Hiob ist ja ein bekannter Mann. Altes Testament – großer Star. Der Herrgott in seiner unermeßlichen Weitsicht hatte sich den Hiob ausgesucht, um ihn mit Übeln aller Art zu plagen. Der liebe Herrgott war sich sicher, der Hiob hält das aus, der Teufel meinte: nö, tut der nicht.
Seitdem ist Hiob der Markennamen für niederschmetternde Katastrophen der besonderen Art, wie z.B. heute im Handelsblatt:
Die britische Wirtschaft muss nach dem Konjunktureinbruch eine neue Hiobsbotschaft verkraften. Die Inflation dürfte in den kommenden Monaten auf bis zu fünf Prozent steigen, sagte der Gouverneur der britischen Notenbank (BoE), Mervyn King, am Dienstag.
Für Großbritannien ist das eine Hiobsbotschaft. Das heißt konkret: 5 % weniger für all jene, die an keiner Preisschraube drehen können. Da wir nicht mehr in einer sozialen Marktwirtschaft sondern in einer asozialen Raubwirtschaft leben, wird an der Preisschraube gedreht werden, bis den Menschen die Luft zum Leben ausbleibt und sie sogar darüber nachdenken, die Oma zu verheizen, wie der Spiegel jetzt berichtet:
Sparen bis zum bitteren Ende: Eine britische Stadt will ihr Freizeitbad mit Abwärme aus dem Krematorium heizen. Das diene auch dem Klimaschutz, werben die Verantwortlichen. Gewerkschafter kritisieren den Spar-Vorschlag als „krank“.
Wer sich noch mehr gruseln möchte, lese die Kommentare zu dem Artikel, da fallen langsam immer mehr Hürden, die die EU-Bürger bislang vom NS-Heizer getrennt haben.
Aber das alles ist ja England, wir leben ja in Deutschland. Dort ist ja alles in Ordnung, dort gibt es keine Hiobsbotschaften, oder? Nein, dort wird laut Welt alles ohne Hiob einfach teurer:
Die deutschen Importpreise sind im Dezember so stark gestiegen wie seit über 29 Jahren nicht mehr. Sie zogen um 12,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat an, weil vor allem Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel deutlich mehr kosteten. Eine höhere Teuerungsrate hat es zuletzt im Oktober 1981 mit 13,7 Prozent gegeben, teilte das Statistische Bundesamt mit.
Essen und heizen sind unverzichtbare Elemente menschlichen Lebens. Daran kann man nicht sparen. Der Mensch lebt eher ohne Essen als ohne Wärme, bei einem Anstieg der Rohölpreise (z.B. im Dezember um 35,6 %) heißt das auf Deutsch: das Budget zur Restlebensgestaltung wird drastisch gekürzt. Da hilft dann auch kein Bildungsgutschein für Kinder mehr.
Hartz IV, Bafög, Renten, Löhne werden de fakto massiv gekürzt – noch in diesem Jahr. Das dann schöne Zahlen auf dem Konto liegen, sollte nicht täuschen: die Zahlen auf den Preisschildern werden dafür ausgesprochen überdimensioniert häßlich sein.
Auf gut deutsch heißt das dann letztlich: die Krematorien werden mehr Heizmaterial erhalten, das bei der Entsorgung von Wohlstandsentsorgten kostenlos anfällt.
Wo sind nochmal genau die Politiker, die uns vor einer solchen Entwicklung schützen? Welche Partei stemmt sich mit aller Kraft diesem Horror entgegen? Rentner, Arbeitslose, Halbarbeitslose, Baldarbeitslose und Studenten dürften in ihrer Gesamtheit die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellen, die nun wieder für die Goldkettchen der Maschmeyers der Republik, für die Boni der Ackermänner und die Bezüge ihrer Abgeordneten hungern und frieren dürfen – die einen mehr, die anderen weniger. Das das keinen Aufschrei gibt, keine das Gleichgewicht wieder herstellende Partei aus dem Einheitsbrei der Prediger der Alternativlosigkeit aufersteht, hängt auch mit der schwindenden Pressefreiheit (oder, besser gesagt: der schwindenden Presse selbst) in Deutschland zusammen, mit dem Aussterben des Journalismus (oder, besser gesagt: mit dem Ausssterben des Journalisten).
Evangelisch.de hat das treffend zusammengefaßt:
Für die Pressefreiheit problematischer sind die ökonomischen Zwänge, denen Journalisten inzwischen ausgesetzt sind. Zwänge, die Verleger gern als „Flexibilität“ bezeichnen. Für derlei Zwänge gibt es viele Beispiele. Die komplette Redaktion seiner „Münsterschen Zeitung“ tauschte etwa der Verleger Lambert Lensing-Wolff aus. Seine neuen „Rasenden Reporter“ berichten „online, on air und für Print“ und werden nicht nach Tarif bezahlt. Pläne, die auch andere verwirklichen wollen. Der Journalist von morgen muss alles bedienen: Radio, Fernsehen, Internet und die Zeitung. Er wird zur „eierlegenden Wollmilchsau“. Fehlt nur noch, dass er zusätzlich die Sanitäranlagen der Redaktion feudelt – für 20 Cent pro Kachel.
Mit Lohnknechten dieser Art, deren Loyalität zum Geldadel gerne auch erstmal durch ein zur Not auch jahrelanges Praktikum getestet wird, bekommt man nur die Informationen, die interessierte Kreise beim Endverbraucher sehen wollen. In der Süddeutschen Zeitung gibt es momentan einen kleinen Ausblick auch das Thema „Praktikum“:
Nach Schätzungen der Gewerkschaften ist etwa die Hälfte der Praktika, die nach Abschluss des Studiums oder einer Ausbildung absolviert werden, unbezahlt. Drei Viertel dieser Praktikanten versichern, überwiegend als normale Arbeitskraft eingesetzt worden zu sein.
Die Initiative Nachrichtenaufklärung hat in ihrem Blog eine interessante Auswertung über unser Nachrichtenwesen veröffentlicht:
Seit 1997 hat die Initiative Nachrichtenaufklärung jedes Jahr eine TOP-Liste der von den Medien vernachlässigten Themen veröffentlicht. Eine Analyse dieser TOP-Themen zeigt: Wir haben Dauergäste auf unseren Listen. Am häufigsten landen Wirtschaftsthemen in unserer TOP 10. An und für sich wird ja sehr viel über Wirtschaft berichtet, die meisten überregionalen Zeitungen haben gleich mehrere Wirtschaftsbücher und die Börsenkurse sind fester Bestandteil der Abendnachrichten im Fernsehen. Es gibt aber Wirtschaftsthemen, die das nicht schaffen – obwohl sie für einen großen Teil der Bevölkerung relevant sind.
Jetzt können wir erahnen, warum wir in Deutschland keine Hiobsbotschaften haben – und anstelle der Presse nur noch die PR-Nachrichten der Firmen empfangen. Gleichzeitig können wir uns ein Bild davon machen, wie es um den Aufschwung wirklich bestellt ist. Uns geht es schlecht und immer schlechter – wir reden aber einfach nicht mehr darüber.
So geht´s auch.
Wir reden nicht mehr über Hiob.
Wir sind Hiob.
Da … bleibt einem sowieso die Sprache weg.