Am Ende des Jahres hat der Bundespräsident erstmal ein Fass aufgemacht. „Ehrenamtliche leben länger“ – eine Aussage, die laut Handelsblatt von seriösen Studien unterstützt wird:
Auch nach Ansicht des Hirnforschers Manfred Spitzer ist ehrenamtliches Engagement gesund und kann in manchen Fällen sogar Medizin ersetzen. Es wirke Einsamkeit entgegen, löse Glücksgefühle aus und verlängere das Leben. „Rein rechnerisch könnte man allein durch Ehrenämter die Streichung einer ganzen Reihe von Langzeitmedikationen ausgleichen“, sagte der Direktor der Psychiatrischen Uniklinik Ulm. Freiwilliger Einsatz für andere beuge Krankheiten wie Bluthochdruck, erhöhter Blutzucker oder zu hohe Blutfette vor.
Auf diese Entwicklung folgte laut Welt prompt die Antwort. Es ist seltsam in diesem Land: kaum zeichnet sich ab, das Geld freiwerden könnte, schon kommt jemand und greift es ab:
Der Staat wird wegen der Überalterung mehr Geld brauchen. DIW-Chef Zimmermann plädiert für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer – so schnell wie möglich.
Klarer Fall: jede Form von lebensverlängernden Maßnahmen – und sei es auch nur ein harmloses Ehrenamt – bedroht das System in seiner Existenz. Der DIW-Chef wird noch deutlicher:
„Wenn zudem die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ab dem Jahre 2016 seriös greifen soll, braucht die Bundesrepublik in den kommenden fünf Jahren das größte Sanierungsprogramm ihrer Geschichte. Gemessen an der Größe dieser Aufgabe sind die bisherigen Sparbemühungen noch ziemlich moderat.“
Immerhin sei infolge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise „unser gesamtstaatliches Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen auf den dramatischen Rekord von mehr als 1,7 Billionen Euro geklettert“.
Es ist schön zu sehen, wie sich die Sprache ändert, wenn es um die Butter geht. Jeder baut sich einen kleinen – schicksalhaft unüberwindlichen – Sachzwang, der natürlich nur mit noch mehr Geld zu bewältigen ist. Das wir die Rekordverschuldung gerade diesen Sachzwängen zu verdanken haben, wird nur in äußerst seltenen Fällen von Menschen genannt, die schnell als „Verschwörungstheoretiker“ verschrien sind. Sich selbst Gedanken über Politik zu machen, ohne die Lotsenfunktion des Journalismus wahr zu nehmen, ist seit einigen Jahren völlig „out“ … und ziemlich verdächtig. „Nähe zum Terrorismus“ rückt da als Vermutung schnell in Mittelpunkt des Verdachtes.
Wer aber genau hat die deutsche Industrie ruiniert, indem er Arbeitsleistungen im Ausland einkaufte, deren Transport unsere Umwelt nachhaltig geschädigt hat? Wer genau hat hunderte Milliarden in den Sand gesetzt, um faulen Säcken ein leistungsloses Einkommen auf Millionärsniveau zu sichern? Wer hat zunehmend Reserven der Versicherungen für versicherungsfremde Leistungen ausgegeben? Wer genau plündert den Wirtschaftsraum Deutschland seit Jahrzehnten gezielt aus?
Die Antwort ist leicht: Konzerne, Parteien und ihre Nutznießer. Räuberbanden halt.
Wer zahlt die Zeche? Der Bürger. Er wird in diesem Land an sich ziemlich überflüssig – jedenfalls als menschliches Wesen. Als Arbeitskraft zwischen 20 und 35 Jahren alt, kerngesund, bereit zu unbezahlten Überstunden und lebenslänglichen Praktika kann er sich gerade noch so über Wasser halten, wird er allerdings krank oder alt … dann landet er bei Mutter Gnadenlos:
Von der Leyen signalisiert Härte – so titelt heute die Zeit, es geht um fünf Euro pro erwachsenen Langzeitarbeitslosen und ein Bildungspaket für ihre Kinder, das ihnen 30 Minuten Klavierunterricht im Monat spendiert:
So trage die SPD nicht mit, dass 1300 neue Beamte eingestellt würden, um die Regelungen des Bildungspakets zu verwalten. „Auch die halbe Stunde Klavierunterricht im Monat löst nicht die Probleme der Kinder, die in Armut aufwachsen„, kritisierte Steinmeier das Bildungspaket von der Leyens.
1300 neue Beamte zur Verwaltung des „Bildungspaketes“? Da kann man aber wieder viele treue Parteigenossen in Lohn und Brot bringen, während man den Kindern kurz einen Blick in eine Welt erlaubt, die niemals mehr die ihre sein wird. Aber so ist halt die Sozialpolitik von Räuberbanden: „Wenn ich von dem, was ich dem Bürger genommen habe, was abgeben soll, dann will ich aber auch was dafür haben!“
Für Räuber eine akzeptable Logik.
Wir Bürger jedoch … sind anders gestrickt. Wir kaufen gerne Hosen, die zehn Jahre lang halten, weil sie nicht von Kindern in Asien sondern von Erwachsenen in Deutschland produziert wurden. Wir arbeiten auch ehrenamtlich – also: umsonst. Jedenfalls – wenn wir nicht gerade Hartz IV beziehen oder zwei Jobs haben, um unsere Familie über Wasser halten zu können. Wir Bürger sind auch sonst unverzichtbar für den Staat, wenn man der FAZ glauben darf:
Wenn nicht mehr über zwei Drittel der Familien ihre Solidarität für die sehr Jungen wie die Alten in vollem Umfang wahrnehmen würden, wäre das für die Gesellschaft wie für den Staat finanziell und emotional eine Katastrophe. Kein Wunder also, dass sich die Familien und zuvörderst die Frauen mehr Anerkennung vom Staat wünschen. Junge Familien wünschen sich vor allem finanzielle Anerkennung ihrer Familienarbeit, Geldsorgen stehen bei 45 Prozent an erster Stelle, die Kinderbetreuung liegt weit abgeschlagen dahinter.
Wie schön zu sehen, das sich der Staat jetzt sehr für die Kinderbetreuung organisiert. Aber so zwischen 20 und 35 sind ihm die Bürger am wertvollsten, diese Zeit sollte man nicht mit Kindererziehung verplempern, da kann man noch optimal an preiswerter Arbeitskraft verdienen, vorher und nachher sind sie einfach nur Kosten auf zwei Beinen. Darum plädiert der Chef der DIW ja auch so vehement für jene Form von Steuern, die gerade Familien, Kinder und Kranke am Meisten belastet.
Wäre es nicht schön, wenn wir Bürger dafür plädieren, eine Gesellschaft von Ehrenamtlichen zu bilden? Wie es aussieht, sind wir das doch sowieso schon, wenn man sieht, das neben den offiziellen Ehrenamtlichen auch noch die Familien den Großteil der Arbeit machen. Könnten wir uns nicht so organisieren, das wir uns die überversorgten Leistungsträger sparen könnten und so das Haushaltsdefizit spielend leicht abbauen? Immerhin – zur Erinnerung hier bei Telepolis – es sind einhundert Milliarden Euro jedes Jahr (also einhunderttausend Millionen), die aus diesem Land geschleust werden
Während Hartz-IV-Bezieher damit rechnen müssen, dass Kontrolleure sogar in ihren Kühlschrank blicken, um potentiellen Missbrauch aufzudecken, dürfen Wohlhabende in Deutschland in puncto Steuerzahlungen mit einem rücksichtsvollen und nachlässigen Vorgehen des Staates rechnen – und dass, obwohl dem notleidenden Fiskus damit dreistellige Milliardensummen entgehen. Dabei offenbaren die Besserverdiener in Sachen Steuerhinterziehung olympischen Ehrgeiz und ungeahnte anarchistische Energien. Ein Interview mit Kim Otto, der sich mit seinem Kollegen Sascha Adamek für das Buch „Schön Reich – Steuern zahlen die anderen“ investigativ dem Thema widmete.
Kim Otto: Ich finde Sozialleistungsmissbrauch auch nicht gut, um das vorab zusagen. Auch diese Menschen nutzen den Sozialstaat aus, genauso wie die Steuerhinterzieher. Allerdings kam es bei einem Sozialleistungs-Etat für’s SGB II (Arbeitslosengeld II) in Höhe von 24 Mrd. Euro im Jahr 2009 zu Überzahlungen in der Größenordnung von 72 Millionen Euro. Hingegen kostet die Steuerhinterziehung, laut OECD, den deutschen Steuerzahler jedes Jahr über 100 Mrd. Euro. Anders gerechnet belastet das jeden einzelnen Deutschen mit gut 1250 EUR im Jahr.
Schleust man jedes Jahr 100 Milliarden Euro am Fiskus vorbei, so hat man nach 17 Jahren unsere Staatsverschuldung komplett auf Auslandskonten liegen. Wer also wissen will, wie die Bürgergesellschaft finanziert werden soll, der braucht nur den Räubern die Beute zu nehmen. Das Wort „Wirtschaft“ will ich aber in dem Zusammenhang nicht mehr hören. Fährt der Bauer mit Rüben auf den Markt, dann ist das Wirtschaft. Maximiert die Hausfrau Lebensqualität mit gleichbleibenden Ressourcen, dann ist das Wirtschaft. Bläht sich ein Krämer so sehr auf, das er die Konkurrenz mit Hilfe der Banken aufkauft und sich in Folge an hemmungslosen Preiserhöhungen dumm und dämlich verdient, dann ist es ein Verbrechen – Räuberei mit „Firma“ als Waffe gegen die Mitbürger. Schafft er die Beute dann ins Ausland … ist es ein Kapitalverbrechen gegen den eigenen Wirtschaftsraum.
Aber „wetten dass“ … sich daran nichts ändern wird? Und „wetten dass“ diese hochinteressante Wette bei Gottschalk nie eine Chance hätte, erwähnt zu werden?
Dabei … würden sich so viele Probleme lösen lassen. Schaffen wir für Bürger ein Bürgergeld, sparen wir die Hartz-Verwaltung. Schaffen Bürger im Ehrenamt, könnten viele Probleme durch Selbstorganisation gelöst werden, gleichzeitig bräuchte niemand mehr die Kinderarbeitswaren aus den Billigläden kaufen.
Die deutsche Ehrenamtgesellschaft könnte ein leuchtendes Beispiel für die Welt werden, ein mutiger Schritt Richtung Fortschritt und Zukunft anstatt das dieses Land sich weiterhin verstärkt zur Quelle weltweiten Elends macht während die Früchte seiner Schaffenskraft auf Offshore-Konten vergammeln.
Ich denke aber, wir werden einfach mal wieder höhere Preise für alle und alles bekommen, die immer weniger bezahlen können. Das ist zwar keine Lösung, aber halt Räuberethik: „Wenn ich zuwenig habe, dann nehme ich mir einfach mehr – schon habe ich genug!“
Und da Räuber sich nicht vorstellen können, das Bürger umsonst arbeiten, haben sie die Agenda 2010 entworfen, weil der Räuber in allen anderen nur Räuber sieht und panische Angst hat, die anderen Räuber könnten besser stehlen als er.
Es wohnen aber nicht nur Räuber in diesem Land. Genau genommen, sind es nur sehr wenige. Sie sind nur gut getarnt – als Biedermänner. Aber ihr Denken verrät sie immer und überall.
Eine gesunde, glücklich alternde Gesellschaft von Ehrenamtlichen hat natürlich auch ihre natürlichen Feinde – all jene, die von dem hemmungslosen unkontrollierten Geldfluß leben, den sie brauchen, um sich selbst hemmungslos zu bedienen und sich ein arbeits- und sorgenfreies Leben zu schaffen, weshalb ich fürchte, diese Gesellschaft werden wir nicht so geschenkt bekommen, wie wir die Demokratie dereinst geschenkt bekamen.
Wir werden sie aber zum Überleben brauchen, da der Räubergesellschaft irgendwann die Lichter ausgehen, wenn der letzte Euro auf den Bahamas gebunkert wurde, um sich dort von selbst zu vermehren.