Es ist eine Meldung, die wie eine Bombe einschlagen sollte, aber seltsam wenig Wellen schlägt: Deutschlands Spitzenrating ist … laut Welt eigentlich schon nicht mehr vorhanden:
Ablesen lässt sich das an den Staaten-Versicherungsprämien. Die sogenannten Credit Default Swaps (CDS), mit denen sich Marktteilnehmer gegen einen möglichen Zahlungsausfall Deutschlands absichern, sind seit Ende Oktober 2010 um 100 Prozent in die Höhe geschossen und haben sich auf Niveaus etabliert, die keine Bestnote mehr rechtfertigen.
Trotzdem bekommen wir noch eine Bestnote – weil man die Wahrheit halt nie gerne hört. Irland hatte ja auch bis zuletzt noch eine Bestnote.
Das Handelsblatt berichtet derweil noch Notfallplänen der Bundesregierung, da Griechenland nicht auf die Beine kommt:
Die Sorge wächst, dass Griechenland von der immensen Schuldenlast erdrückt werden könnte. Angeblich wird in Berlin bereits an einem Notfallplan gebastelt. Noch dementiert die Bundesregierung. Doch ohne Umschuldung wird der Mittelmeerstaat wohl fallen. Die Folge wäre nach Meinung von Insidern eine weltweite Krise wie nach der Pleite der US-Investmentsbank Lehman Brothers.
Die Zeit berichtet Weiteres:
In der Bundesregierung kursieren Pläne für eine Umschuldung Griechenlands. Nach Informationen der Wochenzeitung DIE ZEIT soll den Griechen ermöglicht werden, ihre Staatsanleihen zurückzukaufen. Die nötigen Kredite dafür könnten aus dem Europäischen Stabilitätsfonds (EFSF) kommen, der dem Land dafür Kredite mit günstigen Zinskonditionen einräumen soll. Im Gegenzug will Berlin neue Zusagen für eine stabilitätsorientierte Politik fordern.
Die nationale Souveränität Griechenlands wird aufgekauft – ein Prinzip, das außereuropäische schon sehr erfolgreich angewendet worden ist, um demokratische Strukturen zugunsten der Finanzmärkte umzubauen. Hätte man sich früher darum gekümmert, müßte man heute nicht so zittern, aber die bundesdeutsche Politik arbeitet seit Jahrzehnten ja lieber mit der Hoffnung auf den großen alles heil machenden Lottogewinn (gerne auch „Aufschwung“, „Fortschritt“, „Wachstum“ genannt) als Planungsgrundlage für die folgende Generation. Da der momentan ausbleibt, müssen wir uns das gewonnene Geld eben leihen – und das wird immer teurer, was unschön ist, da wir immer mehr davon brauchen.
Die Wirtschaft selbst – eigentlich die Abteilung, die den Staat mit Geld versorgen soll, sich aber mitlerweile lieber nur noch um sich selbst kümmert – sieht laut Managermagazin verzweifelt in die Zukunft, weil keiner weiß, wie es weitergehen soll – man braucht den Euro für die Firmengewinne, aber keiner weiß, wie man den Euro noch bezahlen soll:
Doch die scharfen Töne verdecken, dass Manager und Unternehmer zunehmend darüber verunsichert sind, welches Vorgehen ihnen und der gesamten Wirtschaft tatsächlich am besten hilft. Auf dem Spiel stehen immerhin nicht weniger als Qualität und möglicherweise Existenz der gemeinsamen Währung in Europa.
Breitet sich die Schuldenwelle auf weitere, bisher stabile Länder aus, droht Inflation, und der Euro könnte butterweich werden. Die Folge könnten Steuererhöhungen in Deutschland sein, die auch Firmen treffen. Alternativ dürften drastische Kürzungen im Sozialbereich zu Verwerfungen führen, die das Geschäftsumfeld der Unternehmen heftig durcheinanderbringen.
„Drastische Kürzungen im Sozialbereich“ – darauf wird man sich einstellen müssen. Schöner formuliert nennt sich das „stabilitätsorientierte Politik“ – also genau das, was die Griechen jetzt noch stärker aufgedrückt bekommen wollen. Blinde, Taube, Rollstuhlfahrer, Kinder, Alte, Kranke – sie sollen jetzt europaweit die Rechnung der Finanzmafia zahlen, Arbeitnehmer dürfen sich mit der Fünfzig-Stunden-Woche und arbeiten bis zur Einbettung in den Gemeindefriedhof ebenfalls dran beteiligen, während die Verursacher der Krise Porsche gute Jahresgewinne ermöglichen und ihren Reichtum weiterhin ungestört vermehren, wie in der FAZ zu lesen ist:
Betrügerisches Verhalten der Führungsriege von Finanzunternehmen führte in die Finanzkrise, erklärt Professor James Galbraithvon der University of Texas in Austin. Die Wirtschafts- und Finanzkrise sei noch lange nicht vorbei, da der konjunkturellen Erholung einige Hindernisse entgegenstünden.
Galbraith fragt sich, wieso es nicht längst zu einer massiven Klagewelle gegen jene Finanzinstitute gekommen ist, die schlechte Produkte auf betrügerische Art und Weise verkauften. Und wieso sind die deutschen Staatsanwälte nicht längst aktiv geworden?
Der Finanzsektor müsse außerdem stark restrukturiert werden, erklärt er weiter. Die Banken seien zu groß und betrieben in ihrer gegenwärtigen Form Raubbau an den verschiedenen Volkswirtschaften.
Klare Worte eigentlich. Auf der einen Seite eine Verbrecherkaste, die Traumrenditen mit Lug und Betrug erwirtschaftet, eine Räuberbande in Maßanzügen, die die Realwirtschaft so weit ausplündert, das vom Aufschwung beim Bürger nur noch Rechnungen ankommen, auf der anderen Seite die Notwendigkeit zu dringendem Handeln, sich das ergaunerte Geld zurückzuholen und damit die Staatsfinanzen zu retten. Worauf wartet man also noch?
Sogar die Realwirtschaft kommt langsam ins Grübeln, so der ehemalige Thyssenchef Professor Dieter Spethmann im Gespräch in der FAZ:
Der Finanzsektor ist in den vergangenen Jahren überproportional stark gewachsen. Die Gewinne der Unternehmen der Branche haben seltsamerweise stark zu genommen, sie konnten ihren Managern riesige Boni ausschütten – während in der Realwirtschaft solche Wachstumsraten gar nicht denkbar sind. Wie lässt sich das erklären?
Nur durch Missbrauch. Der wurde nur durch das Versagen der staatlichen Aufsicht möglich, das ist glasklar. Wir haben zu viele und zu große Banken. Wir brauchen diese Wertpapierhandelsfabriken nicht, sondern nur Finanzunternehmen, die die Realwirtschaft unterstützen. Grundsätzlich gibt es viel zuviel Papiergeld auf dieser Welt. Sie schwimmt im Papiergeld, dabei bräuchten wir nur eine begrenzte Menge, die nötig wäre, um die Realwirtschaf zu finanzieren.
Zu viele und zu große Banken. Und die Politik tut nichts. Wieso auch … sie sahnt laut einem älteren Artikel der FAZ mit ab:
Die Finanzbranche gehörte in den vergangenen Jahren zu den wichtigsten Geldgebern der Parteien. Wie aus den Unterlagen des Deutschen Bundestags hervorgeht, spendete etwa die Deutsche Bank, die das Rettungspaket bislang nicht in Anspruch nimmt, noch im vergangenen Dezember größere Beträge – zu einer Zeit also, zu der die Finanzkrise schon voll durchschlug: Am 5. Dezember erhielt die FDP 200.000 Euro, drei Tage später ging bei der SPD immerhin die Hälfte dieses Betrages ein. Die CDU hatte die Bank schon am 6. Oktober mit 200.000 Euro bedacht. Die Commerzbank hatte noch im März vergangenen Jahres jeweils 100.000 Euro an CDU und SPD gespendet, die Privatbank Sal. Oppenheim überwies die gleiche Summe im August jeweils an CDU und FDP.
Die gleiche Branche bringt jetzt den Euro in Gefahr, weil sie einfach mal so, Aufgrund eines „Gefühls der Beunruhigung“, die Zinsen erhöht, sprich: noch mehr Geld aus den Volkswirtschaften saugt. Ein schönes, geschlossenes System, das weltweit für den Abbau der Demokratie und des Sozialstaates sorgt.
„Finanzbranche killt Euro, Realwirtschaft, Demokratie und Sozialstaat“ … wäre schön, wenn das nur eine Schlagzeile wäre. Aber … angesichts dieser breiten Front von Opfern sollte es doch möglich sein, das Problem schnell und unblutig zu lösen … bevor noch autokratische Strukturen in der EU mehrheitsfähig sind.
Wie man heute erfährt, wird die Zeit da laut Welt knapp:
Die EU richtet ihre Kraft auf die Rettung des Euro, verliert dabei andere Gefahren aus dem Blick. Gerade im Osten Europas erodiert die Demokratie.