Seit einiger Zeit denke ich darüber nach, eine Pressemitteilung zu schreiben, in der vor einer Geburt eines neuen Faschismus in Deutschland gewarnt wird. Ich würde diese – auf Englisch verfasste – Denkschrift gerne in divers amerikanische Medien, Organisationen und Verbände schicken, weil ich dort gemerkt habe, das man – zum Beispiel im Falle „Olaf Henkel“ – wesentlich sensibler mit neuen Erscheinungsformen alter Werte umgeht als in unserem Land. Vielleicht würde ich ich Albrecht Müllers Nachdenkseiten zitieren:
So wird sich die verfassungstreue Mehrheit unseres Volkes als politisch heimatlos empfinden. „Verfassungstreu“ nenne ich sie, weil als solcher nicht gelten kann, wer die Verpflichtung zur Sozialstaatlichkeit unseres Gemeinwesens wegkippt.
Solche Sätze zu finden ist bitter, bitter, weil sie wahr wirken. Die Agenda 2010 habe ich als den ersten großen antidemokratischen GAU der Nachkriegsgeschichte erlebt und wundere mich bis heute, das die damit durchgekommen sind. Ich weiß im Übrigen auch, das die Sozialleistungen in den USA geringer sind als hier … dafür ist das Volk als solches viel sensibler im Umgang mit Bürgerrechten. Hausarrest, Reiseverbot, Essensentzug für „Parasiten“ – ich denke schon, das man auf der anderen Seite des Atlantiks Menschen finden würde, die sich darüber erschrecken würden, was in Deutschland wieder möglich ist … wenn sie es wüßten.
Das gehört aber eigentlich schon zum nächsten GAU – dem Nachrichten-GAU. Der aktuellen Printausgabe des Spiegels habe ich einem Bericht über die Auseinandersetzungen der St.Petersburg Times mit der Scientologysekte entnommen, das „investigativer Journalismus“ eine aussterbende Art in den USA darstellt. Vor dem Hintergrund wundert mich die aktuelle Nachrichtenlage nicht mehr. Alle schreiben voneinander ab, was die verschiedenen Pressereferenten ihnen übrig lassen: der Supergau der Informationsgesellschaft. Ganz viele Worte strömen durch den Äther … und nur noch ganz wenig Inhalt. Und der ist oft noch gelogen, wie die Information über die Nichtbeteiligung Deutschlands an dem aktuellen Lybienkrieg, wie man z.B. bei N-tv findet:
Nach einem Bericht des „Focus“ übernehmen hochrangige Bundeswehroffiziere zentrale Aufgaben bei der Kontrolle der Flugverbotszone über Libyen. Im zuständigen NATO-Hauptquartier im türkischen Izmir arbeiteten etliche deutsche Luftwaffenoffiziere im NATO-Führungsstab, schreibt das Magazin. Sie müssten dort bleiben, weil andernfalls die Arbeitsabläufe nicht mehr gesichert wären.
Somit reduziert sich das „Wir machen nicht mit“ auf ein „Wir schiessen momentan nicht mit„. Da ist doch die Aufregung der Verbündeten kaum noch verständlich? Aber manche Leute können halt die Chance auf ein großes Drama nie ungenutzt verstreichen lassen. Spannend auch, das der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe in einem anderen Artikel über den Libyeneinsatz keine großartig demokratisch ausgerichteten Kräfte in der Oppositionsarmee ausmachen kann, auf deutsche Verhältnisse umgerechnet unterstützt dort die Nato den Putsch von Brüderle und Westerwelle gegen Merkel. Soviel noch zum Nachrichtengau … und zum politischen Supergau des neuen Angriffskrieges der Nato.
Natürlich hatten wir auch einen Wirtschafts-GAU, den wir aber infolge des Nachrichten-GAU schon fast wieder vergessen hatten: Weltwirtschaftskrise war angesagt, der Steuerzahler wurde zur Kasse gebeten und nun wird – siehe manager-magazin – die Beute verteilt:
Die deutschen Topkonzerne beteiligen ihre Anleger am Aufschwung: Für das Jahr 2010 wollen sie insgesamt 25,6 Milliarden Euro an Dividenden ausschütten. 23 der 30 Dax-Konzerne steigern in diesem Jahr ihre Dividende, zum Teil um ein Vielfaches.
Ein Vielfachgau, möchte man sagen: für die Wirtschaft, den Steuerzahler, den Staat, den Bürger. Denn der steht auf der Straße, siehe Süddeutsche Zeitung:
Jung, oftmals gut ausgebildet und voller Tatendrang: Junge Erwachsene zwischen 25 und 29 bringen die wichtigen Voraussetzungen mit – und sind doch die Problemfälle auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Man weiß nun nicht mehr: ist das nun noch Nachrichten-GAU oder schon Wirtschafts-GAU – die Grenzen verschwinden zusehends….und über die Probleme, die mit den Begriffen „Griechenland“, „Irland“, „Portugal“, „Spanien“, „Euro“ und „Rating“ zusammenhängen möchte ich jetzt gar nicht erst reden, dafür lieber über den nächsten Gau: den nuklearen Supergau in Japan, der infolge des Nachrichtengaus allerdings ziemlich undurchsichtig bleibt, siehe Welt:
Der Kampf gegen den Super-GAU in der Atomruine von Fukushima bleibt dramatisch. Japans Ministerpräsident Naoto Kan bezeichnete die Entwicklung am Dienstag als „unvorhersehbar“. Die Einsatzkräfte versuchen unter kaum erträglichen Bedingungen, das AKW zu kühlen. Nach Experten-Einschätzung kann es Monate dauern, bis eine Kernschmelze endgültig abgewendet ist. „Ich kann noch nicht abschätzen, wie lange diese Situation dauern wird, aber zuerst müssen wir sicherstellen, dass wir das Kraftwerk unter Kontrolle bekommen“, sagte ein Sprecher des AKW-Betreibers Tepco.
„Super-GAU“ hört sich angesichts der Vorstellung einer „Atomruine“ überzeugend an, das man eine Ruine wieder unter Kontrolle bekommen möchte, ist verständlich … aber hört sich wenig vertrauenserweckend an, erst recht nicht, wenn die Welt die Pläne im Detail verkündet:
Die japanische Regierung erwägt einem Medienbericht zufolge, drei beschädigte Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima 1 mit Planen abdecken zu lassen, um die radioaktive Strahlung zu vermindern. Außerdem sei vorgesehen, einen Tanker einzusetzen, um radioaktiv verseuchtes Wasser abzusaugen. Das berichtete die Zeitung „Asahi Shimbun“ unter Berufung auf Regierungskreise.
Erkennbar ist, das erste Fakten geschaffen werden, siehe Welt:
Hafenbetreiber und Reedereien in Europa bereiten sich auf das Einlaufen radioaktiv kontaminierter Schiffe aus Japan vor. Nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ erarbeitet die Hamburger Hafenbehörde derzeit gemeinsam mit Zoll und Innenbehörde einen Notfallplan, wie mit verseuchten Frachtern umzugehen ist.
Welche Maßnahmen diskutiert werden, ist im Detail noch offen, sicher scheint, das Torpedos, Seeminen und Lenkraketen (siehe Lybien) dabei ins Gespräch kommen werden. Oder man erhöht einfach die zulässigen Grenzwerte wie bei Gemüse, das geht auch.
Was ich mich nun frage, ist: sollten wir nicht einfach korrekte Berufsbezeichnungen einführen, die darauf hinweisen, welchen Status die beteiligten Verantwortlichen haben? Demokratie-GAU, Nachrichten-GAU, Wirtschafts-GAU, Technologie-GAU … sollte man nicht wieder den altbekannten Titel „GAU-LEITER“ anstelle des anonymen und neutralen „Leistungsträgers“ einsetzen? GAU-Leiter Politik, GAU-Leiter-Wirtschaft, GAU-Leiter Medien … für uns in Deutschland wäre das doch nichts Neues, wir würden das schon kennen. Dann würde man im Lande auch plötzlich – welch´ überraschender Zufall – die verfassungstreuen von den verfassungsfeindlichen Elementen besser abgrenzen können.
Immerhin: unsere Kinder reagieren schon auf die GAU-Leiterwelt, sogar im wirtschaftlich starken Bayern, siehe heilpraxis-net:
Nach Angaben des Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zeigt bereits jedes fünfte Kind in bayrischen Kindertagesstätten Verhaltensauffälligkeiten. Betroffen sind hiervon vor allem Kinder im Alter zwischen vier und fünf Jahren. Seelische Leiden sind auch bei Grundschülern verstärkt zu beobachten.
Da sollte man doch mal ehrlich sein und sagen, was Sache ist. Wolfgang Clement hat doch nicht umsonst offiziell Mitbürger als „Parasiten“ bezeichnet, sowas fällt doch nicht vom Himmel. „Der GAU-Leiter ist wieder da“ – und die Kinder merken es. Wo der Führer regiert, ist´s vorbei mit der glücklichen Kindheit. Aber welcher Führer hinter all den vielen GAU-Leitern steckt … ich denke, die Frage würde jetzt zu weit führen.