Ausland

Demokratie in Ägypten unerwünscht

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Wenn man die deutschen Medien so verfolgt, dann überwiegt doch Skepsis beim Blick auf Ägypten. Ein „demokratischer Frühling“ sei eher nicht zu erwarten, heißt es immer wieder. Vielmehr sorgt sich die hiesige Meinungsführerschaft um die Stabilität in der Region. Wie gut das Ägypten ein vornehmlich islamisch geprägtes Land ist. Da fällt einem das Fürchten vor religiösen Hardlinern, die die Macht einfach so ergreifen könnten, natürlich nicht so schwer. Dabei wollen die Muslimbrüder, die aus Sicht des Westens als radikale Gesinnungsgruppe für den Job in Frage kämen, gar nicht so fundamentalistisch und agressiv sein, wie sie der Westen gerne sehen würde. Nö, die Brüder haben erklärt, sich nach einem Sturz Mubaraks und möglichen Neuwahlen nicht an einer Regierung beteiligen zu wollen und auch sonst zeigt man aus der Richtung kein sonderliches Interesse an den Vorgängen. Man könnte fast meinen, die Muslimbrüder seien Angestellte der ARD-Aktuell-Redaktion.

Den Muslimbrüdern soll es wirtschaftlich auch besser gehen als dem Rest der Bevölkerung, insofern sieht man wohl keinen Handlungsbedarf, nun auf einmal das Klischee von religiös verirrten Fanatikern und wohmöglich noch wild umher bombenden Terroristen zu erfüllen. All das ignoriert aber natürlich unser journalistisches Panikorchester, das bereits eine bizarre Melodie vor sich hinspielt. Wer am Donnerstag das heute journal im ZDF verfolgt hat, wird vielleicht den Kommentar vom Chefredakteur

glaubt uns doch kein Mensch Peter Frey gehört und gesehen haben. Er, selber christlicher Fundamentalist, weil Mitglied im ZK der deutschen Katholiken, phantasiert in seinem Redebeitrag von einem anderen Iran, in dem der Koran zur Staatsräson werden könnte. Das würde die Stabilität in der Region gefährden, so Peterchens Befürchtung. Dabei sorgt sich Frey besonders um die Stabilität der Schifffahrtswege und des Energienachschubs.

Deshalb kann er der „Steinewerfer-Revolution“ auch nicht sonderlich viel abgewinnen und bezweifelt zum Ende hin, dass eine schnelle Demokratie zu haben sei. Er fordert dann auch, Realitäten zu erkennen und Ägypten vorm Bürgerkrieg zu retten, indem man den Übergang organisiert (man erfährt allerdings nicht wer das sein oder machen soll, vielleich zu Guttenberg?). Da werden sich die Ägypter aber bedanken, wenn nicht sie, sondern der scheinbar aufgeklärte und säkularisierte Westen darüber entscheidet, wer an Suez-Kanal und Nil die Stabilität bestimmen darf.

Das Problem ist halt, dass wir Europäer und speziell wir Deutschen annehmen, die Ägypter seien Hinterwäldler, die nicht mitbekommen haben, was beispielsweise im Iran vor zwei Jahren los war. Der Bevölkerung im Gottesstaat geht es nämlich auch nicht sonderlich gut, und sie fühlt sich von ihrer Regierung verschaukelt, weshalb es zu großen Protesten nach der iranischen Präsidentschaftswahl 2009 kam, bei denen es im Zuge gewalttätiger Auseinandersetzungen auch viele Opfer gab.

Peter Frey hat das wahrscheinlich gar nicht mitbekommen oder überhaupt nicht mehr auf der Platte. Damals hatte er ja noch peinlich versucht, Oskar Lafontaine im Sommerinterview des ZDF als Hinschmeißer zu diffamieren. Peter Frey, ein deutscher Hinterwäldler eben oder aber ein passender Kellner für den Koch.

Nur warum sollte ausgerechnet eine Gefahr der Iranisierung in Ägypten bestehen? Die Ägypter wären ja schön blöd, sich so ein totalitäres Regime ans Bein zu binden. Die Menschen wollen bessere Jobs und eine Perspektive und nicht die Sharia. Peter Frey hingegen bedient einfach nur das durch Medien und Politik gepflegte Vorurteil, die arabische Welt sei per se demokratieunfähig.

Dabei wäre ein kritischer Blick auf unsere eigene Demokratie sehr lohnenswert. Die Bundeskanzlerin hat zusammen mit anderen europäischen Regierungschefs einen gemeinsamen Appell an die Adresse der ägyptischen Führung gerichtet. Darin heißt es:

„Wir beobachten mit größter Sorge, dass sich die Lage in Ägypten verschlechtert. Es muss den Ägyptern frei stehen, ihr Recht auf Versammlungsfreiheit auszuüben. Die Sicherheitskräfte müssen sie dabei schützen.

Quelle: Bundesregierung

Dabei hieß es zum Thema Demonstrationsfreiheit vom Regierungsmitglied Thomas de Maizière (CDU) kürzlich noch:

„Wenn tausende 13-jährige Schüler von ihren begüterten Eltern Krankschreibungen kriegen, um zu demonstrieren, dann ist das ein Missbrauch des Demonstrationsrechts.“

Quelle: Tagesspiegel

Unsere Demokratie ein Etikettenschwindel? Eine Frage, mit der sich der Chefredakteur des ZDF einmal ausgiebig befassen sollte. Immerhin hat er den Job ja nur, weil sein Vorgänger Nikolaus Brender unglaublich demokratisch und vor allem unter der gebotenen Staatsferne durch Ministerpräsident a.D. Roland Koch aus dem Dienst entfernt worden war.

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In der Mediathek des ZDF finden sie die komplette Sendung des heute journals vom 3. Februar. Die Mediathek ist einfach spitze, das muss man sagen. Die einzelnen Themen der Sendung können nämlich bequem per Mausklick aufgerufen werden. So können sie zum schlechten Kommentar von Frey ganz einfach hin navigieren und müssen nicht umständlich den Schieberegler bedienen und selbst suchen.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1250354/ZDF-heute-journal-vom-03.-Februar-2011#/beitrag/video/1250354/ZDF-heute-journal-vom-03.-Februar-2011

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