Irgendwie warte ich ja auf noch mehr Artikel zum „Versagen der Demokratie“. Gerade jetzt ist doch die Zeit dafür – überraschenderweise müssen wir nämlich feststellen, das sich die Machtverteilung in der Welt plötzlich und scheinbar unerwartet geändert hat. Offen redet sogar das ZDF über den Untergang der USA … bislang eigentlich ein Tabuthema von Verschwörungstheoretikern:
Die eine Großmacht stemmt sich gegen den Niedergang, die andere strebt an die Spitze.
Ins gleiche Horn stößt ein Kommentar der FAZ:
China läutet in wenigen Wochen das Jahr des Hasen ein. Wie flink das Land auf den Beinen ist, weiß die Welt schon länger. 2009 überholte es Deutschland als Exportweltmeister, 2010 ließ es Japan hinter sich und ist jetzt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Nach Berechnungen des Peterson Institutes for International Economics in Washington, das die unterbewertete Währung berücksichtigt, hat China sogar Amerika übertroffen und ist jetzt die stärkste Wirtschaftsmacht auf dem Planeten – wie vor 200 Jahren. Wenn Chinas Präsident Hu Jintao an diesem Dienstag zu seiner vielleicht letzten Amerika-Reise aufbricht, dann sehen manche darin schon so etwas wie die Staffelübergabe von der alten an die neue Weltmacht.
Glaubt man der Süddeutschen, dann geht die Zeit der Weltwährung „Dollar“ zuende:
Selbstbewusst erklärt Hu Jintao, die Tage des US-Dollars als Leitwährung der Welt seien gezählt. Die Angst der Amerikaner vor dem Aufstieg des «Redback», wie der Yuan im Vergleich zum «Greenback» genannt wird, ist keineswegs unberechtigt. Während Dollar und Euro in der Krise angeschlagen sind, gehen Finanzexperten davon aus, dass der Yuan schon in wenigen Jahren zur drittgrößten Währung der Welt aufsteigen wird.
Die wirtschaftliche Offensive Chinas kommt zu einer Zeit, wo die USA durch ihren Kampf gegen den Phantomterroristen Osama Bin Laden erschöpft haben und wirtschaftlich … eigentlich am Ende sind, wie die FTD berichtet:
Laut eigener VGR hat Amerika im dritten Quartal eine Budgetlücke von annualisierten 1537 Mrd. Dollar verzeichnet – oder von 10,4 Prozent des BIPs. Und wie der jüngste politische Handel zeigt, tut Amerika alles, um das Defizit ja nicht schrumpfen zu lassen. Die Fed, die im ersten Akt der quantitativen Lockerung Wertpapiere im Wert von 1700 Mrd. Dollar aufgekauft hatte und kürzlich ein Programm über 600 Mrd. Dollar nachgelegt hat, würde über den Finanzbedarf der Euro-Wackelkandidaten nur lachen.
Wie es aussieht, hatten wir doch noch einen Kampf der Systeme, den wir aber leider nicht so richtig ernst genommen haben, weil wir uns lieber mit dem Kampf der Kulturen beschäftigt haben. Wie es momentan aussieht, siegt das diktatorische System des Parteikommunismus über die Demokratie, die dann wohl doch nicht die wirtschaftlich effektivste Staatsform war.
Nach sechzig Jahren Demokratie ist es angesichts des weltweiten Niedergangs dieser Staatsform ja auch mal Zeit sich der Bilanz zu stellen: was hat uns Demokratie im Jahre 2011 eigentlich gebracht?
Wir haben das ungerechteste Schulsystem der Welt – wie man bei Telepolis nachlesen kann. Dafür arbeiten wir recht lange – und sind laut FTD dabei, das auf ganz Europa auszudehnen:
Die Schuldenkrise kommt Deutschland noch teurer? Das hören Unionsabgeordnete in Berlin gar nicht gern. Zur Beruhigung hat die Kanzlerin eine Idee: Ganz Europa soll erst mit 67 in Rente gehen.
Wir sollen aber nicht nur damit rechnen, länger arbeiten zu müssen. Wir sollten auch damit rechnen, dafür nichts mehr zu bekommen, wie die Frankfurter Rundschau aktuell berichtet:
Über die Löhne von Leiharbeitern ist schon viel spekuliert worden. Jetzt hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) in einer großen Einkommens-Analyse eine harte Zahl vorgelegt: Das mittlere Einkommen einer Vollzeitkraft in der Zeitarbeit betrug 2009 gerade einmal 1393 Euro im Monat – brutto und inklusive aller Zuschläge und Jahresleistungen. Das ist erstaunlich wenig, wenn man bedenkt, dass viele Leihkräfte in der Industrie arbeiten, wo die mittleren Löhne der Stammkräfte mehr als doppelt so hoch sind.
Damit aber noch nicht genug. Neben längerer Arbeitszeit und geringerem Einkommen erwarten uns laut Welt auch noch massive Preissteigerungen:
Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbands, blickt mit Sorge in die Zukunft. Er sieht eine hohe Inflation bei mäßigem Wachstum.
Und … ebenfalls laut Welt … droht uns mit Sicherheit die nächste Rezession:
In einer spekulativen Manie sind gerade in den USA Schulden angehäuft worden, die nie mehr zurückgezahlt werden können. Geld wird nicht verdient, indem man Güter produziert, sondern durch Spekulationen.
Ein Rückfall in die Rezession ist sicher. Wenn es schlimmer kommt, in eine Depression.
Wer würde sich da nicht wünschen, in China zu wohnen, wo die Rente mit 60 lockt, während man hier laut Short-News an einem EU-weiten Orwell´schen Überwachungsstaat arbeitet:
Die EU treibe angeblich ein Projekt namens Indect voran. Dieses soll alle bisherigen Überwachungstechnologien zu einem großen Überwachungsapparat vereinen. Laut Netzinformationen kann Indect auffällige Verhaltensweisen im Internet oder auf der Straße erkennen und präventiv Verbrechen vereiteln.
Gleichzeitig wir ein Zentralargument der deutschen Politik der letzten Jahrzehnte laut Focus endlich mal zum Unwort des Jahres gekürt: alternativlose Politik steht endlich mal am Pranger.
Er suggeriere, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art seien im vergangenen Jahr zu oft aufgestellt worden.
So gesehen deutet die Bilanz (nur des heutigen Tages) wohl nicht gerade darauf hin, das wir mit der Staatsform der Demokratie den goldenen Griff gemacht haben…wäre da nicht eine kleine Einschränkung zu machen.
Was wir versäumt haben – als Bürger und Demokraten – ist die Domestizierung der Wirtschaft. Polizei, Geheimdienst und Militär haben wir in den Griff bekommen, bei der Wirtschaft haben wir uns überwiegend auf „freiwillige Selbstkontrolle“ verlassen – eine Methode, die die Wirtschaftselite selbst beispielsweise für Hartz IV-Abhängige noch nicht mal im Ansatz akzeptieren würde, während man in Punkto „Steuerehrlichkeit“ gerne andere Maßstäbe gelten läßt … was zu bekannten dreistelligen Milliardenverlusten für die Demokratie führte. Wir haben es als Bürger versäumt, konsequent gegen den Aufbau eines ökonomischen Feudalstaates vorzugehen … und müssen jetzt für die Folgen viel bezahlen.
DAS ist ein Versagen der Demokratie – ein Versagen der bundesdeutschen parlamentarischen Politik und der bundesdeutschen Wirtschaftsordnung, die es beide nicht geschafft haben, ihre Arbeit zu machen, die Demokratie wirtschaftlich und politisch weiter zu entwickeln.
Es ist aber kein Versagen der demokratischen Staatsform an sich – es zeigt sich nur sehr deutlich, das die real existierende Feudalökonomie einer marktwirtschaftlich öffnenden kommunistischen Gesellschaft unterlegen ist.
Das aber Feudalstaaten wirtschaftlich mit Demokratien nicht mithalten können, war schon im 19. Jahrhundert bekannt. Bürger arbeiten wesentlich effektiver als Sklaven, auch wenn man mit letzteren besser kurzfristige Renditen erzielen kann. Und da wir ja jetzt endlich wissen, das es in Demokratien eigentlich keine alternativlosen Situationen gibt, können wir doch optimistisch in die Zukunft sehen:
Nach dreissig Jahren Terror durch die Finanzmärkte und gelebter Diktatur der Ökonomie könnten wir doch vielleicht mal anfangen, wieder etwas mehr Demokratie zu leben, bevor diese Idee völlig (und zu Unrecht) auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.