Politik

Wutbürger und die Aufgabe des Journalismus in Fassadendemokratien während des „Systemcrashs“

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Heute ist mal wieder beten angesagt, jene letzte menschliche Tätigkeit, die immer dann mit Begeisterung ausgeführt wird, wenn die menschliche  Vernunft die Seele und den Leib wieder gezielt in einen bleiverseuchten  Schützengraben geführt hat, wo einem Granatsplitter und Leichenteile nur so um die Ohren fliegen. Soll ja auch oft helfen, dieses beten – wenn ich an die ganzen Dankschildchen denke, die unsere Eifelkapellen verzieren, scheint das manchmal gut zu funktionieren.

Zwei Großmächte steuern nach sechzig Jahren UNO und Friedensdiplomatie offen und mit Plan frontal aufeinander zu – aber nur den Autoren des Handelsblattes ist dies eine Nachricht wert:

Die Spannungen zwischen beiden koreanischen Staaten nehmen weiter zu. Wegen geplanter südkoreanischer Schießübungen nahe der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer drohte Nordkorea dem Nachbarn. Nordkoreas Militär werde „gnadenlos“ zurückschlagen, sollte die Grenze zu seinem Hoheitsgewässer verletzt werden, warnte das Außenministerium in Pjöngjang am Samstag. Trotz der Warnungen will Südkorea an seinem Manöverplan festhalten. China und Russland wollten sich bei einer Sondersitzung des UN- Sicherheitsrats noch am Sonntag um Entspannung bemühen.

Die Nachricht, das Südkorea aktuell ein chinesisches Fischerboot versenkt hat, finde ich gar nur in der Blogosphäre bei „Alles-Schall-und-Rauch„:

Die Mannschaft eines chinesischen Fischtrawler wurde von einem südkoreanischen Patrouillenboot angegriffen und das Schiff versenkt, dabei wurde der Kapitän getötet und zwei Fischer werden noch vermisst. Der Zusammenstoss ereignete sich beim Versuch chinesische Fischerboote am angeblich illegalen Fischen ab der Südwestküste von Südkorea zu hindern. Das Ereignis fand 72 Meilen ab der Insel Eocheong statt.

Hier weiterlesen: Alles Schall und Rauch: Südkorea greift chinesisches Fischerboot an http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2010/12/sudkorea-greift-chinesisches.html#ixzz18dPq4BcM

Vielleicht erklärt das den Konsumrausch der Bürger zu Weihnachten: man weiß, das sparen und wirtschaften keinen Sinn mehr macht, also haut man lieber heute als morgen alles auf den Kopf. Ist ja auch ein Erfolgt der Agenda 2010: wer fleissig gespart hat und dann einer Übernahme zum Opfer fiel, der durfte ja erstmal sein mühselig Erspartes verbrauchen, bevor die ARGE unterstützend eingriff. Wer alles vorher versoffen hatte, war eindeutig der Gewinner. Dabei sieht die Prognose für den deutschen Arbeitsmarkt nicht rosig aus, eine riesige Kapitalmenge sucht laut Spiegel kurz vor der Geldentwertung noch reale Werte zu ergaunern:

Drei Billionen Dollar – diese gigantische Summe geben Firmen weltweit für Übernahmen aus, schätzen Experten. Auch in Deutschland wird jetzt spekuliert: Ist Hochtief erst der Anfang? Welches Unternehmen könnte noch attackiert werden? Erste Namen kursieren bereits, darunter große Dax-Konzerne.

Das sind exakt jene Dollar, die die FED in den USA permanent druckt, damit die US-Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Irgendeinen realen Wert haben diese Scheine schon lange nicht mehr, also gilt es, sie zu Gold zu machen, bevor das jeder merkt.

Eigentlich hätten wir Bürger niemals wieder in eine solche Situation kommen dürfen: immerhin ist Demokratie weltweit der angesagte Renner. Demokratien stehen für Frieden, Wohlstand und Fortschritt – das habe ich in der Schule gelernt. Nur Diktaturen greifen andere Länder an, das habe ich in der Schule gelernt. Wie ich das der Bevölkerung von Vietnam, Kambodscha, Panama, Grenada, Jugoslawien, Irak oder Afghanistan verkaufen sollte, weiß ich nicht. Entweder stimmt der Satz nicht – dann stimmt aber das positive Menschenbild nicht.  Oder aber … es gibt nur noch Fassadendemokratien, die im Kern schon längst ganz anders regiert werden.

Den Eindruck könnte man bekommen, wenn man sich die Politik der Länder anschaut – oder die Auswüchse journalistischen Arbeitens, die Karl Weiss beschreibt:

Was heute offizieller Journalismus ist, das erfüllt nicht die geringsten Anforderungen an wirklichen Journalismus, es werden nur ungeprüft Agenturmeldungen herausgehauen und die Agenturmeldungen selbst sind hauptsächlich „Entertainment“ oder Bestätigungen von vorherrschenden Vorurteilen oder so verkürzte Darstellungen, dass von Information nicht die Rede sein kann. Wirklich investigativer Journalismus, wie ihn Michael Moore bringt oder wie es die Veröffentlichungen von Wiki Leaks darstellen, ist sowieso so selten, dass Sie alle diese Journalisten an den Fingern einer Hand abzählen können.

Hintergrund seines Urteils ist: die Aufdeckung einer gezielten Verleumdungskampagne gegen Michale Moore, die selbst nach ihrer Aufdeckung durch Wikileaks in breiter Front fortgeführt wurde. Die leise Tyrannei des monatlichen Gehaltschecks macht es möglich – und es würde auch zu dem Anfangsverdacht passen, das wir uns langsam aber sicher in eine Fassadendemokratie verwandeln, die mitlerweile mittels Lobbyisten in den inneren Kern jeder staatlichen Machtausübung gelangt sind.

Es fragt sich nun, welchen Sinn es eigentlich macht, tagtäglich den Wahn wahrzunehmen, zu beschreiben und die Beschreibung zu verbreiten. Sinnvoller wäre es doch, sich ein gemütliches Leben zu machen und genau dieses Leben so lange zu genießen, bis es eben nicht mehr geht: das Modell Epikur.

Dort, wo Journalismus nur noch Agenturmeldungen nachplappert und mit aller Gewalt den Fassadenputzer erodierender Demokratien darstellt, ist es wichtig, das die Bürger selbst Informationen verbreiten. Früher waren solche Ort die Eckkneipe, der Tante-Emma-Laden, der Sportverein – oder man nagelte einfach Thesen an Kirchtüren. Seitdem hat sich einiges verändert. Es gibt das Internet, das die Eckkneipe und den Tante-Emma-Laden mehr als ersetzen kann – jedenfalls in dieser Hinsicht. Auch die klassische Methode der Flugblätter hat hier eine sinnvolle Ergänzung gefunden, ebenso die Möglichkeit, schnell und problemlos Bürgerversammlungen einberufen zu  können.

Während der Fassadenjournalismus – von seinen eigenen Versorgungsängsten geplagt – sich überall dort als Verputzer der Fassade andient, wo gutes Geld geboten wird, wird es wieder Zeit für die Bürger, die Aufgabe der Information selbst in die Hand zu nehmen um für Aufklärung zu sorgen. Das fällt uns schwerer als hauptamtlichen Meinungsbildnern, weil wir nebenbei noch ein eigenes Vollzeitleben zu führen haben – aber wenn wir als Bürger noch eine Chance haben wollen, geht kein Weg daran vorbei.

Es gibt eine Mehrheit in jedem Volk für Frieden und Wohlstand – und mit etwas Mühe auch für Gerechtigkeit. Friede und Wohlstand sind die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, wo Krieg und Mangel herrschen, kann nichts gedeihen. Das sind Wahrheiten, die von rechts außen bis links außen eine gemeinsame Grundlage bilden (mal von der Sondermeinung psychopathischer Individuen, die sich in Krisenzeiten immer gerne als Führungspersönlichkeiten in den Vordergrund spielen, mal abgesehen). Schützengräben sind für alle Bürger – gleich welcher politischen Richtung oder religiösen Ausprägung sie auch sein mögen – äußerst ungesunde Orte. Bürger meiden sie normalerweise von sich aus – niemand macht gerne Urlaub in Krisengebieten.

Man kann und darf deshalb darauf vertrauen, das der Mensch als solcher eine andere Zukunft will als jene, in die er gerade hineingetrieben wird – um aber zu merken, das er nicht völlig machtlos einem blinden Schicksal ausgeliefert ist, muß er erkennen, das es ganz viele Menschen gibt, die auch nur im Kreise ihrer Lieben in Ruhe alt werden wollen – und das diese Menschen weltweit die absolute Mehrheit bilden.  Doch dazu ist es notwendig, hinauszugehen und sich mitzuteilen – in die Eckkneipe, den Tante-Emma-Laden, auf dem Marktplatz oder eben in sein modernes Äquivalent: dem Internet, dem größten Marktplatz der Welt.

Ebenso ist es notwenig, an der Fassade zu kratzen, denn was hinter der Fassade lauert, kann Hoffnung geben, wie hier bei sein.de:

Der renommierte Wiener Wirtschaftsprofessor Franz Hörmann ­kritisiert die Wirtschaftswissenschaften als politische Propaganda, hält das aktuelle System für gescheitert und erwartet einen fundamentalen Systemwechsel. Der Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien ist fachlich allgemein akzeptiert und beispielsweise Mitglied im Prüfungsausschuss für Wirtschaftsprüfer. Allerdings hat er es gewagt, in einem „Standard“-Interview unser derzeitiges Finanz- und Wirtschaftssystem als ausgedient zu qualifizieren, die Wirtschaftswissenschaften als unwissenschaftlich bzw. als „politische Propaganda“ und die Banken als Betrugssystem zu bezeichnen. Nicht zuletzt steht für Hörmann der finale Systemcrash unmittelbar bevor, vielleicht schon im kommenden Jahr.

Franz Hörmann: Die zurzeit im globalen Wirtschaftssystem beobachtbare Entwicklung stellt meiner Meinung nach keine singuläre, unvorhersehbare Katastrophe dar, die in absehbarer Zeit überwunden werden kann, wobei dann wieder die alten Spielregeln der sogenannten freien Marktwirtschaften gelten. Vielmehr kann die seit Jahrtausenden geübte Praxis der monetären Steuerung einzelner Menschen ebenso wie ganzer Gesellschaften nicht mehr länger aufrechterhalten werden. Ich denke, es handelt sich bereits um die finale Systemkrise und nicht nur um ein vorübergehendes, von Politik und Finanzelite zu lösendes Problem. Wir benötigen daher dringend andere Grundlagen für ein globales, nachhaltiges Gesellschaftssystem.

Die wichtigste Voraussetzung dafür ist zunächst eine ehrliche und tabulose Information sowohl der Finanzeliten als auch der breiten Bevölkerung. Einerseits müssen die Verlust­ängste an der Spitze der Gesellschaftspyramide verstanden und gedämpft werden, andererseits müssen wir verhindern, dass die einfachen Menschen in ihren bisherigen Eliten plötzlich nur noch Gauner und Betrüger sehen und offene Feindseligkeiten ausbrechen.

Aufgabe des Journalismus wäre, die Bürger auf diese Möglichkeit vorzubereiten und Plattformen für Gemeinschaften zu bilden, damit uns das Ende des Systems nicht unvorbereitet trifft. Was geschieht allerdings? Die Fassadenjournalisten rufen offen zur Tötung jener aus, die sich einfach der ehrlichen und tabulosen Information verschrieben haben, wie der Standard berichtet:

In der Sendung „Follow the money“ sprach sich Beckel offen für die Beseitigung Assanges aus. „Wem schadet das: den amerikanischen Bürgern. Die Art und Weise, wie man mit dieser Situation umgehen sollte, ist simpel: Wir haben Spezialeinsatzkräfte – ein toter Mann kann keine Sachen veröffentlichen. Dieser Typ ist ein Verräter, ein Verräter, hat jedes Gesetz der USA gebrochen. Der Typ sollte… – und ich bin nicht für die Todesstrafe – ..so ich würde den Hurensohn (illegal) erschießen.“ Zuspruch erhielt Beckel von Analyst Bo Dietl und Kolummnist Joel Mowbray. „Dieser Typ muss weg“, so Dietl.

Er hat zu sehr an der Fassade gekratzt, die allerdings laut Wirtschaftsfacts sowieso nicht mehr lange aufrecht erhalten werden kann:

Auf Basis eines beständig steigenden Armutsniveaus blicken Millionen von Briten dem Risiko eines Zahlungsausfalls auf ihre Schulden entgegen. Die Regierung wird deshalb bereits seit geraumer Zeit durch verschiedene Organisationen dazu aufgerufen, lokale Banken und Kreditgeber unter Kontrolle zu bringen, die riesige Profite auf dem Rücken der ärmsten Gesellschaftsschichten erwirtschaften. Ab Januar 2011 wird die Regierung überdies mit der Ausgabe von Gutscheinen bzw. Lebensmittelmarken beginnen, um die wachsende Anzahl an Notdürftigen mit einem Minimum an Lebensmitteln zu versorgen.

Gelingt es, die tabulose Aufklärung so weit wie möglich zu verbreiten, gibt es eine gute Chance, dem Wahn auch ohne Kriege ein Ende zu setzen. Geht keiner mehr hin, macht keiner mehr mit, ist der Wahnsinn schnell zu Ende … lauschen wir dazu nochmal Professor Hörmann:

Das hängt davon ab, wie die Bevölkerungsmehrheit diesen Zusammenbruch erlebt und ob er von diesen Menschen tatsächlich als „Zusammenbruch“ (also Crash im negativen Sinne) oder vielleicht sogar eher als positive Entwicklung im Sinne einer Befreiung der Individualität, Kreativität und Spiritualität erfahren werden kann. Wenn wir den einfachen Menschen zeigen, dass Kooperation bessere Resultate zeitigt als Konkurrenz, und ihnen zugleich mehr Entscheidungsfreiheiten (z.B. im Bereich der Zeiteinteilung, Beschäftigungsinhalte, Gestaltung des sozialen und technischen Umfeldes etc.) zugestehen, dann können wir tatsächlich die Chance in der Krise sehen und die längst überfällige Transformation der westlichen Gesellschaft vollziehen.

Gelingt es nicht, in kurzer Zeit möglichst viele Bürger wachzurütteln und zu Wutbürgern werden zu lassen, die gemeinsam konstruktiv an einer lebenswerten Zukunft arbeiten möchten … bleibt halt – wieder mal –  nur noch das Gebet.






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