist auf dem besten Wege, die Entwicklung zu beschleunigen: man hat die Nase voll von „nachhaltigen Investments“, siehe Manager Magazin:

Habgier, Neid, Maßlosigkeit: Mitten in der Fastenzeit startete Deutschlands erster Publikumsfonds, der in das Geschäft mit den Todsünden investiert. Zum Ende der Fastenzeit sagt Fondsstratege Conrad Mattern, was ihn zum Gegenprogramm des Gutmenschentums getrieben hat – und wie er sich fühlt.

Mattern: Absolut. Stolz, Habgier, Neid, Zorn, Wollust, Maßlosigkeit und Trägheit spiegeln nun einmal wunderbar typische Verhaltensweisen der Menschen wider und lassen sich hervorragend verschiedenen Branchen und Unternehmen zuordnen. Wir haben mittlerweile 700 Titel in unser Sünden-Register aufgenommen. Stolz zum Beispiel steht für die Luxusindustrie, Habgier für Investmentbanken, Zorn für die Rüstungsindustrie, Maßlosigkeit für Alkohol und Tabak, Neid für Lifestyle-Produkte. Unsere Rückwärtssimulationen für die vergangenen zehn Jahre zeigen, dass diese Sünder überdurchschnittliche Renditen einbringen.

Wieviele dieser Todsünden spiegeln sich wohl in der aktuellen königlichen Hochzeit wieder? Wollen wir lieber nicht genau hinschauen, denn es könnte uns in Sphären bringen, die Verschwörungstheorien hegen und pflegen. Immerhin – wie sollte man eine Kultur nennen, die stolz darauf ist, ihre Todsünden in aller Öffentlichkeit zu feiern?

Nun, während die einen feiern, zahlen die anderen den Preis für die Party, siehe Manager Magazin:

Spanien findet keinen Weg aus der Wirtschaftskrise. Der defizitgeplagte Euro-Staat verzeichnet weiter wachsende Arbeitslosenzahlen. Zudem sinken die Umsätze des Einzelhandels, die Inflation steigt. Die Regierung versucht verzweifelt gegenzusteuern.

Nicht nur die Spanier sind verzweifelt. Während die eine hochverschuldete Ex-Weltmacht eine teuere Hochzeit feiert, marschieren die anderen klassischen europäischen Mächte in den Staatsbankrott, ebenfalls Manager Magazin:

Die Lage wird immer prekärer: Aus Furcht vor der Staatspleite haben Anleger erstmals auf erschreckenden 25 Prozent Zinsen für Griechen-Bonds gepocht. Jetzt will der Chef des weltgrößten Staatsanleihenhändlers Konsequenzen sehen

… und erste Konsequenzen sind auch schon da: die Sieger des Spiels können ganz groß einkaufen, siehe Immobilienzeitung:

Um einen Ausweg aus der Schuldenkrise des Landes zu finden und die Märkte zu beruhigen, plant die Athener Regierung für die kommenden Jahre eine massive Privatisierung staatseigenen Immobilienbesitzes. Der erwartete Gesamterlös liegt zwischen 25 Mrd. und 35 Mrd. Euro.

So wird der Staat privatisiert, bis ausser Schulden nichts mehr übrig ist. Und das Spiel geht weiter, siehe Manager Magazin:

Die Spielhalle ist wieder eröffnet. Geldhäuser verschieben Milliardenrisiken ins unkontrollierte Schattenbankensystem. Gegen üppige Gebühr nehmen Hedgefonds den Banken heikle Risiken aus Kreditbündeln ab: Aufseher warnen bereits vor dem nächsten Crash.

Einer aktuellen Studie der New Yorker Notenbank zufolge gebieten die „Shadow Banks“ allein in den USA über ein Kreditvolumen von annähernd 16 Billionen Dollar – mehr als der eigentliche Bankensektor, der knapp 13 Billionen Dollar verwaltet.

16 000 Milliarden Dollar im geheimen Spielkasino … damit die High Society ihre Hüte finanzieren kann. Und natürlich Politik kaufen wie in Deutschland, siehe FAZ:

Das ARD-Magazin „Panorama“ hatte berichtet, dass der heutige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion davon gewusst habe, dass Carsten Maschmeyer, der Gründer des Finanzdienstleisters AWD, über einen Mittelsmann 150.000 Mark für drei ganzseitige Anzeigen der Wählerinitiative „Handwerk und Mittelstand für Gerhard Schröder“, die auch in der F.A.Z. gedruckt wurde, gespendet habe.

Das Geld, das dort für Hüte, Politikerkauf oder als sich scheinbar selbst vermehrendes Spielgeld missbraucht wird, stammt direkt von uns – man erfährt es ganz offen im Handelsblatt:

Auch der niederländisch-britische Ölmulti Shell profitiert von dem hohen Ölpreis und verbucht erneut Milliardengewinne. Im ersten Quartal 2011 stieg der Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zwei Milliarden Dollar auf 6,9 Milliarden Dollar.

Die Gewinne der anderen Ölmultis sehen ähnlich phantastisch aus. Wenn die Einkaufspreise steigen, steigt der Gewinn aber nur, wenn man die Verkaufspreise noch stärker steigen lässt.  So finanzieren wir die Hüte der königlichen Hochzeit durch unsere Automobile.

Wir finanzieren aber noch mehr. Wir finanzieren Verbrecher in größtem Stil: unsere Konzerne, siehe Spiegel:

Der Psychologie-Professor Robert Hare von der University of British Columbia kam nach Untersuchungen zu dem Standpunkt: Etliche Großunternehmen müssen unter klinischen Gesichtspunkten als waschechte „Psychopathen“ gelten. Sie weisen die klassischen Eigenschaften einer antisozialen Persönlichkeitsstörung auf: Sie lügen für ihren Vorteil, boxen ihre Interessen auf Teufel komm raus durch, sind selbstsüchtig, kaltblütig, hinterlistig – eine Bande von Moralverbrechern.

Das ist altbekannt. Konzerne sind Psychopathen. Sieht man auch am Spritpreis. Sie sind aber noch viel mehr: sie werden zu Religionen, die Menschenopfer fordern:

Nie war die Zahl der psychischen Erkrankungen unter deutschen Arbeitnehmern so hoch wie heute; ihr Anteil hat sich von 1990 bis 2008 verdoppelt. Als Gründe gelten: irrer Stress und irrsinnig wenig Anerkennung.

Die Unternehmen, Tretmühlen von einst, sind die Klapsmühlen von heute geworden. Und dieser Irrsinn färbt ab. Wenn ein Mitarbeiter die Wir-Form verwendet, wenn er sagt „Wir sind der Meinung, dass …“, dann dürfen Sie sicher sein: Er spricht für sein Unternehmen. Er ist nicht mehr Hans Müller, nicht mehr Lisa Schulz – er ist Teil von etwas Größerem. Ist Daimler. Ist Microsoft. Ist Porsche. Und tritt auch so in seinem Freundeskreis auf.

Jedenfalls solange er noch ausbeutbar ist und sein eigenes Leben zugunsten einer Existenz als Firmenorgan opfert. Und wer besonders krank ist, wird befördert:

Der New Yorker Wirtschaftspsychologe Paul Babiak fand heraus: Unter leitenden Angestellten kommen Psychopathen achtmal so häufig vor wie in der Gesamtbevölkerung, wo nur jeder Hundertste als gestört gilt.

Da färbt die Seele des Konzerns auf seine Glieder ab. Noch Fragen, warum sich die Wirtschaft so desaströs entwickelt, warum immer mehr Menschen verarmen – geistig, seelisch, materiell? Während die einen stolz die teuersten Hüte präsentieren, finanziert durch die Machenschaften skrupelloser Psychopathen in antisozialen Konzernen, müssen die anderen ihre Länder verkaufen. Kosten für das Kleid? 300000 Euro … in einem Land, in dem Studenten Studiengebühren von 9000 Pfund berappen müssen. Auch sonst investiert man bei der Hochzeit gerne in Todsünden, siehe Glamour:

Von einem Schnäppchen kann man bei der Blumendekoration hingegen nicht sprechen: 55.000 Euro sollen die floralen Gestecke kosten, an der sich die Gäste in der Hochzeitskapelle und im Buckingham Palast ergötzen können. Apropos „ergötzen“: Beim Hochzeitsempfang wird es exklusive Obsttorten und kleine Schokoladenbiskuits geben, die Gerüchten zufolge einen Gesamtwert von über 100.000 Euro haben. Damit das Gebäck den Gästen nicht im Halse stecken bleibt, darf mit Champagner im Wert von 40.000 Euro nachgespült werden.

Und so präsentiert sich die königliche Hochzeit als Todsündenkult von Psychopathen.

Was bitte schön gibt es dann da eigentlich zu feiern?

Nun, irgendetwas muss es schon zu feiern geben – alle politische Medien feiern mit. Ich fürchte nur langsam … die feiern was anderes als wir denken. Und die haben auch andere Verbrecher im Visier, nämlich uns, siehe Zeit:

Steuerhinterzieher, Hartz-IV-Betrüger, Schwarzarbeiter: In Deutschland ist eine Kultur des Betrugs entstanden. Der Staat ist das Opfer – und manchmal auch der Täter.

Wir Schmarotzer“ heißt der Titel des Artikels – damit wir ja nicht frech werden. Unsere Sünden sind nämlich größer als die der Psychopathenelite:

658 Euro überweist die Bundesrepublik Deutschland jeden Monat an Frau B. und ihre Tochter, plus Miete. Der Hartz-IV-Satz für eine alleinerziehende Mutter mit einem Kind, finanziert durch Steuern. Doch wenn Herr S. wirklich Frau B.s Lebensgefährte ist und Arbeit hat, dann muss er sie finanziell unterstützen, dann steht ihr weniger Geld zu, vielleicht gar keines. Dann hat sie die Allgemeinheit belogen.

Vielleicht (aber auch nur vielleicht) hat Frau B und ihre Tochter einen Freund, der sich standhaft weigert, die Kosten für den deutschen Sozialstaat privat zu tragen. Vielleicht kann er sich das auch gar nicht leisten? Vielleicht sollten wir eher für Herrn S. Sympathie haben: immerhin finanziert er schon die Hüte auf der Hochzeit des Jahres. Und die Torten.

Aber das zählt wohl nicht. „Zahlvieh sein“ ist unser Lebensinhalt geworden. Bewacht von Psychopathen, die unsere Ausplünderbarkeit tagtäglich zu maximieren trachten. Leben … sollen die anderen. Die mit den tollen Hüten. Die wirklichen, wahrhaften, echten Menschen … und die werden dann auch zur Hochzeit eingeladen, siehe Spiegel:

An der Zeremonie in der Westminster Abbey in London nehmen neben den Familien des Brautpaars 1900 Gäste aus Hochadel, Showgeschäft und Politik teil – die meisten Geladenen kennt das Brautpaar jedoch nicht persönlich.

Merkt man nun, das dort etwas anderes gefeiert wurde als eine kleine Hochzeit? Man feiert seinen persönlichen Erfolg in einer Psychopathenwirtschaft mit Todsündenkult.

Gut, das ich nicht da war.



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