Politik

Staat abschaffen, Banden bilden?

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Philosophen sind ja zuständig für Grundsatzfragen. Sie dürfen die dümmsten Fragen der Welt stellen und müssen diese auch selbst beantworten, weil sich in der Regel kein Normalmensch für dumme Fragen interessiert. Wozu auch. Nur selten mal lehnt man sich zurück und fragt: gibt es dazu Antworten in der Philosophie?

Bei Staatsgründungen wird gerne mal auf Philosophen Rücksicht genommen, dort, wo es um Recht und Gerechtigkeit geht, um Ethik und Moral werden sie gerne mal in eine Talkshow geladen. Ansonsten stören sie nur, weil sie sich dem modernen „Meinungswissen“ schon vor Jahrtausenden verschlossen haben. Das moderne „ich glaube dieses aber jenes nicht“ fand schon in der Philosophie der Antike keine Begeisterung und man wähnte es überwunden. Dann kam das Privatfernsehen und belehrte einen eines Besseren: Meinung verdrängte wieder Wissen.

Nun kann man natürlich die Frage nach dem Staat rückwärts stellen: wozu brauchen wir ihn eigentlich noch? Wozu bezahlen wir eine Armee von schmarotzenden Staatsdienern, die uns mit ihrem geistlosen, ungebildeten und sprachlich primitiven Gewäsch jeden Tag aufs Neue versuchen, das Geld aus der Tasche zu ziehen?

Die Frage nach dem Staat ist schon ziemlich alt. Manche halten sie geradezu für den ersten echten Sündenfall: den Versuch, ein Gebilde zu schaffen, das größer ist als Gott … Babylon war da schon so ein Problemfall. Andere jedoch hielten ihn für ziemlich sinnvoll, z.b. Platon:

Der ideale Staat hat den Zweck, die Idee des Guten auf der physischen Ebene zu verwirklichen; mit der Umsetzung der Gerechtigkeit soll eine Voraussetzung für das gute Leben jedes Bürgers geschaffen werden. So wie im Kosmos und in der Seele soll auch im Idealstaat eine harmonische Ganzheit verwirklicht werden. Zwischen dem Individuum und dem Staat besteht für Platon eine Analogie, denn so wie sich Gerechtigkeit im Einzelnen als bestimmter innerer Ordnungszustand entfaltet, so macht eine bestimmte Ordnung der Polis diese zu einem gerechten Gemeinwesen. Daher hat jeder Stand und jeder Bürger die Aufgabe, zum gemeinsamen Wohl beizutragen, indem er sich auf angemessene Weise harmonisch in das Ganze einfügt und ihm dient.

„Harmonische Ganzheit durch Umsetzung der Gerechtigkeit als Voraussetzung für das gute Leben eines jeden Bürgers“ … hört sich schön an. Die scheinen nicht uns zu meinen.

Bei uns ist das anders organisiert, siehe Bundeszentrale für politische Bildung:

In einer marktwirtschaftlichen Volkswirtschaft, auch in einer Sozialen Marktwirtschaft, ist der Markt das Koordinationsinstrument der ersten Wahl. Die Einzelnen koordinieren ihre Handlungen über Märkte, und nur wenn diese Koordination zu unerwünschten Ergebnissen führt, soll der Staat eingreifen.

Das macht unser Staat dann auch – um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden. Zum Beispiel … wenn er merkt, das er zu viele Bürger hat, dann greift er ein. Auch darüber informiert die BpB:

Die Umprogrammierung des Gerechtigkeitsprinzips von Verteilungsgerechtigkeit auf Chancengerechtigkeit im aktivierenden Staat steht damit im Zusammenhang. Gefördert werden sollen zukünftig vorrangig Maßnahmen, die zur Teilnahme qualifizieren; nur Teilnahme gewährleiste Teilhabe, so die neue Lehrmeinung, und dies sei im Übrigen Gebot von Art. 1 GG. Eine Schlussfolgerung wäre demnach: wer nicht teilnehmen will, dem droht zuerst Druck, dann Zwang und bald Ausschluss (z.B. von Sozialleistungen) durch den aktivierenden Staat.“

Kurzum: wer als Blinder, Alter oder Kranker nicht am Marktgeschehen teilnehmen kann, wird … entsorgt.  Krüppel und Gammelfleisch können wir nicht ewig durchfüttern. Wenn der meint, nicht sehe zu können, dann gibt es zuerst Druck, dann Zwang, dann Ausschluss … und dann?

Nun – Tod. Ohne Essen und Obdach stirbt man sehr schnell. Das ist die Todesstrafe bei konsequenter Marktteilnahmeverweigerung. Das sagt noch keiner so deutlich – es ist aber meilenweit entfernt von der „Harmonischen Ganzheit zur Umsetzung der Gerechtigkeit“. Wer stark genug ist, jung, gesund und reiche Eltern hat, dem gehört die Welt. Wer als Autist bei Arbeitslosen zur Welt kommt, wird an die Wurstverwertung weitergereicht. Hört sich böse an, aber Philosophen sind für das Prinzip da – nicht für die Stufen, in denen es ausgelebt wird. Das beschließen letztlich Politiker. Ganz sicher beschließen sie Diätenerhöhungen, finanziert durch Regelsatzkürzungen bei Kindern. Alles andere ist verhandelbar.

In der Realität zeigt sich, das der aktivierende Sozialstaat ein Ungeheuer der besonderen Art ist, Nachrichten wie diese werden aber gerne an den äußersten Rand gedrückt, weil sie der herrschenden Selbstbeweihräucherungsmentalität von Staat und Wirtschaft nicht ins Konzept passen. Die Welt erlaubt sich hier gerne mal einen Ausrutscher:

Die Hälfte aller Teilzeitbeschäftigten in Deutschland will gerne länger arbeiten. Würden alle Verlängerungswünsche berücksichtigt, würden in Deutschland pro Jahr 40,5 Millionen Stunden mehr gearbeitet, schreibt die Autorin der Studie, Susanne Wanger. Das entspräche dem Arbeitszeitvolumen von rund einer Million zusätzlichen Stellen. Allerdings sei fraglich, ob sich die Wünsche in den Firmen der Betroffenen überhaupt umsetzen lassen.

Eine Million Arbeitsplätze zu Zeiten der allgemeinen Grenzöffnung? Da versagt unsere Marktwirtschaft ganz schnell, weil wir sowieso schon zu viele Menschen haben, wenn wir den unersättlichen Ansprüchen der Funktionäre von Politik und Wirtschaft Tribut zollen sollen.

Fraglich ist auch, wo dann die von aktivierenden Maßnahmen betroffenen Arbeitslosen ihre Stellen finden sollen. Manche haben eben nur einen IQ von 85 samt mittelmäßigem Hauptschulabschluss. Die Situation bessert sich auch nicht durch eintausend Bewerbungen. Andere sind gesundheitlich eingeschränkt, pflegen Familienangehörige oder sind einfach faul. Sowas gibt es auch. Ja, die leben auf Kosten anderer, genauso wie Ärzte, Politiker, Verbandsfunktionäre, Lobbyisten, Rentner oder Bürgermeister. Die einen dürfen sich jedoch die Diäten selbst erhöhen, damit die Lust auf Steuererhöhungen nicht gemindert wird, die anderen werden zum Verhungern frei gegeben. Läßt sich da nichts mehr aktivieren, regiert nicht Milde oder Gnade sondern der Hungertod. Gnadenschuss wäre da sozialer.

So kann der Staat schnell böse werde, das „kälteste aller kalten Ungeheuer“, wie Nietzsche meint.

Wenn ein Staat aber böse wird, wenn er für Mitmenschen lebensgefährlich wird … dürfen wir dann nicht auch mal die Frage stellen, ob wir den nicht einfach abschaffen dürfen?

Wir Menschen sind soziale Wesen, das stimmt schon. Auch die Vernunft hält uns dazu an, unsere Arbeitskraft zu teilen, weil wir so unglaubliche Überschüsse erwirtschaften können und erwirtschaftet haben. Aber wenn der Staat das (schon einmal dagewesene) Potential zu einer tödlichen Maschine entwickelt … kann man da nicht einfach mal „Nein danke“ sagen, erst recht, wenn der Staat auf eine Riesenpleite im Dienste des Kapitalismus zusteuert?

Wir könnten Banden bilden. Reichtum ist genug vorhanden, das Land ist komplett verteilt – wir müssten Banden bilden, da geht kein Weg dran vorbei. Die Räuberbande als Gesellschaftsform der Zukunft als Alternative zum Räuberstaat, der nur noch wenigen einen Vorteil verschafft. Innerhalb der Bande könnte man nach Piratenart auch Strukturen schaffen, die Platon glücklich machen würden:  eine harmonische Ganzheit schickt sich gut für eine Räuberbande, Gerechtigkeit ebenfalls – das hilft, den Wunsch nach ungestörter Nachtruhe zu verwirklichen.

Allerdings … schaut man genauer hin … dann hat man schon Banden. Parteien, Verbände, Gewerkschaften, Vereine … das alles sind im Kern eigentlich … Räuberbanden, die sich ganz offen um die Verteilung der Beute streiten. Wer gewinnt, darf Kanzler werden oder Rekordboni abziehen – oder beides.

Da haben wir den Staat also eigentlich … schon längst abgeschafft?

Warum sagt mir das eigentlich keiner?

Das erklärt die aktuelle Sozialpolitik doch erschöpfend! Wer keiner Bande angehört und auch keiner angehören möchte, wird umgebracht. Basta!

Können wir denn dann nicht auch aus Kostengründen erstmal die Regierung abschaffen? Belgien hat schon über ein Jahr keine mehr. Ich war letztens noch da – ganz ehrlich, das Land sieht genauso aus wie vorher. Die fehlt denen kein bischen, die Regierung. Wieso sollte uns eine fehlen?

Es sei denn, sie würde jetzt eingreifen und erstmal fünf Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, finanziert durch Sonderabgaben der bisherigen Kriegsgewinnler. Immerhin – hier versagt der Markt, ein Eingriff wäre dringend notwendig. Wir rufen lieber – im Prinzip – Todesstrafe auf Arbeitslosigkeit aus in der Hoffnung, das das irgendetwas bringt. Vielleicht finden ja die Leute mit dem IQ von 85 die Lösungen für ihre Probleme, die von den Politikern nicht gefunden wurden (was jetzt nicht heißt, das ich bei denen jetzt generell einen höheren IQ vermuten würde … nein, wirklich nicht. Ich lese dazu zuviel Nachrichten).

Wir sind schon lange keine soziale Marktwirtschaft mehr, in der der Staat für Ausgleich sorgt, sondern eine asoziale Raubwirtschaft, in der große mafiöse Banden um den Zugriff auf die Staatsfinanzen und das Volksvermögen kämpfen. Nur die Bürger selbst dürfen keine Banden bilden. Für Sklaven gilt anderes Recht.

Wenn man da an Platon denkt … könnte man neidisch werden. „Die Idee des Guten auf physischer Ebene zu verwirklichen“ … das waren noch Zeiten. Die hatten noch Träume. Wir fortschrittlichen Menschen der Neuzeit hoffen hingegen, das wir die Errichtung des Reiches des Bösen auf physischer Ebene überleben dürfen.

Und das nennen wir dann „Fortschritt“ und „Wachstum“. Fragt sich nur: Fortschritt wohin und Wachstum von was …

 

 



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