Neulich fand ich einen Satz in der „Welt“:
„Und alle, die gläubig waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem, wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“
Der Satz stammt aus der Apostelgeschichte. Der Sohn vom Chef hatte das angeordnet, Markus 10.21, siehe Bibeltext:
Und Jesus sah ihn an und liebte ihn und sprach zu ihm: Eines fehlet dir. Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach und nimm das Kreuz auf dich.
Man findet in der Welt auch ein Zitat von Klaus Ernst, momentan Vorsitzender der LINKEN:
Klaus Ernst wird für seinen Lebensstil oft kritisiert. Doch der Linken-Vorsitzende steht dazu: „Es macht mir Spaß, Porsche zu fahren.“ Zur innerparteilichen Kritik an seiner Führungsrolle sagte er: „Wissen Sie, was mir Angst macht? Diese Hundertprozentigen, die festlegen, wie ein Linker zu sein hat: Er kommt mit dreckigen Fingernägeln zehn Minuten zu spät ins Theater, wo er nichts versteht.“
Nur drei Zitate, und schon versteht man, warum Religion Opium fürs Volk sein muß: die meinen das ernst, diese religiösen Spinner in ihren Klöstern und Kibbuzim, die wenden sich ab von der Welt des Mammons (der ja selbst in manchen Denkschulen der Teufel persönlich ist) und konzentrieren sich aufs Leben – das ist mit Linken nicht zu machen:
„Ein Entbehrungssozialismus ist mit mir nicht zu machen.“ – so Klaus Ernst weiter im Interview. Jetzt weiß man auch, warum die – wie gestern berichtet – Hartz IV-Abhängige aus Führungspositionen drängeln. Mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln kommen die Hartzis nie zur Party auf der Almhütte des Vorsitzenden.
Man könnte diese ganze Geschichte nun als Anekdote am Rande fallen lassen, wenn sie nicht im Rahmen der Kommunismusdebatte die ganze Welt berühren würde. Kommen wir nochmal zum ersten Artikel der Welt zurück:
In der „Deutschen Ideologie“ beschreibt Marx hingegen den Kommunismus wie das Leben eines heutigen Bahnvorstands, für den „die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe“
Der Marxist (wir wollen ihn mal mangels Alternativen so nennen) will Vorstand werden – und verspricht allen, die ihm folgen, das sie ebenfalls Vorstand werden, während andere („die Gesellschaft“) für ihren Unterhalt sorgt. Nehme ich das ernst, so muß ich sagen: wir leben überraschenderweise in einer marxistischen Gesellschaft, das Proletariat trägt „Hugo Boss“, kriegt fette Boni und diktiert der Welt seine Bedingungen.
Der Autor der Welt macht es sich sehr einfach:
Nichts ist also blöder als die übliche Marx-Apologie, er habe eine gute Idee gehabt, die leider in der Wirklichkeit nicht funktioniere. Marx hatte gar keine Idee vom Kommunismus. Er war stolz darauf, den Genossen die utopischen Flausen ausgetrieben zu haben. Dass der Kommunismus als Alternative zur Leistungs- und Eigentumsgesellschaft jederzeit – im Kloster, im Kibbuz oder in der Kommune – machbar ist, interessierte ihn so wenig wie Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch, die über „Wege zum Kommunismus“ sinniert, ohne daran zu denken, einen dieser Wege selbst auszuprobieren.
Die „utopischen Flausen“ des Kommunismus kann man privat leben, das ist keine Frage. Wenn man die Gesellschaft verändern will, dann muß man anders leben. Die Managerelite macht das vor. Tagtäglich machen sie in Film und Funk Werbung für ihren Lebensstil, machen ihre „Marken“ zum Maßstab von Gut und Böse. Schlecht angezogen mit dreckigen Fingernägeln ins Theater – undenkbar für einen echten Managertyp. Man will ja „in sein“, man will „dabei sein“, man will attraktiv sein und ernst genommen werden von den wirklich wichtigen Menschen – jenen mit Geld, mit soviel Geld, das sie sich ganze Regierungen kaufen können. Bei ihnen könnte man ja mit all seinen Bedürfnissen bequem unterschlüpfen und sich vielleicht noch ein paar neue erlauben … Oper, Golf oder Kunst sammeln soll ja auch schön sein.
Und hier kommen wir so langsam zum Kern des Problems: der politischen Alternativlosigkeit. Was wir wählen können, ist: wer von unserem Geld lebt. Gegen die Tatsache, das wir einen riesigen Alltagsterrorapparat zur Politmanagerrundumversorgung mitfinanzieren müssen, der uns langsam aber sicher in den Bankrott treibt, steht alternativlos im Raum. Über die Folgen informiert uns (schon wieder) die Welt:
Im fünften Jahr in Folge haben sich 2010 politische und bürgerliche Freiheiten weltweit verringert. Die Zahl der Demokratien sank von 116 auf 115. Im Jahr 2005 gab es noch 123. Zu diesem Ergebnis kommt der Jahresbericht 2011 von Freedom House, einer unabhängigen US-Forschungseinrichtung, der „Welt Online“ vorliegt.
Ein weiterer Artikel sieht die Freiheit selbst in Gefahr:
Als vor 20 Jahren der Kommunismus zu den blutgetränkten Akten der Geschichte gelegt wurde, ging die Hoffnung um, die Freiheit stehe vor ihrem unwiderruflichen Durchbruch. Das war ein schöner, ein verständlicher Traum, aber eben ein Traum. Gerade das Ende der Blockkonfrontation mit dem Zwang zum atomaren Patt setzte neue Kräfte der Unfreiheit, des Nationalismus, der partikularen Interessen frei und gab dem islamistischen Fundamentalismus den Ausdehnungsraum, den er zuvor nicht hatte. Nach 1989 wurde die Welt schon bald ein gefährlicherer Ort.
Die „Kräfte der Unfreiheit“, die dort freigesetzt worden sind, sind klar benennbar, allerdings verschweigt der Autor die treibende Hauptkraft. Das wissen wir doch aus der Physik: wenn zwei Kräfte gegeneinander im Gleichgewicht sind und man eine dann wegnimmt, dann … entfaltet sich die andere hemmungslos. Einfach mal stark gegen eine Tür drücken die dann unvermutet geöffnet wird – dann sieht man, was ich meine. Was wir momentan erleben, ist der Siegeszug der Gegenkraft gegen den real existierenden Sozialismus … und diese Gegenkraft braucht jetzt auch ihr demokratisches Kleidchen nicht mehr: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst (auch so eine philosophische Grundlage für Kommunismus) ist Megaout, die „In-Bewegung“ hat „Porsche fahren macht Spaß„ auf ihren Fahnen stehen.
Man darf nicht in alte, sprachliche Muster verfallen und die Gegenkraft einfach nur „Kapitalismus“ nennen, das würde meines Erachtens nach zu kurz greifen. Es ist ganz präzise die Geburt einer neuen Gesellschaftsordnung: die Beherrschung der Welt, der Gesellschaft, der Politik durch die Macht der Konzerne, die in ihrer Gesamtheit eine so tiefe Durchdringung von menschlichen Werten, Überzeugungen und Verhaltensweisen anstrebt, die ansonsten nur im NS-Staat zu beobachten war.
Wie man wohnt, wie man sich einrichtet, was man anzieht, was man denkt, wie man liebt, Kinder erzieht, Zähne putzt, Fußnägel lackiert oder kocht: das Imperium hat mitlerweile Vorschriften für alles und jeden sowie viele Sendeformate, in denen jene vorgeführt werden, die noch außerhalb der Konzerngesetze leben. Insofern ist das gesellschaftliche Experiment „NS-Staat“ Vorbild für eine optimale Konzerngesellschaft. Konzernphilosophien und Machtstrukturen in der Welt sind nie demokratisch – und das einzige, was sie noch aufhalten könnte, sind Gesetze. Bei Porschefahrern kann man sich drauf verlassen, das sie am System nichts ändern – kein System, kein Porsche, das ist nunmal die unangenehme Wahrheit. Porsche fallen nicht vom Himmel. Apropo Himmel:
Noch mal was Revolutionäres? Hier, Bibel-online.net:
Kein Knecht kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott samt dem Mammon dienen. (Matthäus 6.24)
Entbehrungssozialismus ist Opium fürs Volk. Wieder was dazugelernt. Wie aber jetzt die CDU und die Kirche mit dem kommunistischen Hintergrund ihres Gottessohnes klar kommen, weiß ich nicht. Ich kann mir nur vorstellen, das die es mit ihrem Christentum so ernst nehmen wie der Marxist mit dem Kommunismus. „Porsche fahren macht Spaß“ – darauf können sich aber beide Seiten problemlos einigen.