Wir Bürger sind ja dumm. Viel zu dumm. Wir können diese komplizierte Welt überhaupt nicht verstehen, weshalb die Wirtschaft, die Politik und die Medien uns vor unserer eigenen Dummheit schützen müssen. Eigentlich … dürften wir ohne Aufsicht überhaupt nicht in der Welt der Nachrichten herumstreunern – wozu auch, blöd wie wir sind, verstehen wir gar nicht, was da los ist. Zum Beispiel Libyen. Da bombadiert jetzt die Nato Libyer aller Art (auch Rebellen und Zivilisten), ohne das wir wissen, warum eigentlich. Wie kann ein reines Defensivbündnis, dereinst geschaffen gegen die Rote Armee, eigentlich ein kleines Land als Bedrohung auffassen, das zu 90 % aus Wüste besteht? Nun, gesagt wurde uns, das dort „gute“ Rebellen gegen „böse“ Soldaten kämpfen – und wir glauben ja, was man uns sagt. Wir sind ja keine Verschwörungstheoretiker – um Himmels Willen – nein! Aber wir sind dumm und werden deshalb sehr verwirrt, wenn wir mit solchen Nachrichten konfrontiert werden, siehe Welt:
„Vor unseren Augen wurden so viele Menschen erstochen und geköpft“. In einem Appartement im zweiten Stock eines der Ferienhäuser serviert ein Familienvater erst Kaffee, bevor er sein Handy herausnimmt und ein blutiges Video zeigt. Darin wird einem am Boden liegenden Mann mit einem langen Messer der Kopf abgeschnitten, was normalerweise nur radikale Islamisten mit ihren Feinden tun. Grausame Bilder, die man kaum ansehen kann.
So was verstehe wer will. Ich verstehe nicht so richtig, warum wir brutale Mörder mit Waffengewalt ins Amt heben müssen – auch wenn sie „gute“ Rebellen sind. Aber das erklären uns ja die Regierungschef der Angreiffernationen in einem gemeinsamen Zeitungsartikel, siehe Spiegel:
Dramatischer Appell dreier Regierungschefs: Barack Obama, Nicolas Sarkozy und David Cameron haben in einem gemeinsamen Zeitungsartikel den Kampf gegen Machthaber Gaddafi verteidigt. Die Nato müsse in Libyen weiter angreifen, bis der Diktator verjagt sei – sonst mache sich die Welt schuldig.
Aha. Wir machen uns schuldig. Nein, das wollen wir ja nicht. Nachher zeigen alle mit dem Finger auf uns, weil wir mal wieder einen Fehler gemacht haben, mal wieder mit guten Gedanken einem finsteren Ungeheuer gefolgt sind. Andererseits … zeigt die Welt schon jetzt mit Fingern auf uns, siehe Zeit:
Die Staats- und Regierungschefs der fünf führenden Schwellenländer haben den internationalen Militäreinsatz in Libyen kritisiert. «Wir teilen den Grundsatz, dass der Einsatz von Gewalt vermieden werden sollte.»
Das erklärten die sogenannten Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag im südchinesischen Sanya (Hainan). Die aufstrebenden Wirtschaftsmächte zeigten sich «tief besorgt über die Turbulenzen» im Nahen Osten, Nord- und Westafrika und forderten diplomatische Lösungen.
Na, da schau her! Jetzt sorgen wir dafür, das wir uns nicht schuldig machen und die großen Mächte dieser Welt zeigen mit dem Finger auf uns. Wie geht das denn? Ausserdem erklären sie uns den Krieg – den Weltwährungskrieg, über den wir erst letztens berichtet hatten, siehe Welt:
Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sagen der Allmacht des Dollars den Kampf an: Sie handeln künftig in ihren eigenen Währungen.
Die meckern nicht nur – die handeln. Entschlossen, vereint und gnadenlos packen sie uns dort, wo es richtig weh tut: beim Geld – und zeigen auch sonst, das sie es sehr ernst meinen:
Gemeinsam sagten sie in ihrem Schlusskommuniqué der Vorherrschaft der Industrieländer und insbesondere der Dominanz des Dollar im Weltwirtschaftssystem den Kampf an. Künftig wollen die fünf Länder sich in ihren Handelsbeziehungen untereinander vor allem der eigenen Währungen bedienen und sich auch gegenseitig Kredite geben. Den Dollar brauchen sie dann nicht mehr.
Wenn die den Dollar nicht mehr brauchen, können die USA das Schild „Bis auf Weiteres geschlossen“ herausholen. Wir auch. Und wenn die die Vorherrschaft der Industrieländer brechen wollen, bekommen wir europaweit das Sozialniveau von Gelsenkirchen-Schalke ohne Fußball. Da braut sich was Finsteres zusammen, über das wir erstmal nicht im Zusammenhang informiert werden. Wieso auch – blöd wie wir sind, würden wir nur anfangen, unserer Außenpolitik zu misstrauen … wozu sollte das schon gut sein?
Zudem meldet sich der Diktator selbst zu Wort, hier bei „The Intelligenz“:
Amerikanern und anderen Besuchern erzählten sie, dass sie „Demokratie“ und „Freiheit“ bräuchten, ohne zu erkennen, dass es sich dabei um ein Halsabschneider-System handelt, in dem der größte Hund den Rest auffrisst. Doch sie waren von diesen Worten verzaubert, ohne zu erkennen, dass es in Amerika keine kostenlose Medizin gab, keine kostenlosen Spitäler, keine kostenlosen Häuser, keine kostenlose Ausbildung und keine kostenlose Nahrung, von Leuten die bettelten abgesehen oder den langen Schlangen für einen Teller Suppe.
Wie jetzt? Das gibt es alles umsonst bei ihm? Na, jedenfalls hört er nicht auf, das zu behaupten:
Nun stehe ich unter dem Angriff der größten Macht in der Militärgeschichte. Mein kleiner afrikanischer Sohn Obama möchte mich töten, um unserem Land die Freiheit zu nehmen, um uns unsere kostenlosen Behausungen zu nehmen, unsere kostenlose Medizin, kostenlose Ausbildung, kostenlose Nahrung, um es durch Diebstahl im amerikanischen Stil zu ersetzen, der „Kapitalismus“ genannt wird. Doch alle von uns in der Dritten Welt wissen, was das bedeutet. Es bedeutet, dass Konzerne das Land führen, die Welt führen, und dass die Menschen leiden.
„Diebstahl im amerikanischen Stil“ … nun, das kennen wir auch hier vor Ort, nennt sich „Leiharbeit“. Das Konzerne das Land führen, können wir nur bestätigen. Das gilt nicht nur für die USA. Aber das kann doch nicht sein, das unsere Medien uns so falsch über Libyen informiert haben, oder? Dumm wie ich bin, suche ich weiter und bin immer irritierter, was ich in dem Reisemagazin „Schwarz-auf-Weiss“ finde:
Es mag ja einiges im Argen liegen im Staate Gaddafis, aber Fundamentalismus und religiöse Eiferer haben keine Chance. Nicht der Koran, sondern sein Grünes Buch bestimmt die Richtlinien der Politik. Libyen ist ein reiches Land. Es gibt weder erschreckende Armut, die Kriminalität erzeugt, noch schlecht bezahlte Grenzposten, die sich von Schmugglerbanden korrumpieren lassen.
Nun … das würde die Geschichte mit dem Köpfen erklären. Weniger Gaddafi – mehr Fundamentalismus. Den bekämpfen wir zwar eigentlich ja auch ganz vehement, aber … unsere Dummheit steht uns hier wieder beim Verständnis der Politik im Wege. Das Deutschlandradio hat nun eine Journalistin von GEO interviewt, die uns über die Armut in Libyen informiert:
Zuckerbrot gab es natürlich aber auch, und das Zuckerbrot, das bestand darin, dass die Menschen sehr viele, vergleichsweise viele Vergünstigungen gekriegt haben. Ich will es mal so beschreiben: In den Nachbarländern, Tunesien und Ägypten etwa, herrschte ja eine extreme Armut teilweise. So was gibt es in Libyen oder gab es bisher nicht. Es gab keine Bettler auf Libyens Straßen. Es gibt niemand, der nicht wirklich durchkommen würde. Es gibt Leute, die natürlich am Existenzminimum sich bewegen, aber darunter nun nicht.
Supermärkte gibt es inzwischen. Gut besuchte Restaurants gibt es auch. Das ist relativ neu. Das kann sich aber keiner leisten, der nicht irgendwie in einer internationalen Firma arbeitet. Ich möchte vielleicht aber lieber noch mal dazu was sagen, was jetzt für die Allgemeinbevölkerung die Zuwendungen bedeuten.
Das sind vor allem günstige Häuser, günstige Grundnahrungsmittel, günstiges Benzin und Staatsjobs, die keiner braucht und wo man auch nicht unbedingt arbeiten muss, aber wo man sozusagen einen Minimumlohn dafür kriegt.
Also … das hört sich so an, als ob Gaddafi recht hätte. Wäre doch auch für Deutschland mal ein sinnvolles politisches Programm. Da ich aber denke: das kann doch nicht wahr sein, das wir das sozialste Land Afrikas bombadieren, forsche ich weiter und besuche die Bertelsmannstiftung:
Aufgrund der hohen Bedeutung, die das Regime der Gesundheitsversorgung, Bildung und sozialer Gleichheit beimisst, sind Diskriminierung und Armut zumindest unter libyschen Staatsbürgern weitgehend inexistent.
Keine Armut? Dafür aber eine Gleichberechtigung, die sogar für Deutschland beschämend ist?
Die Gleichberechtigung zwischen Mann undFrau ist staatlicherseits gewährleistet und wird aktiv vom Regime gefördert. Vielfach sind jenach Studienzweig mehr als 50 Prozent der Studenten Frauen, und insbesondere in der Politik wird die Mitwirkung von Frauen explizit unterstützt.
Ich gestehe, ich werde immer verwirrter und bekomme den Eindruck, wir zerbomben dort den fortschrittlichsten Sozialstaat Afrikas. Das kann natürlich nicht sein, also schaue ich nochmal bei der Welt-auf-einen-Blick vorbei.
Dort präsentiert sich Libyen mit 7,5 %der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Israel hat hingegen 21,6 % Arme, Deutschland 11 %, Bombernation Spanien 19,8 %, USA 12 % (2004). Es sind ältere Zahlen … aber trotzdem verwirrrend. Für was bzw. gegen was bomben wir da jetzt eigentlich herum? Gegen den Sozialstaat?
Völlig verwirrt stoße ich zufällig auf andere Gefahrenmeldungen, hier im Manager Magazin:
Scharfe Kritik am Deutsche-Bank-Chef: Der frühere IWF-Chefökonom Simon Johnson hält Josef Ackermann für „einen der gefährlichsten Bankmanager der Welt“. Seine hohen Renditeziel ermögliche allein der deutsche Steuerzahler – weil er notfalls für eine Pleite des Riesengeldhauses hafte.
Wie gefährlich das ist, erfährt man im Handelsblatt:
„Der deutsche Finanzsektor ist sehr problematisch, und die Deutsche Bank ist besonders gefährdet, sich selbst in die Luft zu jagen“, sagte Johnson.
Die Folge solcher riskanten Experimente: wir gehen alle bankrott, siehe RP-online:
Auf den Steuerzahler kommen offenbar neue Belastungen zu: Die Rettung der WestLB vor den Folgen der Finanzkrise wird am Ende wohl mehrere Milliarden Euro kosten.
Natürlich auch, weil der Rotarier und Transatlantiker Merz täglich 5000 für die Aktion bekommt. Es gibt halt Leute, die an Pleiten noch super verdienen, siehe Manager Magazin:
Der Insolvenzverwalter für das Deutschland-Geschäft der Investmentbank Lehman Brothers, Michael Frege, hat 45,3 Millionen Euro als Honorar-Vorschuss erhalten. Von der zahlungsunfähigen Lehman Brothers Bankhaus AG fordern mehr als 400 Gläubiger rund 38 Milliarden Euro.
So etwas hat natürlich Folgen …. für den Staat. Hier wird nun scheinbar unmögliches Realität, siehe Zeit:
These: Die Angst vor Staatspleiten ist unbegründet.
So kann man sich irren. Kein halbes Jahr später bereitet sich Europa auf einen Bankrott Griechenlands vor – und Börsianer spekulieren bereits darüber, wer als Nächstes an der Reihe sein könnte. Portugal? Spanien? Großbritannien? Japan? Die USA? Kenneth Rogoff, Professor für Volkswirtschaft an der Harvard-Universität und Krisenexperte, hält ein ganzes »Bündel« von Staatspleiten für wahrscheinlich.
Dann wären einige der Bombernationen einfach fort. Noch einen Räumungsverkauf … das war es dann. Kein Wunder, das Deutschland bei dem Krieg nicht mitmachen will. Unser Handelsüberschuss ist zwar ein eigenständiger Risikofaktor (siehe Welt) aber ohne ihn und die kaufkräftigen BRICS-Staaten wären wir schon längst selbst bankrott … und wie die zu dem aktuellen Krieg stehen, haben wir ja anfangs gesehen.
Aber so unterm Strich betrachtet … kann es nicht sein, das Gaddafi irgendwie nicht so ganz falsch liegt mit seiner Analyse der Situation im „Kapitalismus“? Immerhin scheinen wir im Vergleich ärmer zu sein als die Libyer … jedenfalls haben wir „zivilisierten“ Bombernationen mehr Arme. Na ja, Bomben sind halt auch teuer.
Wäre es nicht sinnvoller … sagen wir mal … wir retten Gaddafi und bombadieren stattdessen die Deutsche Bank? Also … irgendwie wären doch die aggressiven Versuche Ackermanns zur Vernichtung der deutschen Volkswirtschaft eine größere Bedrohung für die Nation als diese kleine sozial gut ausgestattete Wüstenvolk – und die Nato soll uns doch gegen Aggressoren verteidigen, oder?
Aber hier zeigt sich wieder nur, wie dumm der Bürger eigentlich ist. Wir sollten das Nachdenken lieber den Journalisten überlassen, die sind dafür laut junge Welt bestens aufgestellt, zumindest beim Spiegel:
Der Spiegel ist ein sogenanntes Leitmedium der Bundesrepublik. Entsprechend ist er. Wo Jahrzehnte nach dem Krieg noch Kohorten von feschen Wehrmachtsleutnants und höheren SS-Chargen mit Hilfe des britischen und vieler anderer Geheimdienste ein »Sturmgeschütz der Demokratie« bastelten, herrscht heute der Ton der »Elite«: Man ist – schon einkommens- und statusmäßig – fester Bestandteil des hiesigen Politik- und Medienbetriebes, sitzt nicht mehr im Vorzimmer der Regierenden herum, sondern mit ihnen bei jeder Gelegenheit zusammen. Die Gesinnung ist strenger Mainstream, d.h. argumentimmun neoliberal, freudig – schon aus alter Tradition – beteiligt an jedem Krieg der westlichen Wertegemeinschaft, faktenresistent gegen soziale Fragen, haßerfüllt-fundamentalistisch auf alles, was politisch links steht oder vorgibt, dort zu stehen.
Gut das wir solche Medien haben. Da schützt uns doch der alte Geist der Waffen-SS und der Wehrmacht wieder einmal vor großen Irrtümern. Und dieser Geist hat auch kein Problem damit, den mordenden Mob gegen Gaddafi zu unterstützen. Wenn ich mich doch nur aufraffen könnte, nur noch eine einzige Zeitung zu lesen, die mir sagt, was ich denken soll … dann wäre ich nicht immer so verwirrt.
Da rollte jetzt gerade das Sturmgeschütz der Demokratie durch Libyen (für die Wehrmacht altbekanntes Terrain) und die Russen fürchten sich. Kein Wunder … sie haben mit diesen Sturmgeschützen auch schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn die aber jetzt nun alle – Russen, Chinesen, Brasilianer, Inder und Südafrikaner – in zwei – drei Jahren auf die Idee kommen, das die westlichen Räubernationen eine eigenständige Gefahr für den Weltfrieden darstellen, weil ihre Art auf Kosten anderer zu wirtschaften eine ständige Bedrohung der Weltwirtschaft darstellt … bekommen wir dann auch wieder einmal jene Weltkriege, die wir so gerne anzetteln, wenn unsere Wirtschaft wieder am Boden liegt?