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Medialer Supergau versus Intuition: Deutsche Panzer rollen nach Moskau

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Der Katastrophentsunami des Jahres 2011 rollte auch heute wieder weiter. Haushohe Wellen von schlechten Botschaften schwappen via Bildschirm und Zeitung ins Haus. Mannhaft kämpfen die Manager der vierten Macht auf verlorenem Posten, um zu retten was zu retten ist: den Reichtum der Elite. So kann es geschehen, das in Japan ein Atomkraftwerk explodiert und wir – trotz Internet und Informationsgesellschaft – nicht wissen, was dort aktuell gerade los ist.  Mal flüchten verstrahlte Arbeiter in Panik vom Gelände, dann wieder hat man noch 48 Stunden, den Supergau zu verhindern, der nach Expertenmeinung andererseits schon lange da ist – aber auch 96 Stunden später erfährt man nicht, was denn nun eigentlich geschehen ist.

So muß man sich zu den Zeiten gefühlt haben, als man noch von reitenden Boten abhängig war.

Mehr noch als die Unsicherheit und Gefährlichkeit von nuklearen Kochtöpfen zeigte der Supergau in Fukushima die faktische Zerstörung der Vierten Macht durch die Fünfte: Lobbyismus frisst Information.

Nehmen wir das nächste Thema: die Unruhen im arabischen Raum. Wie lange muß man momentan suchen, um verlässliche Informationen über die Zustände in Tunesien, Jemen, Syrien, Bahrain und Lybien zu finden? So lange, das die gefundenen Nachrichten schon längst veraltet sind, wenn man sie mühevoll ausgegraben hat, denn die Herren der Bombergeschwader nehmen das Ruder jetzt erstmal selbst in die Hand: Demokratien werden Angriffskrieger, gerne auch im großen Stil, wie die Welt nun berichtet:

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy ging noch weiter und drohte auch anderen Diktatoren. „Jeder Herrscher muss verstehen, und vor allem jeder arabische Herrscher muss verstehen, dass die Reaktion der internationalen Gemeinschaft und Europas von nun an jedes Mal die Gleiche sein wird“, sagte er. „Wir werden an der Seite der Bevölkerung sein, die ohne Gewalt demonstriert.“

Das ist eine offene Kriegserklärung gegen alle lobbyismusresistenten Regierungsformen. Kombiniert mit einer Nachricht aus kleinezeitung.at wird diese Ankündigung recht brisant … denn sie gilt ja nicht nur für den arabischen Raum:

US-Forscher haben Russland in einer Studie erneut schwere demokratische Defizite bescheinigt und vor einer ähnlich explosiven Lage wie im Nahen Osten gewarnt.

Da sehe ich doch in Zukunft deutsche Panzer schon wieder auf dem Weg nach Moskau. Ich verstehe auf einmal auch, warum Russland die Produktion von Luftabwehrraketen forciert, nachdem die Nato Lybien bombadiert hat – die sind halt nicht blöd, die Russen. Die können auch Zeitung lesen und wissen, das ihnen ein gleiches Schicksal drohen kann: sie haben Rohstoffe – und reagieren laut Welt angemessen:

Unter dem Eindruck der Luftangriffe auf Libyen päppelt Russlands Premier Putin die Rüstungsindustrie mit Milliarden. Vor allem die Luftabwehr soll modernisiert werden.

Da bekommen Sarkozys Worte doch gleich einen ganz anderen Klang, während im arabischen Raum zunehmend Missklänge auffallen:

Die Lage wird dadurch nicht besser, dass die Rebellen zwar die Kraft hatten für Hilferufe, aber nicht für politische und militärische Organisation. Das alles braucht Zeit und muss letzten Endes von innen kommen. Gegenwärtig fehlt es den wilden Gesellen in Bengasi an allem außer dem Mut der Verzweiflung. Damit droht eine Lage, in der entweder die Interventionskräfte die Rebellen ihrem traurigen Schicksal überlassen müssen oder aber der militärische Einsatz zu einer Landungsoperation auszuweiten ist. Normandie in Nordafrika?

So berichtet die Welt und läßt einen mit der Frage allein: was sind denn das eigentlich für „wilde Gesellen“, die man nun retten muß?  Man fragt sich auf einmal: wo ist die jene Kraft geblieben, jene Macht, die die Unruhen angestiftet, koordiniert, organisiert und bewaffnet hat? Wo sind die führenden Köpfe der Rebellen auf einmal hin? Vielleicht nach Brüssel? Die dortigen Unruhen verschwinden fast in den Medien, dabei haben sie scheinbar ganz ordentliche Ausmaße, siehe Manager-Magazin:

Gewaltsame Demonstrationen und das Aus der portugiesischen Regierung haben ihren Schatten auf den EU-Gipfel geworfen. Tausende Arbeiter lieferten sich in Brüssel Straßenschlachten mit der Polizei, um ihre Wut über von Europa verordnete Sparprogramme Luft zu machen.

Haben wir es hier vielleicht mit den gleichen Unruhen zu tun, die auch den arabischen Raum befallen? Ein Blick auf die Reichenuhr könnte dies bestätigen, siehe Frankfurter Rundschau:

Der Staatsverschuldung in Höhe von rund zwei Billionen Euro stehe derzeit ein „explodierendes Vermögen“ gegenüber. Den privaten Reichtum in Deutschland beziffert Körzell momentan auf rund 7,2 Billionen Euro – und er wachse jede Sekunde um 5888 Euro.

Trotz der hohen Staatsschulden − aktuell gut 1,9 Billionen Euro − sei bei den oberen zehn Prozent der Bevölkerung enormer Reichtum vorhanden. Die Staatsverschuldung wächst dagegen pro Sekunde um 2279 Euro – also etwa zweieinhalb mal langsamer.

Die oberen zehn Prozent erleben einen Reichtumstsunami, der – wenn die Medien darüber berichten dürften – in direktem Zusammenhang mit den Katastrophentsunamis steht, denn nach zwanzig Jahren gezielten Lobbyismus hat man Mechanismen geschaffen, die das Geldvolumen des Landes in nie geahnter Höhe umverteilen und Menschen über Nacht leistungslose Vermögen bescheren – durch Verdienste an Schrott-Akw´s, Waffenhandel und Ausplünderung der Staatskassen bei Aufräumarbeiten.

Nur erfahren wir das nicht im Detail, weil man mit soviel Reichtum einfach die Vierte Macht wegspülen kann.  Darum erreichen uns über die Mechanismen der Umverteilung nur unverständliche Botschaften wie diese hier im Manager Magazin:

Banken haben in den vergangenen Jahren darüber hinaus aber eine weitere Spielart der elektronischen Handelsplätze ersonnen, auf denen OTC-Deals zwar systematisch und regelmäßig ablaufen – nur eben ohne jede Transparenzpflicht. In der Branche spricht man von „unregulierten Dark Pools“ oder „Broker-Dealer-Crossing-Networks“ (BDCNs). „Das sind von Banken betriebene, hauseigene Systeme zur automatisierten Ausführung von Kunden- und Eigenhandelsaufträgen“, erklärt Stephan Kraus, Handelsexperte der Deutschen Börse. BDCNs fallen unter keine der Mifid-Kategorien, sind ein Zwischending aus MTF und Systematischem Internalisierer. Jedenfalls lassen sie sich bisher nicht sauber zuordnen.

Heißt auf Deutsch: Banken arbeiten an weiteren Mechanismen, Geld in großem Maße unkontrolliert umzuverteilen. Geht´s schief, haftet ja der Steuerzahler. Wüßten wir das im Detail, würden wir sauer werden. Wüßten wir genau, das Sarkozy gerade Russland gedroht hat, würden wir erst recht sauer werden. Würden wir konkret wahrnehmen, was die Geldvernichtung bzw. die leistungslose Turbovermehrung von virtuellem Kapital alles so anrichtet, würden wir ebenfalls sauer werden, siehe Der Westen:

Das Geld liegt auf der Straße – zumindest für Flaschensammler wie Peter H. aus Essen. Immer mehr Menschen suchen Verwertbares aus dem Wohlstandsmüll, um es zu Geld zu machen. Gerade im Sommer hat die Suche nach Pfandflaschen Konjunktur.

Aber: wir erfahren so etwas nicht. Die Wahrheit über die Verarmung Europas wird uns in dieser Form sowenig erreichen wie konkrete Informationen über Fukushima.

Das führt für uns Bürger zu besonderen Herausforderungen, die wir für Manager schon mal offener einfordern, weil von ihren Entscheidungen das Überleben der Superreichen abhängt. Darum fordert man hier gezielten Umgang mit „Intuition“, wie der Harvardbusinessmanager berichtet:

Die Intuition, nämlich die Fähigkeit, sich auch in komplexen, unscharfen und unterschwelligen Situationen ein Bild zusammenzufügen. Dabei hilft das emotionale Erfahrungsgedächtnis. Es trägt dazu bei, das richtige Repertoire zum richtigen Zeitpunkt abzurufen, sprich: Komplexe Situationen zu erfassen und zu strukturieren, um schnell effektiv entscheiden zu können. Oder wie es die in Zürich lehrende Psychoanalytikerin Maja Storch formuliert: „Klug entscheiden heißt: Inhalte aus dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis und bewusste Verstandestätigkeit miteinander zu koordinieren.“ Niemand muss alle Erfahrungen selbst machen, so wie niemand von Flugbegleitern erwartet, dass sie einmal abgestürzt sein müssen, um im Katastrophenfall gut reagieren zu können. Aber jeder kann die notwendigen Fähigkeiten entwickeln und üben.

Auf deutsch gesagt: wenn sich angesichts der aktuellen Nachrichtenlage ein schlechtes Gefühl entwickelt, das Gefühl, großflächig belogen und betrogen zu werden, dann … liegt man wahrscheinlich richtig. Wenn man das Gefühl hat, das hinter den Kulissen der Weltpolitik gerade die ersten Panzer auf die Rollbahn nach Moskau gesetzt werden, so liegt man wahrscheinlich richtig.  Wenn man das Gefühl hat, das die zufällige Aneinanderreihung von „Revolten“ im arabischen Raum ganz und gar nicht zufällig ist, so hat man wahrscheinlich Recht.

Wenn man das Gefühl hat, das sich die mediale, politische und wirtschaftliche Realität gerade in ein Narrenhaus verwandelt und auf eine gigantische Katastrophe zusteuert, an deren irrealem Zustandekommen die Historiker der Zukunft wieder lange herumrätseln werden, so liegt man wahrscheinlich richtig – auch wenn´s wehtut.



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